[0001] Die Bezeichnung "tierische Faser" soll sich erfindungsgemäß auf solche Fasern erstrecken,
die eine feine Struktur mit Schuppen besitzen und von Landsäugetieren, wie Schafen,
Ziegen, Lama, Alpaka und anderen diesen entsprechenden Tieren gewonnen werden, während
die Bezeichnung "Fell" sich auf dasjenige erstreckt, was mit diesen Fasern der vorstehend
erwähnten Schuppenstruktur bedeckt ist.
[0002] Im Gegensatz zu den herkömmlichen Verfahren zur Behandlung von Wolle bezieht sich
die Erfindung im wesentlichen darauf, die Qualität von Produkten aus tierischen Fasern
zu modifizieren und zu verbessern, indem lediglich die Schuppen der tierischen Fasern
zersetzt und abgelöst werden, ohne die inneren Kortikulazellen zu beschädigen.
[0003] Die Oberfläche der tierischen Fasern, die erfindungsgemäß behandelt werden sollen,
weist eine feine Struktur auf, die mit Schuppen bedeckt ist, die flach ausgebildet
und laminatartig wie Dachziegeln angeordnet sind und extrem wasserabstoßende Eigenschaften
aufweisen. Das Innere der Schuppen, das als Ganzes mit einem wasserabstoßenden Film
bedeckt ist, besteht aus Proteinen, der sogenannten Endokutikula, die eine Zusammensetzung
aufweist, die eine große Zahl polarer Gruppen, wie Carboxyl-Gruppen, Aminogruppen
und dergleichen besitzt und Wasser leicht absorbiert. Die Abschnitte, die zu den Spalten
zwischen den Schuppen offen sind, dienen als Eindringkanäle für das Wasser, wie es
in Figur 1 und 3 dargestellt ist. Das Wasser dringt erst in die Endokutikula ein und
quellt sie auf, so daß die Kanten abgehoben werden, bis das Wasser schließlich völlig
in die Cortex im Innern der Wolle dringt.
[0004] Bei dem herkömmlichen Verfahren zum Knitterfestmachen von Wollfasern mit Hilfe eines
Chlorierungsmittels oder - - eines Oxidationsmittels wird, selbst wenn versucht wird,
die Wirkung des Mittels auf die Schuppenoberfläche zu beschränken, auf die Cortex
solange eingewirkt, solange das Verfahren in einer wässrigen Lösung durchgeführt wird,
wodurch die Oxidation ungehindert in das Innere der Faser fortschreitet und das Innere
der Faser spröde macht und beschädigt. Falls die Einwirkung unzureichend ist, so ist
das Ergebnis unvermeidlich ebenso unzureichend. Selbst wenn die Reaktion in einem
Zwischenstadium beendet wird oder ein organisches Oxidationsmittel, das seine Wirkung
relativ langsam entfaltet, verwendet wird, ist es nicht möglich, den Oxidationsgrad
einzuschränken, wobei Zersetzungsprodukte während der Oxidation sich wieder auf der
Faseroberfläche ablagern und die Farbechtheitseigenschaften der Faser verringert werden.
Das herkömmliche Verfahren ist also mit zahlreichen praktischen Problemen behaftet.
[0005] Bei dem Verfahren, bei dem die Faser eingangs Säuren enthält, dringen die Säuren,
solange das Verfahren in einer wässrigen Lösung ausgeübt wird, in das Innere der Faser
durch die Eindringkanäle der Feuchtigkeit unbeschränkt ein, so daß es praktisch unmöglich
wird, die Oxidation auf die Oberfläche der tierischen Fasern zu beschränken.
[0006] Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird eine Modifizierung von Produkten aus tierischen
Fasern dadurch verwirklicht, daß man eingangs begrenzte Abschnitte der Schuppen an
der Oberfläche der tierischen Fasern einen den Oxidationsvorgang fördernden Katalysator
adsorbieren läßt, wodurch die oxidative Zersetzung mit dem Chlorierungsmittel oder
Oxidationsmittel gefördert wird, worauf die Produkte in eine Lösung eines Chlorierungsmittels
oder Oxidationsmittels getaucht werden, um die Oxidation durchzuführen, während die
Oxidation lediglich auf die Oberflächenbereiche der tierischen Faser beschränkt wird,
wodurch lediglich die Schuppenbereiche abgelöst werden, auf die die Oxidation einwirkt,
so daß die Behandlung unter Bedingungen erfolgt, bei denen die Cortex im Innern der
Faser keinerlei Beschädigung erfährt.
[0007] Obgleich die Oberfläche von Wollfasern extrem große wasserabstoßende Eigenschaften
besitzt, kann das Wasser an de:r Endokutikula der Kantenbereiche adsorbiert werden.
