[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein neues Gießpulver zum Stranggießen von Stahl
sowie ein Verfahren unter Einsatz dieses Gießpulvers.
[0002] Die Funktion der Gießpulver beim Stranggießen von Stahl ist sehr komplex. Die Gießpulver
dienen zunächst als Gleit- oder Schmiermittel zwischen Kokille und Stahlstrang. Ferner
dienen sie der Abdeckung der Stahlbadoberfläche auf der Kokille, einerseits zur Verhinderung
der Oxidation der Stahlbadoberfläche durch Luftsauerstoffzutritt und andererseits
zur Reduktion der Wärmeabstrahlung der Stahlbadoberfläche. Dabei ist sowohl das Fließverhalten
des Gießpulvers im Hinblick auf die geforderten Schmiermitteleigenschaften von Bedeutung,
als auch das Aufschmelzverhalten des Pulvers nach dem Aufbringen auf die Stahlbadoberfläche.
Einerseits muß ein zu schnelles Aufschmelzen verhindert werden, da die ungeschmolzene,
lockere poröse Struktur besonders gute Wärmeisolationseigenschaften zur Verfügung
stellt.
[0003] Auf der Oberfläche der Stahlschmelz durchläuft das Gießpulver daher alle Stadien
zwischen einem lockeren, rieselfähigen Pulver bis zu einer fließfähigen Schmelze.
Im übergangsbereich treten unerwünschte Sintereffekte auf, bei der es zur Entstehung
größerer zusammenhängender poröser versinteter Agglomerate kommt, die aufgrund ihrer
guten Wärmeisolationseigenschaften nur sehr verzögert in den Fließbereich übergehen.
Solche versinterten Agglomerate treten ungeschmolzen in den Kokillenspalt ein und
führen zu Oberflächendefekten, Schlackeneinschlüssen und Rauhigkeiten des Stahlstranges;
im Extremfall kommt es sogar zum Durchbruch des Strangschale und damit zur Unterbrechung
der Produktion.
[0004] Als Gießpulver werden daher mehrphasige Systeme eingesetzt, die im allgemeinen aus
einem anorganischen oxidischen Material bestehen und andererseits im wesentlichen
aus Kohlenstoff bestehende Teilchen enthalten, die ein zu schnelles Verschmelzen der
anorganischen oxidischen Materialien verhindern.
[0005] Das anorganische oxidische Material beruht im allgemeinen auf Kalciumsilikatbasis,
wobei oxidische Rohstoffe als Mischung mineralischer Rohstoffe eingesetzt werden können
die auf der Stahlbadoberfläche verschmelzen oder bereits als vorgeschmolzene, abgekühlte
und gemahlene, im wesentlichen homogene Teilchen eingesetzt werden können. Neben Kalciumoxid
und Siliciumdioxid können Aluminiumoxid, Titandioxid, Eisenoxid, Manganoxid, Alkali-
und Erdalkalioxide, sowie Fluorverbindungen Bestandteile des anorganischen oxidischen
Materials sein. Als im wesentlichen aus Kohlenstoff bestehendes Material werden nach
dem Stand der Technik Graphitpulver, Stein-oder Braunkohlenstaub oder Ruß dem anorganischen
oxidischen Material beigemischt. Das kohlenstoffhaltige Material hat die Aufgabe,
eine Versinterung und ein Zusammenschmelzen des anorganischen oxidischen Pulvers auf
der Stahloberfläche zu verzögern, so daß die gewünschte lockere Schicht zur Verhinderung
der Wärmeabstrahlung erhalten bleibt. Gleichzeitig wird der Zutritt von Luftsauerstoff
zur Stahlbadoberfläche dadurch verhindert, daß das kohlenstoffhaltige Material mit
eventuell vorhandenem Sauerstoff zu Kohlenoxid verbrennt.
[0006] Das Mengenverhältnis von anorganischem oxidischen Material und kohlenstoffhaltigem
Material wird im wesentlichen durch den Querschnitt der Kokille bestimmt. Bei sehr
kleinen Knüppel- oder Vorblockquerschnitten ist bis zu 25 Gew.-% Kohlenstoff im Gießpulver
enthalten. Bei sehr großen Brammenquerschnitten sind 3 bis 8 Gew.-% Kohlenstoff im
Gießpulver ausreichend. Die bisher verwendeten relativ hohen Kohlenstoffgehalte im
Gießpulver führen zu unerwünschten Randaufkohlungen des Stranggußstahls und zu Spannungsrissen
im Bereich der Oszillationsmarken. Es hat daher bereits Vorschläge gegeben, die Kohlenstoffteilchen
im Gießpulver durch Nitridteilchen, wie Bornitrid, unter gleichzeitiger Zugabe metallischer
Teilchen wie Aluminium als Reduktionsmittel für den Luftsauerstoff zu ersetzen (Deutsche
Offenlegungsschrift 26 26 354). Jedoch haben solche Gießpulver bisher keinen Eingang
in die Technik gefunden.
