(19)
(11) EP 0 071 206 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
09.02.1983  Patentblatt  1983/06

(21) Anmeldenummer: 82106671.9

(22) Anmeldetag:  23.07.1982
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)3D02G 3/28, D01H 1/00, D02J 1/22
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE FR GB IT LI NL

(30) Priorität: 30.07.1981 DE 3130097

(71) Anmelder: HOECHST AKTIENGESELLSCHAFT
65926 Frankfurt am Main (DE)

(72) Erfinder:
  • Heinrich, Karl
    D-8904 Grossaitingen (DE)
  • Heichlinger, Norbert
    D-8901 Königsbrunn (DE)
  • Bund, Alfons
    D-8901 Wehringen (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zum Zwirnen und Verstrecken von Spinnfäden


    (57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Herstellen hochgedrehter, schrumpfarmer und drallberuhigter Garne oder Zwirne bei dem vororientierte, eine Fließspannung von über 7,5 cN/tex aufweisende Fäden hochgedreht und anschließend bei Raumtemperatur einer Nachverstreckung von vorzugsweise 5 bis 20 % unterworfen werden.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Herstellen hochgedrehter, schrumpfarmer und drallberuhigter Garne oder Zwirne durch Hochdrehen und Strecken vororientierter Garne.

    [0002] Die Herstellung falschdrahtgekräuselter Polyestergarne erfolgt aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus weitgehend aus sogenannten vororientierten Garnen, die durch Anwendung hoher Spinnabzugsgeschwindigkeiten hergestellt werden. Glatte Polyestergarne werden dagegen auch heute noch in großem Ausmaß aus wenig vororientierter Spinnware hergestellt.

    [0003] Aus der CH-PS 601 518 ist es bereits bekannt, hochgezwirnte und fixierte, d.h. wärmebehandelte Garne aus vororientierten Garnen herzustellen, wobei Spinnabzugsgeschwindigkeit von 3000 bis 5000 m/min entsprechend Verstreckverhältnissen von 1:1,6 bis 1:1,2 genannt werden. Die Garne werden hier in einem Arbeitsgang hochgedreht, verstreckt und dabei z.B. bei 200°C thermisch fixiert. Ein derartig fixiertes, hochgedrehtes Garn besitzt einen geringen Thermoschrumpf und ist drallberuhigt, d.h. es zeigt keine Kringelneigung.

    [0004] Die Verwendung von Temperaturen von 200°C bedeutet normalerweise einen sehr großen Energieeinsatz. Die Fäden jeder einzelnen Zwirnstelle müssen über jeweils getrennte Heizer geleitet werden, deren Energieverluste außerordentlich groß sind. Es wird geschätzt, daß weniger als 1 Promille der Heizleistung jedes einzelnen Heizers auf den laufenden Faden oder Zwirn übertragen wird. Die restliche Energie führt zu einer Aufheizung des Arbeitsraumes, in den diese Maschine steht. Derartige Arbeitsräume sind üblicherweise klimatisiert, d.h. aberdaß die Heizenergie über die Klimaanlage wieder vernichtet werden muß, was weitere . Energiekosten hervorruft.

    [0005] Als Verbesserung dieses üblichen Heißzwirnverfahrens mit einzelnen Zwirnstellen und einzelnen Heizern wird in der EP-OS 20 285 eine Heißzwirnvorrichtung mit einem gemeinsamen Heizer beschrieben, über den eine Vielzahl von Garnen als schmales Band geführt wird. Durch eine solche Maßnahme kann eine Energieeinsparung von mehr als einer Zehnerpotenz gegenüber der Fahrweise mit Einzelheizern erzielt werden. Aber auch hier werden noch Heizer benötigt, die z.B. für 20 Spindelstellen gemeinsam wirken. Aber auch bei dieser energiesparenden Ausführung wird nur ein sehr geringer Bruchteil der eingesetzten Heizenergie für die Aufheizung der Fäden aufgewandt, die Haüptmenge der Heizenergie wird auch in diesem Fall an den umgebenden Raum abgegeben.

