(19)
(11) EP 0 131 092 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
16.01.1985  Patentblatt  1985/03

(21) Anmeldenummer: 84103633.8

(22) Anmeldetag:  02.04.1984
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4C21C 1/08
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE CH DE FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 13.06.1983 DE 3321312

(71) Anmelder: Klöckner-Humboldt-Deutz Aktiengesellschaft
D-51149 Köln (DE)

(72) Erfinder:
  • Beele, Günter, Dipl.-Ing.
    D-5159 Kerpen-Blatzheim (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung eines Gusseisens mit Vermiculargraphit


    (57) Es wird ein Verfahren zur Herstellung von Gußeisen mit Vermiculargraphit vorgeschlagen, bei dem der Basiseisenschmelze als Behandlungszusatz Reinmagnesium zugegeben wird. Hiermit können in vorteilhafter Weise sogar übliche Graugußeisenschmelzen sicher zu Gußeisen mit vermicularer Graphitausbildung verarbeitet werden.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung eines Gußeisens mit überwiegend vermicularer Graphitform (GGV), bei dem einer Basiseisenschmelze ein Behandlungszusatz zugegeben wird.

    [0002] Beim Gußeisen mit Vermiculargraphit liegen die Graphitausscheidungen überwiegend als einzelne, nicht direkt zusammenhängende Gebilde vor, die fest mit dem Grundwerkstoff verankert sind. Eine derartige Graphitausscheidungsform im Werkstoffgefüge, die auch als Würmchengraphit bezeichnet wird, ist nach VDG-Merkblatt P 441, Ausgabe 1962 des Vereins Deutscher Gießereifachleute als Typ III gekennzeichnet. Die vermiculare Graphitform kann als Zwischenglied des Lamellengraphits (Grauguß), der im Gußeisen als zusam- menhängendes und nicht in den Grundwerkstoff eingebettetes Gebilde aus feinverteilten Verästelungen vorliegt, und des Kugelgraphits.(Sphäroguß) mit seinen nicht miteinander in Verbindung stehenden einzelnen Graphitkugeln angesehen werden.

    [0003] Gußeisen mit Vermiculargraphit wurde anfangs als unerwünschte Graphitausscheidung bei der Herstellung von Guß- eisen mit Kugelgraphit im Falle ungenügender Behandlung mit kugelbildenden Zusätzen oder auch in dickwandigen Teilen aus Gußeisen mit Kugelgraphit angesehen. Inzwischen sind aber die besonderen Vorzüge des Gußeisen mit Vermiculargraphit bekannt, die insbesondere darin bestehen, daß Gußeisen mit Vermiculargraphit ein ähnlich gutes Gieß- und Lunkerverhalten zeigt wie Gußeisen mit Lamellengraphit, aber hinsichtlich seiner Werkstoffeigenschaften dem Gußeisen mit Kugelgraphit angenähert werden kann, so daß sich dieses Gußeisen als Zwischenfestigkeitswerkstoff für beispielsweise gießtechnisch komplizierte GuBstücke in idealer Weise eignet. Darüber hinaus besitzt Gußeisen mit Vermiculargraphit eine sehr gute Wärmeleitfähigkeit und kann auch aufgrund eines niedrigen Elastizitäts-Moduls für temperaturwechelbeanspruchte Bauteile, z. B. Zylinderköpfe, Auspuffkrümmer von Brennkraftmaschinen, erfolgreich verwendet werden, so daß diesem Werkstoff in zunehmendem Maße Bedeutung zukommen wird, soweit es gelingt, die schwierige Herstellung dieses Werkstoffes, insbesondere im Hinblick auf gestufte Festigkeitsbereiche, zu beherrschen.