[0007] Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist nun ein Gießpulver zum Stranggießen von
Stahl, bestehend aus einem bei Gießtemperatur aufschmelzbarem anorganischem oxidischem
Material und einem im wesentlichen kohlenstoff- haltigen Material, das dadurch gekennzeichnet
ist, daß das kohlenstoffhaltige Material Aktivkohle mit einer spezifischen Oberfläche
nach BET von 800 bis 1200 m
2/g besteht.
[0008] Es wurde gefunden, daß feinkörnige Aktivkohle mit hoher spezifischer Oberfläche auch
bei sehr kleinen Gehalten im Gießpulver eine ausreichende Wärmeisolation gewährleistet
und ferner eine große reaktionsfreudige Oberfläche zur Oxidation des vorhandenen Luftsauerstoffs
liefert. Die erfindungsgemäßen Gießpulver enthalten weniger als die Hälfte des Kohlenstoffgehaltes
herkömmlicher Gießpulver. Ferner wurde überraschend eine extrem starke Abhängigkeit
des Aufschmelzverhaltens der erfindungsgemäßen Gießpulver vom Kohlenstoffgehalt im
Bereich geringer Kohlenstoffgehalte beobachtet. Durch Variation des Kohlenstoffgehaltes
kann damit ein weiter Bereich von verschiedenen Anforderungen an das Aufschmelzverhalten
verschiedener Gießpulver unter Einsatz desselben anorganischen oxidischen Materials
für verschiedene Stahlsorten und Stranggießanlagen abgedeckt werden. Die nach dem
Stand der Technik notwendige aufwendige Auswahl des anorganischen oxidischen Materials
im Hinblick auf ein gefordertes Aufschmelzverhalten unter Variation der Vielzahl der
oxidischen Komponenten des anorganischen oxidischen Materials kann daher weitgehend
entfallen. Der Stahlhersteller kommt im wesentlichen mit einem einzigen anorganischen
oxidischen Material aus, wobei die Anpassung an ein spezielles gefordertes Aufschmelzverhalten
allein durch Variation des Aktivkohlengehaltes des Gießpulvers erfolgt.
[0009] Die Aktivkohle in den erfindungsgemäßen Gießpulvern soll vorzugsweise eine Mahlfeinheit
aufweisen, die durch einen Rückstand von weniger als 1 Gew.-% auf einem Sieb von 40
µm Maschenweite charakterisiert ist. Die Dichte des Aktivkohlepulvers nach rütteln
(Rütteldichte) beträgt vorzugsweise 220 bis 280 g/l.
[0010] In den erfindungsgemäßen Gießpulvern sind in Abhängigkeit vom Kokillenquerschnitt
0,5 bis 10 Gew.-% an kohlenstoffhaltigem Material ausreichend.
[0011] Besonders gute Ergebnisse wurden erhalten, wenn als kohlenstoffhaltiges Material
ein Material eingesetzt wird, das selbst einen Anteil von 10 bis 15 Gew.-% an anorganischem
oxidischem Material aufweist, wobei der Gehalt an anorganischem oxidischem Material
durch den Verbrennungsrückstand (Ascheanteil) des kohlenstoff- haltigen Materials
ermittelt wird. Der Verbrennungsrückstand besteht im wesentlichen aus den Komponenten,
aus denen auch das anorganische oxidische Material besteht, nämlich CaO, MgO und Fe
20
3, wobei der Hauptanteil (mehr als 50 %) im kohlenstoffhaltigen Material CaO ist.
[0012] Das anorganische oxidische Material, das mehr als 90 Gew.-% des Gießpulvers bildet,
kann die üblichen Zusammensetzungen aufweisen. Typischerweise enthält das anorganische
oxidische Material, ermittelt durch oxidische Analyse, folgende Bestandteile:
Si02: 20 bis 40 Gew.-%,
CaO: 20 bis 45 Gew.-%,
Al2O3: O bis 20 Gew.-%,
(Na, K)20: 0 bis 20 Gew.-%,
(Mg, Ba)O: 0 bis 10 Gew.-%,
B2O8: O bis 10 Gew.-%,
Fe203: 0 bis 10 Gew.-%,
MnO: 0 bis 5 Gew.-%,
P2O5, Li20, TiO2: 0 bis 5 Gew.-%,
F2: 2 bis 10 Gew.-%.