Dieser Umstand wird durch folgende Literaturstellen verdeutlicht:
(1) Kokusai Yomo Jimukyoku, 11-46, 1-chome, Akasaka, Minato-ku, Tokyo-to, veröffentlicht
am 30. Juni 1976, "Crimp, Wool and Techniques", No. 33, Seiten 3 - 9, herausgegeben
von-Ryoji Nakamura, "Structure of epidermis cuticle layer of wool".
[0008] Die wesentlichen Punkte bei den Bedingungen zur Durchführung der einzelnen Schritte
der Erfindung werden nachstehend im einzelnen stufenweise beschrieben.
[0009] (1) Säureionen, d.h. Wasserstoffionen, werden zunächst durch die vorhandene Feuchtigkeit
gelöst, die normalerweise in den Endokutikulaabschnitten der Schuppen von tierischen
Fasern enthalten ist, wobei gleichermaßen kein freies Wasser festzustellen ist. Die
Säure, d.h. eine anorganische oder eine organische Säure, ist als Wasserstoffionenquelle
in erster Linie in Natriumchlorid oder Natriumsulfat enthalten, d.h. in einer gesättigten
Lösung eines neutralen Salzes eines starken Elektrolyten, falls die Behandlung in
einer wässrigen Lösung durchgeführt wird, wobei das Eindringen von Wasser in die Faser
verhindert ist. Stattdessen kann als Säure ein wasserfreies Gas verwendet werden,
das dann in der vorhandenen Feuchtigkeit der tierischen Fasern gelöst wird.
[0010] Als Wasserstoffionenquelle können im vorliegenden Fall Säuren, wie Chlorwasserstoffsäure,
Schwefelsäure, Ameisensäure, Essiqsäure und dergleichen verwendet werden, wobei sie
insbesondere keine Peroxylgruppe zu enthalten brauchen, und zwar aus folgendem Grund.
Eine derartige' Verbindung ist ein Oxidationsmittel, das die tierischen Fasern oxidiert
und zersetzt, wobei es dazu führt, daß die Reaktion weiter nach innen fortschreitet.
Infolgedessen brauchen Säuren, wie Perschwefelsäure, Peressigsäure und dergleichen
nicht verwendet werden.
[0011] Der Bestimmung der Wasserstoffionenquelle entsprechend muß das zugehörige Anion natürlich
inaktiv gegenüber dem Oxidationsmittel sein, das bei dem anschließenden Schritt eingesetzt
wird. Einfache Salze, die aus starken Säuren und schwachen Basen bestehen, die die
Wasserstoffionen in einer wässrigen Lösung liefern, führen in Form gesättigter Lösungen
zum gleichen Ziel. Es muß jedoch mit allen Mitteln ein Schritt verhindert werden,
der das Ausgangsmaterial in Berührung mit Wasser bringt, bevor der Schritt durchgeführt
wird, bei dem das Material in das Oxidationsmittelbad gegeben wird, und zwar nach
dem Verfahren, bei dem die Säure in der enthaltenen Feuchtigkeit gelöst wird unter
Bedingungen, in denen kein freies Wasser vorliegt.
[0012] (2) Danach wird bei dem Verfahren von dem Charakter der Aminosäurezusammensetzung
der endokutikulabildenden Abschnitte Gebrauch gemacht, wobei die unten angegebenen
Metalle durch
Koordinationsbindung an die Carboxyl-Gruppen und Aminogruppen gebunden werden, die
in großen Mengen in den Endokutiku:laabschnitten vorhanden sind. Sobald die tierischen
Fasern nämlich bei 30° Celsius in eine wässrige Lösung getaucht werden, die 0,01 bis
0,05 Gew.-% metallischer Ionen, wie Kobalt, Nickel, Palladium, Platin, Kupfer, Eisen,
Chrom, Zink, Aluminium oder Magnesium enthält, werden die Metallionen als Chelate
an den Eindringkanälen des Wassers und an den Endokutiulaabschnitten adsorbiert. Das
Metall wird dabei an der Endokutikula adsorbiert, und zwar als wässrige Lösung, die
das Metall als Ionen enthält, oder als Lösung eines organischen Lösungsmittels, indem
das Metall in Ionenform vorliegt, bei einem pH, der für die Adsorption der Ionen geeignet
ist, ohne daß die Fasern anschwellen und die Adsorption zu den innersten Abschnitten
des zu behandelnden Materials vordringt.
[0013] Danach wird die tierische Faser, die nach den vorstehenden Verfahrensschritten (1)
oder (2) behandelt worden ist, in einer Lösung eines Alkalimetallsalzes, z. B. Hypochlorit,
Chlorit oder Chlorcyanursäure oder in einer Lösung eines Oxidationsmittels, z. B.
