[0001] 2-Chlorpropionsäure CH
3CHClCOOH ist ein wertvolles Zwischenprodukt insbesondere zur Herstellung von Pflanzenschutzmitteln,
Pharmazeutika und Farbstoffen.
[0002] Es ist bekannt, 2-Chlorpropionsäure durch Chlorierung von Propionsäure bei 110 bis
120°C in Gegenwart von Katalysatoren herzustellen; als Katalysatoren dienen vorwiegend
P- und S-haltige Verbindungen (PC1
3, S
2C1
2, C1S03H, etc.), u.a. aber auch Propionylchlorid (vgl. Ullmanns Enzyklopädie der technischen
Chemie, 4. Aufl., Bd. 19 (1980) S. 457/458).
[0003] Dem Propionylchlorid-Katalysator kann gegebenenfalls auch noch Propionsäureanhydrid
zugesetzt werden (GB-PS 892,584). Für die Monochlorierung der Propionsäure sind in
der GB-PS Temperaturen zwischen 100 und 110°C angegeben. Bei höherer Temperatur (150
bis 160°C) soll dann die Dichlorierung zur 2,2-Dichlorpropionsäure stattfinden.
[0004] Die vorerwähnte GB-PS enthält auch eine Vorstellung über den Mechanismus der Chlorierung
der Propionsäure in 2-Stellung. Danach soll die Reaktion über tautomeres Propionylchlorid
nach folgendem Reaktionsschema (für die Monochlorierung) verlaufen:

[0005] Wenn die Chlorierung der Propionsäure in 2-Stellung beabsichtigt ist, sind Radikalbildner
und Licht möglichst auszuschließen, da die Chlorierung unter radikalbildenden Bedingungen
vorwiegend in 3-Stellung (unter Bildung der 3-Chlorpropionsäure CH
2C1-CH
2-COOH) erfolgt.
[0006] Nach den Untersuchungen von Y.Ogata und K. Matsuyama über den Einfluß von Katalysatoren
auf die Chlorierung von Propionsäure (vgl. Tetrahedron Vol.26 (1970), S. 5929-5937)
kann als Zwischenprodukt für die Chlorierung der Propionsäure in 2-Stellung auch die
tautomere Propionsäure selbst in Frage kommen:
[0007] Die Autoren berichten auch über Versuche der Monochlorierung von Propionsäure bei
110°C u.a. mit Propionsäureanhydrid als alleinigem Katalysator während einer 3-stündigen
Reaktionsdauer (siehe Tabelle 2 auf Seite 5931). In Gegenwart von 4 Mol-% Propionsäureanhydrid
(bezogen auf die Ausgangs-Propionsäure) soll das Reaktionsprodukt ein Verhältnis von
2-Chlorpropionsäure ("a") /2-Chlorpropiflnsäure ("α") + 3-Chlorpropionsäure ("ß")
von 0,38 enthalten haben.
[0008] In Gegenwart von 17 Mol-% Propionsäureanhydrid soll das Verhältnis a/a+ß 0,71 betragen
haben.
[0009] In eigenen Versuchen der Monochlorierung von Propionsäure bei etwa 110°C in Gegenwart
von 8 Mol-% Propionsäureanhydrid bei einer Reaktionsdauer von 15 Stunden wurde ohne
Lichtausschluß ein Verhältnis von a/a+ß = 0,76 erhalten, unter Lichtausschluß ein
Verhältnis von a/a+
ß = 0,92.
[0010] Die Möglichkeit der Chlorierung von Propionsäure in Gegenwart von Propionsäureanhydrid
ist auch in der älteren GB-PS 621,531 erwähnt; nähere Details hierüber enthält die
Patentschrift - die sich in erster Linie auf die Chlorierung von Essigsäure bezieht
- jedoch nicht. Der für die Chlorierung von Essigsäure (in Gegenwart von Essigsäureanhydrid
oder -chlorid) angegebene Temperaturbereich liegt bei 100 bis 110°C.
[0011] Die bekannten Verfahren zur Herstellung der 2-Chlorpropionsäure sind in verschiedener
Hinsicht nicht ganz befriedigend. Im Falle der Verwendung etwa der Phosphor- und Schwefelverbindungen
als Katalysatoren entstehen z.T. schwer-lösliche P- bzw. S-haltige harzartige Produkte,
welche eine relativ häufige und aufwendige Reinigung der Chlorierungsapparatur erfordern;
bei kontinuierlichem Prozeß kann dies zu häufigen Betriebsunterbrechungen führen.
Außerdem müssen die P- und S-haltigen Rückstände auch in umweltschonender Weise aufgearbeitet
werden. Schließlich gelangen in die nach diesen Verfahren hergestellte 2-Chlorpropionsäure
häufig noch geringe Mengen an P- oder S-Verbindungen als Verunreinigungen, die die
Qualität der 2-Chlorpropionsäure beeinträchtigen.
[0012] Für den Einsatz des Propionylchlorids (Kp 80°C) als Katalysator ist nachteilig, daß
diese Verbindung bei der Chlorierungstemperatur vom entstehenden Chlorwasserstoff
leicht zumindest teilweise ausgestrippt wird und damit bei der Reaktion fehlt, bzw.
den Chlorwasserstoff verunreinigt und dessen Wiederverwendung erschwert.
[0013] Im Falle der Verwendung des Propionsäureanhydrids als Katalysator ist insbesondere
ausweislich der Versuche von Y.Ogata und K. Matsuyama bei 110°C das a/a+
ß-Verhältnis jedenfalls für höhere industrielle Anforderungen nicht ausreichende höhere
Temperaturen begünstigen nach der gleichen Literaturtstelle den Radikalmechanismus
und damit die Bildung der 3-Chlorpropionsäure, was eine weitere Erniedrigung des a/a+ß-Verhältnisses
erwarten läßt.
[0014] Es bestand daher die Aufgabe, ein verbessertes Verfahren zur Herstellung von 2-Chlorpropionsäure
zu finden.
[0015] Diese Aufgabe konnte erfindungsgemäß dadurch gelöst werden, daß man Propionsäure
in Gegenwart von Propionsäureanhydrid als alleinigem Katalysator oder Zusatzsuoff
unter Vermeidung radikalbildender Bedingungen bei Temperaturen chloriert, welche über
den bisher für die Chlorierung von Propionsäure zu 2-Chlorpropionsäure in Gegenwart
von Propionsäureanhydrid angewandten Temperaturen (etwa 110°C) liegen.
[0016] Erfindungsgegenstand ist daher ein Verfahren zur Herstellung von 2-Chlorpropionsäure
durch Chlorierung von Propionsäure in Gegenwart von Propiönsäureanhydrid bei erhöhter
Temperatur unter Ausschluß von Radikalbildnern und von Licht,
[0017] das dadurch gekennzeichnet ist, daß man die Chlorierung ohne einen weiteren Zusatzstoff
bei Temperaturen zwischen etwa 115 und etwa 140°C durchführt. Bevorzugt sind Temperaturen
zwischen etwa 120 und etwa 135°C, inbesondere zwischen etwa 125 und 135°C.
[0018] Bei diesen höheren Temperaturen werden bei hohen bis quantitativen Umsätzen Ausbeuten
an 2-Chlorpropionsäure über 90% d.Th. bei einem a/a+ß-Verhältnis durchweg zwischen
etwa 0,99 und 1,0 erhalten.
[0019] Dieses Ergebnis war außerordentlich überraschend, da man bei höheren Temperaturen
infolge der Begünstigung der Bildung von Radikalen mit zunehmender Temperatur eher
eine Zunahme des Anteils an (der hier unerwünschten) 3-Chlorpropionsäure - die bei
der Chlorierung von Propionsäure unter radikalbildenden Bedingungen bevorzugt entsteht
- und damit ein niedrigeres a/a+ß-Verhältnis erwarten mußte.
[0020] Die Menge des nach dem erfindungsgemäßen Verfahren zugesetzten Propionsäureanhydrids
liegt im allgemeinen zwischen etwa 3 und etwa 30 Mol-%, vorzugsweise zwischen etwa
5 und etwa 20 Mol-%, bezogen auf die Ausgangs-Propionsäure. Höhere Zusatzmengen sind
möglich, bringen aber keinen Vorteil. Andere Katalysatoren und/oder Zusatzstoffe sollen
bei dem Verfahren nicht mit verwendet werden. Außerdem ist auch darauf zu achten,
daß Radikalbildner und Licht ausgeschlossen bleiben.
[0021] Ansonsten wird das Verfahren in üblicher Weise in für Chlorierungen geeigneten Apparaturen
unter Lichtausschluß durchgeführt. Sowohl eine diskontinuierliche als auch eine kontinuierliche
Verfahrenweise ist möglich.
[0022] Weiterhin läßt sich das Verfahren sowohl unter Normalals auch unter Überdruck durchführen,
wobei die verfanrensweise unter Normaldruck bevorzugt ist.
[0023] Das für die Chlorierung verwendete Chlor kann mit gegenüber den Ausgangs- und Endstoffen
der Reaktion inerten Gasen wie z.B. Stickstoff oder Chlorwasserstoff verdünnt werden.
[0024] Auch der Einsatz von inerten Lösemitteln wie z.B. von Chlorkohlenwasserstoffen (Chlorbenzol
etc.) ist möglich.
[0025] Wegen der nach dem erfindungsgemäßen Verfahren erzielten hohen Ausbeute und Reinheit
der 2-Chlorpropionsäure sowie wegen der Vermeidung schwer abtrennbarer Katalysatoren
und auch weil der hier verwendete Katalysator wegen seines relativ hohen Siedepunktes
nicht etwa ebenso leicht wie z.B. Propionylchlorid vom entstehenden Chlorwasserstoff
mit ausgestrippt werden kann, stellt die Erfindung einen erheblichen Fortschritt dar.
[0026] Die nachfolgenden Beispiele dienen der näheren Erläuterung der Erfindung. Nach den
Erfindungsbeispielen (A) folgen noch zwei Vergleichsbeispiele (B), welche in Analogie
zu den Versuchen von Y.Ogata und K. Matsuyama (a.a.O.) bei etwa 110°C ohne und unter
Lichtausschluß durchgeführt wurden.
A) Erfindungsbeispiele:
Beispiel 1:
[0027] In einem 1-Liter-Reaktor, versehen mit Rückflußkühler, Rührer, Thermometer und Gaseinleitungsrohr
wurden 370 g Propionsäure (= 5 Mol) und 104 g (= 0,8 Mol = 16 Mol-%, bezogen auf die
Propionsäure) Propionsäureanhydrid auf etwa 130°C erhitzt. Unter Ausschluß von Licht
wurden dann im Verlauf von 20 Stunden 470 g Chlor (= 6,62 Mol) eingeleitet. Nach Ausblasen
des Chlorwasserstoffs mit Stickstoff wurden 691 g Ausbeute erhalten.
[0028] Die gaschromatographische Analyse ergab (nach Verseifen mit Wasser, um restliches
chloriertes Propionsäureanhydrid in die Chlorpropionsäure zu überführen):

