[0001] Die Erfindung betrifft eine verformbare dekorative Kunstharz-Schichtpreßstoffplatte
der sogenannten "Postforming Qualität", die aus mehreren miteinander heiß verpreßten,
mit duroplastischen Bindemitteln imprägnierten Trägerbahnen, insbesondere imprägnierten
Papieren, aufgebaut ist, von denen eine oder mehrere Kernlagen bilden, die mit Phenolharz
imprägnierte Papiere sind.
[0002] Bei verformbaren Schichtpreßstoffplatten dieser Art werden als duroplastische Bindemittel
gewöhnlich Formaldehyd-Kondensationsharze, insbesondere Melamin- bzw. Phenolharze
einer Qualität eingesetzt, die nach der Herstellung der Platten im Heißpreßvorgang
bei einer bestimmten meist über der Heißpreßtemperatur liegenden Verformungstemperatur
noch eine gewisse Thermoplastizität aufweisen. Solche Schichtpreßstoffplatten der
"Postforming-Qualität" werden in zunehmendem Maße in der Möbelindustrie zur Beschichtung
von Strukturen, deren zu beschichtende Oberflächen kreiszylindrische Bereiche bzw.
gerundete Kanten aufweisen, eingesetzt; sie werden dazu durch Erhitzen auf Verformungstemperatur
und Biegen über z.B. eine Schablone in ihre endgültige Form gebracht und mit der zu
beschichtenden Oberfläche verleimt.
[0003] Bei den bekannten Schichtpreßstoffplatten der "Postforming Qualität" sind die erzielbaren
Biegeradien nicht kleiner als etwa das 8 - 10 fache der Plattenstärke, sodaß auch
bei sehr dünnen Platten Biegeradien von etwa 3 - 4 mm nicht mehr zu realisieren sind.
[0004] Hier will die Erfindung Abhilfe schaffen. Die Erfindung, wie sie in den Ansprüchen
gekennzeichnet ist, löst die Aufgabe, eine Kunstharz-Schichtpreßstoffplatte der "Postforming
Qualität" anzugeben, bei der eine Verformung um kleinere Biegeradien, nämlich von
etwa 3 - 4 mm, als bei den bekannten Platten dieser Art erreicht wird.
[0005] Als zusätzlicher Vorteil der Erfindung ergibt sich überraschenderweise, daß bei sonst
gleichen Bedingungen, nämlich insbesondere der gleichen Plattenstärke und dem gleichen
Biegeradius,bei der erfindungsgemäßen Schichtpreßstoffplatte höhere Verformungsgeschwindigkeiten
erreicht werden können als bei den bekannten "Postforming" Kunstharz-Schichtpreßstoffplatten.
[0006] Die Erfindung wird nachstehend im Hinblick auf den Stand der Technik sowie anhand
von Beispielen, die unterschiedliche Ausführungswege darstellen, näher erläutert:
[0007] Für die Realisierung der erfindungsgemäßen Kunstharz-Schichtpreßstoffplatte sind
zweierlei Maßnahmen erforderlich:
1. die Auswahl der geeigneten Papiersorte und
2. das Aufbringen eines für den gewünschten Zweck genügend hohen Harzauftrages.
[0008] Eine übliche bekannte dünne Schichtpreßstoffplatte der "Postforming Qualität" besteht
jeweils aus einem Dekoraufbau und dem Kernaufbau.
[0009] Der Dekoraufbau ist je nach Art des Dekors verschieden und besteht z.B. :
a) bei einem gedruckten Dekor aus einem Overlaypapier aus α - Zellulose mit einem
Flächengewicht von 35 g/m2 und einem Harzauftrag von 80 g/m2, sowie - unter diesem angeordnet - einem bedruckten Dekorpapier (80 g/m2) mit 80 g/m2 Melaminharzauftrag, oder
b) bei einem unifarbenen Dekor aus einem durchgefärbten Dekorpapier von 120 g/m2 Flächengewicht und 120 g/m2 Melaminharzauftrag.
[0010] Der Kernaufbau besteht dabei z.B. aus zwei Stk. Natronkraftpapier (180 g/m
2) mit einem Phenolharzauftrag von 70 g/m
2.
[0011] Die zur Imprägnierung dieser Papiere eingesetzten Harze sind jeweils sogenannte "Postforming
Harze", die bei der Verformungstemperatur von etwa 150 bis 200° C plastisch werden.
[0012] Bei solchen bekannten Schichtpreßstoffplatten sind die eingesetzten Kernlagen-Papiere
Natronkraftpapiere, die z.B. bei einer bestimmten Qualität und einem Flächengewicht
von 180 g/m
2 eine nicht sehr hohe Saugfähigkeit aufweisen, was mit einer geringen Luftdurchlässigkeit
(14 - 19 s nach Gurley) und ihrer relativ hohen Dichte von 0,6 g/cm zusammenhängt.