Perschwefelsäure, Peressigsäure oder Kaliumpermanganat eingetaucht, wodurch eine starke
oxidierende Zersetzung an den begrenzten Endokutikulaabschnitten durch das Oxidationsmittel
aufgrund der positiven katalytischen Wirkung der Wasserstoffionen oder des an die
Endokutikulaia bs chnitte gebundenen Metalls erfolgt. Dadurch werden lediglich die
Schuppen abgelöst, ohne daß die innere Cortex an anderen Bereichen beschädigt wird.
[0014] Anschließend wird der Rückstand gelöst und mit Hilfe eines Reduktionsmittels, wie
Natriumpyrosulfit, Natriumhyposulfit, Natriumsulfit oder Thioglycolsäure entfernt,
wodurch die behandelnde Oberfläche glatt wird.
[0015] Weiterhin ist es erfindungsgemäß möglich, die Schuppen von tierischen Fasern zu entfernen,
die bereits zu einem Filz verarbeitet, knitterfest und verfestigt worden sind, um
sie in ein tierisches Faserprodukt überzuführen, das strapazierfähig ist und sich
nicht in dem Filz ändert.
[0016] Nachstehend ist die Erfindung anhand der beigefügten Zeichnung näher erläutert. Darin
zeigen:
Figur 1 in vergrößerter Wiedergabe einen Längsschnitt durch eine tierische Faser in
Faserquerrichtung;
Figur 2 dieselbe in vergrößerter Wiedergabe nach der erfindungsgemäßen Endbearbeitung;
Figur 3 in vergrößerter Wiedergabe die Feinstruktur des Abschnitts, der in Figur 1
im Kreis dargestellt ist;
Foto Nr. 1 eine Mikrofotografie der feinen Oberfläche der tierischen Faser der Figur
1 mittels eines abtastenden Elektronenmikroskops in 2 000facher Vergrößerung; und
Foto Nr. 2 eine vergrößerte Mikrofotografie der feinen Oberfläche der tierischen Faser
der Figur 2, die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren behandelt worden ist, und zwar
mit einem abtastenden Elektronenmikroskop in 2 000facher Vergrößerung
[0017] In den Zeichnungen sind mit der Bezugsziffer 1 die Schuppen mit 2 die hydrophilen
Abschnitte, die sich zu den Spalten zwischen den Schuppen öffnen, mit 3 die Endokutikula.
-, mit 4 die Epikutikula. und mit 5 die Cortex bezeichnet.
[0018] Nachstehend ist das erfindungsgemäße Verfahren zur Modifizierung von Produkten aus
tierischen Fasern durch Ablösen der Schuppen schrittweise detailliert anhand von Ausführungsbeispielen
dargestellt.
Beispiel 1
[0019] Oberwolle vom Lincoln-Typ aus England, die einen Durchmesser von 36,5 µ aufweist,
wurde bei 20° Celsius 3 Minuten in eine Lösung getaucht, die folgende Zusammensetzung
aufweist, worauf zu 80 % abgequetscht und das Wasser entfernt wurde:

Danach wurde die Oberwolle in eine Lösung eingetaucht, die durch Zugabe von Chlorwasserstoffsäure
zu Natriumhypochlorid mit einem verfügbaren Chlorgehalt von 6 Gew.-% bei einem Badverhältnis
1:15 hergestellt, wobei ein pH von 6,5 eingestellt wurde. Die Lösung wurde bei 20
bis 22° Celsius 3 Minuten gerührt, der Oberwolle wurde das Wasser entzogen und sie
wurde mit kaltem Wasser gewaschen. Danach wurde sie mit der nachstehend.angegebenen
Lösung bei 25° Celsius 3 Minuten behandelt, ihr das Wasser entzogen, worauf sie mit
35° Celsius heißem Wasser gewaschen wurde:
Natriumpyrosulfit 10 g/1
wässriger Amoniak 14 ml/l (25% Lösung)
Badverhältnis 1:10
[0020] Danach wurde die Oberwolle bei 80° Celsius 30 Minuten mit einer Lösung behandelt,
die aus 3 g/1 Formalin und 3 g/l Rongalit bestand, wobei ein Badverhältnis von 1:10
angewendet und mit Essigsäure pH 5 eingestellt wurde, wonach mit Wasser gewaschen
und getrocknet wurde, wodurch das erfindungsgemäße Behandlungsverfahren seinen Abschluß
findet.
