[0001] Bekanntlich ziehen basische Farbstoffe beim Färben in langer Flotte auf anionische
Polyacrylnitrilfasern oder Acrylnitril enthaltende Polymerfasern unegal auf, sobald
im Färbeapparat auch nur geringe Temperatur- und Konzentrationsunterschiede bestehen.
Die Aufziehgeschwindigkeit kationischer Farbstoffe auf anionisch modifizierte Polyacrylnitrilfasern
ist besonders temperaturabhängig. Um Polyacrylnitrilfasern dennoch egal mit kationischen
Färbstoffen färben zu können, verwendet man Retarder. Es handelt sich hierbei um Verbindungen,
die die Aufziehgeschwindigkeit der Farbstoffe in der Aufziehphase herabsetzen. So
sind beispielsweise für diesen Zweck quaternäre Ammoniumsalze von 1,3,5-Trisaminoalkyl-hexahydro--s-triazinen
gemäß DE-PS 23 16 725 und quaternisierte Polyamine, die in der DE-AS 25 0/8 242 beschrieben
werden, bekannt. Die bekannten Retarder zeigen jedoch bei Einsatz der gebräuchlichsten
kationischen Farbstoffe zum Färben von Polyacrylnitrilfasern keine gleichmäßige Retardierwirkung
in dem Temperaturbereich, in dem gefärbt wird.
[0002] Aufgabe der Erfindung ist es, für das Färben von textilen Materialien aus Polyacrylnitril
oder Copolymerisaten, die Acrylnitril einpolymerisiert enthalten, mit basischen Farbstoffen
in wäßriger Flotte nach dem Ausziehverfahren Retarder zur Verfügung zu stellen, die
mit den gebräuchlichsten kationischen Farbstoffen kombinierbar sind, die möglichst
im gesamten Temperaturbereich, in dem gefärbt wird, eine gleichmäßige Retardierwirkung
aufweisen und die in den wäßrigen Flotten nicht oder nur wenig zum Schäumen neigen.
[0003] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst, wenn man als Retarder wasserlösliche Reaktionsprodukte
verwendet, die durch Kondensation von
(a) Piperazin, Bis-(1,4-Aminopropyl)-piperazin, 1-Aminoethylpiperazin, 1-Methylpiperazin
oder deren Gemische mit
(b) Ethylenchlorid, Epihalogenhydrin, Propylenchlorid, 1,3-Dichlor-2-hydroxy-propan,
Bis-epoxibutan, 1,4-Dichlorbutan oder deren Gemische
im Molverhältnis 1 : 0,9 bis 1,1 und Quaternisierung der Kondensationsprodukte mit
Benzylchlorid erhalten werden, wobei man bei der Quarternisierung pro Mol der Komponente
(a) 0,8 bis 1,5 Mol Benzylchlorid einsetzt.
[0004] Die textilen Materialien können beispielsweise als Gewebe, Gewirke, Garn oder Flocke
vorliegen. Sie bestehen aus Polyacrylnitril bzw. aus Copolymerisaten, die Acrylnitril
einpolymerisiert enthalten. Der Acrylnitrilanteil der Copolymerisate beträgt mindestens
50, vorzugsweise 80 bis 98 Gew.%. Die Copolymerisate des Acrylnitrils können beispielsweise
als Comonomere Acrylamid, Acrylester, Methacrylester, Vinylester oder Vinylchlorid
einpolymerisiert enthalten. Um die Anfärbbarkeit der Polyacrylnitrilfasern zu verbessern,
enthalten die Copolymerisate in der Regel anionische Gruppierungen, wie Carboxyl-
oder Sulfonsäure-' gruppen. Eine anionische Modifizierung des Polyacrylnitrils bzw.
der Copolymerisate des Acrylnitrils erreicht man, indem man z.B. ethylenisch ungesättigte
Carbonsäuren, wie Acrylsäure, Methacrylsäure oder Maleinsäure bzw. ethylenisch ungesättigte
Sulfonsäuren, wie Vinylsulfonsäure bei der Copolymerisation mit einsetzt. Eine ausreichende
Anfärbbarkeit der Fasern wird auch dadurch ermöglicht, daß ein Teil der Nitrilgruppen
des Polyacrylnitrils zu Carboxylgruppen hydrolisiert'wird.
