[0001] In jüngster Zeit werden in der Chemiefaserindustrie verstärkt Antrengungen unternommen,
Synthesefasern mit besonders feinen Titern herzustellen. Derartige feintitrige Fasern,
die in der Regel einen Faserendtiter zwischen 0,4 - 0,8 dtex aufweisen, besitzen gegenüber
herkömmlichen Synthesefasern, z.B. Acrylfasern, die im Titerbereich ab 1,3 dtex liegen,
eine Reihe von Vorteilen wie: hoher Glanz, ansprechender Lüster, Eleganz im Flächengebilde,
weicher Griff, hohe Flexibilität und Schmiegsamkeit sowie hohe Faserfestigkeit, bedingt
durch die hohe Anzahl feiner Fasern im Garnquerschnitt.
[0002] M. Okamato hat in Chemiefasern/Textilindustrie (1979), Heft 1, Seiten 30 - 34 und
Heft 3, Seiten 175 - 178, alle bisher literaturbekannten Verfahren zusammengefaßt.
Wie man dieser Übersicht entnehmen kann, lassen sich feinsttitrige Synthesefasern
hauptsächlich durch apparative Änderungen im Spinnprozeß, wie z.B. durch Flash- und
Blasspinnen durch Scher-, Koagulations-, Schlag- oder Zentrifugalkraftmethoden herstellen.
Bei den konventionellen Spinnmethoden hat nur das Verspinnen von miteinander unverträglichen
Polymermischungen zu Polymerblendfasern mit Matrix/Fibrillen-Struktur Bedeutung erlangt.
Durch Entfernung der Polymermatrix erhält man feinsttitrige Fibrillenfasern, die hauptsächlich
als Syntheseoberleder Verwendung finden.
[0003] Der vorliegenden Erfindung lag die Aufgabe zugrunde, nach einem Trockenspinnverfahren
feinsttitrige Synthesefasern, vornehmlich Acrylfasern, herzustellen.
[0004] Um zu sehr feintitrigen Fasern nach einem solchen Verfahren zu gelangen, muß die
Spinnlösung im Spinnschacht einem hohen Verzug ausgesetzt werden. Der Verzug (V) beim
Spinnen ist definiert als Verhältnis von Abzugsgeschwindigkeit zur Ausspritzgeschwindigkeit

