[0001] Cellulosehaltige Materialien kommen in großer Zahl und Vielfalt in der Natur vor.
Ein bekanntes derartiges natürliches cellulosehaltiges Material ist z.B. das Holz.
Es besteht im wesentlichen aus Cellulose (einem hauptsächlich aus Glucose aufgebauten
Material), Hemicellulose (einem hauptsächlich aus Pentosen und Hexosen aufgebauten
Stoff) und Lignin (einer polymeren Substanz mit aromatischen, durch Methoxygruppen
substituierten Ringen). Die Verwertung von Holz geschieht auf mannigfache Weise, z.B.
zur Wärmeerzeugung (Verfeuern), als Baustoff auf den Möbel- und Baustoffsektor etc.;
auch eine rein chemische Verwertung des Holzes ist möglich.
[0002] Chemische Aufschlußverfahren, die nicht nur die Auftrennung des Holzes in seine Bestandteile,
Hemicellulose, Cellulose und Lignin, bewirken, sondern auch deren Abbau und Umwandlung,
sind schon lange bekannt. Die chemischen Verfahren liefern in der Regel wäßrige Lösungen
von mono-, di- und oligomeren Sacchariden, die evt. einer Nachhydrolyse zu Glucose
unterzogen oder direkt der Vergärung zu Ethanol, der Aufkonzentrierung oder dem Eindampfen
zur Trockne unterworfen werden können. Mögliche Anwendungsbereiche so gewonnener Produkte
liegen z.B. auf dem Gebiet der Viehfuttcr-Zusätze oder bevorzugt dem der Fermentationsrohstoffe.
[0003] Unter den chemischen Verfahren zur Holzverzuckerung sind in der Vergangenheit zwei
Prinzipien großtechnisch angewandt worden: der Holzaufschluß mit konzentrierter wäßriger
Salzsäure (Bergius-Rheinau-Udic) und der Aufschluß mit verdünnter Schwefelsäure (Scholler-Tornesch-Madison);
siehe hierzu z.B. Ullmanns Encyclopädie der technischen Chemie, 3. Aufl., Bd. 8 (1957),
S. 591 ff.
[0004] Der Aufschluß von Cellulose-haltigen Rohstoffen mit wasserfreier Flußsäure ist ebenfalls
bereits mehrfach untersucht worden. Hier haben aber alle bisher bekannt gewordenen
Verfahren noch zu keiner technisch befriedigenden Lösung geführt. In derDE-PS 560
535 wird der Aufschluß von Holz mit flüssigem oder dampfförmigem reinem HF bei niedrigen
Temperaturen beschrieben, wobei die Rückführung der HF über Abdampfen oder Abblasen
und anschließende Kondensation erfolgt. In Weiterführung dieser Arbeiten wird in der
DE-PS 585 318 ein Verfahren zum Aufschluß von Holz mit gasförmigem Fluorwasserstoff
beschrieben, welches dreistufig über eine Absorption von HF auf Holz bei 10 ° - 20
°C, dem Aufschluß bei 20 ° - 50 °C und der Desorption bei 100 ° - 150 °C arbeitet,
wobei die HF mit einem Inertgasstrom verdünnt sein kann. Nachteilig wirkt sich hier
der Kühlaufwand zur Kondensation der HF aus,sowie die Tatsache, daß beim Aufkondensieren
zunächst eine nur sehr ungleichmäßige Verteilung des Fluorwasserstoffes auf dem Reaktionsgut
zustandekommt, ein Umstand, dem nur durch sehr lange Verweilzeiten oder starke Erhöhung
des Fluorwasserstoff-Einsatzes entgegengewirkt werden kann, anderenfalls die Ausbeuten
stark beeinträchtigt werden.
[0005] In der DE-PS 606 009 wird eine Extraktion mit flüssiger HF beschrieben, welche aber
große HF-Mengen erfordert und mit dem Nachteil behaftet ist, daß zur Verdampfung des
Fluorwasserstoffes aus dem Extrakt und Extraktionsrückstand (Lignin) große Wärmemengen
zu-, und bei der anschließenden Kondensation wieder abgeführt werden müssen.
[0006] Genauere Angaben über Ausbeuten bei Verfahren dieser Art finden sich in Angew.Chem.