    [0006] In der DE-OS 29 00 799 wird bereits ein Verfahren beschrieben, bei dem die Verstreckung und Verzwirnung von Garnen im Ballon von Doppeldrahtzwirnspindeln ohne Einsatz eines Heizers bei dem Verstrecken und Verzwirnen durchgeführt werden kann. Als Einsatzgarne sind z.B. Polyestergarne - geeignet, die mit einer Aufwickelgeschwindigkeit von 2560 bis 4100 m/min gewonnen wurden. Die Garne werden dabei im Ballon der Zwirnspindel jedoch unregelmäßig verstreckt und zeigen daher über ihre Länge wechselnde Orientierungen, die sich z.B. in einer unterschiedlichen Anfärbbarkeit zeigt. Darüberhinaus ist es bei diesem Verfahren jedoch notwendig, im Anschluß an die ohne Temperatureinwirkung durchgeführte Verstreckung und Verzwirnung die erhaltenen Garne einer Temperaturbehandlung unter Spannung zu unterwerfen. Die notwendigen Temperaturen werden mit 70 bis 240°C angegeben. In den Beispielen wurde stets eine Temperatur von 220°C eingehalten. Das Verfahren gemäB dieser Entgegenhaltung weist also ebenfalls wieder einen hohen Energieaufwand durch den Einsatz von Heizern auf. Wird die Temperaturbehandlung der verzwirnten und verstreckten Fäden weggelassen, so erhält man keine gebrauchstüchtigen Garne. In der DE-OS wird in diesem Zusammenhang von einem kartonhaften Aussehen derartiger Garne gesprochen. Darüberhinaus weisen derartige Fäden eine wechselnde Orientierung über ihre Länge auf, die sich z.B. in einer ungleichmäßigen Anfärbung zeigt.

    [0007] Es bestand also nach wie vor die Aufgabe, ein Verfahren zum Herstellen hochgedrehter drallberuhigter Garne durch Hochdrehen und Strecken von Fäden bzw. Garnen zu finden, bei dem nach Möglichkeit auf den Einsatz von Heizenergie völlig verzichtet werden kann..

    [0008] Uberraschend wurde nun gefunden, daß beim Einsatz von vororientierten Garnen, die sich unter der Ballonspannung einer üblichen Doppeldrahtzwirnmaschine nicht mehr verstrecken lassen, die oben geschilderten Nachteile des Verfahrens gemäß DE-OS 29 00 799 nicht mehr beobachtet werden können, sofern das aus der Doppeldrahtzwirnmaschine austretende Garn anschließend noch einer Verstreckung bei Raumtemperatur unterworfen wird.

    [0009] Eine Verstreckung im Ballon einer Doppeldrahtzwirnmaschine bei üblichen Spindeldrehzahlen findet nicht mehr statt, wenn die Fließspannung der Einsatzgarne über etwa 7,5 cN/tex liegt. Vorzugsweise sollten die Einsatzgarne bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens eine Fließspannung von 8 bis 10 cN/tex aufweisen.

    [0010] Unter Fließspannung wird dabei diejenige Garnspannung (Zugkraft dividiert durch Ausgangstiter) verstanden, bei der das Kraft-Dehnungs-Diagramm vom anfänglich linearen Verlauf abweicht, d.h. bei der im allgemeinen die angreifenden Kräfte nicht mehr zu einer reversiblen sondern zu einer irreversiblen Längenänderung der Fäden führen.

    [0011] Der Beginn der irreversiblen Längenänderung ist häufig schwer zu erkennen. Statt dessen ist es jedoch möglich, die Höhe des Minimums der Kraft-Dehnungs-Kurve als Wert für die Fließkraft einzusetzen. Ein solches Minimum wird üblicherweise nach dem linearen Anstieg und einem gewissen überschwingen im Fließpunkt als waagerechter Ast der Kurve beobachtet. In diesem Bereich tritt also eine Längenzunahme ohne Steigerung der Kraft ein. Bei hoher Vororientierung der Garne kann dieses Minimum nur noch als Wendepunkt oder Knick in der Kurve ekennbar sein, eine Bestimmung der Fließkraft ist jedoch in jedem Fall möglich.

    [0012] Die geforderte Mindestfließspannung von über etwa 7,5 cN/ tex, wird auf herkömmlichen Spinnanlagen bei Spinnabzugsgeschwindigkeiten von über 4100 m/min erreicht. Der bevorzugte Bereich von 8 bis 10 cN/tex entspricht bei herkömmlichen Spinnanlagen und üblichen Titern für textile Einsatzgebiete Spinnabzugsgeschwindigkeiten von etwa 4300 bis 5000'm/min. Wie bereits oben ausgeführt, ergeben Fließspannungswerte unterhalb von etwa 7,5 cN/tex eine zum Teil unregelmäßige Verstreckung bei dem Zwirnprozeß der Doppeldrahtzwirnmaschine. Die Obergrenze der Vororientierung der Einsatzgarne ergibt sich weitgehend aus dem Spinnverhalten der Fäden. Bei Einsatz"herkömmlicher Spinnanlagen führen zur Zeit Spinnabzugsgeschwindigkeiten von über 5000 m/min meist zu stark. flusigen Garnen.