[0005] Die Ausspritzgeschwindigkeit (S) ergibt sich zu
= = Fördermenge in ccm/Min.
Z = Anzahl der Düsenlöcher
d2 = Düsenlochdurchmesser in cm
[0006] Beim herkömmlichen Trockenspinnverfahren von beispielsweise Acrylfäden wird auf die
Spinnlösungen ein Verzug von etwa dem 10- bis 20-fachen ausgeübt. Versucht man derartige
Spinnlösungen unter den angewandten üblichen Spinnbedingungen höher zu verziehen.
so treten Fadenabrisse auf, bis schließlich das Spinnbild im Düsenbereich zusammenbricht.
Somit ist der Erhalt feinsttitriger Fäden und Fasern durch einfache Erhöhung des Verzugs
bei einem Trockenspinnverfahren nicht möglich.
[0007] Es wurde nun überraschend gefunden, daß man auch bei einem Trockenspinnverfahren
die zur Erzeugung von feinen und feinsten Titern erforderlichen hohen Verzüge dennoch
ausüben kann, wenn man zum einen viskositätsstabile Spinnlösungen verspinnt und zum
anderen milde thermische Bedingungen im Spinnschacht wählt, die eine langsamere Verdampfung
des Spinnlösungsmittels bedingen, als in einem herkömmlichen Trockenspinnprozeß üblich.
[0008] Die vorliegende Erfindung betrifft daher ein Verfahren zur Herstellung von Synthesefasern
und -fäden mit Spinneinzeltitern von 3 dtex und darunter aus fadenbildenden synthetischen
Polymeren nach einem Trockenspinnprozeß, das dadurch gekennzeichnet ist, daß viskositätsstabile
Spinnlösungen unter solchen thermischen Bedingungen versponnen werden, die einen Verzug
von mindestens 20, vorzugsweise 30-500, ermöglichen und das so erhaltene Spinngut
in an sich bekannter Weise zu fertigen Fäder oder Fasern weiterbehandelt.
[0009] Nach diesem Verfahren lassen sich Fäden und Fasern der genannten Titerfeinheit erzeugen,
die nicht die beim Trockenspinnen übliche hantelförmigen Querschnitte aufweisen. Die
Erfindung betrifft ebenfalls solche Fäden.
[0010] Das erfindungsgemäße Verfahren ist im Prinzip ein Trockenspinnverfahren, das mit
derselben apparativen Ausstattung durchgeführt werden kann, wie ein Verfahren, nach
dem gröbere Titer gesponnen werden. So kann z.B. mit den üblichen Spinndüsen mit Lochdurchmessern
von ca. 0,15 bis 0,8 mm, vorzugsweise 0,2 bis 0,4 mm, und in üblichen Spinnschächten
gearbeitet werden. Auch die zum Einsatz kommenden Spinnlösungen sind die in dieser
Technik üblichen und weisen Feststoffgehalte von etwa 25 bis 35 % auf. Bei mittleren
K-Werten der Polymerisate von etwa 80 haben die Spinnlösungen damit Viskositäten von
etwa 20 bis 100 Kugelfallsekunden bei 80°C (zur Kugelfallmethode s. K. Jost, Rheologica
Acta (1958) Bd. 1, Nr. 2-3, Seite 303).
[0011] Damit nach dem erfindungsgemäßen Verfahren der hohe Verzug, der vorzugsweise 30 bis
500 beträgt, jedoch auch noch darüber liegen kann, ausgeübt werden kann, ist - in
Abhängigkeit von dem gewünschten Produkt - auf die Einhaltung gewisser Randbedingungen
zu achten. So müssen beispielsweise viskositätsstabile Spinnlösungen eingesetzt werden,
d.h. Spinnlösungen, deren Viskosität (gemessen in Kugelfallsekunden) sich während
der Abspinnzeit, d.h. üblicherweise über Stunden hinweg maximal um 5 %, vorzugsweise
um weniger als 1 %, am besten aber überhaupt nicht ändert. Solche Lösungen haben sich
als besonders hoch verzugsfähig erwiesen, während Spinnlösungen, deren Viskosität
nicht konstant ist, bei hohen Verzügen verstärkt zu Fadenabrissen neigen (vgl. Beispiel
2). Eine viskositätsstabile Spinnlösung läßt sich herstellen, indem die Lösung vor
dem Verspinnen für eine gewisse Zeit auf einer gewissen Mindesttemperatur gehalten
wird.
[0012] Es ist offensichtlich, daß die Zubereitung einer solchen viskositätsstabilen Lösung
von der Natur des verwendeten Polymerisats und der des ausgewählten Lösungsmittels
abhängig ist. Erfindungsgemäß werden vorzugsweise Acrylnitrilpolymerisate versponnen,
insbesondere solche, die aus mindestens 40 Gew.-%, vorzugsweise aus mindestens 85
Gew.-% Acrylnitrileinheiten bestehen. Als Spinnlösungsmittel kommen die bekannten
polaren organischen Lösungsmittel in Betracht, insbesondere Dimethylacetamid, Dimethylsulfoxid,
Ethylencarbonat, N-Methylpyrrolidon, bevorzugt jedoch Dimethylformamid. Im Falle von
Polymerisaten aus 100 % Acrylnitril und bei üblichen K-Werten von z.B. 80 beträgt
die obengenannte thermische Vorbehandlung bei Verwendung von Dimethylformamid (DMF)
als Lösungsmittel mindestens etwa 4 Minuten bei mindestens etwa 140°C. Acrylnitrilpolymerisate
mit einem Gehalt an Comonomeren, wie sie in dieser Technik üblich sind, können bei
etwas niedrigeren Temperaturen von ca. 125-130°C für die genannte Zeitdauer vorbehandelt
werden, um die gewünschte Viskositätsstabilität der Lösung zu erzielen. Je nach Wahl
des Polymerisats und des Lösungsmittels sind einige Vor versuche zur Ermittlung der
optimalen Bedingungen für die thermische Vorbehandlung zur Erzielung der Viskositätsstabilität
empfehlenswert, wenn nicht erforderlich.