46 (1933). 113/7, wobei bei der Absorption der HF aus der Gasphase in einem Gefäß
unter Außenkühlung von 0 °C bei einer Beladung von 50 Gew.-% HF bez. auf Holz 32 %
Zucker bez. auf vorhandene Kohlehydrate und bei 100 Gew.-% Beladung 86 % Zucker bez.
auf Kohlenhydrate erzielt wird. Ueber die Rückführung der HF sind dort keine weiteren
Angaben gemacht.
[0007] All diese Verfahren besitzen den Nachteil, daß sie große Mengen der teuren Flußsäure
verbrauchen, wobei die Wiedergewinnung von HF aus den Reaktionsprodukten sehr kostspielig
ist und in der Praxis große HF-Verluste eintreten.
[0008] Ein weitergehendes Verfahren wird in der AT-PS 147 494 beschrieben, wobei dort der
bisherige Stand der Technik foJ.gendermaßen dargestellt wird: "Arbeitet man mit hochkonzentrierter
oder wasserfreier Flußsäure in flüssigem oder gasförmigem Zustande bei niederen Temperaturen,
so geht der Abbau des Holzes nur sehr ungleichmäßig und daher unvollkommen vor sich.
Zunächst ist bei so niederen Temperaturen die Verteilungsform des Fluorwasserstoffes,
der als feiner Nebel in der Luft vorhanden ist, eine sehr ungleichmäßige, um so mehr,
als die vorhandene Luft die Gleichmäßigkeit der Reaktion erschwert. Anderseits ist
bekannt, daß bei der Verzuckerung von Holz mit konzentriertem Fluorwasserstoff sowohl
im flüssigen als auch im gasförmigen Zustande die Holzteilchen rasch an der Oberfläche
mit dem konzentrierten Fluorwasserstoff reagieren, eine harte, ziemlich undurchdringliche
Haut bilden und zusammsnschrumpfen, wodurch das weitere Eindringen des Gases in das
Innere gehemmt wird. Ueberdies wird die Durchdringung der Holzteilchen schon durch
die in den Zellen vorhandene Luft erschwert. Es bildet sich also sehr rasch eine äußere
Kruste, welche unverzuckertes Material einschließt und eine weitere Verzuckerung verhindert.
Zur Beseitigung dieser übelstände hat man auch bereits vorgeschlagen, den Aufschluß
mit konzentrierter flüssiger Flußsäure nach einem Extraktionsverfahren durchzuführen
oder die Krustenbildung durch Zumischung inerter Gase zur Flußsäure zu vermeiden,
um dadurch einen gleichmäßigeren und vollständigeren Aufschluß zu erzielen. Das Extraktionsverfahren
arbeitet jedoch mit einem unverhältnismäßig hohen Flußsäureüberschuß, und das Reaktionsgut
hält große Flußsäuremengen zurück, ohne die Krustenbildung mit all ihren Nachteilen
zu verhindern. Die Verdünnung mit inerten Gasen kann die Krustenbildung zwar etwas
vermindern, aber nie aufheben und auch nicht dazu führen, daß das Gas gleichmäßig
in das Innere des Holzes eindringt, da ja das Holz mit Luft erfüllt ist. Denn bekanntlich
besteht Holz nur zum geringsten Teile aus Holzmasse selbst und zum weitaus größten
Teile aus Luft, die sich zwischen und in den Holzzellen befindet. Ein praktisch wasserfreies
Holz besteht bei- spielsweise aus zirka 15 % Holzmasse und zirka 85 % Luft. Da die
Holzzellen im Verhältnis zu der Größe eines noch so weitgehend zerkleinerten Holzes
außerordentlich klein sind, spielt selbst bei Sägespänen der Luftgehalt eine überragende
Rolle.
