[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Herstellen hochgedrehter, schrumpfarmer
und drallberuhigter Garne oder Zwirne durch Hochdrehen und Strecken vororientierter
Garne.
[0002] Die Herstellung falschdrahtgekräuselter Polyestergarne erfolgt aus wirtschaftlichen
Erwägungen heraus weitgehend aus sogenannten vororientierten Garnen, die durch Anwendung
hoher Spinnabzugsgeschwindigkeiten hergestellt werden. Glatte Polyestergarne werden
dagegen auch heute noch in großem Ausmaß aus wenig vororientierter Spinnware hergestellt.
[0003] Aus der CH-PS 601 518 ist es bereits bekannt, hochgezwirnte und fixierte, d.h. wärmebehandelte
Garne aus vororientierten Garnen herzustellen, wobei Spinnabzugsgeschwindigkeit von
3000 bis 5000 m/min entsprechend Verstreckverhältnissen von 1:1,6 bis 1:1,2 genannt
werden. Die Garne werden hier in einem Arbeitsgang hochgedreht, verstreckt und dabei
z.B. bei 200°C thermisch fixiert. Ein derartig fixiertes, hochgedrehtes Garn besitzt
einen geringen Thermoschrumpf und ist drallberuhigt, d.h. es zeigt keine Kringelneigung.
[0004] Die Verwendung von Temperaturen von 200°C bedeutet normalerweise einen sehr großen
Energieeinsatz. Die Fäden jeder einzelnen Zwirnstelle müssen über jeweils getrennte
Heizer geleitet werden, deren Energieverluste außerordentlich groß sind. Es wird geschätzt,
daß weniger als 1 Promille der Heizleistung jedes einzelnen Heizers auf den laufenden
Faden oder Zwirn übertragen wird. Die restliche Energie führt zu einer Aufheizung
des Arbeitsraumes, in den diese Maschine steht. Derartige Arbeitsräume sind üblicherweise
klimatisiert, d.h. aberdaß die Heizenergie über die Klimaanlage wieder vernichtet
werden muß, was weitere . Energiekosten hervorruft.
[0005] Als Verbesserung dieses üblichen Heißzwirnverfahrens mit einzelnen Zwirnstellen und
einzelnen Heizern wird in der EP-OS 20 285 eine Heißzwirnvorrichtung mit einem gemeinsamen
Heizer beschrieben, über den eine Vielzahl von Garnen als schmales Band geführt wird.
Durch eine solche Maßnahme kann eine Energieeinsparung von mehr als einer Zehnerpotenz
gegenüber der Fahrweise mit Einzelheizern erzielt werden. Aber auch hier werden noch
Heizer benötigt, die z.B. für 20 Spindelstellen gemeinsam wirken. Aber auch bei dieser
energiesparenden Ausführung wird nur ein sehr geringer Bruchteil der eingesetzten
Heizenergie für die Aufheizung der Fäden aufgewandt, die Haüptmenge der Heizenergie
wird auch in diesem Fall an den umgebenden Raum abgegeben.
[0006] In der DE-OS 29 00 799 wird bereits ein Verfahren beschrieben, bei dem die Verstreckung
und Verzwirnung von Garnen im Ballon von Doppeldrahtzwirnspindeln ohne Einsatz eines
Heizers bei dem Verstrecken und Verzwirnen durchgeführt werden kann. Als Einsatzgarne
sind z.B. Polyestergarne - geeignet, die mit einer Aufwickelgeschwindigkeit von 2560
bis 4100 m/min gewonnen wurden. Die Garne werden dabei im Ballon der Zwirnspindel
jedoch unregelmäßig verstreckt und zeigen daher über ihre Länge wechselnde Orientierungen,
die sich z.B. in einer unterschiedlichen Anfärbbarkeit zeigt. Darüberhinaus ist es
bei diesem Verfahren jedoch notwendig, im Anschluß an die ohne Temperatureinwirkung
durchgeführte Verstreckung und Verzwirnung die erhaltenen Garne einer Temperaturbehandlung
unter Spannung zu unterwerfen. Die notwendigen Temperaturen werden mit 70 bis 240°C
angegeben. In den Beispielen wurde stets eine Temperatur von 220°C eingehalten. Das
Verfahren gemäB dieser Entgegenhaltung weist also ebenfalls wieder einen hohen Energieaufwand
durch den Einsatz von Heizern auf. Wird die Temperaturbehandlung der verzwirnten und
verstreckten Fäden weggelassen, so erhält man keine gebrauchstüchtigen Garne. In der
DE-OS wird in diesem Zusammenhang von einem kartonhaften Aussehen derartiger Garne
gesprochen. Darüberhinaus weisen derartige Fäden eine wechselnde Orientierung über
ihre Länge auf, die sich z.B. in einer ungleichmäßigen Anfärbung zeigt.