[0013] Die oben erwähnte Abhängigkeit der Verfahrensprodukte von den nachstehend erläuterten
Randbedingungen versteht sich wie folgt: Es hat sich gezeigt, daß nach dem erfindungsgemäßen
Verfahren völlig überraschend nicht nur die beim Trockenspinnen üblicherweise erhaltenen
hantelförmigen Faserquerschnitte erhalten werden können, sondern auch kreisrunde,
runde und bohnen- bis nierenförmige, je nachdem, wie die thermischen Bedingungen im
Spinnschacht gewählt werden.
[0014] Was die thermischen Bedingungen im Spinnschacht anbetrifft, so lassen sich hierzu,
wie für den Fachmann offenkundig, nur sehr schwierig absolute Angaben machen, da diese
thermischen Bedingungen z.B. von den physikalischen Daten des gewählten Spinnlösungsmittels
abhängig sind.
[0015] Wird beispielsweise Dimethylformamid alsLösungsmittel verwendet, so kann zu diesen
thermischen Bedingungen im Spinnschacht ganz allgemein gesagt werden, daß die Spinnlösung
eine Temperatur von nicht über 150°C haben sollte, die Spinnschachttemperatur 200°C
nicht übersteigen sollte und die Spinnlufttemperatur höchstens etwa 400°C betragen
sollte.
[0016] Bei niedrigen Spinnlösungstemperaturen lassen sich extrem hohe Verzüge erreichen
und somit sehr feine Titer spinnen. Ganz allgemein kann hierzu wieder gesagt werden,
daß, je niedriger die Spinnlösungstemperatur ist, um so höher der Verzug gewählt werden
kann. Niedrige Spinnlösungstemperaturen setzen jedoch viskositätsstabile Spinnlösungen
voraus, da nur so eine Kältegelierung der Spinnlösung verhindert werden kann. So konnte
beispielsweise aus einer viskositätsstabilen Acrylspinnlösung von 35°
C mit einem Verzug von 457 ein Einzelspinntiter von 0,2 dtex erhalten werden, was nach
einer 3,6-fachen Verstreckung zu Fäden vom Endtiter 0,07 dtex führte (Beispiel 1).
[0017] Was für die Spinnlösungstemperatur festgestellt wurde, gilt im gleichen Maße für die
Schacht- und Lufttemperatur beim erfindungsgemäßen Trockenspinnen fein(st)titriger
Fasern. Niedrige Temperaturen erlauben das Spinnen mit hohen Verzügen infolge schwacher
Lösungsmittelausdampfung (z.B. DMF) im Spinnschacht und somit die Herstellung extrem
feiner Titer. Mit steigendem Spinntiter ab ca. 1 dtex sollten jedoch, wegen des erhöhten
Polymer-Durchsatzes die Spinntemperaturen angehoben werden, um Verklebungen und Fadenabrisse
zu vermeiden.
[0018] Im speziellen wird nach dem erfindungsgemäßen Verfahren immer dann eine nicht hantelförmige
Querschnittsform der feintitrigen Fasern erhalten, wenn man die Spinnbedingungen möglichst
milde wählt, und mit hohen Verzügen arbeitet. Hierzu wird beispielsweise die Spinnlösung
nach der viskositätsstabilisierenden thermischen Behandlung und vor dem Verspinnen
auf Temperaturen von etwa 20°C bis etwa 100°C gekühlt, gleichzeitig die Spinnschachttesperatur
auf einen Wert zwischen etwa 30°C und vorzugsweise unterhalb des Siedepunktes des
verwendeten Lösungsmittels eingestellt und mit Spinnluft bis etwa 300°C gearbeitet.
Mit anderen Worten wird dafür Sorge getragen, daß das Lösungsmittel aus dem aus der
Düse austretenden Lösungsstrom nicht schlagartig oder zumindest verhältnismäßig rasch
zur
Ausdampfung gebracht wird, sondern ganz allmählich und möglichst gleichmäßig über die
gesamte Schachtlänge. Dadurch ergeben sich die für trockengesponnene Fäden und Fasern
völlig ungewöhnlichen kreisrunden bis runden Querschnittsformen. Verlagert man dagegen
die thermischen Spinnbedingungen in die zuvor genannten oberen Bereiche, d.h. verspinnt
man z.B. eine Acrylnitrilpolymerisat/DMF-Spinnlösung, die eine Temperatur von etwa
90-150°C hat, bei Schachttemperaturen von z.B. 150-200°C und Lufttemperaturen von
300°C und mehr, so verdampft das Lösungsmittel zügiger, war zur Folge hat, daß der
Verzug nicht so hoch gewählt werden kann wie im vorigen Fall, so daß die Faserquerschnitte
die bekannte Hantelform zeigen. Werden die Spinnbedingungen auf Werte eingestellt,
die sich im wesentlichen zwischen den zuvor aufgezeigten befinden, so weist auch der
Faserquerschnitt eine Zwischenform auf, z.B. eine Bohnen- oder Nierenform.
[0019] Bei alledem ist selbstverständlich darauf zu achten, daß die Fäden am Schachtausgang
genügend verfestigt sind.
[0020] Diese Erläuterungen zeigen, daß es nach dem erfindungsgemäßen Verfahren möglich ist,
die Feinheit und die Querschnittsform der erhaltenen Fäden zu variieren. Eine solche
Festlegung des Faserquerschnitts kann für den einen oder anderen Einsatzzweck für
die Fasern erwünscht sein.
[0021] Als geeignete Größen zur Beschreibung der entstandenen Querschnittsform haben sich
die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit pro Kapillare in (mg/Sek.) in Verbindung mit der
Verweilzeit der Fäden im Spinnschacht erwiesen. Wie aus zahlreichen Spinnversuchen
hervorging, darf die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit bei einer Sekunde Verweilzeit
im Spinnschacht den Wert von