[0013] Das anorganische oxidische Material des Gießpulvers wird vorzugsweise aus mineralischen
Rohstoffen geschmolzen, gefrittet und gemahlen. Erfindungsgemäß soll das anorganische
oxidische Material vorzugsweise eine Korngrößenverteilung derart aüfweisen, daß mehr
als die Hälfte des Materials eine Korngröße zwischen 40 und 250 µ aufweist. Bevorzugt
ist eine Korngrößenverteilung, bei der 5 bis 30 Gew.-% des Pulvers kleiner als 40
µ ist, 50 bis 90 Gew.-% des Pulvers zwischen 40 und 250 µ liegt, und 5 bis 20 Gew.-%
des Pulvers Korngrößen von mehr als 250 µ aufweisen.
[0014] Die Zubereitung des Gießpulvers erfolgt durch Vermischen von anorganischem oxidischem
Material und kohlenstoffhaltigem Material. Aufgrund der geringen Menge des in den
erfindungsgemäßen Gießpulvern enthaltenden kohlenstoff- haltigen Materials wird ein
Stauben beim Handhaben und Aufbringen auf die Kokille weitgehend vermieden. Auch eine
Entmischung beim Transport oder längerem Lagern wird unter üblichen Bedingungen nicht
beobachtet. Jedoch kann es sich in einigen Fällen als zweckmäßig erweisen, dem Gießpulver
beim Mischen eine geringe Menge eines Bindemittels oder Klebmittels zuzugeben, so
daß das kohlenstoffhaltige Material an der Oberfläche des anorganischen oxidischen
Materials haftet. Die Bildung von verklebten Agglomeraten soll jedoch vermieden werden.
Daher wird bei Anwendung von Klebmitteln vorzugsweise zunächst das anorganische oxidische
Material mit dem Klebmittel vermischt, so daß das Klebmittel die Oberfläche des anorganischen
oxidischen Materials überzieht. Danach erfolgt-die Vermischung mit dem kohlenstoffhaltigen
Material.
[0015] Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist auch ein Verfahren zum Stranggießen von
Stahl, das dadurch gekennzeichnet ist, daß als Flußmittel ein Gießpulver nach der
Erfindung auf die Kokille gegeben wird. Erfindungsgemäß soll dabei der Gehalte an
kohlenstoffhaltigem Material im Gießpulver in Abhängigkeit vom Kokillenquerschnitt
den nach folgender Formel errechneten Wert nicht übersteigen:

[0016] Aktivkohle im Gießpulver, wobei Q den Kokillenquerschnitt in m
2 bezeichnet.
[0017] Danach soll bei einem quadratischen Kokillenquerschnitt von z.B. 240 mm Kantenlänge,
d.h. einer Kokillenquerschnittsfläche von 0,058 m
2 der Aktivkohlegehalt im Gießpulver maximal 9,6 Gew.-% betragen.
[0018] Bei einem rechteckigen Kokillenquerschnitt von z.B. 1500 x 240 nn
2, d.h. einer Kokillenquerschnittsfläche von 0,36 m
2 beträgt der Aktivkohlegehalt im Gießpulver erfindungsgemäß maximal 2,4 Gew.-%.
[0019] Der Aktivkohlegehaltes soll innerhalb bevorzugt weniger als 80 % des oben angegebenen
Maximalwertes und kann in Abhängigkeit von der Gieß-Temperatur und dem speziellen
eingesetzten anorganischen oxidischen Material, sowie der Gießgeschwindigkeit (Stranggeschwindigkeit)
bis zur Hälfte des angegebenen Maximalwertes betragen.
[0020] Die Menge des beim Stranggießen einzusetzenden Gießpulvers wird so bemessen, daß
ein Durchglühen der Pulverschicht auf der Kokille vermieden wird. Die Dosierung kann
diskontinuierlich manuell nach visueller Beobachtung der Kokillenoberfläche erfolgen.
Beispiel
[0021] Dieses Beispiel zeigt den starken Einfluß auf das Aufschmelzverhalten der erfindungsgemäßen
Gießpulver bei geringen Gehalten an kohlenstoffhaltigem Material.
[0022] Es wurde ein anorganisches oxidisches Material folgender oxidischer Analyse eingesetzt:

[0023] Das anorganische oxidische Material wies eine Korngrößenverteilung von 12 Gew.-%
der Teilchen kleiner als 40 µ und 79 Gew.-% der Teilchen kleiner als 250 µ auf.