[0007] Es bestand also nach wie vor die Aufgabe, ein Verfahren zum Herstellen hochgedrehter
drallberuhigter Garne durch Hochdrehen und Strecken von Fäden bzw. Garnen zu finden,
bei dem nach Möglichkeit auf den Einsatz von Heizenergie völlig verzichtet werden
kann..
[0008] Uberraschend wurde nun gefunden, daß beim Einsatz von vororientierten Garnen, die
sich unter der Ballonspannung einer üblichen Doppeldrahtzwirnmaschine nicht mehr verstrecken
lassen, die oben geschilderten Nachteile des Verfahrens gemäß DE-OS 29 00 799 nicht
mehr beobachtet werden können, sofern das aus der Doppeldrahtzwirnmaschine austretende
Garn anschließend noch einer Verstreckung bei Raumtemperatur unterworfen wird.
[0009] Eine Verstreckung im Ballon einer Doppeldrahtzwirnmaschine bei üblichen Spindeldrehzahlen
findet nicht mehr statt, wenn die Fließspannung der Einsatzgarne über etwa 7,5 cN/tex
liegt. Vorzugsweise sollten die Einsatzgarne bei der Durchführung des erfindungsgemäßen
Verfahrens eine Fließspannung von 8 bis 10 cN/tex aufweisen.
[0010] Unter Fließspannung wird dabei diejenige Garnspannung (Zugkraft dividiert durch Ausgangstiter)
verstanden, bei der das Kraft-Dehnungs-Diagramm vom anfänglich linearen Verlauf abweicht,
d.h. bei der im allgemeinen die angreifenden Kräfte nicht mehr zu einer reversiblen
sondern zu einer irreversiblen Längenänderung der Fäden führen.
[0011] Der Beginn der irreversiblen Längenänderung ist häufig schwer zu erkennen. Statt
dessen ist es jedoch möglich, die Höhe des Minimums der Kraft-Dehnungs-Kurve als Wert
für die Fließkraft einzusetzen. Ein solches Minimum wird üblicherweise nach dem linearen
Anstieg und einem gewissen überschwingen im Fließpunkt als waagerechter Ast der Kurve
beobachtet. In diesem Bereich tritt also eine Längenzunahme ohne Steigerung der Kraft
ein. Bei hoher Vororientierung der Garne kann dieses Minimum nur noch als Wendepunkt
oder Knick in der Kurve ekennbar sein, eine Bestimmung der Fließkraft ist jedoch in
jedem Fall möglich.
[0012] Die geforderte Mindestfließspannung von über etwa 7,5 cN/ tex, wird auf herkömmlichen
Spinnanlagen bei Spinnabzugsgeschwindigkeiten von über 4100 m/min erreicht. Der bevorzugte
Bereich von 8 bis 10 cN/tex entspricht bei herkömmlichen Spinnanlagen und üblichen
Titern für textile Einsatzgebiete Spinnabzugsgeschwindigkeiten von etwa 4300 bis 5000'm/min.
Wie bereits oben ausgeführt, ergeben Fließspannungswerte unterhalb von etwa 7,5 cN/tex
eine zum Teil unregelmäßige Verstreckung bei dem Zwirnprozeß der Doppeldrahtzwirnmaschine.
Die Obergrenze der Vororientierung der Einsatzgarne ergibt sich weitgehend aus dem
Spinnverhalten der Fäden. Bei Einsatz
"herkömmlicher Spinnanlagen führen zur Zeit Spinnabzugsgeschwindigkeiten von über 5000
m/min meist zu stark. flusigen Garnen.
[0013] Um die Fließfestigkeit der hochgedrehten Garne zu erhöhen und die Reißdehnung und
die Kringelneigung zu reduzieren, ist eine Nachverstreckung der hochgedrehten Garne
notwendig. Diese Nachverstreckung liegt im allgemeinen zwischen 5 und 20 %. Eine hohe
Nachverstreckung erfordert auch - bei vorgegebener Drehung des fertigen Garns - eine
Erhöhung der auf das Einsatzgarn aufgebrachten Drehung. Üblicherweise wird man das
Nachverstreckungsverhältnis so klein halten, daß die Kringelneigung für das jeweilige
Einsatzgebiet gerade ausreichend gering gehalten wird.