[0021] Durch mikroskopische Untersuchungen stellte sich heraus, daß fast sämtliche Schuppen
von der so behandelten Wollfaser entfernt wurden, wodurch der Faser ein schöner mohairähnlicher
Glanz und ein glatter, weicher Griff verliehen wird, so daß mischvetsponnene Produkte
als Ersatz für Mohair als Loopgarn, Gewebe, gewirkte oder gestrickte Strickwaren hergestellt
werden können. Erwähnenswert ist, daß der Griff, die Waschbarkeit und die Einfärbbarkeit
der Produkte erheblich verbessert ist und ein Qualitätsprodukt erhalten werden kann.
[0022] Außerdem können zahlreiche hervorragende Produkte aus zahlreichen verschiedenen nachstehend
angegebenen - Materialien erhalten werden.
[0023] (1) Wenn Babyalpaka mit einem 22iger Durchmesser nach dem erfindungsgemäßen Verfahren
behandelt wurde,veränderte sich das Material in ein Produkt, das ein mohairähnliches
Aussehen und einen glatten, weichen Griff aufwies. Das Material wurde dadurch zu einer
neuen Hochqualitätsfaser modifiziert, die sogar feiner als Mohair war, das in der
Natur lediglich mit einem Durchmesser von 24 µ vorkommt, und das einem Mohair extrem
hoher Qualität entspricht.
[0024] (2) Wenn Oberwolle vom Merino-Typ mit einem mittleren Durchmesser von 18 µ nach dem
erfindungsgemäßen Verfahren behandelt wurde, wurde ein Produkt mit einem hervorragenden
Griff erhalten, das sich nicht kratzig anfühlte, wie es Wolle eigen ist. Das gewirkte
oder gestrickte Gewebe, das aus dem Produkt hergestellt wurde, war vollkommen knitterfest
und wies einen besonderen Griff auf.
[0025] Außer (1), dem Kochsalz, das in Beispiel 1 der Erfindung verwendet wurde, ist es
möglich, neutrale Salze, wie Natriumsulfat, Kaliumchlorid oder Magnesiumsulfat einzusetzen.
Außer (2) Chlorwasserstoffsäure, die in Beispiel 2 verwendet wurde, ist es möglich
Säuren wie Schwefelsäure, Phosphorsäure, Sulfaminsäure, Isoamylsulfonsäure, o-Phenolsulfonsäure,
Metaphosphorsäure, Sulfoysalicylsäure, Octylschwefelsäure, Dodecylschwefelsäure, Pyroschwefelsäure,
Dodecylsulfonsäure, Dichloressigsäure, Monochloressigsäure, Ameisensäure, Glycolsäure,
Essigsäure, Propionsäure, Benzoesäure oder p-Nitrophenol zu verwenden.
[0026] (3) Anstelle der Kombination der gesättigten Lösung des neutralen Salzes mit der
Säure kann die Erfindung mit einer gesättigten Lösung eines einfachen Salzes, das
aus einer starken Säure und einer schwachen Base besteht, durchgeführt werden, die
eine ähnliche Wirkung zeigt und zu Wasserstoffionen in der wässrigen Lösung führt,
beispielsweise Amoniumsalze, Kalziumsalze, Magnesiumsalze oder dergleichen einer starken
Säure.
[0027] (4) Neben dem als Oxidationsmittel erörterten Natriumhypochlorid kann ebenso Natriumchlorit,
Natriumchlorocyanurat, Kaliumchlorcyanurat, Chloramin, Monopersulfat, Peracetat, Kaliumpermanganat
und Natriumperoxid eingesetzt werden.
[0028] (5) Außer dem vorstehend erwähnten Natriumpyrosulfit kann auch Natriumhyposulfit,
Natriumsulfit und Thioglycolsäure als Reduktionsmittel eingesetzt werden.
Beispiel 2
[0029] Ein Wollpullover, der aus australischer Merinowolle mit einem Durchmesser von 21,5
µ hergestellt worden ist, wurde etwa 20 Minuten in einem Chlorwasserstoffdampfstrom
angeordnet und dann in einer wässrigen Lösung von Natriumdichlorcyanurat mit 4 % verfügbarem
Chlor bei 25° Celsius und einem Badverhältnis von 1:15 25 Minuten eingetaucht, worauf
er mit einer Rotationswaschmaschine gewaschen wurde. 3 Minuten nach dem Waschen wurde
der Pullover bei 30° Celsius 5 Minuten in einem Bad aus 5 g/1 Natriumpyrosulfit und
10 g/l Natriumhydrogencarbonat behandelt, worauf er 10 Minuten mit 40° Celsius warmen
Wasser gewaschen wurde. Durch mikroskopische Untersuchung wurde festgestellt, daß
die Schuppen von dem so behandelten Pullover entfernt worden waren. Der Pullover hatte
einen herrlichen Glanz und zeigte selbst nach 3stündigem Waschen in einer Waschmaschine
eine Knitterfestigkeit von 1,4 %, was fast perfekt ist.