[0009] Verhärtungen der Oberfläche von Holzteilchen scheinen auch bei der Holzverzuckerung
mit wäßrigen Mineralsäuren wie wäßriger Salz- oder Schwefelsäure festgestellt worden
zu sein, weil etwa in Z. Angew. Chem. 37 (1924) 221 die im Holz vorhandenen Stoffe
wie Lignin, Mannan, Galaktan etc. als "Inkrusten" bezeichnet werden, welche auch wegen
störender Abbauprodukte (Furfurol, Essigsäure, Ameisensäure etc. ) möglichst vor der
eigentlichen Holzverzuckerung zu entfernen waren. Für die Entfernung hätte man - da
die Hydrolysierbarkeit dieser "Inkrusten" bekannt war - auch im Falle der Holzverzuckerung
mittels Fluorwasserstoff an eine Art "Vorhydrolyse" mit verdünnter Mineralsäure bei
erhöhter Temperatur und gegebenenfalls erhöhtem Druck denken können. Jedoch war eine
derartige Vorhydrolyse nicht in Betracht gezogen worden; vielmehr wurde zur Vermeidung
der oben geschilderten Nachteile von Hoch und Bohunek vorgeschlagen, bei der Holzverzuckerung
mit Fluorwasserstoff Vakuum von ca. 30 Torr anzulegen [AT-PS 147 494 + Zusatz 151
241; das Holzverzuckerungsverfahren mit Fluorwasserstoff nach Hoch und Bohunek ist
auch beschrieben in der Zeitschrift "Holz Roh- und Werkstoff" 1, S. 342-344 (193817.
[0010] Nachteile dieser Verfahren sind die beim Arbeiten im Vakuum zwangsläufig auftretenden
Schwierigkeiten der techn. Realisierung, sowie der relativ komplizierten Reaktionsführung.
Ein allen Verfahren anhaftender Mangel ist das Entstehen von Gemischen aus Pentosen
und Hexosen durch gleichzeitige Hydrolyse der Hemicellulosen und der Cellulose des
Holzes.
[0011] Ein weiteres Problem ist die Abtrennung der bei der Hydrolyse von Hemicellulose entstehenden
Essigsäure, welche die möglichst verlustfreie "im Kreis-Fülzrung" der HF erschwert,
sowie die leichte Zersetzung der Pentosen zu Furfurol.
[0012] Ueberraschenderweise wurde nun gefunden, daß diese beschriebenen Nachteile des Standes
der Technik vermieden werden können und eine leichte Verzuckerung von Cellulose möglich
ist, wenn man die pflanzlichen Materialien nicht in ihrer nativen Form, sondern nach
einer Vorbehandlung in Form von "Cellolignin" mit wässerfreier, gasförmiger HF aufschließt.
[0013] Unter "Cellolignin" werden hier pflanzliche Materialien wie Holz, Stroh, Bagasse
und ähnliche Rohstoffe verstanden, welche einer an sich bekannten Vorhydrolyse unterworfen
waren.
[0014] Diese an sich bekannte Vorhydrolyse des Holzes besteht aus einer relativ kurzzeitigen
Behandlung mit stark verdünnter Mineralsäure bei höheren Temperaturen und Drücken,
wobei im wesentlichen die in den Hemicellulosen enthaltenen Pentosane und Hexosane
bis zu den Monomereinheiten, wie z.B. Xylose oder Mannose, gespalten werden. Diese
sind je nach den Reaktionsbedingungen anschließend als solche isolierbar oder gehen
weitere Veränderungen ein, z.B. Dehydratisierung zum Furfurol bzw. Hydroxymethylfurfurol
(vgl. Ullmann, loc. cit., Bd. 7 (1957), S.711). Abgesehen von der Vergärung, sei als
weiteres Beispiel für eine technische Verwendung von Hemicellulose-Abbauprodukten
die Reduktion von Xylose zu Xylit genannt. Es ist also möglich, bereits vor Anwendung
des erfindungsgemäßen Aufschlußverfahrens Wertprodukte aus Holz durch Vorhydrolyse
zu gewinnen.
[0015] Weiterhin wird hier unter Cellolignin auch Papiermaterial (z.B. Altpapier),welches
arm an Hemicellulosen ist,verstanden. Bei der Vorhydrolyse von Holz bleibt dessen
Struktur weitgehend erhalten, das so gewinnbare Cellolignin besitzt jedoch eine gegenüber
dem nativen Zustand viel mürbere und porösere Beschaffenheit, so daß HF, auch im Gemisch
mit Luft oder einem anderen inerten Trägergas, leicht eindringen kann, ohne daß eine
Verkrustung der Oberfläche eintritt. Ein Arbeiten im Vakuum ist nicht nötig.