[0005] Basische Farbstoffe sind z.B. Farbstoffe der Di- und Triarylmethanreihe, der Indolyl-
und Diindolylarylmethanreihe, Oxazin-, Thiazin-, Diazin-, Thiazol-, Xanthen-, Acridin-,
Chinolin-, Chinophthalon-, Indolin- und Cyaninfarbstoffe sowie die basischen Azo-
und Azomethinfarbstoffe. Farbstoffe dieser Art sind beispielsweise in American Dyestuff
Reporter (1954), S. 432 bis 433 beschrieben.
[0006] Die textilen Materialien auf Basis von Polyacrylnitril werden in einer wäßrigen Flotte
nach dem Ausziehverfahren bei Temperaturen von 70 bis 110°C gefärbt. Das Flottenverhältnis
beträgt 1:5 bis 1:100.
[0007] Um egale, naß- und lichtechte Färbungen zu erhalten, verwendet man als Retarder wasserlösliche,
polymere Reaktionsprodukte der oben beschriebenen Art. Sie werden durch Kondensieren
von (a) Piperazin, Bis-(1,4-Aminopropyl)-piperazin, 1-Aminoethylpiperazin, 1-Methylpiperazin
mit (b) Ethylenchlorid, Epihalogenhydrin (z.B. Epichlorhydrin und Epibromhydrin),
Propylenchlorid, wie 1,2-Propylenchlorid und 1,3-Propylenchlorid, 1,3-Dichlor-2-hydroxipropan,
Bis--epoxibutan oder 1,4-Dichlorbutan im Molverhältnis 1 : 0,9 bis 1,1 bei pH-Werten
zwischen 6,5 bis 12, vorzugsweise 7 bis 10 und anschließender Quaternisierung der
Kondensationsprodukte mit Benzylchlorid erhalten. Für die Einstellung des pH-Wertes
bei der Kondensation verwendet man gegebenenfalls Basen, wie Natronlauge, Kalilauge,
Natriumcarbonat, Calciumoxid, Calciumhydroxid, Bariumoxid oder Bariumhydroxid. Sofern
die Verbindungen der Gruppe (a) im Überschuß bei aer Kondensation eingesetzt werden,
stellt sich auf Grund der Basizität dieser Verbindungen ein pH-Wert im alkalischen
Bereich ein. Die Kondensation wird in wäßriger Lösung bei einem Feststoffgehalt der
Lösung von 20 bis 60 Gew.% und Temperaturen'von 60 bis 100°C durchgeführt. Die wasserlöslichen
nicht quaternierten Kondensationsprodukte haben in 45%iger wäßriger Lösung bei einer
Temperatur von 20°C eine Viskosität von mindestens 3000 mPas haben. Besonders wirksame
Retarder erhält man, wenn man Piperazin mit Epichlorhydrin oder Ethylenchlorid kondensiert
und anschließend mit Benzylchlorid quaternisiert.
[0008] Für die Quaternisierung der Kondensationsprodukte aus den Komponenten (a) und (b)
setzt man pro Mol der Komponente (a) 0,8 bis 1,5, vorzugsweise 0,9 bis 1,3 Mol Benzylchlorid
ein. Die Quaternisierung erfolgt vorzugsweise in wäßrigem Medium bei Temperaturen
von 60 bis 100°C. Sowohl die Kondensationsreaktion als auch die Quaternisierung der
Kondensationsprodukte kann bei Temperaturen oberhalb 100°C unter Druck vorgenommen
werden. Man erreicht dadurch kürzere Reaktionszeiten. Die wäßrigen Lösungen der quaternisierten
Kondensationsprodukte können direkt als Retarder verwendet werden.