    [0004] Es sind verschiedene Verfahren zum Herstellen von Gußeisen mit Vermiculargraphit bekannt geworden. So ist in der GB-PS 1,069,058 ein Herstellungsverfahren beschrieben, bei dem einer Sphäroguß-Baniseinenschmelze ein Behandlungszusatz aus Magnesium, Titan und Seltenerdmetallen zugegeben wird, wobei Titan als Störelement die Ausbildung von Kugelgraphit behindern soll. Ein derartiges Berstellungsverfahren stellt somit die beim Herstellen von Sphäroguß notwendigen hohen Anforderungen an die Reinheit der Basiseisenschmelze (Spurenelemente, Störelemente) und führt auch nur bei exakt eingehaltenen Verfahrensbedingungen zu der gewünschten Vermiculargraphitausbildung, so daß hiermit bei einer großtechnischen Anwendung erhebliche Ferti- gungskosten anfallen. Darüber hinaus kann die Zugabe des Störelements Titan aufgrund einer Carbidbildung im Gußeisen beispielsweise auch die Werkstoffeigenschaften und Zerspanbarkeit nachteilig beeinflussen und ist insbesondere im Hinblick auf die Wiederverwertbarkeit des Gußeisenstückes als Rohstoff für spätere Gußeisenächmelzen nachteilig.

    [0005] Aus der DE-PS 19 11 024 ist eine Behandlung einer Basiseisenschmelze mit Cer-Mischmetallen oder Seltenenerdmetallen bekannt, wobei aber ausschließlich sehr reine, schwefelarme Basiseisenschmelzen verwendet werden können. Neben dem hierdurch bedingten enormen Kostenfaktor erfordert auch dieses Verfahren einen sehr sorgfältigen Verfahrensablauf mit exakter Einhaltung der Verfahrensparameter, da ein zu hoher Cer-Zusatz zu einem hohen Carbidanteil führt, so daß das Gußeisen stark zur Weißerstarrung neigt.

    [0006] Weiterhin ist es bekannt (Gießereipraxis Nr. 22 1982, Seiten 359 - 372), Gußeisen mit Vermiculargraphit durch eine gezielte Unterbehandlung von Basiseisenschmelzen für Gußeisen mit Kugelgraphit mit Magnesiumlegierungen oder Magnesiumvorlegierungen, beispielsweise FeSiMg-Legierungen, herzustellen. Dieses Verfahren wird jedoch als betriebstechnisch sehr schwierig angesehen, da sich einerseits der Schwefelgehalt der Basiseisenschmelze innerhalb sehr enger Grenzen bewegen muß und andererseits der hohe Abklingeffekt (Fading-Effekt) der behandelten Basiseisenschmelze eine schnelle Verarbeitung erfordert, um ein Umkippen der Schmelze zu einer beispielsweise lamellaren Graphitausbildung auszuschließen. Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist daher, ein Verfahren zur Herstellung von Gußeisen mit Vermiculargraphit zu finden, das großtechnisch nutzbar ist, keine besonderen Anforderungen an die Basiseisenschmelze stellt und bei dem auf die Zugabe von im Gußeisen unerwünschten Begleitelementen, z. B. Titan, weitgehend verzichtet werden kann. Weiterhin soll das Verfahren mit hohem Wirkungsgrad arbeiten und kostengünstig durchführbar sein.

    [0007] Diese Aufgabe wird bei dem gattungsgemäßen Verfahren zur Herstellung von Gußeisen mit Vermiculargraphit in überraschender Weise dadurch gelöst, daß als Behandlungszusatz Reinmagnesium der Basiseisenschmelze zugegeben wird.