[0016] Als weiterer Vorteil des Einsatzes von Cellolignin an Stelle von nativem Holz fällt
ins Gewicht, daß dabei das Reaktionsgut verfahrenstechnisch bedeutend einfacher zu
handhaben ist. Dies rührt einerseits daher, daß Cellolignin gegenüber Holz gleicher
Korngröße ein nur ca. halb so großes Schüttvolumen und damit beim Aufschluß mit Fluorwasserstoffgas
einen bedeutend kleineren Schrumpfungsgrad aufweist, was z.B. für die Dimensionierung
von Reaktoren eine große Erleichterung bedeutet. Zum anderen bleibt Reaktionsgut aus
Cellolignin auch in mit Fluorwasserstoff beladenem Zustand schüttbar und rieselfähig,
wohingegen solches aus nativem Holz durch harzige Begleitstoffe, sowie Spaltprodukte
der Hemicellulosen stark zum Verkleben neigt und schwierig zu fördern ist.
[0017] Naturgemäß erschwert eine solche Neigung zum Verkleben auch die Fluorwasserstoff-Desorption,
insbesondere wenn diese rasch und möglichst quantitativ verlaufen soll. Dies ist jedoch
bei Verwendung von Cellolignin als Substrat ohne weiteres möglich.
[0018] Weiterhin ist bei diesem Verfahren eine Abtrennung der bei Hydrolyse von Hemicellulose
entstehenden Zuckergemische von den bei der Hydrolyse von Cellulose entstandenen oligomeren
Glucosebausteine bzw. von Glucose nicht mehr nötig, was eine leichtere fermentative
Verwertbarkeit dieser verschiedenen Zucker ermöglicht.
[0019] Vorteilhaft ist ebenfalls, daß bei dem Aufschluß von Cellolignin keine Essigsäure
und kein Furfurol mehr entstehen, so daß man die HF im Kreis führen kann ohne diese
Komponenten kondensieren zu müssen. Dadurch werden Trennschwierigkeit und HF-Verluste
vermieden.
[0020] Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit
der Absorption von HF auf Cellolignin oberhalb des Siedepunktes von HF, so daß keine
äußere Kühlung mehr notwendig ist. Ebenfalls überraschend war, daß bei dem erfindungsgemäßen
Verfahren in einfacher Weise Ausbeuten von > 90 % Glucose bzw. oligomerer Glucose
bezogen auf eingesetzte Cellulose in Cellolignin erreicht werden, wobei die anfallenden
Zucker qualitativ hochwertig, d.h. nahezu farblos sind.
[0021] Erfindungsgegenstand ist daher ein Verfahren zur Gewinnung wasserlöslicher Saccharide(Glucose
bzw. oligomere Glucose) aus cellulosehaltigem Material durch eine Behandlung desselben
mit gasförmigem - gegebenenfalls mit einem Inertgas verdünnten - Fluorwasserstoff
bei Temperaturen zwischen etwa 20 und 120°C, vorzw. zwischen etwa 40 und 80°C; das
Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß man Cellolignin einer Behandlung mit Fluorwasserstoff
unterwirft.
[0022] Unter Cellolignin wird hier, wie vorher definiert, ein weitgehend aus Cellulose und
Lignin bestehendes Matcrial, verstanden.
[0023] Angesichts des Standes der Technik, dessen jüngstes in größerem Umfang ausgearbeitetes
Verf. (Hoch und Bohunek, loc.cit.) die mit dem ungleichmäßigen Aufschluß und der Krustenbildung
zusammenhängenden Nachteile durch Anwendung der aufwendigen Vakuummethode zu beheben
versucht - obwohl die leichte Hydrolysierbarkeit von Hemicellulosen bekannt war (Oesterr.
Cheme-Zeitg. 40, 5 ff (1937), war der Einsatz von vorhydrolysiertem Material keineswegs
naheliegend. Es war daher außerordentlich überraschend, daß diese Maßnahme, von welcher
der Stand der Technik gerade wegführte, eine glatte und problemlose Verzuckerung von
Holz und holz- ähnlichen Materialien erlaubt.