Beispiel 3
[0030] Die Oberwolle von australischer Merinowolle wurde in eine 0,015 %ige Nickelchloridlösung
oder eine wässrige Lösung von 36 ppm, bezogen auf die Nickelionen, bei 28° Celsius
10 bis 15 sec. getaucht und sofort mit Wasser gewaschen. Danach wurde die Oberwolle
in eine Lösung von Natriumhypochlorit mit einem verfügbaren Chlorgehalt von 6 Gew.-%
bei einem Badverhältnis von 1:15 getaucht, das durch Zugabe von Chlorwasserstoffsäure
auf pH 6,5 eingestellt und auf 20° Celsius gehalten wurde. Nachdem die Lösung 2 Minuten
umgewälzt wurde, wurde der Oberwolle das Wasser entzogen, worauf sie mit Wasser gewaschen
wurden Danach wurde die Oberwolle in einer Lösung von 5 g/1 Natriumpyrosulfit und
7 g/1 wässrigem Ammoniak (25 %ige Lösung) bei einem Badverhältnis von 1:15 3 Minuten
eingetaucht. Nachdem der Wolle das Wasser entzogen worden war, wurde ein mechanisches
Verfahren angewendet und die Schuppen, die abgeschieden und abgelöst wurden, wurden
weggewaschen.
[0031] Danach wurde die Oberwolle in ein Bad von 5 ml/1 Formalin (35 %) mit einem Flüssigkeitsverhältnis
von 1:15 bei 50° Celsius 30 Minuten getaucht, worauf ihr das Wasser entzogen, sie
mit Wasser gewaschen und zum Abschluß der Behandlung getrocknet wurde.
[0032] Die so behandelte Wolle hatte einen herrlichen Glanz und einen glatten, weichen Griff.
Bei der mikroskopischen Betrachtung stellte sich heraus, daß mindestens 90 % der Schuppen
entfernt worden waren. Das Versuchsergebnis war also demjenigen ähnlich, das nach
dem Beispiel 1 erhalten werden konnte.
[0033] Ein Herrenpullover, der aus einem doppelt gezwirnten Garn dieser Wolle mit einer
Feinheitsnummer 33 mit einer 12-gauge FF Strickmaschine gestrickt worden ist, wies
eine Knitterfestigkeit auf, die in der Lage war, dem Waschvorgang in einer Waschmaschine
zu widerstehen, ferner eine Elastizität, wie sie Wolle eigen ist, einem cashmere-
ähnlichen Griff und eine cashmereähnliche Voluminösität, wobei er sich nicht kratzig
anfühlte, wenn er angezogen wurde. Der Pullover wurde mit einer deckenden Farbe, z.B.
karmesin, marineblau oder schwarz gefärbt, wodurch er einen tiefen Farbton erhielt,
der auf herkömmliche Art und Weise nicht erhalten werden konnte, wobei seine Reibfestigkeit
die Klasse 4 bis 5 erreichte.
[0034] Darüber hinaus konnten zahlreiche hervorragende Produkte aus zahlreichen verschiedenen
Materialierierhalten werden, wie nachstehend angegeben.
[0035] (1) Wenn ein gemischt gesponnenes, gestricktes Gewebe, das aus 45 % modifiziertem,
Polyester mit änti-Pilling Effekt und 55 % Wolle bestand, in der gleichen Weise wie
im Beispiel 3 erfindungsgemäß behandelt wurde, entstand daraus ein gestricktes Produkt
das als Ganzes in einer Waschmaschine gewaschen werden konnte. Bei einem Test, der
nach JISL-1076 mit einem ICI-pill-Testgerät durchgeführt wurde, stellte sich heraus,
daß das Produkt gegenüber einem herkömmlichen Produkt um eine Klasse verbessert wurde.
[0036] (2) Nachdem ein Wollpelz nach dem erfindungsgemäßen Verfahren behandelt worden ist,
wurde er mit einem Chevilliermittel behandelt, mehrmals kardiert und dann getrocknet.
Das erhaltene Produkt hatte einen herrlichen Glanz und einen glatten, weichen Griff
und war damit zu einem Produkt modifiziert worden, das eine Qualität aufwies, die
erheblich über der des Wollpelzes vor der Behandlung lag.
