(19)
(11) EP 0 215 192 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
25.03.1987  Patentblatt  1987/13

(21) Anmeldenummer: 86107033.2

(22) Anmeldetag:  23.05.1986
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4C10C 1/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE FR GB LI NL

(30) Priorität: 17.09.1985 DE 3533106

(71) Anmelder: RÜTGERSWERKE AKTIENGESELLSCHAFT
60326 Frankfurt (DE)

(72) Erfinder:
  • Alsmeier, Friedhelm G., Dipl.-Ing.
    D-4300 Essen 1 (DE)
  • Marrett, Rolf, Dipl.-Ing.
    D-4620 Castrop-Rauxel (DE)
  • Meinbreckse, Manfred, Dipl.-Ing.
    D-6382 Friedrichsdorf (DE)
  • Stadelhofer, Jürgen W., Dr.
    D-6232 Bad Soden (DE)
  • Fischer, Werner C.
    CH-3961 Venthône (CH)
  • Perruchoud, Raymond
    CH-3961 Vercorin (CH)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Elektrodenbindemittel


    (57) Das Elektrodenbindemittel für die Herstellung von Anoden mit vermindertem Abbrand für die Aluminium­gewinnung kann durch Filtration erhalten werden. Es hat einen QI-Gehalt von 0,5 bis 5 Gew.-%, 25 - 35 Gew.-% β-Harze und einen Na-Gehalt von vorzugsweise weniger als 20 ppm. Trotz der geringeren scheinbaren Dichte entsprechen der spezifische elektrische Widerstand und die Festigkeit den Werten bei bekannten Anoden. Die Abbrandverluste liegen auch bei Anoden mit rezirku­lierten, Na-reichen Anodenresten um 3 Gew.-%, bezogen auf die Anodenmasse, niedriger als bei bekannten Anoden.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Elektrodenbindemittel aus Steinkohlenteer zur Herstellung von Kohlenstoff­formkörpern, wie sie beispielsweise bei der Aluminium­gewinnung verwendet werden.

    [0002] Eine Kohlenstoffanode für die Aluminiumgewinnung sollte eine hohe Festigkeit, eine geringe Porosität, einen niedrigen elektrischen Widerstand und einen möglichst geringen Abbrand aufweisen. Diese Eigen­schaften werden ganz entscheidend von dem verwendeten Bindemittel beeinflußt. Es wird charakterisiert durch seinen Erweichungspunkt, den Verkokungsrückstand und den Gehalten an unlöslichen Anteilen in Chinolin und Toluol, an Aschebildnern und Schwefel. Häufig werden auch noch die Dichte und der Destillationsverlauf zur Spezifikation herangezogen. Als Bindemittel werden fast ausschließlich Steinkohlenteerpeche wegen ihres günstigen Verkokungsverhaltens verwendet. Sie haben folgende Spezifikationsdaten (Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 4. Auflage, Band 22, Seite 423):



    [0003] Die β-Harze beeinflussen insbesondere das Back- und Bindevermögen, und der QI-Gehalt erhöht die Festigkeit des Bindemittelkokses. Aschebildner sind unerwünscht, da sie zur Verunreinigung des Aluminiums beitragen.

    [0004] Ziel der Aluminiumhütten ist die Entwicklung einer Anode hoher Leitfähigkeit mit geringem Abbrand, um die Betriebskosten zu senken. Nur ein Teil des verbrauch­ten Kohlenstoffs wird für Reduktion des Aluminiumerzes genutzt, ein anderer Teil geht durch Nebenreaktionen, z.B. Umwandlung von Kohlendioxid in Kohlenmonoxid, und durch "Absanden" der Anode verloren. Das "Absanden" entsteht durch einen schnelleren Verbrauch des Binde­ mittelkokses gegenüber dem Petrolkoks, wobei sich das Füllerkokskorn aus dem Verbund löst und in das Bad fällt.