[0024] Das sich erfindungsgemäß für den Abbau zu wasserlöslichen Zuckern besonders gut eignende
Cellolignin wird durch Vorhydrolyse von natürlichem cellulosehaltigem Material (Holz,
Stroh, Bagasse etc.) mit verdünnter wäßriger Mineralsäure, vorzugsweise verdünnter
Salz- oder Schwefelsäure, gewonnen. Die Vorhydrolyse ist - wie bereits bei der Beschreibung
des Standes der Technik angedeutet - bei der Holzverzuckerung bekannt und findet sich
auch in der neueren Literatur wie Ullmanns Encyclopädie der technischen Chemie, 3.
Auflage, Band 8 (-1957), S. 591-595 sowie in dem Buch von W. Sandermann, "Chemische
Holzverwertung", Bayrischer Landwirtschaftverlag, München 1963, S. 253, beschrieben.
[0025] Sie besteht in einer relativ kurzzeitigen Behandlung des natürlichen Ausgangsmaterials
mit einer stark verdünnten Mineralsäure bei erhöhter Temperatur (vorzugsweise zwischen
etwa 100 und 160 °C) und erhöhtem Druck (vorzugsweise bis etwa 10 atm), wobei im wesentlichen
die in den Hemicellulosen enthaltenen Pentosane und Hexosane bis zu den Monomereneinheiten
(Xylose, Arabinose, Mannose etc.)
[0026] gespalten werden. Diese sind je nach den Reaktionsbedingungen anschließend als solche
isolierbar oder gehen weitere Veränderungen ein,z.B. durch Dehydratisierung zum Furfurol,
etc.
[0027] Bevorzugt werden sie als Fermentationsrohstoffe oder zur Gewinnung von Xylit eingesetzt.
[0028] Weiterhin sind Hemicellulose-arme Altpapiere zum Einsatz gut geeignet.
[0029] Der erfindungsgemäße Aufschluß kann beispielsweise in der Weise bewerkstelligt werden,
daß man das auf einen Feuchtegehalt von 0 - etwa 20%, vorteilhaft etwa 2 - 5% getrocknete
und bei Bedarf zerkleinerte, voraufgeschlossene Material (Cellolignin oder z.B. Papier-
Reißwolfmaterial) entweder diskontinuierlich in einem geeigneten Rührgefäß aus Fluorwasserstoff
- resistentem Werkstoff mit HF-Gas in Berührung bringt, ggf. im Gemisch mit Luft oder
einen anderen inerten Trägergas, oder daß man ein HF-haltiges Gasgemisch vorteilhaft
in einer Förderanlage einem kontinuierlichen Strom des aufzuschließenden Substrats
entgegenführt.
[0030] Durch die spontan freiwerdende Reaktionswärme steigt die Temperatur an undkann durch
geeignete Reaktionsführung wie z.B. Verdünnung mit Inertgasen im gewünschten Bereich
zwischen etwa 20 - 120°C, bevorzugt zwischen 40 und 80°C gehalten werden.
[0031] Der Kontakt des Substrats mit Fluorwasserstoffgas wird solange aufrechterhalten,
bis ein Gewichtsteil des Matcrials etwa 0,2 bis 3,0 ,bevorzugt etwa 0,4 bis 0,8,Gewichtsteile
Fluorwasserstoff aufgenommen hat.
[0032] Vorteilhaft wird die Reaktion nun so weitergeführt, daß je nach Art des Substrats
und nach den Bedingungen der HFw-Absorption eine Verweilzeit gewählt wird, die zur
Erreichung der hohen Ausbeute ausreicht. Längere Verweilzeiten sind nicht nachteilig,
aber auch ohne Vorteil. Sie.können zwischen etwa 15minund mehreren Stunden liegen.
Bevorzugt sind Reaktionsbedingungen, bei welchen die Verweilzeit etwa Stunde nicht
überschreitet.