    [0013] Um die Fließfestigkeit der hochgedrehten Garne zu erhöhen und die Reißdehnung und die Kringelneigung zu reduzieren, ist eine Nachverstreckung der hochgedrehten Garne notwendig. Diese Nachverstreckung liegt im allgemeinen zwischen 5 und 20 %. Eine hohe Nachverstreckung erfordert auch - bei vorgegebener Drehung des fertigen Garns - eine Erhöhung der auf das Einsatzgarn aufgebrachten Drehung. Üblicherweise wird man das Nachverstreckungsverhältnis so klein halten, daß die Kringelneigung für das jeweilige Einsatzgebiet gerade ausreichend gering gehalten wird.

    [0014] In einer bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens erfolgen Hochdrehen und Nachverstrecken unmittelbar hintereinander in einer Vorrichtung.

    [0015] Die Drallberuhigung oder Herabsetzung der Kringelneigung ist erforderlich, um eine störungsfreie Verarbeitung des Garnes sicherzustellen. Beispielsweise kommt es bei nicht genügend drallberuhigten Garnen insbesondere beim Schären dazu, daß sich gerissene Garne, speziell zwischen Ablaufspule und erster Fadenbremse so um die Ablaufspule wickeln, daß ein Wiederanfahren nur mit hohem Arbeitsaufwand möglich ist.

    [0016] Zur überschlägigen Beurteilung,ob ein Garn kringelt,kann man in einem Handversuch eine Garnschlaufe zusammenführen und die Entstehung des ersten Kringels beurteilen. Dieses Meßprinzip wurde in folgender Weise normiert.

    [0017] Ein Faden oder Garn von 100 cm Länge wird mit 2 Klemmen eingespannt. Eine dieser Klemmen wird motorisch in Richtung auf die andere Klemme bewegt und dabei die sich ausbildende Schlaufe oder Schlinge beobachtet. Schlägt das untere Ende der Schlinge um und bildet sich ein Kringel, so wird der motorische Antrieb der Klemme gestoppt und der Abstand der beiden Klemmen abgelesen. Ein hoher abgelesener Wert bedeutet, daß der erste Kringel bereits bei einem großen Abstand der Schenkelenden eingesprungen ist, ein entsprechendes Garn weist eine große Kringelneigung auf. Ein geringer Abstand zeigt eine niedrige Kringelneigung an, die Schenkelenden der sich ausbildenden Schlinge konnten weit zusammengeführt werden.

    [0018] Eine Kringelneigung von weniger als 12 cm hat sich bei Fäden, die auf üblichen Schärgattern verarbeitet werden sollen, als ausreichend erwiesen.

    [0019] Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens liegt in den geringen Schrumpfwerten der Einsatzgarne, die bereits bei etwa 4-5 % liegen. Durch die erfindungsgemäß erforderliche kalte Nachverstreckung steigen die Schrumpfwerte nur geringfügig an.

    [0020] Das Ausgangsgarn fällt beim Schnellspinnen meist in Form einer zylindrischen Spule an und kann entweder in dieser Aufmachung einer Zwirnmaschine - meist einer Doppeldrahtzwirnmaschine - vorgelegt werden oder vorher in einer anderen Aufmachung, z.B. in die Form eines Kopses,überführt werden. Diese Schritte sind nicht erfindungswesentlich, sie werden-überwiegend von wirtschaftlichen Faktoren bestimmt.

    [0021] Zur weiteren Verdeutlichung der Erfindung soll anhand der Figur eine Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens beschrieben werden.

    [0022] Eine zylindrische Spinnspule 1 wird auf die Doppeldraht- - spindel 2 aufgesetzt und das Garn in herkömmlicher Art hochgedreht. Auf den Ballonfadenführer 3 folgen zwei Lieferwerke 4 und 5, zwischen denen das hochgedrehte Garn bei Raumtemperatur verstreckt wird. Das hochgedrehte und verstreckte Garn wird in der Spulmaschine 6 aufgespult und stellt ein verkaufsfertiges hochgedrehtes Garn dar, das schrumpfarm und drallberuhigt ist. Das erfindungsgemäße Zwirn- und Verstreckverfahren ergibt Garne, die sowohl im Thermoschrumpf als auch in der Kringelneigung (als Maß für die Drallberuhigung) Garnen entsprechen, wie sie nach dem Stand der Technik nur durch eine thermische Behandlung hochgedrehter Garne erhalten werden konnten. Wie oben ausgeführt, ist diese thermische Behandlung mit hohen Energiekosten verbunden. Im Gegensatz dazu kann das erfindungsgemäße Verfahren mit geringstem Investitionsaufwand - die Zwirnmaschine muß nur um eine Streckzone ergänzt werden - durchgeführt werden.

