[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung eines Gußeisens mit
überwiegend vermicularer Graphitform (GGV), bei dem einer Basiseisenschmelze ein Behandlungszusatz
zugegeben wird.
[0002] Beim Gußeisen mit Vermiculargraphit liegen die Graphitausscheidungen überwiegend
als einzelne, nicht direkt zusammenhängende Gebilde vor, die fest mit dem Grundwerkstoff
verankert sind. Eine derartige Graphitausscheidungsform im
Werkstoffgefüge, die auch als Würmchengraphit bezeichnet wird, ist nach VDG-Merkblatt
P 441, Ausgabe 1962 des Vereins Deutscher Gießereifachleute als Typ III gekennzeichnet.
Die vermiculare Graphitform kann als Zwischenglied des Lamellengraphits (Grauguß),
der im Gußeisen als zusam- menhängendes und nicht in den Grundwerkstoff eingebettetes
Gebilde aus feinverteilten Verästelungen vorliegt, und des Kugelgraphits.(Sphäroguß)
mit seinen nicht miteinander in Verbindung stehenden einzelnen Graphitkugeln angesehen
werden.
[0003] Gußeisen mit Vermiculargraphit wurde anfangs als unerwünschte Graphitausscheidung
bei der Herstellung von
Guß- eisen mit
Kugelgraphit im Falle ungenügender Behandlung mit kugelbildenden Zusätzen oder auch
in dickwandigen Teilen aus Gußeisen mit Kugelgraphit angesehen. Inzwischen sind aber
die besonderen Vorzüge des Gußeisen mit Vermiculargraphit bekannt, die insbesondere
darin bestehen, daß Gußeisen mit Vermiculargraphit ein ähnlich gutes Gieß- und Lunkerverhalten
zeigt wie Gußeisen mit Lamellengraphit, aber hinsichtlich seiner Werkstoffeigenschaften
dem Gußeisen mit Kugelgraphit angenähert werden kann, so daß sich dieses Gußeisen
als Zwischenfestigkeitswerkstoff für beispielsweise gießtechnisch komplizierte GuBstücke
in idealer Weise eignet. Darüber hinaus besitzt Gußeisen mit Vermiculargraphit eine
sehr gute Wärmeleitfähigkeit und kann auch aufgrund eines niedrigen Elastizitäts-Moduls
für temperaturwechelbeanspruchte Bauteile, z. B. Zylinderköpfe, Auspuffkrümmer von
Brennkraftmaschinen, erfolgreich verwendet werden, so daß diesem Werkstoff in zunehmendem
Maße Bedeutung zukommen wird, soweit es gelingt, die schwierige Herstellung dieses
Werkstoffes, insbesondere im Hinblick auf gestufte Festigkeitsbereiche, zu beherrschen.
[0004] Es sind verschiedene Verfahren zum Herstellen von Gußeisen mit Vermiculargraphit
bekannt geworden. So ist in der GB-PS 1,069,058 ein Herstellungsverfahren beschrieben,
bei dem einer Sphäroguß-Baniseinenschmelze ein Behandlungszusatz aus Magnesium, Titan
und Seltenerdmetallen zugegeben wird, wobei Titan als Störelement die Ausbildung von
Kugelgraphit behindern soll. Ein derartiges Berstellungsverfahren stellt somit die
beim Herstellen von Sphäroguß notwendigen hohen Anforderungen an die Reinheit der
Basiseisenschmelze (Spurenelemente, Störelemente) und führt auch nur bei exakt eingehaltenen
Verfahrensbedingungen zu der gewünschten Vermiculargraphitausbildung, so daß hiermit
bei einer großtechnischen Anwendung erhebliche
Ferti- gungskosten anfallen. Darüber hinaus kann die Zugabe des Störelements Titan
aufgrund einer Carbidbildung im Gußeisen beispielsweise auch die Werkstoffeigenschaften
und Zerspanbarkeit nachteilig beeinflussen und ist insbesondere im Hinblick auf die
Wiederverwertbarkeit des Gußeisenstückes als Rohstoff für spätere Gußeisenächmelzen
nachteilig.
[0005] Aus der DE-PS 19 11 024 ist eine Behandlung einer Basiseisenschmelze mit Cer-Mischmetallen
oder Seltenenerdmetallen bekannt, wobei aber ausschließlich sehr reine, schwefelarme
Basiseisenschmelzen verwendet werden können. Neben dem hierdurch bedingten enormen
Kostenfaktor erfordert auch dieses Verfahren einen sehr sorgfältigen Verfahrensablauf
mit exakter Einhaltung der Verfahrensparameter, da ein zu hoher Cer-Zusatz zu einem
hohen Carbidanteil führt, so daß das Gußeisen stark zur Weißerstarrung neigt.