[0037] Neben Nickelchlorid, das in (1) des Beispiels 3 der Erfindung angegeben ist, ist
es möglich solche Verbindungen einzusetzen, die, wenn sie in Form von Chloriden, Fluoriden,
Sulfaten, Nitraten oder Acetaten hydratisiert sind, als komplexe wässrige Ionen zu
einerChelat-Bildung führen. Beispiele derselben sind Verbindungen des Kobalts, Eisens,
Nickels; Platins, Kupfers, Palladiums, Chroms, Cadmiums, Mangans, Zinks, Bleis, Zinns,
Quecksilbers, Silbers, Antimons, Wismuths, Silens, Aluminiums, Magnesiums
usw.
[0038] Außer Natrimhypochlorid, das unter(2) im Beispiel 3 als Oxidationsmittel angegeben
ist, ist es auch möglich, Natriumchlorit, Natriumchlorcyanurat, Kaliumchlorcyanurat,
chlorierte Amine, Monoperschwefelsäure, Perschwefelsäure, Peressigsäure und Wasserstoffperoxid
einzusetzen.
[0039] Neben Natriumpyrosulfit, das unter (3) im Beispiel 3 als Reduktionsmittel angegeben
ist, ist es ebenso möglich, Natriumhyposulfit, Natriumsulfit oder Thioglycolsäure
zu verwenden.
Beispiel 4
[0040] Golfkleidung, Pullover oder Jacken, die aus 100 %iger Wolle hergestellt worden sind,
sich nach dem Tragen und Waschen verfilzten und zu 20 bis 30 % knitterten, wurden
mit einem Polyesternetz umwickelt und bei 25° Celsius 2 Minuten in einer Trommellösungsmittelmaschine
behandelt, die eine Lösung enthielt, die durch Dispergieren von Sorbitanlaurat mit
0,05 ml/1 Wasser in 1,1,1-Trichloräthan in einer solchen Weise hergestellt wurde,
daß CrF
3 zu 35 ppm als Chromion rechnerisch vorlag. Den Materialien wurde Wasser entzogen
und das Lösungsmittel wurde entfernt. Danach wurden die Materialien bei 25° Celsius
2 Minuten in einem Natriumhypochloritbad mit einem verfügbaren Chlorgehalt von 5 Gew.-%
und einem Badverhältnis von 1:10 behandelt, wobei ein pH von 6,5 eingestellt wurde.
Den Materialien wurde dann Wasser entzogen, worauf sie mit Wasser gewaschen wurden,
um die zersetzten und abgelösten Teile zu entfernen. Danach wurden die Materialien
in einer wässrigen Lösung von 3 g/1 Natriumpyrosulfit bei einem Badverhältnis von
1:10 bei 35° Celsius 5 Minuten behandelt, mit 2 g/1 Natriumhydrogencarbonat neutralisier
und mit Wasser gewaschen, worauf sie zum Abschluß der erfindungsgemäßen Behandlung
getrocknet wurden.
[0041] Als Ergebnis dieser Behandlung wurden Flecken von der Oberfläche der Faserprodukte
sowie verfilzte Abschnitte zusammen mit den Schuppen entfernt; wobei die Maschen wieder
sichtbar wurden. Es trat wieder eine Schrumpfung ein, die dem neuen Produkt ähnlich
war, wobei die Faserprodukte eine Elastizität und eine Voluminösität zeigten, die
bei den neuen Produkten nicht festgestellt werden konnte. Weiterhin wurde die Farbe
lebendig, der Griff weich und das kratzige Gefühl, das Wolle eigen ist, verschwand.
Den Faserprodukten wurde außerdem eine Waschfestigkeit verliehen.
[0042] Neben 1,1,1-Chloräthan, das als organisches Lösungsmittel im Beispiel 4 genannt ist,
ist es möglich, Perchloräthylen, Trichloräthylen, technisches Gasolin
No. 5, Kerosin, Kohlenstofftetrachlorid usw. zu verwenden.
[0043] Außer Sorbitanlaurat, das im Beispiel 4 genannt ist, ist es auch möglich, anionische
oder nichtionische organische oberflächenaktive Mittel für organische Lösungsmittel
zu verwenden.
[0044] Als metallische Verbindungen für den Katalysator, das Oxidationsmittel und das Reduktionsmittel
ist es möglich diejenigen zu verwenden, die im Beispiel 3 angegeben sind.
[0045] Die Erfindung kann zur Qualitätsverbesserung von gemischt gesponnenen Produkten verwendet
werden, die aus einer tierischen Faser und einer synthetischen Faser bestehen, wobei
die Schuppen von der tierischen Faser entfernt werden. Sie kann ebenfalls im großen
Umfang als ein Verfahren zur Qualitätsverbesserung von Pelzen verwendet werden, die
wegen der Anwesenheit der Schuppen einen geringwertigen Griff besitzen und bei denen
die Haarspitzen dazu. neigen, sich zu verheddern.