[0014] In einer bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens erfolgen Hochdrehen und Nachverstrecken
unmittelbar hintereinander in einer Vorrichtung.
[0015] Die Drallberuhigung oder Herabsetzung der Kringelneigung ist erforderlich, um eine
störungsfreie Verarbeitung des Garnes sicherzustellen. Beispielsweise kommt es bei
nicht genügend drallberuhigten Garnen insbesondere beim Schären dazu, daß sich gerissene
Garne, speziell zwischen Ablaufspule und erster Fadenbremse so um die Ablaufspule
wickeln, daß ein Wiederanfahren nur mit hohem Arbeitsaufwand möglich ist.
[0016] Zur überschlägigen Beurteilung,ob ein Garn kringelt,kann man in einem Handversuch
eine Garnschlaufe zusammenführen und die Entstehung des ersten Kringels beurteilen.
Dieses Meßprinzip wurde in folgender Weise normiert.
[0017] Ein Faden oder Garn von 100 cm Länge wird mit 2 Klemmen eingespannt. Eine dieser
Klemmen wird motorisch in Richtung auf die andere Klemme bewegt und dabei die sich
ausbildende Schlaufe oder Schlinge beobachtet. Schlägt das untere Ende der Schlinge
um und bildet sich ein Kringel, so wird der motorische Antrieb der Klemme gestoppt
und der Abstand der beiden Klemmen abgelesen. Ein hoher abgelesener Wert bedeutet,
daß der erste Kringel bereits bei einem großen Abstand der Schenkelenden eingesprungen
ist, ein entsprechendes Garn weist eine große Kringelneigung auf. Ein geringer Abstand
zeigt eine niedrige Kringelneigung an, die Schenkelenden der sich ausbildenden Schlinge
konnten weit zusammengeführt werden.
[0018] Eine Kringelneigung von weniger als 12 cm hat sich bei Fäden, die auf üblichen Schärgattern
verarbeitet werden sollen, als ausreichend erwiesen.
[0019] Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens liegt in den geringen Schrumpfwerten
der Einsatzgarne, die bereits bei etwa 4-5 % liegen. Durch die erfindungsgemäß erforderliche
kalte Nachverstreckung steigen die Schrumpfwerte nur geringfügig an.
[0020] Das Ausgangsgarn fällt beim Schnellspinnen meist in Form einer zylindrischen Spule
an und kann entweder in dieser Aufmachung einer Zwirnmaschine - meist einer Doppeldrahtzwirnmaschine
- vorgelegt werden oder vorher in einer anderen Aufmachung, z.B. in die Form eines
Kopses,überführt werden. Diese Schritte sind nicht erfindungswesentlich, sie werden-überwiegend
von wirtschaftlichen Faktoren bestimmt.
[0021] Zur weiteren Verdeutlichung der Erfindung soll anhand der Figur eine Ausführungsform
des erfindungsgemäßen Verfahrens beschrieben werden.
[0022] Eine zylindrische Spinnspule 1 wird auf die Doppeldraht- - spindel 2 aufgesetzt und
das Garn in herkömmlicher Art hochgedreht. Auf den Ballonfadenführer 3 folgen zwei
Lieferwerke 4 und 5, zwischen denen das hochgedrehte Garn bei Raumtemperatur verstreckt
wird. Das hochgedrehte und verstreckte Garn wird in der Spulmaschine 6 aufgespult
und stellt ein verkaufsfertiges hochgedrehtes Garn dar, das schrumpfarm und drallberuhigt
ist. Das erfindungsgemäße Zwirn- und Verstreckverfahren ergibt Garne, die sowohl im
Thermoschrumpf als auch in der Kringelneigung (als Maß für die Drallberuhigung) Garnen
entsprechen, wie sie nach dem Stand der Technik nur durch eine thermische Behandlung
hochgedrehter Garne erhalten werden konnten. Wie oben ausgeführt, ist diese thermische
Behandlung mit hohen Energiekosten verbunden. Im Gegensatz dazu kann das erfindungsgemäße
Verfahren mit geringstem Investitionsaufwand - die Zwirnmaschine muß nur um eine Streckzone
ergänzt werden - durchgeführt werden.
