(19)
(11) EP 0 180 703 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
14.05.1986  Patentblatt  1986/20

(21) Anmeldenummer: 85104803.3

(22) Anmeldetag:  20.04.1985
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4D06C 7/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE FR GB IT LI LU NL SE

(30) Priorität: 11.09.1984 DE 3433230

(71) Anmelder: MTM Obermaier GmbH & Co. KG
D-6733 Hassloch (DE)

(72) Erfinder:
  • Magin, Berthold, Dipl.-Ing. (FH)
    D-6733 Hassloch/Pfalz (DE)

(74) Vertreter: Patentanwälte Möll und Bitterich 
Postfach 20 80
76810 Landau
76810 Landau (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren und Vorrichtung zum Schrumpffreimachen von Textilgut


    (57) Zum Beseitigen des unerwünschten Längsverzugs in textilen Warenbahnen wird heiß kompaktiert.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Beseitigen des unerwünschten Längsverzugs in textilen, zum Beispiel gewebten, geraschelten oder gewirkten Warenbahnen in Schlauchform bzw. in offener, breitliegender Form aus natürlichen Fasern, insbesondere aus Baumwolle, die gegebenenfalls einen Anteil an Kunstfasern enthalten, indem die Warenbahn in feuchtem Zustand kontrolliert in Breitenrichtung überdehnt wird. Sie betrifft ferner Vorrichtungen zur Durchführung des Verfahrens.

    [0002] Textile Warenbahnen, gleichgültig ob gewebt, geraschelt oder gewirkt, verlassen die Maschinen mit inneren Spannungen. Die späteren Veredelungsstufen, wie Waschen, Bleichen und Färben, vor allem aber das unvermeidbare, wiederholte Beschicken und Entladen der Maschinen unter Warenzug, strecken die Warenbahn zusätzlich in die Länge und dehnen das Garn. Diese forcierte Naßverformung kann derzeit weder im Trockner noch im Dämpfkalander zufriedenstellend und mit vertretbarem Aufwand ausgeglichen werden. Erst bei der Hauswäsche der fertigen Kleidungsstücke entspannen sich Garn und Stoff restlos. Das Wäschestück läuft ein.

    [0003] Zur Beseitigung dieses unerwünschten Längsverzugs wird unter anderem eine stabilisierende Gegenverformung im feuchten Zustand angewendet. Hierzu reckt man die feuchte Warenbahn kontrolliert in die Breite. Dabei verformt sie sich in die Breite und wird kürzer. Die Ware wird kompaktiert. Während eines anschließenden spannungslosen Trockenvorgangs wird auch das Garn entspannt. Dabei soll die bewußt erzeugte Überbreite auf das Normalmaß einspringen, das gedehnte Garn soll sich entspannen und die durch das Kompaktieren reduzierte Länge plus evtl. zusätzlichem Maschinentrocknungsschrumpf soll stabilisiert werden.

    [0004] Bei richtiger Verfahrensführung entsteht am Ende ein natürliches, entspanntes Gewebe bzw. Gewirk, welches die entscheidende Voraussetzung für niedrige Restschrumpfwerte und hohe Formstabilität der konfektionierten Kleidungsstücke ist.

    [0005] Leider hat sich gezeigt, daß die Hersteller der Warenbahnen versuchen, die abzuliefernde Breite mit möglichst wenig Garn und Maschenzahl zu erreichen. Deshalb wird die entspannte Warenbahn nach dem Trocknen wieder auf die Sollbreite gebracht, mit der Folge, daß die aus diesem Material konfektionierten Kleidungsstücke in der Haushaltswäsche wieder eingehen. Obwohl dies bekannt ist, wird es in der Branche allgemein toleriert, da es offensichtlich derzeit kein brauchbares Verfahren gibt, mit dem die sich widerstreitenden Forderungen erfüllen lassen.

    [0006] Der vorliegenden Erfindung liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, das Verfahren der eingangs genannten Art dahingehend zu verbessern, daß Restschrumpfwerte im Bereich von 0 % bei gleichzeitig größerer Breite und niedrigerem Flächengewicht der Warenbahn erreicht werden können.

    [0007] Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, daß die Warenbahn im erhitzten Zustand überdehnt wird und daß der Vorlauf wenigstens so groß ist wie die Breitendehnung.

    [0008] Damit ergeben sich die Vorteile, daß beim Uberdehnen in Breitenrichtung Gewebe bzw. Gewirk und Garn nicht nur mechanisch gegengespannt werden, sondern daß gleichzeitig die Molekülstrukturen des Garns - im Fall von Baumwolle sind es die O-OH- bzw. nebenvalente Bindungen der Zellulose - aufgebrochen werden. Hierdurch können die Spannungen, die in der Molekülstruktur der Garne manifestiert sind, ebenfalls entspannt werden, wobei der zusätzliche Aufwand verschwindentgering ist. Am Ende des nachgeschalteten Trockenvorgangs ist die Textilbahn trocken und entspannt. Außerdem behält die Warenbahn eine größere Breite als beim bisherigen Verfahren und ein günstiges, verringertes Flächengewicht. Das Uberdehnen wird zwischen 5 % und 150 % eingestellt, abhängig von Garnqualität, Gewebebindung, Wirkart usw. Bei Webware sind Werte zwischen 5 und 50 %, bei Raschelware Werte zwischen 10 und 80 % und bei Wirkwaren Werte bis 150 % typisch. Zu der Breitenüberdehnung muß ein entsprechender Vorlauf in Längsrichtung der Warenbahn eingestellt werden. Dabei werden Werte,die größer sind als die Werte der Breitenüberdehnung, bevorzugt.