[0022] nicht überschreiten, wenn noch nicht hantelformige Querschnittsformen erhalten werden
sollen. Bei längeren Verweilzeiten im Spinnschacht, beispielsweise 2 Sekunden, muß
die Verdampfungsgeschwindigkeit geringer und bei kürzeren Verweilzeiten entsprechend
höher sein.
[0023] Abb. 1 zeigt die Kurve, die man erhält, wenn man die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit
in

als Ordinate gegen die Verweilzeit (in Sekunden) im Spinnschacht als Abszisse aufträgt.
Sie ist annähernd eine Hyperbel, welche das Gebiet in hantel- und nichthantelförmige
Faserquerschnittsstrukturen aufteilt. Unter nichthantelförmigen Faserquerschnittsprofilen
werden dabei sowohl bohnen- als auch nierenförmige und runde Querschnittsformen sowie
Übergänge zwischen den einzelnen Profilen verstanden. Wie aus Abb. 1 hervorgeht, stellen
die Werte der Ordinate in Form der DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit ein Maß für die
thermischen Spinnbedingungen wie Schacht-, Luft- und Spinnlösungstemperatur dar, während
die Werte der Abszisse in Form der Verweilzeit der Fäden im Spinnschacht ein Maß für
die mechanischen Spinnbedingungen, wie Abzugsgeschwindigkeit und Schachtlänge, bedeuten.
Jeder Punkt auf der Kurve der Abb. 1 stellt eine bestimmte DMF-Menge dar, wobei der
DMF-Gehalt im Faden je nach Titer unterschiedlich sein kann. Das heißt mit anderen
Worten, der Verlauf der Kurve ist vom Spinntiter unabhängig. Dem Kurvenverlauf ist
ferner zu entnehmen, daß jeweils eine bestimmte DMF-Menge verdampft werden muß, um
die Querschnittsstruktur zu ändern. Diese ist bei niedrigen Verweilzeiten bedeutend
größer als bei längeren Verweilzeiten im Spinnschacht. Andererseits werden unterhalb
einer bestimmten Verdampfungsgeschwindigkeit unabhängig von der Verweilzeit nie hantelförmige
Querschnitte erreicht.
[0024] Die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit pro Kapillare in (mg/Sek.) läßt sich aus der
Differenz zwischen durchgesetzter Spinnlösungsmittelmenge pro Kapillare (mg/Sek.)
und Restlösungsmittelmenge pro Kapillare (mg/Sek.) ermitteln. Dies soll an einer Modellberechnung
für das Beispiel 1 gezeigt werden. Hierbei gilt:
Durchgesetzte Menge an Polymerfeststoff in (g/min): Gesamtspinntiter (dtex) x Abzugsgeschwindigkeit
(m/min) 10 000
[0025] 
Durchgesetzte Menge an Spinnlosungsmittel (g/min):
Polymerfeststoff (g/min) x Soinnlösungskonzentration Feststoffkonzentration
[0026] 
Restlösungsmittelmenge im Spinngut (g/min):
Nach dem Spinnprozeß wurden 9,9 % an Restlösungsmittel DMF bezogen auf Feststoff gefunden.
Es gilt:


x = 0,570 g DMF verbleiben im Spinngut.
DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit (g/min) = 13,765 - 0,570 = 13, 195 ;

Bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens wurde in der Regel mit DMF-Spinnlösungen
mit einem Gehalt von 29,5 Gew.-% Polymerisat gearbeitet. Bei höheren Konzentrationen
ist wie aus Beispiel 6 hervorgeht eine niedrigere Verdampfungsgeschwindigkeit R1 nötig, um nicht hantelförmige Querschnitte zu erhalten. Die Werte folgen der empirischen
Formel:

wobei
C1 DMF = die eingesetzte Konzentration an Spinnlösungsmittel,
C2 DMF = 70,5 Gew.-% DMF und
R2 = die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit
(mg ) für die Spinnlösungskonzentration C2 Sek. Kapillare bedeuten. Den Wert für R2kann man direkt aus der Kurve der Abb. 1
für die entsprechende Verweilzeit im Spinnschacht (in Sek.) entnehmen. Dabei errechnet
sich die Verweilzeit (in Sekunden) der Fäden im Spinnschacht aus der Beziehung