[0046] Da die erfindungsgemäße Behandlung bei einer Temperatur nahe Normaltemperatur in
wenigen Minuten durchgeführt werden kann, zersetzen sich die Farbstoffe kaum und das
Aussehen, das dem Faserprodukt beispielsweise durch Verdrehen, Stricken, Nähen und
dergleichen verliehen worden ist, geht nicht verloren. Das Faserprodukt kann also
zu einem Produkt hoher Qualität modifiziert werden, ohne die Festigkeit der Faser
oder die Lederteile des Fells nachteilig zu beeinflussen.
[0047] Nachstehend sind wesentliche Punkte der feinen Struktur, der Aufgabe, der Durchführung
und der Wirkung des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Modifizierung von tierischen
Faserprodukten durch Ablösen der Schuppen im einzelnen anhand der beigefügten Zeichnung
und der Elektronenmikrofotografien beschrieben. Es zeigen:
Figur 1 einen vergrößerten Längsschnitt durch eine tierische Faser in Faseraxialrichtung
und das Foto Nr. 1 eine Rasterelektronenmikrofotografie dieser Feinstruktur in 2 000facher
Vergrößerung;
Figur 2 einen vergrößerten Längsschnitt der tierischen Faser, von der die Schuppen
mit dem erfindungsgemäßen Verfahren abgelöst worden sind, und Foto Nr. 2 eine Rasterelektronenmikrofotografie
dieser feinen Oberflächenstruktur mit 2 000facher Vergrößerung;
Figur 3 eine vergrößerte Darstellung des in einem Kreis dargestellten Abschnitts der
Figur 1.
[0048] Figur 1 und Foto Nr. 1 zeigen die Anordnung der Schuppen 1, die auf der Oberfläche
tierischer Fasern übereinander wie Dachziegel angeordnet sind. Spulenartige Zellen,
die als "Cortex" 5 bezeichnet sind, bilden deren innere Schicht, wobei die Schuppen
1 mit Epikutikula 4 bedeckt sind, die einen wasserabstoßenden Film darstellt. Die
Oberfläche der tierischen Faser weist deshalb wasserabstoßende Eigenschaften auf.
Die Zwischenräume zwischen den Schuppen bilden jedoch einen Kanal 2, der offene hydrophile
Abschnitte aufweist, wie in Figur 3 dargestellt ist. Der hydrophile Abschnitt, der
den Endokutikulaabschnitt fortsetzt, der durch punktierte Linien dargestellt ist,
absorbiert Wasser von dem Kanalabschnitt 2, wenn die tierische Faser in Wasser eingetaucht
wird, so daß die Oberfläche wasserabstoßende Eigenschaften aufweist. Die Schuppen
werden dadurch angehoben und die Faser kann verfilzen. Dieses Phänomen ist allgemein
bekannt und stellt eine der Eigenschaften und Nachteile der tierischen Faser dar,
die derselben eigen ist und bei anderen Fasern nicht vorkommt.
[0049] Die Erfindung kehrt diesen Nachteil in einen Vorteil um. Zunächst werden Chemikalien,
die als Oxidationskatalysatoren dienen, an dem hydrophilen Kanal 2 und dem hydrophilen
Abschnitt des Endokutikulas. 3 adsorbiert. Wenn die tierische Faser dann in die Lösung
des Oxidationsmittels eingetaucht wird, unterliegen der hydrophile Kanal 2 und der
Teil des Endokutikulas. 3 einer raschen Zersetzung und Auflösung, so daß die Schuppen
1 zusammenfallen und an der Innenseite, die mit der inneren Schicht 5 in Berührung
steht, abgelöst werden.
[0050] Anschließend wird die Oxidation mit einem Reduktionsmittel abgebrochen, wobei gleichzeitig
die restlichen Teile auf reduktivemWege entfernt werden, so daß lediglich die Schuppenbereiche
von der tierischen Faser abgelöst werden, wie es in Figur 2 und Foto Nr. 2 dargestellt
ist.
[0051] Mit anderen Worten, obgleich das Innere der Schuppen eine Struktur besitzt, die leicht
anschwillt und sich leicht anheben läßt, wird durch das erfindungsgemäße Verfahren
kein Einfluß auf die innere Schicht ausgeübt, sondern es wird lediglich dieser anschwellende
Teil gelöst, um - - die Schuppen abzulösen.