[0024] Das anorganische oxidische Material wurde mit verschiedenen Mengen Aktivkohle und
zum Vergleich Graphit und Koksmehl vermischt. Die Aktivkohle wies eine Mahlfeinheit
von 99 Gew.-% der Teilchen unter 40 µ auf, eine spezifische Oberfläche nach BET von
920 m
2/g und einen Verbrennungsrückstand von 13,5 Gew.-% auf.
[0025] Je 50 g der verschiedenen Gießpulvermischungen wurde in einem Tiegel gemäß Figur
1 eingebracht. Der Tiegel bestand aus einem Graphittiegel 1 mit einer zylindrischen
Bohrung von 38 mm Durchmesser, der am unteren Ende eine Ausflußöffnung 2 von 4,9 mm
Durchmesser aufwies. Ferner war eine Induktionsspule 3 zur Beheizung des Tiegels vorgesehen.
Zwischen Tiegel 1 und Spule 3 befand sich eine Wärmeisolationsschicht 4 aus Kaolinfaservlies.
Gehalten wurde der Tiegel durch einen Ring 5 aus feuerfestem Material. Unterhalb der
Ausflußöffnung 2 befand sich eine Waage 6, auf der das aus der Ausflußöffnung 2 ausfließende
Material gesammelt wurde.
[0026] Für das Aufschmelzverhalten charakteristische Kurven wurden so ermittelt, daß zunächst
die Tiegelausfluß- öffnung 2 mit einem niedrigschmelzenden Glasmehl, das mit Wasser
angeteigt wurde, geschlossen wurde. Danach werden 50 g des jeweiligen Gießpulvers
eingefüllt. Der Tiegel wird dann durch Induktionsheizung auf 1450°C aufgeheizt. Die
Gewichtsanzeige der Waage wurde 10 Minuten lang alle 30 Sekunden registriert. Dabei
wurden für verschiedene Gießpulver die in Figur 2 dargestellten Kurven ermittelt:
t
Kurve 1: anorganisches oxidisches Material ohne kohlenstoffhaltiges Material;
Kurve 2: Zusatz 0,5 Gew.-% A-Kohle
Kurve 3: Zusatz 1,0 Gew.-% A-Kohle
Kurve 4: Zusatz 1,5 Gew.-% A-Kohle.
[0027] Zum Vergleich:
Kurve 5: Zusatz 10 Gew.-% Graphit,
Kurve 6: Zusatz 20 Gew.-% Graphit,
Kurve 7: Zusatz 5 Gew.-% Koksmehl,
Kurve 8: Zusatz 10 Gew.-% Koksmehl.
1. Gießpulver zum Stranggießen von Stahl, bestehend aus einem bei Gießtemperatur aufschmelzbarem
anorganischem oxidischem Material und eine im wesentlichen kohlenstoffhaltigen Material,
dadurch gekennzeichnet, daß das kohlenstoffhaltige Material Aktivkohle mit einer spezifischen
Oberfläche nach BET von 800 bis 1200 m2/g ist.
2. Gießpulver nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das kohlenstoffhaltige
Material eine Mahlfeinheit aufweist, die durch einen Rückstand von weniger als 1 Gew.-%
auf ein Sieb von 40 µ Maschenweite charakterisiert ist, und wobei die Rütteldichte
220 bis 280 g/1 beträgt.
3. Gießpulver nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß das kohlenstoffhaltige
Material einen Verbrennungsrückstand von 10 bis 15 Gew.-% an anorganischem oxidischem
Material aufweist.
4. Gießpulver nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch einen Gehalt
von 0,5 bis 10 Gew.-% an kohlenstoffhaltigem Material.
5. Gießpulver nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß das anorganische
oxidische Material folgende durch oxidische Analyse ermittelte Komponenten aufweist:
6. Gießpulver nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß das anorganische
oxidische Material eine Kornverteilung von



aufweist.
7. Verfahren zum Stranggießen von Stahl, dadurch gekennzeichnet, daß als Flußmittel
ein Gießpulver nach einem der Ansprüche 1 bis 6 auf die Kokille gegeben wird, wobei
der maximale Gehalt an Kohlenstoff-haltigen Materials im Flußmittel nach folgender
Formel ermittelt wird:

Aktivkohle im Gießpulver wobei Q die Kokillenquerschnittsfläche in m
2 bezeichnet.
8. Verwendung von Aktivkohle in GieBpulvern zum Stahlstranggießen.