(19)
(11) EP 0 188 718 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
30.07.1986  Patentblatt  1986/31

(21) Anmeldenummer: 85115514.3

(22) Anmeldetag:  06.12.1985
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4A62D 3/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT CH DE FR GB IT LI

(30) Priorität: 24.12.1984 DE 3447337

(71) Anmelder: Nukem GmbH
D-63434 Hanau (DE)

(72) Erfinder:
  • Maurer, Paul-Gerhard, Dr. Dipl.-Chem.
    D-6451 Neuberg 2 (DE)
  • Neupert, Daniel, Dr. Dipl.-Chem.
    D-8755 Alzenau (DE)

(74) Vertreter: Nowak, Gerhard (DE) 


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(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur chemisch-thermischen Zersetzung von höher halogenierten Kohlenwasserstoffen


    (57) Halogenierte Kohlenwasserstoffe werden chemischthermisch durch eine Umsetzung bei 600 bis 800°C mit Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid zerstört. Eine problemlose Verfahrensweise ergibt sich, wenn das Calciumoxid/Calciumhydroxid bezogen auf das abzubindende Halogen in mindestens zweifachem stöchiometrischen Überschuß vorliegt und es außerdem 2-30 Gew.% Eisenoxid enthält.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur chemisch-thermischen Zersetzung von höher halogenierten Kohlenwasserstoffen durch Umsetzung mit Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid in einem überstöchiometrischen Verhältnis bei Temperaturen von 600 bis 800° C in einem Reaktor.

    [0002] Höher halogenierte Kohlenwasserstoffe werden in Industrie und Forschung sehr häufig eingesetzt. So dienen Fluorkohlenwasserstoffe als Teibgas und Kältemittel und sind Ausgangsstoffe zur Herstellung von chemisch sehr beständigen Kunststoffen. Chlorkohlenwasserstoffe werden in großen Mengen als Entfettungsmittel in metallverarbeitenden Betrieben eingesetzt. Weitere Anwendungsgebiete sind chemisch Reinigungen aller Art. Darüber hinaus sind die Chlorkohlenwasserstoffe, Ausgangsstoffe zur Herstellung von Polymeren, Pestiziden und Herbiziden. Insbesondere die polychlorierten Kohlenwasserstoffe wurden aufgrund ihrer hohen chemischen und thermischen Beständigkeit als Wärmeträgeröle oder Hydraulikflüssigkeiten eingesetzt. Die polychlorierten Biphenyle (PCB) sind typische Vertreter dieser Stoffklasse.

    [0003] Obwohl von der Möglichkeit der Rezyklierung gebrauchter Halogenkohlenwasserstoffe, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist, Gebrauch gemacht wird, fallen in der Bundesrepublik Deutschland jährlich ca. 30.000 bis 40.000 t Chlorkohlenwasserstoffe mit Chlorgehalten> 20 % an, die entsorgt werden müssen.

    [0004] Bei diesen sogenannten Sonderabfällen handelt es sich neben Rückständen aus Rezyklierungsanlagen und Produktionsrückständen auch um Stoffe, deren Verwendung aus sicherheits-und umwelttechnischen Gesichtspunkten immer mehr eingeschränkt wird und die letztendlich einer Entsorgung zugeführt werden müssen. Das bekannteste Beispiel hierfür sind PCB, die in der Vergangenheit hauptsächlich als Trafoöle und als Dielektrika in Kondensatoren eingestzt wurden. Allein durch Austausch dieser Flüssigkeiten gegen Ersatzstoffe rechnet man in der Bundesrepublik in den nächsten zehn Jahren mit jährlich ca. 6.000 t zu entsorgenden polychlorierten Biphenylen.