[0052] (1) Wenn die tierischen Faserprodukte in eine gesättigte Lösung eines neutralen Salzes,
wie Natriumchlorid, oder Natriumsulfat, das eine Säure, wie Chlorwasserstoffsäure,
Schwefelsäure, Essigsäure, Ameisensäure, Monochloressigsäure oder Dichloressigsäure
enthält, zunächst getaucht werden, so erfolgt eine Anlagerung und Benetzung der Oberfläche
der tierischen Faser durch das Wasser der gesättigten Lösung des neutralen Salzes
dieser starken Elektrolyten, wobei das Wasser jedoch nicht ungehindert in das Innere
der Faser vordringt.
[0053] Wie in Figur 1 und in Figur 3, die den Abschnitt im oberen Teil der Figur 1 im Kreis
in vergrößerter Wiedergabe darstellt, gezeigt ist, sind die Schuppen 1 der tierischen
Faser nämlich mit einem wasserabstoßenden Film bedeckt, der als "Epikutikulum" 4 bezeichnet
wird, wobei innen insgesamt eine wasserabstoßende Eigenschaft verliehen wird und sie
kaum benetzt werden. An der Rückseite der Schuppen 1 ist jedoch eine Proteinschicht
vorhanden, die als "Endokutikulum" 3 bezeichnet wird, die eine große Anzahl polarer
Gruppen aufweist und zu dem Spalt zwischen den Schuppen hin offen ist, wodurch leicht
Wasser hindurchtreten kann.
[0054] Unter normalen Bedingungen enthält eine tierische Faser etwa 15- % Wasser als eigene
Feuchtigkeit an den offenen Abschnitten der Schuppen, Wenn eine Säure oder ein neutrales
Salz in dieser Feuchtigkeitsich zulösen beginnt, beispielsweise wenn Chlorwasserstoffsäure
in einer gesättigten Natriumchloridlösung verwendet wird, so weist das Wasserstoffion
der Chlorwasserstoffsäure eine Diffusionsgeschwindigkeit auf, die sogar bei normaler
Temperatur 4 bis 5 mal größer ist als die des Natriumions oder des Natriumchlorids,
so daß die Chlorwasserstoffsäure schneller in Lösung geht als Natriumchlorid, wodurch
die Säure lediglich in den Bereichen des Endokutikulas - 3 vorliegt, während die anderen
Bereiche von der Säure nicht angegriffen werden. Ein oberflächenaktives Mittel, das
die gesättigte Lösung des verwendeten neutralen Salzes behindern würde, sollte in
diesem Fall nicht verwendet werden.
[0055] Wenn die tierische Faser einem Strom von Chlorwasserstoffgas oder dergleichen ausgesetzt
wird, so wird das Gas in 'dem Endokutikula gelöst, das einen großen Anteil der gebundenen
Feuchtigkeit aufweist, wodurch eine begrenzte Adsorption in der gleichen Weise, wie
vorstehend angegeben, erfolgt.
[0056] (2) Wenn nach einem anderen Verfahren die tierische Faser in eine wässrige Lösung
getaucht wird, in der, bezogen auf das wässrige Ion oder Komplexion, rechnerisch 20
bis 50 ppm Spuren eines Übergangsmetalls (übergangselements), wie Kobalt, Nickel,
Palladium, Platin, Kupfer, Eisen, Chrom, Zink usw. oder Aluminium oder Magnesium enthalten
sind, oder in ein organisches Lösungsmittel, in dem die vorstehend erwähnte wässrige
Lösung dispergiert ist, so dringt die Behandlungsflüssigkeit durch jene Abschnitte,
die leicht zu durchdringen sind, in der gleichen Art und Weise wie die vorstehend
beschriebene Säure, so daß das Metall in einem Zustand adsorbiert wird, in dem es
durch Koordination an die polaren Gruppen des Endokutikulas gebunden ist.
[0058] Wenn das Ubergangsmetall anwesend ist, so wird das Natriumhypochlorit anschließend
durch die katalytische Wirkung der Säure zersetzt, die eine Wasserstoffionenquelle
darstellt, die an dem Endokutikula. adsorbiert ist, oder die in den Ansprüchen angegebenen
Metalle führen zur Bildung von Chlor und Sauerstoff und damit zu einer raschen örtlichen
oxidativen Zersetzung, wie es in dem nachstehenden Reaktionsschema wiedergegeben ist:

wobei M das übergangsmetall darstellt.
[0059] In diesem Fall wird Natriumhypochlorit in einer Menge von 3 bis 12 Gew.-%, berechnet
nachdem verfügbaren Chlorgehalte eingesetzt, bezogen auf das Gewicht der zu behandelnden
tierischen Faser.
[0060] Aufgrund der vorstehend erwähnten oxidativen Zersetzung werden die Schuppen der tierischen
Fasernvon innen in einem solchen Ausmaß zersetzt, daß sie ihre ursprüngliche Form
verlieren und dadurch abgelöst werden.