    [0023] Wie die folgenden Beispiele zeigen, ergibt das erfindungsgemäße Verfahren Garne, die den gewohnten Qualitätsnormen entsprechen, in der Gleichmäßigkeit der Garneigenschaften sogar übertreffen. Ein weiterer Vorteil der erfindungsgemäß hergestellten Garne ist ihre hohe Farbstoffaufnahme die durch den benötigten hohen Spinnabzug bedingt wird (vgl. Jacob u. Schröder in "Chemiefasern/ Textilindustrie" 1980, S. 114-119, 228-232, z.B. Abb.10). Das erfindungsgemäße Verfahren eignet sich besonders für Garne aus Polyethylenterephthalat, ist aber auch für Garne aus anderen Hochpolymeren einsetzbar.

    Beispiel 1



    [0024] Auf einer Doppeldrahtmaschine vom Typ DD 39 der Barmag, Barmer Maschinenfabrik AG, wurden Schnellspinngarne aus Polyethylenterephthalat verarbeitet. Das Vorlagegarn war mit einer Aufwickelgeschwindigkeit von 4300 m/min auf zylindrischen Spulen gewonnen worden. Die textiltechnologischen Daten des Ausgangsgarnes und der erhaltenen Garne in Abhängigkeit von der angewandten Nachverstreckung sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefaßt worden. Zum Vergleich wurden in diese Tabelle die Werte eines handelsüblichen Garnes vergleichbaren Titers mit aufgenommen, bei dem die Drallberuhigung durch einen thermischen Prozeß durchgeführt worden war. Der Ausgangstiter des Vorlagegarns betrug dtex 122 f 40 matt. Mit Hilfe der Doppeldrahtzwirnmaschine wurden jeweils 650 Zwirndrehungen/m Z aufgebracht. Das Vergleichsgarn hatte einen Titer von dtex 110 f 48 Z 650 glänzend.

    Die Fadenzugkraft im Ballon bei einer Spindeldrehzahl von 6850 U/min lag bei etwa 50 cN und in der Verstreckzone zwischen 85 und 105 cN je nach dem angewandten Verstreckverhältnis.

    [0025] Am Schärgatter wurde eine Kringelneigung unter 12 cm als hinreichend betrachtet, so daß bereits eine Verstreckung von 6 % in dem vorliegenden Fall als ausreichend angesehen werden kann.

    Beispiel 2



    [0026] In gleicher Weise wie im Beispiel 1 wurde ein Polyestermultifilamentgarn als Vorlagegarn für ein kombiniertes Zwirn- und Verstreckverfahren eingesetzt. Als Doppeldrahtmaschine diente wiederum das Fabrikat DD 39 der Firma Barmag. Die Aufspulgeschwindigkeit der Spinnfäden betrug 4900 m/min, der Ausgangstiter dtex 118 f 40 matt. Es wurden verschiedene Versuchsreihen gefahren, wobei das Garn einmal einer Drehung von 1000 Touren/m und in einem anderen Fall mit 400 Touren/m beaufschlagt wurde.In beiden Fällen wurde die Nachverstreckung variiert. Die erhaltenen Ergebnisse sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefaßt worden, in der auch die weiteren textilen Daten des vorgelegten Spinngarnes aufgenommen worden sind.

    Aus dieser Tabelle ergibt sich, daß bei einem Zwirn von 400 T/m bereits eine Nachverstreckung von 6 % als ausreichend angesehen werden kann, während bei 9 % Nachverstreckung die Kringelneigung bereits vollständig beseitigt ist, während zur Drallberuhigung bei einem Zwirn von 1000 T/m zumindest 14 % Nachverstreckung erforderlich sind.


    Ansprüche

    1. Verfahren zum Herstellen hochgedrehter, schrumpfarmer und drallberuhigter Garne oder Zwirne durch Hochdrehen und Strecken vororientierter Garne, dadurch gekennzeichnet, daß die Garne eine Fließspannung von über 7,5 cN/tex aufweisen und anschließend bei Raumtemperatur einer Nachverstreckung unterworfen werden.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Fließspannung der Vorlagegarne 8 bis 10 cN/tex beträgt.
     
    3. Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Nachverstreckung 5 bis 20 % beträgt.
     




    Zeichnung