    [0005] Der Einfluß der Aschebildner auf die Reaktivität des Anodenkohlenstoffs und damit auf den Anodenverbrauch wurde in letzter Zeit eingehend untersucht. Dabei wurden vor allem die Einflüsse von Natrium und Eisen untersucht (Petersen: Effect of sodium content of pitch on selective oxidation on baked blends of pitch/fines / Light Metals, 1981, Seiten 471 - 476). Es wurde festgestellt, daß weder die Porosität bei der nur geringen Streubreite noch der Eisengehalt bei einer selektiven Oxidation bei 950°C in Kohlendioxid mit dem Abbrand eines aus Pech und Kokspulver herge­stellten, gebrannten dichten Kohlenstofformkörpers korrelieren. Allein beim Natrium zeigte sich eine Abhängigkeit des Abbrandes und des "Absandens" von dessen Konzentration im Pech. Die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf industriell hergestellte Anoden ist wegen der anderen Granulometrie und des geringeren Binderanteils nicht gesichert, zumal auch die Luftperme­abilität zu berücksichtigen ist. Vor allem bei vorge­brannten Blockanoden, in deren Masse Na-reiche Anodenreste enthalten sind, ist mit abweichenden Ergebnissen zu rechnen.

    [0006] Steinkohlenteere enthalten als Rohteere bereits Natrium. Der Na-Gehalt wird durch die übliche Neu­tralisation der sauren Chlorid-Ionen zur Minderung der Korrosion in den Destillationsanlagen weiter erhöht. Im Pech sind die Aschebildner und somit auch das Natrium aufkonzentriert, so daß die Elektrodenbinde­mittel normalerweise etwa 500 bis 1500 ppm Natrium enthalten.

    [0007] Es ist zwar bekannt, daß die Aschebildner durch geeignete Trennverfahren wie Zentrifugieren, Se­parieren, Filtrieren und promotorbeschleunigtes Absitzenlassen aus Teeren und Pechen entfernt werden können. Bei diesen Verfahren wird aber das für die Anodenfestigkeit erforderliche Chinolinunlösliche ebenfalls abgeschieden.

    [0008] Es bestand daher die Aufgabe, ein Elektrodenbinde­mittel auf Steinkohlenteerbasis zu entwickeln, mit dem Anoden hoher Festigkeit, geringem elektrischen Wider­stand und niedriger Luft-Permeabilität hergestellt werden können, die einen verminderten CO₂-Abbrand und ein weniger starkes "Absanden" zeigen.

    [0009] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Stein­kohlenteerpech mit einem Erweichungspunkt (Kraemer-­Sarnow) von 90 bis 105°C, einem Gehalt an Chinolin­unlöslichem (QI)/ von 0,5 bis 5 Gew.-%, 25 bis 35 Gew.-% β-Harzen, einem Gehalt an Aschebildnern von weniger als 0,2 Gew.-%, vorzugsweise weniger als 0,1 Gew.-%, und einem Na-Gehalt von weniger als 50 ppm, vorzugs­weise weniger als 20 ppm, gelöst, erhältlich durch Filtration eines Steinkohlenteerpeches, das mit der 1-­bis 2,5-fache Menge eines anorganischen oder orga­nischen Filterhilfsmittels, bezogen auf den QI-Gehalt des Peches, vermischt wird, mittels Filterkerzen mit einer Spaltweite von 50 bis 500 µm bei einer Tempe­ ratur von 250 bis 300°C unter einem Druck von bis zu 8 bar und gegebenenfalls durch Abdestillieren von Pech­fraktionen aus dem filtrierten Pech zur Einstellung des Erweichungspunktes.

    [0010] Als anorganische Filterhilfsmittel können Kieselgur (Diatomeenerde), Vulkanasche oder ähnliches verwendet werden. Organische Filterhilfsmittel sind Aktivkohle, Holzkohle, Torfkoks, Braunkohlenkoks und ähnliches. Die Korngröße dieser Filterhilfsmittel entspricht dem 0,2- bis 3-fachen der Spaltweite des Filters.