[0013] Im Zuge der erfinderischen Tätigkeit wurde festgestellt, daß man durch den Einsatz
von Papieren einer bestimmten Qualität und höherer Saugfähigkeit als Kernlagenpapiere
anstatt der Natronkraftpapiere verformbare dekorative Schichtpreßstoffplatten geringer
Dicke (etwa zwischen 0,5 und 0,85 mm) herstellen kann, die nach Erwärmung auf eine
Temperatur von etwa 150 bis 200 C um einen Dorn von 6 mm (3 mm Biegeradius) gebogen
werden können, ohne daß in der Dekoroberfläche Risse auftreten. Alle diese Papiere
haben im Vergleich zu Natronkraftpapier geringere Reißlängen, deren Werte weniger
als 4000 m betragen. Eine niedrige Rohpapierdichte von weniger als 0,5 g/cm
2 kann ebenfalls als Anzeichen einer höheren Flauschigkeit und damit einer höheren
Saugfähigkeit gelten.
[0014] Obwohl der Mechanismus der Wirkung der einer geringen Reißlänge entsprechenden geringen
Trockenreißfestigkeit der Kernpapierlagen zur Erzielung einer guten Verformbarkeit
der Schichtpreßstoffplatten nicht völlig geklärt ist, kann doch angenommen werden,
daß durch diese geringe Trockenreißfestigkeit beim Verformen das Auftreten höherer
mechanischer Spannungsspitzen in Mikrobenbereichen der Biegezone vermieden und dadurch
die Neigung zur Rißbildung verringert wird.
[0015] Versuche mit den betrachteten geeigneten Papiersorten haben ergeben, daß der zur
Erreichung eines bestimmten hohen Grades an Verformbarkeit der erzeugten Schichtpreßstoffplatten
erforderliche Mindestharzauftrag bei verschiedenen Papiersorten unterschiedlich sein
kann. Dies sei nun anhand von Beispielen eingehend erläutert.
[0016] In diesen neun Beispielen betreffen die Nr.1 bis 3 den Stand der Technik, Nr.5 einen
Grenzfall, bei dem das angestrebte Ziel nicht erreicht wurde, und Nr.4 bzw. 6 bis
9 erfindungsgemäße Kunstharz-Schichtpreßstoffplatten, deren Kenn- bzw.Prüfdaten in
der angeschlossenen Tabelle zum Vergleich einander gegenübergestellt sind.
[0017] Bei den Schichtpreßstoffplatten gemäß diesen Beispielen wird als Dekoraufbau, wie
eingangs unter Punkt b beschrieben, ein durchgefärbtes Dekorpapier mit 120 g/m
2 Flächengewicht und 120 g/m
2 Melaminharzauftrag eingesetzt.
[0018] Als Kernlagen-Papiere werden für die Beispiele 1 bis 3 Natronkraftpapiere, wie sie
bei der Herstellung von Standard-Qualitäten von Kunstharz-Schichtpreßstoffplatten
üblich sind (in der Tabelle mit NKP angedeutet), für Beispiel 4 Natronkraftpapiere
aus gebleichtem Sulfatzellstoff (GNKP), für die Beispiele 5 und 6 satinierte Zellulosesulfitpapiere
(ZSP) und für die Beispiele 7 bis 9 Baumwollinterspapiere mit 50% Lintersgehalt (BWMP)
mit in der Tabelle jeweils angegebenen Kenndaten zum Einsatz vorgesehen.
[0019] Diese Kernlagen-Papiere werden mit einem Phenol-Formaldehyd-Resol mit dem Molverhältnis
von 1 : 1,3 in einem Imprägnierwerk getränkt und getrocknet, wobei jeweils der in
der Tabelle angeführte Harzauftrag, angegeben in Gew.% aufgenommenes Festharz bezogen
auf das Rohpapiergewicht erzielt wird. Die Trocknung wird dabei so geführt, daß der
volatile Gehalt (Gewichtsverlust des Prüflings bei einer Trocknung während 6 min bei
einer Temperatur von 165° C) ca. 7 % beträgt.
[0020] Zur Herstellung der Schichtpreßstoffplatten werden nun die entsprechenden imprägnierten
Kernpapierlagen mit dem Dekorpapier in einer beheizten Presse bei einer Preßplattentemperatur
von 135°C und einem Preßdruck von 600 - 900 N/cm
2 während 10 min verpreßt. Nach Rückkühlen der Preßplatten bei aufrecht erhaltenem
Preßdruck werden die fertigen Schichtpreßstoffplatten der Presse entnommen.
[0021] Die Prüfung des Grades der Verformbarkeit dieser Platten erfolgt an einem Biegedorngerät
mit einem auf 180
0C aufheizbaren Dorn von 6 mm Durchmesser, in welches Gerät der Plattenprüfling - an
seiner Rückseite den heißen Dorn tangential berührend - eingespannt wird. Für die
Prüfung wird dann der abzubiegende Teil des Prüflings durch ein konstantes Drehmoment,
welches durch verschieden schwere Biegegewichte auf unterschiedliche Werte einstellbar
ist, um den Dorn gebogen und die Biegezeit gemessen, in welcher eine Biegung um einen
Biegewinkel von 90
0 erzielt wird.