[0009] Die erfindungsgemäß zu verwendenden Verbindungen haben gegenüber den bekannten Retardern
zum Färben von textilen Materialien aus Polyacrylnitril oder Acrylnitril enthaltenden
Copolymerisaten den Vorteil, daß sie eine höhere Wirksamkeit besitzen und somit wesentlich
geringere Mengen eingesetzt werden müssen, um die gleiche Egalität zu erreichen wie
mit bisher verwendeten Retardern. Ein weiterer Vorteil liegt darin, daß die erfindungsgemäß
zu verwendenden quaternisierten Kondensationsprodukte selbst bei hoher Anwendungskonzentration
nicht zur Faserblockierung neigen. Das bedeutet, daß beispielsweise der zum Nuancieren
nachgesetzte Farbstoff in der üblichen Färbezeit aufzieht. Dies ist beispielsweise
bei dem Retarder Lauryl-1
[0010] -dimethyl-benzyl-ammoniumchlorid nicht der Fall, auch dann nicht, wenn man relativ
geringe Mengen einsetzt. Ein besonderer Vorteil bei der erfindungsgemäßen Verwendung
der quaternisierten Kondensationsprodukte aus den Komponenten (a) und (b) ist darin
zu sehen, daß die wäßrigen Flotten entweder kein oder nur ein sehr geringes Schaumvermögen
besitzen. Die Färbeflotten enthalten den Retarder in einer Menge von 0,003 bis 2,
vorzugsweise 0,02 bis 0,5 Gew.%.
[0011] Die in den Beispielen angegebenen Teile sind Gewichtsteile, die Angaben in Prozent
beziehen sich, sofern nicht anders angegeben, auf das Gewicht der Stoffe.
Herstellung der Retarder
Retarder 1
[0012] Zu'95,5 Gew.-Teilen einer 67,2%igen wäßrigen Piperazinlösung gab man 47,7 Teile Kondenswasser
und erhitzte die Lösung auf eine Temperatur von 75°C. Sobald diese Temperatur erreicht
war, ließ man innerhalb 1 Stunde in dem Temperaturbereich zwischen 70 und 80°C 69
Teile Epichlorhydrin zulaufen und erhitzte die Mischung anschließend 3 Stunden lang
auf eine Temperatur von 80°C. Während dieser Zeit stieg die Viskosität der Reaktionsgemische
auf ca. 5000 mPas an, während der pH-Wert auf 7,0 abfiel. Danach setzte man 134,3
Teile Wasser und 59,7 Teile einer 50%igen Natronlauge zu und ließ innerhalb von 40
bis 60 min bei einer Temperatur von 80°C 94 Teile Benzylchlorid zulaufen. Die Benzylierung
wurde durch zweistündiges Erhitzen der Gemische bei einer Temperatur von 800C vervollständigt.
Man kühlte das Reaktionsgemisch auf 30°C ab und setzte anschließend 343,1 Teile einer
85%igen Ameisensäure und 156,7 Teile Wasser zu. Man erhielt insgesamt 1000 Teile des
Retarders 1.
Retarder 2
[0013] Zu 717 Teilen (3,7 Mol) Piperazinhexahydrat und 200 Teilen Wasser wurden in dem Temperaturbereich
von 70 bis 80°C innerhalb von 3 bis 4 Stunden 346 Teile (3,5 Mol) Ethylenchlorid zugegeben.
Nach Beendigung der Ethylenchloridzugabe wurde das Reaktionsgemisch 2 Stunden zum
Sieden am Rückfluß erhitzt. Danach fügte man 812 Teile einer 50%igen wäßrigen Kalilauge
und 2500 Teile Wasser zu (pH 11,3) und erhitzte die Mischung 3 Stunden auf eine Temperatur
in dem Bereich von 80 bis 90°C. Man erhielt eine Suspension, die mit Wasser verdünnt
wurde, und zentrifugierte anschließend das feinkristalline Polyethylenpiperazin ab
und trocknete es.
[0014] Zu einer Suspension von 56 Teilen Polyethylenpiperazin in 80 Teilen Wasser gab man
bei einer Temperatur in dem Bereich von 70 bis 80°C innerhalb von 10 Minuten 63,5
Teile Benzylchlorid und erhitzte das Reaktionsgemisch 2 Stunden auf eine Temperatur
von 80°C. Danach wurde die Mischung auf 25°C abgekühlt und mit 40 Teilen Wasser verdünnt.