    [0008] Durch die erfindungsgemäße Reinmagnesiumbehandlung kann Gußeisen mit Vermiculargraphit besonders treffsicher reproduzierbar und insbesondere gestuft nach Festigkeitswerten ohne Zugabe von weiteren Behandlungszusätzen hergestellt werden. Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren ist es im Gegensatz zu den bekannten Verfahren sogar möglich, schwefelreiche Basiseisenschmelzen, z. B. übliche Graugußeisenschmelzen zu dem gewünschten Gußeisen mit Vermiculargraphit zu verarbeiten, was im Hinblick auf eine großtechnische Anwendung einen bedeutenden Kostenvorteil beinhaltet. Die behandelte Basiseisenschmelze ist in vorteilhafter Weise frei von irgendwelchen Störelementen wie beispielsweise Titan, und zeigt im Gegensatz zu den bekannten Basiseisenschmelzen eine sehr hohe Abklingdauer, so daß die Gefahr des Umkippens vermicularer Graphitausbildung in ein lamellares Gefüge weit vermindert ist, was offenbar auf die nicht vorhandenen und bei bekannten Verfahren impfend wirkenden Legierungszusätze zurückzuführen ist. Je nach gewünschter Werkstoffgüte ist es erfindungsgemäß möglich, die Basiseisenschmelze vor der Zugabe des Reinmagnesiums einer Vorentschwefelung zu unterziehen, wobei in überraschender Weise gefunden wurde, daß eine Vorentschwefelung mittels Reinmagnesium besonders vorteilhaft ist. Es ist aber ebenfalls möglich, eine schwefelreiche Basisei- senschmelze durch andere bekannte Mittel, z. B. CaC2, Kalk, Soda oder dergl. vor der Zugabe des Reinmagnesiumbehandlungszusatzes zu entschwefeln.

    [0009] Mit dem erfindungsgemäßen Reinmagnesiumherstellungsverfahren ist es mit überaus einfachen und auch kostenmäßig sehr günstigen Mitteln möglich, die notwendigen Magnesiumrestgehalte im Gußeisen so zu steuern, daß Gußstücke spezifischer Festigkeitsstufung von beispielsweise 200 N/mm2 bis 500 N/mm2 sicher und reproduzierbar hergestellt werden können, womit die Zwischenfestigkeitsbereiche der bekannten Grauguß-Güteklassen gemäß DIN 1691 kontinuierlich zu den bekannten Werkstoffgruppen von Gußeisen mit Kugelgraphit gemäß DIN 1693 abgedeckt werden. Zur Abdeckung dieses Zwischenfestigkeitsbereiches hat sich eine derartige Zugabe von Reinmagnesium als vorteilhaft herausgestellt, daß in dem erstarrten Gußeisen ein Anteil von 0,01-bis 0,04 Gew.-% Restmagnesium vorhanden ist. Hierbei wird bevorzugt der Basiseisenschmelze 0,05 bis 0,3 Gew.-% Reinmagnesium als Behandlungszusatz zugegeben. Besonders vorteilhaft kann das Reinmagnesium im Hinblick auf die Verdampfungsreaktion innerhalb der Basiseisenschmelze mittels einer Tauchbirne eingebracht werden. Eine derartige Tauchbirne ist aus der DE-PS 22 08 960 bekannt und dort eingehend beschrieben.

    [0010] Im nachfolgenden soll die Erfindung anhand von Beispielen unter Verwendung der Werkstoffkennzeichnung gemäß VDG-Merkblatt T 441, Aug. 1962, "Richtlinien zur Kenn- zeichnung der Graphitausbildung" näher erläutert werden.

    Beispiel 1:



    [0011] Im Beispiel 1 wurde ein in einem Elektroofen erschmolzenes Basiseisen mit 3,70 % C, 1,71 % Si, 0,25 % Mn und 0,025 % S mit Reinmagnesium verschiedenfach behandelt. Die nachstehende Tabelle gibt einen Uberblick über die bei diesem erfindungsgemäß hergestellten Gußeisen mit Vermiculargraphit ermittelten unterschiedlichen Festigkeitswerte in den fertigen Gußstücken in Abhängigkeit des Restmagnesiumgehaltes.

    [0012] 

    mit Rm = Zugfestigkeit in N/mm2 Rp = Streckgrenze in N/mm2 A = Bruchdehnung in % HB = Brinellhärte Aus der Probe Nr. 1 wurde unter anderem ein Formkasten für eine große Formanlage gegossen mit einer repräsentativen Wandstärke von 30 - 40 mm, den Außenabmessungen 1800 x 1320 x 400 mm3 und einem Rohteilgewicht von 1255 kg. Die Gefügebewertung einer mitgegossenen Y-Probe ergab 80 % Graphit des Typ III und 20 % Graphit Kugeln des Typ V und VI nach VDG-Merkblatt P 441.