[0027] Für Beispiel 6 errechnet sich demnach die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit R
1 für eine von 70,5 Gew.-% DMF verschiedene Spinnlösungskonzentration, bei der eine
Änderung der Querschnittsform eintritt, wie folgt:


bei 1,16 Sek. Verweilzeit im Spinnschacht.
[0028] Neben der veränderten Faserquerschnittsform feintitriger Fasern, die nach dem erfindungsgemäßen
Verfahren hergestellt worden sind, weisen derartige Fasern mit nicht hantelförmigen
Querschnittsprofilen noch einen außerordentlich hohen Glanz auf. Dies führt zu einer
hohen Eleganz im Flächengebilde von Gebrauchsartikeln. Wie oberflächenmorphologische
Untersuchungen mit dem Rasterelektronenmikroskop zeigen, besitzen die erfindungsgemäßen
feintitrigen Fasern im Gegensatz zu herkömmlich trocken gesponnenen Acrylfasern keine
borkige, fibrillierte Oberfläche mit Riefen begrenzter Länge unter wechselndem Winkel
zur Faserachse. Die feintitrigen Fasern besitzen glatte Oberflächen und parallel zur
Faserachse verlaufende Riefen und Streifungen, die nicht unterbrochen sind, so daß
das Licht gerichtet reflektiert wird. Infolge der größeren Garnfeinheit (Nm 100/1)
zeigen feintitrige Fasern, z.B. bei Interlockware, aus 3-Zylindergarnen einen sehr
weichen Griff gegenüber herkömmlicher Acrylware aus 1,6 dtex Fasern. Dies ist besonders
für hautnah getragene Artikel von hohem Gebrauchswert.
[0029] Im Falle der Nachbehandlung von feintitrigem Spinngut hat es sich als äußerst günstig
erwiesen, das Spinngut vor dem Streckprczeß durch Hindurchleiten durch Wannen mit
warmer Waschflüssigkeit, vorzugsweise Wasser, auf ca. 79-80°C aufzuwärmen, um eine
gleichmäßigere Verstreckung zu erzielen. Das feintitrige Spinngut läßt sich auf übliche
Weise durch Waschen-Strecken-Präparieren-Trocknen-Kräuseln-Schneiden zu fertigen Acrylfasern
nachbehandeln. Wegen der großen Titerfeinheit der Fäden, besonders bei Spinntiter
kleiner 1 dtex, ist es ferner vorteilhaft, die Verstreckung in Stufen vorzunehmen.
[0030] Das erfindungsgemäße Verfahren ist nicht allein auf die Herstellung feinster Titer
aus Acrylfasern beschränkt. Ebenso lassen sich lineare, aromatische Polyamide, die
gegebenenfalls noch heterocyclische Ringsysteme, wie z.B. Benzimidazole, Oxazole,
Thiazole usw., aufweisen und die nach einem Trockenspinnverfahren herstellbar sind,
wie beispielsweise das Polyamid aus m-Phenylendiamin und Isophthalsäure, nach dem
erfindungsgemäßen Verfahren zu feinsten Titern verspinnen.
[0031] Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren ist es erstmals möglich, Fasern mit extrem feinen
Endtitern von z.B. 0,1 dtex auch in größerem Tonnen-Maßstab herzustellen.
[0032] Die Titerbestimmung nach der gravimetrischen Methode ist bei feinen Titern ( < 0,5
dtex) sehr ungenau. Die Titerbestimmung erfolgte deshalb nach der mikroskopischen
Methode durch Ermittlung des Fadendurchmessers "d" mit dem Okularmikrometer nach DIN
53 811 gemäß der Formel:

[0033] Literatur: Chemiefasern (1975), Heft 7. Seite 593.
[0034] Die folgenden Beispiele dienen der näheren Erläuterung der Erfindung. Teil- und-Prozentangaben
beziehen sich, wenn nicht anders vermerkt, auf das Gewicht.
Beispiel 1
[0035] 70,5 kg Dimethylformamid (DMF) wurden mit 29,5 kg eines Acrylnitrilcopolymerisates
aus 93,6 % Acrylnitril, 5,7 % Acrylsäuremethylester und 0,7 % Natriummethallylsulfonat
vom K-Wert 81 unter Rühren vermischt und in einem 60 cm langen, doppelwandigen Rohr
von 8 cm innerem Durchmesser mit Dampf von 3,2 bar Druck erhitzt. Die Temperatur der
Lösung, welche eine Feststoffkonzentration vcn 29,5 Gew.-% aufwies, betrug am Rohrausgang
135°C. Im Rohr befanden sich mehrere Mischkämme zur Homogenisierung der Spinnlösung.
Die Spinnlösung wurde nach Verlassen der Aufheizvorrichtung filtriert und dem Spinnschacht
zugeführt. Die Verweilzeit von der Aufheizvorrichtung bis zur Spinndüse betrug 8 Min.
Die Spinnlösung besaß eine Viskosität von 30 Kugelfallsekunden gemessen bei 80°C.
Dieser Wert blieb bei Messungen nach 1, 3 und 5 Stunden unverändert. Die
Spinnlösung wurde anschließend auf 35°C abgekühlt und aus einer 720 Lochdüse mit Düsenlochdurchmessern
von 0,2 mm trockenversponnen. Die Schachttemperatur betrug 50°C, die Lufttemperatur
200°C und die Luftmenge 40 m
3/h. Die Abzugsgeschwindigkeit war 400 m/min. Die Verweilzeit der Fäden im Spinnschacht
betrug 0,87 Sekunden. Aus der Spinnpumpe wurden 19,8 ccm/min gefördert. Der Gesamtspinntiter
betrug 144 dtex und der Restlösungsmittelgehalt des Spinn
gutes an DMF lag bei 9,9 Gew.-% bezogen auf Polymerfeststoff. Die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit
berechnet sich hiernach zu 0,305 mg Der [Sek.Kapillare]
[0036] Einzelspinntiter lag bei 0,2 dtex. Der Verzug V betrug 457. Die Fäden wurden am Schachtausgang
mit ölhaltiger Präparation benetzt, auf Spulen aufgewickelt, zu einem Kabel gefacht,
in kochendem Wasser 1:3,6-fach verstreckt und auf übliche Weise zu Fasern vom Einzelendtiter
0,07 dtex nachbehandelt.
[0037] Zur mikroskopischen Beurteilung der Querschnittsgeometrie wurden die Faserkapillaren
in Methacrylsäuremethylester eingebettet und quergeschnitten. Die im differentiellen
Interferenzkontrastverfahren hergestellten lichtmikroskopischen Aufnahmen zeigten,
daß die Probenquerschnitte vollkommen gleichmäßig und rund sind. Der Titerwert wurde
aus dem Fadendurchmesser d = 2,8 µm mit der vorgegebenen Dichte = 1,17 g/cm
3 errechnet. Der mittlere Fadendurchmesser wurde mit dem Fasermeßokular bestimmt. Die
Fasern besaßen einen außerordentlich hohen Glanz. Bei Untersuchungen im Rasterelektronenmikroskop
zeigten die Fasern glatte Oberflächen mit längsgestreiften Riefen. Die Streifungen
wiesen einen vollkommen parallelen Verlauf zur Faserachse auf und waren im Gegensatz
zu denen bei herkömmlichen Acrylfasern nicht unterbrochen.
Beispiel 2 (Vergleich)
[0038] Ein Teil des Ansatzes aus Beispiel 1 wurde in der Aufheizvorrichtung bei 80°C anstatt
bei 135°C gelöst und die Viskosität der Spinnlösung nach der Filtraticn bei 80°C bestimmt.
Die Spinnlösung hatte eine Viskosität von 76 Kugelfallsekunden. Bei Reproduktionsmessungen
betrug die Viskosität nach 1 Stde. 72, nach 3 Stdn. 67 und nach 5 Stdn. 64 Kugelfallsekunden.
Die Spinnlösung wies somit eine abnehmende Viskosität auf. Die Spinnlösung wurde nach
der Filtration wieder auf 35'C abgekühlt und aus einer 720-Lochdüse, wie in Beispiel
1 beschrieben, zu Fäden trockenversponnen. Es traten wiederholt Fadenabrisse im Düsenbereich
auf. Wie lichtmikroskopische Querschnittsaufnahmen zeigten, lagen auch zahlreiche
Titerschwankungen vor.
Beispiel 3
[0039] Ein Acrylnitrilcopolymerisat, mit der chemischen Zusammensetzung von Beispiel 1,
wurde, wie dort beschrieben, in D
MF gelöst, filtriert und die Spinnlösung vor der Düse auf 40°C abgekühlt. Dann wurde
aus einer 720-Lochdüse mit Düsenlochdurchmesser von 0,2 mm trockenversponnen. Die
Schachttemperatur betrug 50°C, die Lufttemperatur 200°C und die Luftmenge 40 m
3/h. Die Abzugsgeschwindigkeit war 250 m/min und die Verweilzeit der Fäden im Spinnschacht
betrug 1,39 Sekunden. Aus der Spinnpumpe wurden 52,8 ccm/ min gefördert. Der Gesamtspinntiter
war 648 dtex. Der Restlösungsmittelgehalt im Spinngut betrug 10,8 %. Die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit
lag bei 0,856