Man erhielt eine 50%ige wäßrige Lösung des Retarders 2.
Beispiel 1
[0015] 100 Teile eines handelsüblichen anionisch modifizierten Polyacrylnitril-Hochbauschgarns
wurden in 6000 Teilen einer Färbeflotte gefärbt, die, bezogen auf Garn, 0,2 Teile
des kationischen Farbstoffes der Formel

1 Teil Eisessig, 0,5 Teile Natriumacetat und 0,02 Teile des Retarders 1 enthielt.
[0016] Die Temperatur des Färbebades betrug am Anfang 85°C und wurde innerhalb von 6 min
auf 100°C erhöht. Danach färbte man das Garn 30 min bei 100°C. Die Retardermenge wurde
so gewählt, daß nach dieser Zeit ca. 98 % des Farbstoffs auf die Polyacrylnitrilfaser
aufgezogen waren. Man erhielt eine egale licht- und naßechte rote Färbung.
Beispiel 2
[0017] 100 Teile eines Garns aus einem anionisch modifiziertem Polyacrylnitril wurden in
5000 Teilen einer Färbeflotte gefärbt, die 0,5 Teile Natriumacetat, 2 Teile Essigsäure,
0,1 Teile Retarder 2 und 0,1 Teile des Farbstoffs der Formel

enthielt. Nach dem Erhitzen der Flotte auf eine Temperatur von 75°C brachte man das
Fasermaterial in die Flotte ein, heizte die Flotte innerhalb von 50 min auf 100°C
und färbte 40 min bei dieser Temperatur. Man erhielt eine egale licht-und naßechte
blaue Färbung.
Beispiel 3
[0018] 100 Teile eines Mischgarnes aus 55 % Polyacrylnitrilfasern (anionisch modifiziert)
und 45 % Wolle wurden in 4000 Teile einer Flotte gebracht, die auf 40°C erwärmt und
danach mit Essigsäure auf pH 4,5 gestellt wurde. Dann setzte man 0,51 Teile des roten
Säurefarbstoffes C.I 17070 und 0,2 Teile eines Oleylamins kondensiert mit 12 Mol Ethylenoxid
zu und erwärmte die Flotte innerhalb von 60 min von 40°C auf 80°C. Bei dieser Temperatur
wurden zugesetzt:
0,1 Teil des gelben basischen Farbstoffes C.I. 48055,
0,01 Teil des grünen, basischen Farbstoffes C.I. 4200,
0,1 Teil des roten, basischen Farbstoffes C.I. 48013 und 0,02 Teile des Retarders
1.
[0019] Die Temperatur des Färbebades wurde dann in 40 min auf 100°C erhöht. Anschließend
färbte man noch 30 min bei dieser Temperatur. Man erhielt eine egale, rote Färbung
mit guten Echtheiten.
Beispiel 4
[0020] 100 Teile eines Mischgarnes aus 45 % Polyacrylnitrilfasern (anionisch modifiziert)
und 45 % Wolle wurden in 4000 Teile einer Flotte eingebracht, die auf 40°C erwärmt
und danach mit Essigsäure auf pH 4,5 gestellt wurde.
Dann wurden
[0021] 0,5 Teile des grünen Säurefarbstoffes C.I. 61 570 und 0,2 Teile des Umsetzungsproduktes
aus C
18-Fettalkohol mit 30 Mol Ethylenoxid zugesetzt. Anschließend wurde die Flotte innerhalb
von 60 min von 40°C auf 80°C erwärmt.
[0022] Bei dieser Temperatur wurden zugesetzt:
0,32 Teile des grünen basischen Farbstoffes C.I. 42 000 0,06 Teile des gelben basischen
Farbstoffes C.I. 48 054 0,01 Teil des roten basischen Farbstoffs C.I. 48 013) sowie
0,2 Teile des Retarders 2.
[0023] Die Temperatur des Färbebades wurde dann in 40 min auf 100°C erhöht. Anschließend
färbte man noch 30 min bei dieser Temperatur. Man erhielt eine egale naßechte grüne
Färbung.