    [0009] Das erfindungsgemäße Erwärmen der Warenbahn kann auf verschiedene Weisen erfolgen. Eine Möglichkeit besteht darin, die Warenbahn vor dem Uberdehnen durch ein heißes Bad zu leiten.

    [0010] In allen Fällen sollte der Feuchtigkeitsgehalt der Warenbahn zwischen 20 und ca. 150 % eingestellt werden, wobei die erhöhten Werte bevorzugt sind. Ausreichende Feuchtigkeitswerte verbessern den Entspannungseffekt durch Erwärmen noch zusätzlich.

    [0011] Die feuchte Warenbahn kann auch mit trockener Wärme erhitzt werden, insbesondere mit Infrarot-Strahlung oder auch mit Hochfrequenz-Energie. Es ist lediglich dafür zu sorgen, daß beim überschreiten der ReaktionsTemperatur die Warenbahn noch ausreichend feucht ist.

    [0012] Vorzugsweise wird die Warenbahn auf Temperaturen zwischen 50° und 100 °C erhitzt. Die optimale Temperatur ist abhängig von der Art der natürlichen Fasern - Baumwolle oder Wolle - und der gegebenenfalls zugegebenen Kunstfasern. Beispielsweise bei Baumwolle mit Acrylfasern wird das erfindungsgemäße Verfahren bei 50 °C durchgeführt; handelt es sich um reine Baumwolle, so kann die Temperatur gefahrlos auf 100 °C, das ist die Temperatur von Sattdampf, gesteigert werden.

    [0013] Gemäß einer Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird die Warenbahn vor dem Verlassen der Breitstreckvorrichtung bei bestimmten Qualitäten forciert gekühlt. Wie vorstehend schon erläutert, wird für die verbesserte Entspannung auch eine chemisch bedingte Veränderung der Molekülstruktur der natürlichen Fasern durch Aufbrechen und Neuformieren von Molekülketten verantwortlich gemacht. Durch das forcierte Kühlen am Ende des Breitstreckvorgangs werden diese chemischphysikalischen Vorgänge sofort gestoppt.

    [0014] Eine bevorzugte Vorrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht darin, daß der Kompaktor mit einer Bedampfungsvorrichtung ausgestattet ist. Als Kompaktor ist jede handelsübliche, einwandfrei funktionierende Anlage geeignet, die durch Anbau einer Sattdampf-Bedampfungsvorrichtung in einfachster Weise zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens umgerüstet werden kann. Am besten bewährt haben sich Nadelkluppen für offene, breitliegende Ware.

    [0015] Für Schlauchware wird ein üblicher Breithalter eingesetzt, vorzugsweise mit langen Backen, um die Warenbahn möglichst schonend behandeln zu können.

    [0016] Eine andere, sehr einfache Vorrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht in der Ausstattung des Kömpaktors mit einer Infrarot-Heizung. Auch eine derartige Heizung ist in einfachster Weise montierbar und gegebenenfalls nachrüstbar.

    [0017] Soll die Warenbahn am Auslauf des Kompaktors forciert gekühlt werden, so erhalten die Vorrichtungen eine Abkühlvorrichtung, insbesondere eine über die gesamte Breite der Warenbahn sich erstreckende Düse für Kaltluft. Diese Kühlluft beseitigt gleichzeitig einen Teil des Feuchtigkeitsgehaltes der Warenbahn.

    [0018] Anhand von Ausführungsbeispielen sollen das erfindungsgemäße Verfahren und die dabei erreichbaren, günstigen Ergebnisse erläutert werden.

    1. Beispiel



    [0019] Geraschelte Frottierware mit einem Flächengewicht von 300 - 330 g/m2 und einer Sollbreite von 1,62 m wurde zunächst der üblichen Naßbehandlung unterworfen. Die Warenbahn hatte danach eine Breite von 1,48 m und einen Restkrumpfwert in Breitenrichtung von ca. 15 %.

    [0020] Die Warenbahn wurde anschließend mit Nadelkluppen gefaßt und gedehnt, wobei eine Breitenüberdehnung von ca. 30 % und ein Vorlauf von ebenfalls 30 % eingestellt wurden. Die überdehnte Ware wurde mit Sattdampf bedämpft und anschließend in herkömmlicher Weise spannungslos getrocknet. Sie hatte eine Endbreite von 1,58 m.