[0023] Wie die folgenden Beispiele zeigen, ergibt das erfindungsgemäße Verfahren Garne,
die den gewohnten Qualitätsnormen entsprechen, in der Gleichmäßigkeit der Garneigenschaften
sogar übertreffen. Ein weiterer Vorteil der erfindungsgemäß hergestellten Garne ist
ihre hohe Farbstoffaufnahme die durch den benötigten hohen Spinnabzug bedingt wird
(vgl. Jacob u. Schröder in "Chemiefasern/ Textilindustrie" 1980, S. 114-119, 228-232,
z.B. Abb.10). Das erfindungsgemäße Verfahren eignet sich besonders für Garne aus Polyethylenterephthalat,
ist aber auch für Garne aus anderen Hochpolymeren einsetzbar.
Beispiel 1
[0024] Auf einer Doppeldrahtmaschine vom Typ DD 39 der Barmag, Barmer Maschinenfabrik AG,
wurden Schnellspinngarne aus Polyethylenterephthalat verarbeitet. Das Vorlagegarn
war mit einer Aufwickelgeschwindigkeit von 4300 m/min auf zylindrischen Spulen gewonnen
worden. Die textiltechnologischen Daten des Ausgangsgarnes und der erhaltenen Garne
in Abhängigkeit von der angewandten Nachverstreckung sind in der nachfolgenden Tabelle
zusammengefaßt worden. Zum Vergleich wurden in diese Tabelle die Werte eines handelsüblichen
Garnes vergleichbaren Titers mit aufgenommen, bei dem die Drallberuhigung durch einen
thermischen Prozeß durchgeführt worden war. Der Ausgangstiter des Vorlagegarns betrug
dtex 122 f 40 matt. Mit Hilfe der Doppeldrahtzwirnmaschine wurden jeweils 650 Zwirndrehungen/m
Z aufgebracht. Das Vergleichsgarn hatte einen Titer von dtex 110 f 48 Z 650 glänzend.

Die Fadenzugkraft im Ballon bei einer Spindeldrehzahl von 6850 U/min lag bei etwa
50 cN und in der Verstreckzone zwischen 85 und 105 cN je nach dem angewandten Verstreckverhältnis.
[0025] Am Schärgatter wurde eine Kringelneigung unter 12 cm als hinreichend betrachtet,
so daß bereits eine Verstreckung von 6 % in dem vorliegenden Fall als ausreichend
angesehen werden kann.
Beispiel 2
[0026] In gleicher Weise wie im Beispiel 1 wurde ein Polyestermultifilamentgarn als Vorlagegarn
für ein kombiniertes Zwirn- und Verstreckverfahren eingesetzt. Als Doppeldrahtmaschine
diente wiederum das Fabrikat DD 39 der Firma Barmag. Die Aufspulgeschwindigkeit der
Spinnfäden betrug 4900 m/min, der Ausgangstiter dtex 118 f 40 matt. Es wurden verschiedene
Versuchsreihen gefahren, wobei das Garn einmal einer Drehung von 1000 Touren/m und
in einem anderen Fall mit 400 Touren/m beaufschlagt wurde.In beiden Fällen wurde die
Nachverstreckung variiert. Die erhaltenen Ergebnisse sind in der nachfolgenden Tabelle
zusammengefaßt worden, in der auch die weiteren textilen Daten des vorgelegten Spinngarnes
aufgenommen worden sind.

Aus dieser Tabelle ergibt sich, daß bei einem Zwirn von 400 T/m bereits eine Nachverstreckung
von 6 % als ausreichend angesehen werden kann, während bei 9 % Nachverstreckung die
Kringelneigung bereits vollständig beseitigt ist, während zur Drallberuhigung bei
einem Zwirn von 1000 T/m zumindest 14 % Nachverstreckung erforderlich sind.
1. Verfahren zum Herstellen hochgedrehter, schrumpfarmer und drallberuhigter Garne
oder Zwirne durch Hochdrehen und Strecken vororientierter Garne, dadurch gekennzeichnet,
daß die Garne eine Fließspannung von über 7,5 cN/tex aufweisen und anschließend bei
Raumtemperatur einer Nachverstreckung unterworfen werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Fließspannung der Vorlagegarne
8 bis 10 cN/tex beträgt.
3. Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Nachverstreckung
5 bis 20 % beträgt.