[0006] Weiterhin ist es bekannt (Gießereipraxis Nr. 22 1982, Seiten 359 - 372), Gußeisen
mit Vermiculargraphit durch eine gezielte Unterbehandlung von Basiseisenschmelzen
für Gußeisen mit Kugelgraphit mit Magnesiumlegierungen oder Magnesiumvorlegierungen,
beispielsweise FeSiMg-Legierungen, herzustellen. Dieses Verfahren wird jedoch als
betriebstechnisch sehr schwierig angesehen, da sich einerseits der Schwefelgehalt
der Basiseisenschmelze innerhalb sehr enger Grenzen bewegen muß und andererseits der
hohe Abklingeffekt (Fading-Effekt) der behandelten Basiseisenschmelze eine schnelle
Verarbeitung erfordert, um ein Umkippen der Schmelze zu einer beispielsweise lamellaren
Graphitausbildung auszuschließen. Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist daher, ein
Verfahren zur Herstellung von Gußeisen mit Vermiculargraphit zu finden, das großtechnisch
nutzbar ist, keine besonderen Anforderungen an die Basiseisenschmelze stellt und bei
dem auf die Zugabe von im Gußeisen unerwünschten Begleitelementen, z. B. Titan, weitgehend
verzichtet werden kann. Weiterhin soll das Verfahren mit hohem Wirkungsgrad arbeiten
und kostengünstig durchführbar sein.
[0007] Diese Aufgabe wird bei dem gattungsgemäßen Verfahren zur Herstellung von Gußeisen
mit Vermiculargraphit in überraschender Weise dadurch gelöst, daß als Behandlungszusatz
Reinmagnesium der Basiseisenschmelze zugegeben wird.
[0008] Durch die erfindungsgemäße Reinmagnesiumbehandlung kann Gußeisen mit Vermiculargraphit
besonders treffsicher reproduzierbar und insbesondere gestuft nach Festigkeitswerten
ohne Zugabe von weiteren Behandlungszusätzen hergestellt werden. Bei dem erfindungsgemäßen
Verfahren ist es im Gegensatz zu den bekannten Verfahren sogar möglich, schwefelreiche
Basiseisenschmelzen, z. B. übliche Graugußeisenschmelzen zu dem gewünschten Gußeisen
mit Vermiculargraphit zu verarbeiten, was im Hinblick auf eine großtechnische Anwendung
einen bedeutenden Kostenvorteil beinhaltet. Die behandelte Basiseisenschmelze ist
in vorteilhafter Weise frei von irgendwelchen Störelementen wie beispielsweise Titan,
und zeigt im Gegensatz zu den bekannten Basiseisenschmelzen eine sehr hohe Abklingdauer,
so daß die Gefahr des Umkippens vermicularer Graphitausbildung in ein lamellares Gefüge
weit vermindert ist, was offenbar auf die nicht vorhandenen und bei bekannten Verfahren
impfend wirkenden Legierungszusätze zurückzuführen ist. Je nach gewünschter Werkstoffgüte
ist es erfindungsgemäß möglich, die Basiseisenschmelze vor der Zugabe des Reinmagnesiums
einer Vorentschwefelung zu unterziehen, wobei in überraschender Weise gefunden wurde,
daß eine Vorentschwefelung mittels Reinmagnesium besonders vorteilhaft ist. Es ist
aber ebenfalls möglich, eine schwefelreiche
Basisei- senschmelze durch andere bekannte Mittel, z. B. CaC
2, Kalk, Soda oder dergl. vor der Zugabe des Reinmagnesiumbehandlungszusatzes zu entschwefeln.
[0009] Mit dem erfindungsgemäßen Reinmagnesiumherstellungsverfahren ist es mit überaus einfachen
und auch kostenmäßig sehr günstigen Mitteln möglich, die notwendigen Magnesiumrestgehalte
im Gußeisen so zu steuern, daß Gußstücke spezifischer Festigkeitsstufung von beispielsweise
200 N/mm
2 bis 500 N/mm
2 sicher und reproduzierbar hergestellt werden können, womit die Zwischenfestigkeitsbereiche
der bekannten Grauguß-Güteklassen gemäß DIN 1691 kontinuierlich zu den bekannten Werkstoffgruppen
von Gußeisen mit Kugelgraphit gemäß DIN 1693 abgedeckt werden. Zur Abdeckung dieses
Zwischenfestigkeitsbereiches hat sich eine derartige Zugabe von Reinmagnesium als
vorteilhaft herausgestellt, daß in dem erstarrten Gußeisen ein Anteil von 0,01-bis
0,04 Gew.-% Restmagnesium vorhanden ist. Hierbei wird bevorzugt der Basiseisenschmelze
0,05 bis 0,3 Gew.-% Reinmagnesium als Behandlungszusatz zugegeben. Besonders vorteilhaft
kann das Reinmagnesium im Hinblick auf die Verdampfungsreaktion innerhalb der Basiseisenschmelze
mittels einer Tauchbirne eingebracht werden. Eine derartige Tauchbirne ist aus der
DE-PS 22 08 960 bekannt und dort eingehend beschrieben.
[0010] Im nachfolgenden soll die Erfindung anhand von Beispielen unter Verwendung der Werkstoffkennzeichnung
gemäß VDG-
Merkblatt T 441, Aug. 1962, "Richtlinien zur
Kenn- zeichnung der Graphitausbildung" näher erläutert werden.