. Der Einzelspinntiter lag bei 0,9 dtex.
[0040] Der Verzug betrug 107. Die Fäden wurden am Schachtausgang wiederum mit ölhaltiger
Präparation benetzt, auf Spulen aufgewickelt, zu einem Kabel gefacht, in kochendem
Wasser 1:3,6-fach verstreckt und auf übliche Weise zu Fasern vom Endtiter 0,3 dtex
nachbehandelt. Die Faserquerschnitte waren wiederum vollkommen gleichmäßig und kreisrund.
Die Fasern besaßen ebenfalls wieder einen sehr hohen Glanz und zeigten im Rasterelektronenmikroskop
eine glatte Oberfläche mit parallel zur Faserachse längsgestreiften Riefen.
Beispiel 4
[0041] Ein Acrylnitrilcopolymerisat mit der chemischen Zusammensetzung aus Beispiel 1 wurde
wie dort beschrieben in DMF gelöst. Die Spinnlösung wurde anschließend filtriert,
auf 90°C abgekühlt und aus einer 720-Lochdüse mit Düsenlochdurchmesser von 0,2 mm
trockenversponnen. Die Schachttemperatur betrug 150°C, die Lufttemperatur 200°C und
die Luftmenge 40 m
3/h. Die Abzugsgeschwindigkeit war 180 m/min. Es wurde an einem kürzer dimensionierten
Spinnschacht gesponnen, so daß sich eine Verweilzeit von 1,66 Sek. ergab. Aus der
Spinnpumpe wurden 82,8 ccm/Min. gefördert. Der Gesamtspinntiter war 1304 dtex. Der
Restlösungsmittelgehalt im Spinngut lag bei 13,5 %. Die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit
betrug 1,225

[0042] Der Einzelspinntiter lag bei 1,8 dtex. Der Verzug betrug 48. Die Fäden wurden unter
1:4,0-facher Verstreckung zu Fasern vom Endtiter 0,6 dtex nachbehandelt. Die Fasern
besaßen ein rundes bis schwach bohnenförmiges Querschnittsprofil. Ihr Glanz war wiederum
außerordentlich hoch. Im Rasterelektronenmikroskop konnten wieder an der Oberfläche
parallel zur Faserachse verlaufende Riefen und Streifungen beobachtet werden, die
keine Unterbrechungen aufwiesen.
[0043] In der folgenden Tabelle wird durch Spinnversuche die Abhängigkeit der Querschnittsform
von der DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit in

demonstriert. Mit steigendem Spinntiter müssen die Energieverhältnisse im Spinnschacht
angehoben werden, da mit steigendem Lösungsdurchsatz mehr Spinnlösungsmittel verdampfen
muß, um eine Fadenverfestigung zu erhalten. Das Spinngut wurde jeweils 1:3,6-fach
in kochendem Wasser verstreckt und wie üblich nachbehandelt. Die Einzelspinn- und
Einzelendtiter wurden wiederum nach der lichtmikroskopischen Methode ermittelt und
die Querschnittsformen anhand lichtmikroskopischer Aufnahmen nach dem differentiellen
Interferenzkontrastverfahren bestimmt. Die unterschiedlichen Verweilzeiten im Spinnschacht
wurden neben unterschiedlichen Abzugsgeschwindigkeiten auch durch andere Schachtlängen
erzielt. Wie man der Tabelle entnehmen kann, entstehen von der Hantelform abweichende
Querschnittsformen vornehmlich bei Spinntitern kleiner 3 dtex. Wie die Beispiele 12
und 17 zeigen, lassen sich jedoch auch bei Spinntitern ab 3,0 dtex und feiner hantelförmige
Faserquerschnitte herstellen, wenn man nur die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit in

hoch genug wählt. Man hat daher mit dieser Meßgröße, wie bereits erwähnt, einen geeigneten
Parameter in der Hand, die Querschnittsform festzulegen.
[0044]

Beispiel 5
[0045] a) Ein Acrylnitrilcopolymerisat mit der chemischen Zusammensetzung von Beispiel 1
wurde wie dort beschrieben in DMF gelöst, filtriert und die Spinnlösung vor der Düse
auf 112°C gehalten. Dann wurde aus einer 1050-Lochdüse mit Düsenlochdurchmesser von
0,25 mm trockenversponnen. Die Schachttemperatur betrug 150°C, die Lufttemperatur
260°C und die Luftmenge 40 m3/h. Die Abzugsgeschwindigkeit war 300 m/min und die Verweilzeit
der Fäden im Spinnschacht betrug 1,76 Sekunden. Aus der Spinnpumpe wurden 193,2 ccm/
min gefördert. Der Gesamtspinntiter war 1903 dtex. Der Restlösungsmittelgehalt im
Spinngut betrug 8,3 %. Die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit lag bei 2,090