    Beispiel 2:



    [0013] In dem nachfolgend beschriebenen Beispiel wurde ein Schwungrad aus einem erfindungsgemäßen Gußeisen mit Vermiculargraphit hergestellt. Hierbei wurde als Basiseisenschmelze eine übliche Graugußeisenschmelze folgender Ausgangsanalyse verwendet:

    Basiseisenschmelze



    [0014] Eine Gesamtschmelze von 3,5 t wurde unter Verwendung von Reinmagnesium auf folgende Analysenwerte vorentschwefelt:

    Schmelze



    [0015] 

    Diese vorentschwefelte Basiseisenschmelze wurde in einem Elektroofen nachfolgend auf eine Behandlungszusatzzugabetemperatur erwärmt und danach mit 1,8 kg Reinmagnesium, das mittels einer Tauchbirne in die Basiseisenschmelze eingebracht wurde, auf folgende Gießanalyse behandelt:

    Gießanalyse



    [0016] 

    Aus dieser Gußeisenschmelze wurden mehrere Schwungräder mit je einem Rohgewicht von 600 kg und einem Durchmesser von 1000 mm und einer Wandstärke von 140 - 150 mm gegossen. Hierbei wurden folgende Festigkeitswerte erzielt:

    1. Mitgegossene Y-2-Probe:



    [0017] Zugfestigkeit Rm = 501 N/mm2 Steckgrenze Rm = 386 n/mm3 Bruchdehnung A = 3,2 % Härte HB = 222 - 229

    2. Zwei Probestäbe senkrecht aus Schwungrad entnommen:



    [0018] Zugfestigkeit Rm = 344 bzw. 344 N/mm2 Streckgrenze Rp = 261 bzw. 261 N/mm2 Bruchdehnung A = 0,8 bzw. 1,0 % Härte HB = 175 bzw. 179

    3. Zwei Probestäbe mittig aus Schwungrad entnommen



    [0019] Zugfestigkeit Rm = 357 bzw. 363 N/mm2 Streckgrenze Rp - 334 bzw. 334 N/mm2 Bruchdehnung A = 1,1 bzw. 2,0 % Härte HB = 175 bzw. 197

    [0020] Die Gefügebeurteilung gemäß VDG-Richtlinie lautet jeweils:

    1. Y-2-Probe: 85 % Graphit Typ III 15 % Graphit Typ V + VI

    2. Schwungradproben: 80 % Graphit Typ III 20 % Graphit.Typ V + VI




    Ansprüche

    l. Verfahren zur Herstellung eines Gußeisens mit überwiegend vermicularer Graphitform (GGV), bei dem einer Basiseisenschmelze ein Behandlungszusatz zugegeben wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Behandlungszusatz Reinmagnesium ist.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Basiseisenschmelze eine übliche Graugußeisenschmelze, z.B. eine schwefelreiche Kupolofeneisenschmelze, verwendet wird.
     
    3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß eine derartige Menge an Reinmagnesium als Behandlungszusatz zugegeben wird, daß im erstarrten Gußeisen zwischen 0,01- und 0,04 Gew.-% Restmagnesium vorhanden ist.
     
    4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Basiseisenschmelze eine Menge von 0,05 bis 0,3 Gew.-% Reinmagnesium als Behandlungszusatz zugegeben werden.
     
    5. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Basiseisenschmelze vor der Zugabe des Reinmagnesiumbehandlungszusatzes einer Vorentschwefelung unterzogen wird.
     
    6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorentschwefelung mittels Reinmagnesium erfolgt.
     
    7. Verfahren nach einem der Ansprüche 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Eisenschmelze nach der Vorentschwefelung auf eine Behandlungszusatzzugabetemperatur erwärmt wird.
     
    8. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das Reinmagnesium mittels einer Tauchbirne in die Basiseisenschmelze eingebracht wird.
     
    9. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die mit Reinmagnesium behandelte Basiseisenschmelze in einer mit Inertgas geschützten Warmhaltevorrichtung für den Gießvorgang bereitgehalten wird.