    [0021] Anschließend wurden nach der sogenannten Reutlinger Methode, d. h. mit dreimaligem Waschen und Trocknen in Haushaltsmaschinen, die Eigenschaften der Warenbahn bestimmt. Dabei ergaben sich Restkrumpfwerte in Länge und Breite von unter 2 %.

    [0022] Als Vergleich dazu wurde die selbe Warenbahn herkömmlich getrocknet. Danach hatte sie Restkrumpfwerte von 3,5 % in der Breite und 6 % in der Länge, sowie eine Endbreite von 1,45 m. Um auf die Sollbreite zu kommen, müßte diese Bahn wieder um 12 % gedehnt werden.

    2. Beispiel



    [0023] Gewirkte Schlauchware mit einem Flächengewicht von ca. 120 g/m2 und einer Sollbreite von 16,5 cm wurde zunächst der üblichen Naßbehandlung unterworfen. Die Schlauchbahn hatte danach eine Breite von 16,5 cm.

    [0024] Diese Schlauchbahn wurde anschließend mit einem Breithalter mit langen Führungsbacken gedehnt, wobei eine Breitenüberdehnung von ca. 100 % und ein Vorlauf von ebenfalls 100 % eingestellt wurden. Die überdehnte Ware wurde an der breitesten Stelle mit Sattdampf bedämpft und anschließend in herkömmlicher Weise spannungslos getrocknet. Sie hatte dann eine Endbreite von 16 cm. Die Restkrumpfwerte in der Länge waren kleiner als 0,8 %, in der Breite ca. 2 %.

    [0025] Als Vergleich dazu wurde die selbe Warenbahn herkömmlich getrocknet. Danach hatte sie eine Endbreite von 14 cm und Restkrumpfwerte in der Länge von 5 bis 7 % und in der Breite von ca. 2 %. Um auf die Sollbreite zu kommen, müßte diese Bahn wieder um 14 % gedehnt werden.

    [0026] Ein Vergleich der Meßergebnisse zeigt, daß das erfindungsgemäße Verfahren zu einem deutlich erhöhten Abbau der inneren Spannungen und gleichzeitig zu einem deutlich geringeren Schrumpf, insbesondere in Breitenrichtung, führt. Die Flächenstabilität wird höher, das Flächengewicht niedriger und erfüllt damit die Wünsche von Hersteller und Ausrüster.


    Ansprüche

    1. Verfahren zum Beseitigen des unerwünschten Längsverzugs in textilen, zum Beispiel gewebten, geraschelten oder gewirkten Warenbahnen in Schlauchform bzw. in offener, breitliegender Form, aus natürlichen Fasern, insbesondere aus Baumwolle, die gegebenenfalls einen Anteil an Kunstfasern enthalten, indem die Warenbahn in feuchtem Zustand kontrolliert in Breitenrichtung überdehnt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Warenbahn im erhitzten Zustand überdehnt wird und daß der Vorlauf wenigstens so groß ist wie die Breitendehnung.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Warenbahn - in Abhängigkeit von Garnqualität und Gewebebindung als Webware 5 bis 50 %, als Raschelware 10 bis 80 %, als Wirkware bis 150 % überdehnt wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Feuchtigkeitsgehalt der Warenbahn zwischen 20 % und 150 % eingestellt wird, wobei die erhöhten Werte bevorzugt werden.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Warenbahn vor dem Überdehnen durch ein heißes Bad geleitet wird.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Warenbahn beim überdehnen mit trockener Wärme erhitzt wird.
     
    6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Feuchtigkeitsgehalt auf 200 % erhöht wird.
     
    7. Verfahren nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, daß das Erhitzen mit Infrarot-Strahlung erfolgt.
     
    8. Verfahren nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, daß das Erhitzen mit Hochfrequenz-Energie erfolgt.
     
    9. Verfahren nach wenigstens einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Warenbahn auf Temperaturen zwischen 50° und 100 °C erhitzt wird.
     
    10. Verfahren nach wenigstens einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Warenbahn vor dem Verlassen der Breitstreckvorrichtung forciert gekühlt wird.
     
    11. Vorrichtung zum Durchführen des Verfahrens nach wenigstens einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß der Kompaktor mit einer Bedampfungsvorrichtung ausgestattet ist.
     
    12. Vorrichtung zum Durchführen des Verfahrens nach wenigstens einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß der Kompaktor mit einer Infrarot-Heizung ausgestattet ist.
     
    13. Vorrichtung zum Durchführen des Verfahrens nach wenigstens einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß am Auslauf des Kompaktors eine Abkühlvorrichtung, insbesondere eine Düse für Kaltluft, vorgesehen ist.
     
    14. Vorrichtung nach den Ansprüchen 11 bis 13, dadurch gekennzeichnet, daß der Kompaktor mit Nadelkluppen ausgerüstet ist.
     
    15. Vorrichtung nach den Ansprüchen 11 bis 13, dadurch gekennzeichnet, daß der Kompaktor mit einem Breithalter mit langen Führungsbacken ausgerüstet ist.
     





    Recherchenbericht