    [0005] Als Möglichkeit zur Entsorgung von Halogenkohlenwasserstoffen wird derzeit nur die Verbrennung auf See angesehen. Internationale Abkommen (Osloer und Londoner Konvention) zielen jedoch darauf hin, die Verbrennung auf See bis Ende dieses Jahrzehnts gänzlich einzuschränken. Als Alternative dazu bleibt dann nur noch die Verbrennung an Land. Die Verbrennung von Halogenkohlenwasserstoffen, insbesondere fluorierten und höher chlorierten, in bestehenden Sonderabfallverbrennungsanlagen ist problematisch. Die wesentlichen Gründe für die Schwierigkeiten sind die Korrosionsgefahr für die Ausmauerung und die Abgasstrecke durch eine hohe Rohgasbeladung an Halogenwasserstoffen (HF und HC1), die Emissionssituation, insbesondere bei Verbrennung von fluorierten Kohlenwasserstoffen, und der hohe Einsatz an Energie.

    [0006] Besonders durch den Umstand, daß bei unzureichenden Verbrennungsbedingungen bei der Chlorkohlenwasserstoff-Verbrennung hochgiftige polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane gebildet werden können, ist diese Entsorgungspraxis zunehmender Kritik ausgesetzt.

    [0007] In der DE-OS 30 28 193 ist ein Verfahren zur pyrolytischen Zersetzung von Halogene und/oder Phosphor enthaltenden organischen Substanzen beschrieben, wobei diese mit Calciumoxid/Calciumhydroxid in einem überstöchiometrischen Verhältnis gemischt bei Temperaturen von 300 bis 800° C in einem Reaktor umgesetzt werden.

    [0008] Nachteilig bei diesem Verfahren ist es, daß nicht alle Halogenkohlenwasserstoffe problemlos zersetzt werden können. Die notwendigen Temperaturen zur quantitativen Zersetzung der chemisch und thermisch sehr stabilen höher halogenierten Kohlenwasserstoffe, zu denen insbesondere die polychlorierten Biphenyle gezählt werden müssen, liegen über 600° C. Oberhalb dieser Temperatur bilden Mischungen aus Ca0 und Ca (OH)2 mit den entsprechenden Calciumchloriden, Schmelzen. Diese Tatsache bereitet erhebliche Schwierigkeiten, da der notwendige kontinuierliche Feststoffdurchsatz durch den Reaktor dadurch behindert und unter Umständen sogar unmöglich wird. Neben den verfahrenstechnischen Schwierigkeiten führt die Bildung von Schmelzen gleichzeitig zu einer erheblichen Herabsetzung der Zersetzungsrate der halogenierten Kohlenwasserstoffe. Dies ist auf die starke Verringerung der Oberfläche der festen Reaktionspartner zurückzuführen, die bei Gas-Feststoffreaktionen einen wesentlichen Einfluß auf die Reaktion ausüben. Selbst ein starker Überschuß der genannten basischen Verbindungen vermag bei Temperaturen über 600° C eine Schmelzenbildung mit anschließender Verkrustung in der Abkühlphase nicht zu verhindern.

    [0009] Es war daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren zur chemisch-thermischen Zersetzung von höher haloge-. nierten Kohlenwasserstoffen zu entwickeln, durch Umsetzung mit Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid in einem überstöchiometrischen Verhältnis bei Temperaturen von 600 bis 8000 C in einem Reaktor, bei dem sich keine Schmelzen bilden und bei dem die Abgase halogen- und insbesondere dioxinfrei sind.

    [0010] Diese Aufgabe wurde erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß das Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid bezogen auf das abzubindende Halogen in mindestens zweifachem stöchiometrischen Überschuß vorliegt und 2 bis 30 Gew. % Eisenoxid enthält.