[0022] Für die vergleichweise Beurteilung der Verformbarkeit (Nachformbarkeit) von Schichtpreßstoffplatten
kann regelmäßig bei sonst jeweils gleichen Bedingungen eine bessere Verformbarkeit
bei einer Biegung in kürzerer Zeit bei gleichem Biegegewicht oder einer Biegung in
gleicher Zeit bei geringerem Biegegewicht angenommen werden. Die Schichtpreßstoffplatten
gemäß den gegebenen Beispielen weisen alle für Platten dks Typ P nach DIN 16 926.-vor
ge-e schriebenen sonstigen Prüfdaten auf.
[0023] Was die Verformbarkeit bzw. die erreichbare Verformungsgeschwindigkeit anlangt, sind
die Schichtpreßstoffplatten gemäß den Beispielen 2 und 3, 5 und 6 sowie 7 und 8 jeweils
paarweise direkt miteinander vergleichbar, da als Kernlagen-Papiere jeweils solche
derselben Quailität und demselben Flächengewicht eingesetzt werden und im Biegedorngerät
dasselbe Biegegewicht zur Anwendung kommt.
[0024] Bei Einsatz von Natronkraftpapier (NKP) als Kernlagen-Papier kann bei einem Biegegewicht
von 300 g gemäß Beispiel 3 bei einem Harzauftrag von 100 % eine wesentlich geringere
Biegezeit (12 s) erreicht werden als bei 40% Harzauftrag nach Beispiel 2 (65 s). Allerdings
treten in diesen beiden, dem üblichen Stand der Technik entsprechenden Schichtpreßstoffplatten
nach Beispiel 2 und 3 bei der Biegung in den Dekoroberflächen Risse auf.
[0025] Aus dem Vergleich der Beispiele 5 und 6, bei welchen Zellulose-Sulfitpapier (ZSP)
als Kernlagen-Papier eingesetzt ist, sieht man, daß unter Verwendung eines Biegegewichtes
von 200 g bei einem relativ geringen Harzauftrag von 40 % die Platte nicht biegbar
ist, während bei einem Harzauftrag von 100 % eine bereits nicht mehr sehr hohe Biegezeit
von 39 s erreicht wird.
[0026] Bei der erfindungsgemäßen Verwendung eines Baumwollinters-Mischpapieres (BWMP) in
den Kernlagen fällt auf, daß, jeweils bei demselben Biegegewicht von 200 g, schon
bei einem niedrigen Harzauftrag von 40 %(Beispiel 7) die sehr kurze Biegezeit von
17 s erreicht wird, welche sich bei einem Harzauftrag von 100 % (Beispiel 8) noch
weiter auf 12 s erniedrigt.
[0027] Ferner sieht man an den Beispielen einen deutlichen Unterschied in den Reißlängen
der Kernlagenpapiere gemäß dem Stand der Technik ( Beispiele 1 - 3 ) gegenüber denen
in den erfindungsgemäßen Schichtpreßstoffplatten (Beispiele 4 und 6 bis 9 ); bei ersteren
beträgt sie etwa 6300 m, bei letzteren sind ihre Werte um mehr als die Hälfte niedriger,
sie liegen nämlich in jedem Fall unter 3100 m.
1. Verformbare dekorative Kunstharz-Schichtpreßstoffplatte, die aus mehreren miteinander
verpreßten, mit duroplastischen Bindemitteln imprägnierten Papieren aufgebaut ist,
von denen eines oder mehrere Kernlagen bilden, die mit Phenolharz imprägnierte Papiere
sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Kernlagen-Papiere zumindest zum Teil glatte
Papiere hoher Saugfähigkeit mit einer Reißlänge von weniger als 4000 m sind und die
bei ihrer Imprägnierung einen für die Erzielung der gewünschten Verformbarkeit ausreichend
hohen Harzauftrag im Bereich von 35 bis 150 Gew.% Festharz bezogen auf das eingesetzte
Rohpapiergewicht erhalten haben.
2. Verformbare Kunstharz-Schichtpreßstoffplatte nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
daß die Kernlagen- Papiere hohe Saugfähigkeit unsatinierte Papiere sind, deren Rohpapierdichten
weniger als 0,5 g/cm3 betragen.
3. Verformbare Kunstharz-Schichtpreßstoffplatte nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
daß die Kernlagenpapiere Sulfitzellstoffpapiere sind.
4. Verformbare Kunstharz-Schichtpreßstoffplatte nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
daß diese Kernlagenpapiere nach dem Sulfatverfahren hergestellten und nachträglich
gebleichten Zellstoff enthalten.
5. Verformbare Kunstharz-Schichtpreßstoffplatte nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
daß diese Kernlagenpapiere Baumwollinters enthalten.