[0033] Die sich anschließende HF-Desorption kann gemäß dem Stand der Technik durch Erwärmen
des Reaktionsgutes und/oder durch Evakuieren oder durch Behandeln mit einem InertgasStrom
(z.B. Stickstoff, Luft, CO
2 oder Edelgas) geeigneter Stärke wiederum mit oder ohne gleichzeitiges Erwärmen und/
oder Evakuieren, erfolgen. Der so zurückgewonnene Fluorwasserstoff kann durch Kondensation
isoliert oder unmittelbar mit frischem Substrat umgesetzt werden, so daß ein Kreislauf
von gasförmigem Fluorwasserstoff zustandekommt. Auch die weitere Aufarbeitung des
nunmehr aufgeschlossenen ("verzuckerten") Materials kann in an sich bekannter Weise
erfolgen wie z.B. beschrieben von K. Fredenhagen und G. Cadenbach, Angewandte Chemie
46 (1933), S. 113 bis 117. Man extrahiert also etwa mit Heißwasser, filtriert vom
unlöslichen Lignin ab, neutralisiert im Filtrat die geringe Menge mitgeführten Fluorwasserstoffs
mittels Calciumcarbonat oder -hydroxyds und engt ein.
[0034] Die Menge des nach dem Trocknen des Eindampfrückstandes erhaltenen "Holzzuckers"
(bzw. "Strohzuckers" etc.) beträgt bei der erfindungsgemäßen Verfahrensweise durchweg
über etwa 90 % der im Substrat enthaltenen Cellulose (berechnet auf Trockensubstanz).
[0035] Wegen der hohen "Zucker"-Ausbeute, der außerordentlich einfachen und glatten Verfahrensdurchführung
(Erhöhung der Porosität des Substrates und dadurch Erleichterung des Eindringens von
HF!). sowie auch'der einergiegünstigen Fluorwasserstoff-Absorption (keine Kühlung
notwendig, kein Vakuum) , stellt die Erfingung einen nicht unerheblichen Fortschritt
auf diesem Gebiet dar.
[0036] Die oligomeren'Glucosebausteine können in der anfallenden Form einer weiteren Verwertung
zugeführt (Vergärung zu Ethanol, Aufkonzentrierung oder Eindampfen und Verwendung
als Viehfutterzusätze oder als Fermentationsrohstoffe etc.) oder auch in an und für
sich bekannter Weise einer Nachhydrolyse zu monomerer Glucose unterworfen werden.
[0037] Die Erfindung wird nun durch die folgenden Beispiele näher erläutert:
Beispiel 1
[0038] In einem runden 2 1-Gefäß aus transparentem Polyethylen mit Rührer, Thermometer und
Gaseinleitung wurden 500 g Fichtenholz-Cellolignin (59 % Cellulose + 41 % Lignin)
von ca-2 mm Korngröße vorgelegt und mit einem Gemisch aus Luft und Fluorwsserstoffgas,
das man sich durch Ueberleiten von Luft über flüssigen Fluorwasserstoff bei 20 °C
(Wasserbad) herstellt, behandelt. Das Material wurdedabei langsam gerührt und färbte
sich dunkelbraun. Man regulierte den Luftstrom und die HF-Verdampfung so ein, daß
die Innentemperatur 70 °C nicht überschritt.
[0039] Nach Aufnahme von 300 g Fluorwasserstoff sorgte man 30 min lang für Aufrechterhaltung
einer Innentemperatur von 50 °C. Unter weiterem Rühren wurde sodann der Fluorwasserstoff
durch Einleiten von Warmluft ausgetrieben. Dabeiwurde ein Teil der nötigen Desorptionswärme
auch durch Außenheizung aufgebracht. Man führte die Desorption unter stetig steigender
Temperatur bis zu einem Fluorwasserstoffgehalt von etwa 5 % im Substrat weiter. Dann
überführte man das Material in einen Wirbelbett-Trockner und blies, Fluorwasserstoff
bis auf eine Restmenge von ca. 0,5 % ab. Die dabei entstehenden HF-LuftGemische konnten
unmittelbar für weitere Ansätze verwendet werden.