Beispiel 1:
[0011] Im Beispiel 1 wurde ein in einem Elektroofen erschmolzenes Basiseisen mit 3,70 %
C, 1,71 % Si, 0,25 % Mn und 0,025 % S mit Reinmagnesium verschiedenfach behandelt.
Die nachstehende Tabelle gibt einen Uberblick über die bei diesem erfindungsgemäß
hergestellten Gußeisen mit Vermiculargraphit ermittelten unterschiedlichen Festigkeitswerte
in den fertigen Gußstücken in Abhängigkeit des Restmagnesiumgehaltes.
[0012]

mit Rm = Zugfestigkeit in
N/mm
2 Rp = Streckgrenze in N/mm2 A = Bruchdehnung in % HB = Brinellhärte Aus der Probe
Nr. 1 wurde unter anderem ein Formkasten für eine große Formanlage gegossen mit einer
repräsentativen Wandstärke von 30 - 40 mm, den Außenabmessungen 1800 x 1320 x 400
mm
3 und einem Rohteilgewicht von 1255 kg. Die Gefügebewertung einer mitgegossenen Y-Probe
ergab 80 % Graphit des Typ III und 20 % Graphit Kugeln des Typ V und VI nach VDG-Merkblatt
P 441.
Beispiel 2:
[0013] In dem nachfolgend beschriebenen Beispiel wurde ein Schwungrad aus einem erfindungsgemäßen
Gußeisen mit Vermiculargraphit hergestellt. Hierbei wurde als Basiseisenschmelze eine
übliche Graugußeisenschmelze folgender Ausgangsanalyse verwendet:
Basiseisenschmelze

[0014] Eine Gesamtschmelze von 3,5 t wurde unter Verwendung von Reinmagnesium auf folgende
Analysenwerte vorentschwefelt:
Schmelze
[0015]

Diese vorentschwefelte Basiseisenschmelze wurde in einem Elektroofen nachfolgend auf
eine Behandlungszusatzzugabetemperatur erwärmt und danach mit 1,8 kg Reinmagnesium,
das mittels einer Tauchbirne in die Basiseisenschmelze eingebracht wurde, auf folgende
Gießanalyse behandelt:
Gießanalyse
[0016]

Aus dieser Gußeisenschmelze wurden mehrere Schwungräder mit je einem Rohgewicht von
600 kg und einem Durchmesser von 1000 mm und einer Wandstärke von 140 - 150 mm gegossen.
Hierbei wurden folgende Festigkeitswerte erzielt:
1. Mitgegossene Y-2-Probe:
[0017] Zugfestigkeit Rm =
501 N/mm
2 Steckgrenze
Rm = 386 n/mm
3 Bruchdehnung A = 3,2 % Härte HB = 222 - 229
2. Zwei Probestäbe senkrecht aus Schwungrad entnommen:
[0018] Zugfestigkeit Rm = 344 bzw. 344 N/mm
2 Streckgrenze Rp = 261 bzw. 261 N/mm
2 Bruchdehnung A = 0,8 bzw. 1,0 % Härte HB = 175 bzw. 179
3. Zwei Probestäbe mittig aus Schwungrad entnommen
[0019] Zugfestigkeit Rm = 357 bzw. 363
N/mm
2 Streckgrenze Rp - 334 bzw. 334
N/mm
2 Bruchdehnung A = 1,1 bzw. 2,0 % Härte HB = 175 bzw. 197
[0020] Die Gefügebeurteilung gemäß VDG-Richtlinie lautet jeweils:
1. Y-2-Probe: 85 % Graphit Typ III 15 % Graphit Typ V + VI
2. Schwungradproben: 80 % Graphit Typ III 20 % Graphit.Typ V + VI
l. Verfahren zur Herstellung eines Gußeisens mit überwiegend vermicularer Graphitform
(GGV), bei dem einer Basiseisenschmelze ein Behandlungszusatz zugegeben wird, dadurch
gekennzeichnet, daß der Behandlungszusatz Reinmagnesium ist.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Basiseisenschmelze eine übliche Graugußeisenschmelze, z.B. eine schwefelreiche Kupolofeneisenschmelze,
verwendet wird.
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß eine derartige
Menge an Reinmagnesium als Behandlungszusatz zugegeben wird, daß im erstarrten Gußeisen
zwischen 0,01- und 0,04 Gew.-% Restmagnesium vorhanden ist.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Basiseisenschmelze
eine Menge von 0,05 bis 0,3 Gew.-% Reinmagnesium als Behandlungszusatz zugegeben werden.
5. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die
Basiseisenschmelze vor der Zugabe des Reinmagnesiumbehandlungszusatzes einer Vorentschwefelung
unterzogen wird.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorentschwefelung mittels
Reinmagnesium erfolgt.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Eisenschmelze
nach der Vorentschwefelung auf eine Behandlungszusatzzugabetemperatur erwärmt wird.
8. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das
Reinmagnesium mittels einer Tauchbirne in die Basiseisenschmelze eingebracht wird.
9. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die
mit Reinmagnesium behandelte Basiseisenschmelze in einer mit Inertgas geschützten
Warmhaltevorrichtung für den Gießvorgang bereitgehalten wird.