Beispiel 2:
[0029] Nach der Verfahrensweise des Beispiels 1 wurden 370 g Propionsäure (5 Mol) und 52
g Propionsäureanhydrid (= 0,4 Mol =8 Mol-%, bezogen auf die Propionsäure) bei etwa
120°C chloriert, wobei im Verlauf von 15 Stunden 412 g Chlor (=5,8 Mol) eingeleitet
wurden.
[0030] Eine Probe ergab (wiederum nach Verseifen mit Wasser):
[0031]

B) Vergleichsbeispiele
Vergleichsbeispiel 1
[0032] In einem 1-Liter-Vierhalskolben mit Rückflußkühler, Rührer, Thermometer und Gaseinleitungsrohr
wurden ohne Lichtausschluß 370 g Propionsäure (5 Mol) und 52 g Propionsäureanhydrid
(0,4 Mol = 8 Mol-%, bezogen auf die
[0033] Propionsäure) bei etwa 110°C chloriert, wobei im Verlauf von 15 Stunden 391 g Chlor
(= 5,5 Mol) eingeleitet wurden.
[0034] Eine Probe ergab (wiederum nach Verseifen mit Wasser) bei der GC-Analyse:

Vergleichsbeispiel 2
[0035] Vergleichsbeispiel 1 wurde unter Lichtausschluß (unter ansonsten identischen Bedingungen)
wiederholt. Dabei wurden folgende GC-Werte erhalten:

1. Verfahren zur Herstellung von 2-Chlorpropionsäure durch Chlorierung von Propionsäure
in Gegenwart von Propionsäureanhydrid bei erhöhter Temperatur unter Ausschluß von
Radikalbildnern und von Licht, dadurch gekennzeichnet, daß man die Chlorierung ohne
einen weiteren Zusatzstoff bei Temperaturen zwischen etwa 115 und etwa 140°C, vorzugsweise
zwischen etwa 120 und 135°C, insbesondere zwischen etwa 125 und etwa 135°C durchführt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Menge des zugesetzten
Propionsäureanhydrids zwischen etwa 3 und etwa 30 Mol-%, vorzugsweise zwischen 5 und
etwa 20 Mol-%, bezogen auf die Ausgangs-Propionsäure, beträgt.