    [0011] Die Reaktivität der mit dem erfindungsgemäßen Pech hergestellten Anoden vermindert sich nicht nur bei Söderberg-Anoden, sondern sogar bei vorgebrannten Blockanoden, die bis zu 30 Gew.-% Anodenreste, bezogen auf den Feststoffanteil, mit einem Natriumgehalt von über 1500 ppm enthalten. Dies war aufgrund der be­kannten Veröffentlichungen nicht zu erwarten, da sich der Na-Gehalt der Blockanoden nur wenig durch das Bindemittel beeinflussen läßt und je nach Anteil und Reinigungsgrad der Anodenreste ("Butts") bei etwa 350 (14 % Butts) bzw. 900 ppm (20 % Butts) liegt. Über die katalytische Wirkung des Natriums auf die CO₂-Reak­tivität des Kokses läßt sich dieses Verhalten nicht erklären.

    [0012] Überraschend ist außerdem, daß die Festigkeit, ge­messen als Biegefestigkeit, der Anoden sich zumindest in dem Bereich der üblichen Mischungsverhältnisse bei Verwendung des erfindungsgemäßen Bindemittels nicht von der üblicher Anoden unterscheidet, dies, obwohl die Brennverluste bei gleichem Bindemittelgehalt höher und damit die scheinbare Dichte meist geringer ist als bei Anoden mit bekannten Bindemitteln.

    [0013] Die Erfindung wird anhand des Beispiels 1 näher erläutert. Aus dem Vergleich mit dem Beispiel 2, in dem ein gebräuchliches Elektrodenpech verwendet wird, ergeben sich die Vorzüge des erfindungsgemäßen Pechs.

    werden bei 200°C mit 7 Gew.-Teilen Diatomeenerde der Körnung 30 - 300 µm vermischt und auf 270°C erhitzt. Das Gemisch wird dann über ein Spaltrohrfilter mit einer Spaltweite von 150 µm im Kreislauf gefahren, bis sich bei einem Druck von 1,5 bar eine Filterschicht aufgebaut hat. Danach wird das Filtratpech entnommen. Der Filtrationszyklus wird bei einem Druck von 7 bar abgebrochen und nach Abreinigen der Filterfläche wiederholt, bis die gesamte Pechmenge filtriert ist. Das Filtratpech ist durch folgende Analysendaten ge­kennzeichnet:
    EP (K.-S.) 66°C
    QI 1,0 %
    TI 25,6 %
    Aschebildner 0,06 %
    Na 9 ppm

    [0014] Von dem Filtratpech werden 12 Gew.-% Öle bei einem Druck von 100 mbar abdestilliert. Als Rückstand wird ein Pech mit folgenden Kenndaten erhalten:
    EP (K.S.) 99°C
    QI 1,1 %
    TI 28,8 %
    β-Harze 27,7 %
    Aschebildner 0,07 %
    Na 10 ppm
    Verkokungsrückstand 52 %
    (Conradson)

    [0015] Ein Gemisch aus 86 Gew.-Teilen Petrolkoks und 14 Gew.-­Teilen Anodenreste wird mit diesem Pech gemischt. Vier Gemische mit 14, 16, 18 und 20 Gew.-% Bindemittel werden in bekannter Weise zu Blockanoden geformt und gebrannt. Die Brennverluste sind in Fig.1 und die Eigenschaften der Anoden in den Fig. 2 bis 7 darge­stellt.

    Beispiel 2 (Vergleich)



    [0016] Zum Vergleich werden aus dem gleichen Feststoffgemisch wie in Beispiel 1 Anodenmischungen mit 14, 16, 18 und 20 Gew.-% eines üblichen Elektrodenbindemittels aus Stein­kohlenteer hergestellt. Das Elektrodenpech ist durch folgende Analysendaten charakterisiert:
    EP (K.-S.) 93 °C
    QI 12,0 %
    TI 35,0 %
    β-Harze 23,0 %
    Aschebildner 0,21 %
    Na 390 ppm
    Verkokungsrückstand
    (Conradson) 58,1 %