[0040] Anschließend digerierte man den Reaktorinhalt 15 min lang mit ca. 2 1 Heißwasser,
saugte scharf ab und wusch mit wenig Wasser nach. Der dunkelbraune Filterrückstand
wog nach dem Trocknen etwa 250 g und bestand somit zu 82 % aus Lignin sowie zu 18
% aus nicht aufgeschlossener Cellulose. Das Filtrat wurde noch heiß mit technischem
Calciumhydroxid alkalisch gestellt, der Hydroxylionen- überschuß mit Kohlendioxid
neutralisiert, und vom Calciumfluorid und -carbonat, evt. unter Zuhilfenahme eines
Filtrationshilfsmittels, abfiltriert. Die klare, schwach gelb gefärbte,neutrale Lösung
wurde im Vakuum zur Trockne gebracht. Man erhielt so ca. 250 g schwach gelblich gefärbten
Holzzucker, entsprechend einer Ausbeute von 85 % d.Th. Das Produkt war klar wasserlöslich
und enthielt zwischen 2 und 10 % monomere Glucose, der Rest bestand aus oligomerer
Glucose.
Beispiele 2 - 13
[0041] Ein ummanteltes, Fluorwasserstoff-beständiges Rohr von 30 cm Länge und 4 cm lichter
Weitewurde in waagrechter Stellung mit 30 g Cellolignin der Körnung 1-2 mm etwa halb
hoch gefüllt und an beiden Enden mit durchbohrten Gummistopfen verschlossen. In der
Celloligninschicht sowie auch im freien Raum darüber lag jeweils ein dünnes, über
die ganze Länge perforiertes Stahlrohr. Diese Rohre führten beidseitig durch-Bohrungen
der Verschlußstopfen nach außen und dienten der Zu- bzw. Ableitung von HF-Luft-Gemisch.
Auf diese Weise war es möglich, das Cellolignin senkrecht zur Oberfläche der Schüttung
zu begasen. Man ließ das Material Fluorwasserstoff absorbieren und sorgte während
der darauf folgenden Verweilzeit durch entsprechende Heizung für eine Innentemperatur
von 50 °C. Anschließend wurde anstelle des HF-Luft-Gemisches 15 min lang Heißluft
durch die Schüttung geblasen und das so erhaltene, von der Hauptmenge des Fluorwasserstoffs
befreite Reaktionsgut aufgearbeitet, wie im Beispiel 1 beschrieben.
[0042] In der folgenden Tabelle sind die Ausbeuten in Abhängigkeit von absorbierter HF-Menge
und Verweilzeit angegeben.

Beispiel 14
[0043] In einem waagrecht angeordneten, langen Rohr aus fluorwasserstoff-resistentem Material,
in dem ein rieselfähiger Feststoff mittels Förderschnecke kontinuierlich weiterbewegt
werden kann, wurde einer Cellolignin-Füllung ein Fluorwasserstoff-Trägergasgemisch
dergestalt entgegengeführt, daß das Material am HF-Eintrittsende des Rohres einen
Gehalt von ca. 60 % HF, bezogen auf Cellolignin, aufwies am Cellolignin-Eintrittsende
hingegen nur noch reines Trägergas ausströmte. Das Reaktionsgut wurde am HF-Eintrittsende
kontinuierlich ausgetragen, während auf der Gegenseite frisches Cellolignin nachgeliefert
wurde., Das ausgetragene Materialwurde nach Durchlaufen einer halbstündigen Verweilzeitstrecke
durch Abblasen vom Fluorwasserstoff befreit und das so erhaltene, HF-reiche Gasgemisch
in das Reaktionsrohr zurückgeleitet. Die Aufarbeitung des aufgeschlossenen Cellolignins
erfolge auf die in Beispiel 1 bereits beschriebene Weise. Die Ausbeute an Holzzucker
belief sich auf ca. 85 % d.Th.
Beispiel 15
[0044] 150 g Reißwolfmaterial aus Zeitungspapier wurden auf die in Beispiel 1 näher beschriebene
Art mit einem Fluorwasserstoff-Luft-Gemisch begast. Nach einstündigem Stehenlassen
des Reaktionsgemisches bei 50 °C wurde der Fluorwasserstoff durch Einleiten eines
Warmluftstromes bis auf einen Restgehalt von 2 % entfernt und der dunkelfarbige Rückstand
mit Heißwasser digeriert. Nach Filtrieren und Trocknen ergaben sich so 50 g unlösliches
Material, vorwiegend aus Lignin bestehend. Das Filtrat wurde mit Kalkhydrat neutralisiert
und vom Calciumfluorid abgesaugt. Der Eindampfrückstand des Filtrats wog 80 g und
enthielt ca. 10 % monomere Glucose (Rest: oligomere Glucose).