    [0011] Vorzugsweise verwendet man einen zwei- bis fünffachen stöchiometrischen Überschuß an Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid, wobei ein Teil der Calciumverbindungen auch durch die entsprechenden Magnesiumverbindungen ersetzt sein kann. Bewährt haben sich Eisenoxidzusätze in der Größe von 3 bis 25 Gew. %, wobei das Eisenoxid als solches oder in Form von eisenoxidhaltigen Substanzen vorliegen kann. Als eisenoxidhaltige Substanz kann beispielsweise der bei der Aluminiumherstellung anfallende Rotschlamm eingesetzt werden, vorteilhafterweise verwendet man jedoch Flugasche aus Feuerungsanlagen.

    [0012] Es hat überraschenderweise gezeigt, daß schon bei einem Anteil von 2 Gew. % Eisenoxid im Calciumoxid oder Calciumhydroxid eine Schmelzenbildung durch entstehendes Calciumchlorid zuverlässig verhindert wird und die nach der Halogenkohlenwasserstoffzersetzung vorliegende Feststoffmischung selbst bei Temperaturen von 8000 C rieselfähig bleibt und beim Abkühlen auch nicht verkrustet.

    [0013] Das zugesetzte Eisenoxid zeigt neben seiner Eigenschaft im vorliegenden Fall Verkrustungen zu verhindern auch katalytische Wirkung auf die chemisch-thermische Zersetzung von Halogenkohlenwasserstoffen. Für die vollständige Zersetzung von höher halogenierten Kohlenwasserstoffen reicht es aus, wenn die eingesetzte Menge an Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid, bezogen auf das abzubindende Halogen, in zweifacher überstöchiemetrischer Menge eingesetzt wird. Gleich gute Ergebnisse lassen sich ohne Zusatz von Eisenoxid nicht erzielen.

    [0014] Da die Reaktion von höher halogenierten Kohlenwasserstoffen mit Caleiumoxid zu Calciumchlorid exotherm ist, kann bei entsprechend hoher Dosierrate der Reaktionspartner eine Wärmeabfuhr notwendig werden. Auf eine über die üblichen Wärmeverluste durch Abstrahlung und Wärmeleitung hinausgehende Wärmeabfuhr durch Kühlung des Reaktormantels kann aber dann verzichtet werden, wenn das Calciumoxid der Reaktionsmischung teilweise durch Calciumhydroxid ersetzt wird.

    [0015] Bei geeignetem Mischungsverhältnis, das bei kontinuierlicher Umsetzung experimentell einfach ermittelt und über geeignete Dosiereinrichtungen eingestellt werden kann, ist auf diese Weise sogar eine autotherme Reaktionsführung möglich. Mit diesem Verfahren ist damit eine kontinuierliche chemisch-thermische Zersetzung von höher halogenierten Kohlenwasserstoffen ohne zusätzlichen Energieeinsatz durchzuführen.

    [0016] Als zusätzliche Möglichkeit zur kostengünstigen Gestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens kann das Eisenoxid durch billigere eisenoxidhaltige Ersatzstoffe ersetzt werden. Als besonders vorteilhaft hat sich die Verwendung von Flugasche herausgestellt. Flugasche fällt in großen Mengen bei der Verbrennung von Steinkohle und Braunkohle in Kraftwerken an und muß ebenfalls einer Entsorgung zugeführt werden, so daß beim Einsatz der Flugasche keine weiteren Kosten entstehen. Typische Gehalte an Eisenoxid in Flugasche betragen 5 bis 18 Gew. %.Flugasche enthält darüber hinaus zum Teil auch noch erhebliche Mengen an Calciumoxid, so daß auch Calciumoxid eingespart werden kann.

    [0017] Die entstehenden gasförmigen Reaktionsprodukte sind halogenfrei. Im Falle der Zersetzung von nicht perhalogenierten Kohlenwasserstoffen enthält das Abgas entsprechende Mengen an Wasserstoff, Methan und evtl. andere teils gesättigte teils ungesättigte niedrige Kohlenwasserstoffe sowie geringe Anteile Kohlenmonoxid. Das Abgas besitzt in diesem Falle noch einen erheblichen Heizwert und kann entsprechend genutzt werden oder auch einfach in einer Nachbrennkammer zu Kohlendioxid und Wasser nachverbrannt werden.