Der Einzelspinntiter lag bei 1,81 dtex.
[0046] Der Verzug betrug 80. Die Fäden wurden am Schachtausgang wiederum mit ölhaltiger
Präparation benetzt, auf Spulen gesammelt, zu einem Kabel gefacht, in kochendem Wasser
1:4,0-facin verstreckt und auf übliche Weise zu Fasern nachbehandelt. Der Faserendtiter
lag bei 0,56 dtex. Die Fasern zeigen die typische Hantelform.
[0047] b) Ein Teil des Ansatzes aus Beispiel 5a wurde nach dem Löse- und Filtrationsvorgang
vor der Düse auf 40°C abgekühlt und aus einer 1050-Lochdüse mit Düsenlochdurchmesser
von 0,25 mm trockenversponnen. Die Schachttemperatur betrug 190°C, die Lufttemperatur
380°C und die Luftmenge 40 m
3/h. Die Abzugsgeschwindigkeit war 250 m/min und die Verweilzeit der Fäden im Spinnschacht
betrug 2,11 Sekunden. Aus der Spinnpumpe wurden 161 ccm/min gefördert. Der Gesamtspinntiter
war 1891 dtex. Der Restlösungsmittelgehalt im Spinngut war 8,8 %. Die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit
lag bei 1,727

Der Einzelspinn- titer lag bei 1,80 dtex. Der Verzug war 80. Die Fäden wurden wie
in Beispiel 5a beschrieben nachbehandelt. Der Faserendtiter lag bei 0,58 dtex. Die
Fasern zeigen wiederum die typische Hantelform.
[0048] c) Ein Teil des Ansatzes aus Beispiel 5 wurde in der Aufheizvorrichtung bei 80°C
anstatt bei 135°C gelöst, filtriert und die Spinnlösung vor der Düse wieder auf 112°C
gehalten. Dann wurde wie in Beispiel 5a beschrieben versponnen. Die Fäden ließen sich
nicht anlegen. Es kam ständig zu Abrissen unterhalb der Düse.
[0049] d) Ein weiterer Teil des Ansatzes wurde in der Aufheizvorrichtung bei 80°C anstatt
bei 135°C gelöst, filtriert und die Spinnlösung auf 40°C abgekühlt. Die Lösung hatte
bei 50°C eine Viskosität von 235 Kugelfallsekunden. Bei 40°C stieg die Viskosität
auf 356 Kugelfallsekunden an, und die Lösung wurde trübe. Beim Versuch, eine derartige
Lösung wie in Beispiel 5a beschrieben zu verspinnen, konnten keine Fäden erhalten
werden. Es kam ständig zu Abrissen unterhalb der Düse.
Beispiel 6
[0050] 35 kg eines Acrylnitrilcopolymerisates mit der chemischen Zusammensetzung aus Beispiel
1 wurden wie dort beschrieben in 65 kg DMF gelöst. Die Spinnlösung wurde anschließend
filtriert, auf 35°C abgekühlt und aus einer 360-Lochdüse mit Düsenlochdurchmesser
von 0,3 mm trockenversponnen. Die Schachttemperatur betrug 50°C, die Lufttemperatur
200°C und die Luftmenge 40 m
3/h. Die Abzugsgeschwindigkeit war 300 m/min. Die Verweilzeit im Spinnschacht betrug
1,16 Sekunden. Aus der Spinnpumpe wurden 126,8 ccm/ min gefördert. Der Gesamttiter
war 1391 dtex. Der Restlösungsmittelgehalt im Spinngut lag bei 35,5 %. Die DMF-Verdampfungsgeschwindigkeit
betrug 2,902

. Der Einzelspinntiter lag bei 3,86 dtex. Der Verzug betrug 60. Die Fäden wurden unter
1:4,0-facher Verstreckung zu Fasern vom Endtiter 1,2 dtex nachbehandelt. Die Fasern
besitzen ein hantelförmiges Querschnittsprofil. Während bei 70,5 %iger S
pinnlösungskonzentration der Übergang der Querschnittsform von runder zur Hantelform
bei 1,16 Sek. Verweilzeit im Spinnschacht nach Abb. 1 erst bei einer Verdampfungsgeschwindigkeit
von 3,05

[0051] zu erwarten ist, erfolgt somit der Übergang der Querschnittsform von rund nach hantelförmig
bei einer 65 %igen Spinnlösungskonzentration gemäß

bereits viel früher.