    [0018] Die erfindungsgemäße chemisch-thermische Zersetzung von höher halogenierten Kohlenwasserstoffen durch Reaktion mit Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid und Eisenoxid oder eisenoxidhaltigen Stoffen ist ein sehr umweltverträgliches und kostengünstiges Verfahren zur Entsorgung dieser Substanzen. Eine Bildung von Metaboliten, wie polychlorierten Dibenzodioxinen oder Furanen, erfolgt bei dem genannten Verfahren nicht, so daß auch aus dieser Sicht keine sicherheitstechnischen Bedenken bestehen.

    [0019] Das erfindungsgemäße Verfahren soll am folgenden Beispiel näher erläutert werden:

    Der Reaktor, in dem die chemisch-thermische Zersetzung der Halogenkohlenwasserstoffe durchgeführt wird, ist als Rührbettreaktor gemäß DE-OS 30 28 193 ausgeführt. In diesem Reaktor befinden sich ca. 10 kg einer Kugelschüttung, die auf einem für feinkörnige oder pulvrige Feststoffe durchlässigen Tragrost ruht. Die Kugelschüttung besteht aus Keramikkugeln mit Durchmessern von ca. 16 mm und wird mit einem Wendelrührer umgewälzt. Die Rührerdrehzahl beträgt ca. 2 Umdrehungen pro Minute. Vor Beginn der Halogenkohlenwasserstoff-Einspeisung wird das Rührbett elektrisch aufgeheizt. Nach Erreichen der Betriebstemperaturen von 700 C wird eine Mischung aus 40 % Ca0, 10 % Ca (OH)2 und 50 % Flugasche mit 8 % Eisenoxidgehalt in den Rührbettreaktor von oben mit einer Dosierrate von ca. 500 g/Stunde eindosiert. Nach einer Vorlaufzeit von etwa 10 Minuten wird eine Dosierpumpe eingeschaltet, die die zu zersetzenden Halogenkohlenwasserstoffe über eine getrennte Zuführung in den Reaktor einspeist. Die Abfallösung besteht aus etwa 40 % Dichlormethan und 60 % polychlorierten Biphenylen (PCB). Durch die Rührbewegung der Kugelschüttung werden die Reaktanden sowie die Reaktionsprodukte von oben nach unten durch das heiße Kugelbett hindurchtransportiert.



    [0020] Nach Beendigung des 2-stündigen Versuchs haben sich unterhalb des Tragrosts, über eine Schleuse abgezogen, ca. 1500 g eines pulvrigen Feststoffs in einem Behälter angesammelt. Diese Feststoffmischung enthält vornehmlich überschüssigen gebrannten Kalk und Flugasche sowie Calciumchlorid und Eisenverbindungen.Sie ist frei von organischen Stoffen.

    [0021] Die während des Versuches aus dem Reaktor entweichenden Abgase sind frei von Halogenkohlenwasserstoffen und werden in einer Nachbrennkammer mit leichtem Luftüberschuß nachverbrannt.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur chemisch-thermischen Zersetzung von höher halogenierten Kohlenwasserstoffen durch Umsetzung mit Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid in einem überstöchiometrischen Verhältnis bei Temperaturen von 600 bis 800° C in einem Reaktor,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß das Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid bezogen auf das abzubindende Halogen in mindestens zweifachem stöchiometrischen Überschuß vorliegt und 2 bis 30 Gew. % Eisenoxid enthält.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß ein zwei- bis fünffacher stöchiometrischer Überschuß an Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid verwendet wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 und 2,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß das Calciumoxid und/oder Calciumhydroxid 3 bis 25 Gew. % Eisenoxid enthält.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 1 bis 3,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß das Eisenoxid in Form von Flugasche aus Feuerungsanlagen vorliegt.
     





    Recherchenbericht