    [0017] Die Ergebnisse der Untersuchungen an den Anoden sind in den Fig. 1 - 7 denen aus dem Beispiel 1 gegenüber­gestellt. Die Meßpunkte des Beispiels 1 sind durch ein +-Zeichen und die des Beispiels 2 durch ein Δ-Zeichen dargestellt. Aus Fig. 1 ergeben sich die höheren Brennverluste bei der Verwendung des erfindungsgemäßen Pechs als Bindemittel. Auf die scheinbare Dichte (Fig.2) wirkt sich dies allerdings erst bei Bindemittel­gehalten über 16 % aus. Dieser Punkt ist zugleich das Dichteoptimum für die mit dem erfindungsgemäßen Pech hergestellten Anoden. Bei den Vergleichsanoden liegt das Optimum bei 18 %. Der spezifische elektrische Widerstand (Fig. 3) ist bei beiden Anodentypen gleich. Das gilt angenähert auch für die Biegefestigkeit (Fig. 4). Der Einfluß der unterschiedlichen Dichte ist auch hier nicht spürbar.

    [0018] Der Na-Gehalt (Fig. 5) der Anoden mit dem erfindungs­gemäßen Bindemittel ist nur geringfügig niedriger. Die Reaktivität, gemessen als Gesamtverlust- Abbrand und Absanden- nach 7 h bei 960°C in CO₂, ist jedoch bei der Anode mit dem normalen Binderpech um etwa 3 Gew.-%, bezogen auf die Anodenmasse, größer.

    [0019] Ein weiterer Vorteil im Hinblick auf einen geringen Anodenverbrauch ist die geringe Luft-Permeabilität (Fig.7) der Anode bei 20 °C mit dem erfindungsge­mäßen Bindemittel. Die Permeabilität wird in nPerm (nPm) gemessen (1 Pm bedeutet einen Gasdurchfluss von 1 cm³/s durch eine 1 cm² große Fläche eines 1 cm dicken Probekörpers bei einem Druckverlust von 1 dyn/cm² bei einer Viskosität des Gases von 0,1 Pa · s). Die Abhängigkeit des Minderverbrauchs an Anodenmaterial ergibt sich nach Keller und Fischer ("Development of Anode Quality Criteria by Statistical Evaluation of Operational Results in the Electrolysis", Light Metals, 1982, Seiten 729 - 740) zu:
    ΔNC = 9,3 · Δ AP - 3,7 · Δ RR.
    ΔNC ist dabei der Minderverbrauch an Anodenmaterial in g Kohlenstoff je kg Aluminium, ΔAP kennzeichnet die Differenz der Luft-Permeabilität in nPm und Δ RR die des Reaktivitätsrestes in Gew.-% (eingesetzter Kohlenstoff-Gesamtverlust, bezogen auf den eingesetzten Kohlenstoff). Das Minium der Luft-Permeabilität liegt bei dem erfindungsgemäßen Bindemittel bei einem Bindemittelgehalt von etwa 16 %, bei der Vergleichsanode bei einem von etwa 18 %.

    [0020] Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß Anoden, die mit dem erfindungsgemäßen Pech als Binde­mittel hergestellt werden, die gleiche Festigkeit und den gleichen spezifischen elektrischen Widerstand haben wie bekannte Anoden, aber einen um 3 % gerin­geren Abbrand aufweisen. Dieser geringere Abbrand wird bereits bei etwa 16 Gew.-% Bindemittel erreicht. Bei Inkaufnahme einer geringfügigen Erhöhung des elek­trischen Widerstandes und einer für Blockanoden vertretbaren Abnahme der Festigkeit der Anoden könnten außerdem etwa 11 % des Bindemittels eingespart und durch den wesentlich billigeren Petrolkoks ersetzt werden. Dieses unerwartete Verhalten des erfindungs­gemäßen Bindemittels ist möglicherweise auf ein verbessertes Benetzungsverhalten gegenüber Petrolkoks zurückzuführen.


    Ansprüche

    1. Elektrodenbindemittel aus Steinkohlenteer, ge-­kennzeichnet durch einen Erweichungspunkt (Kraemer-Sarnow) von 90 bis 105°C, einen Gehalt an Chinolinunlöslichen (QI) von 0,5 bis 5 Gew.-%, 25 bis 35 Gew.-% ß-Harzen, einen Gehalt an Aschebild­nern von weniger als 0,2 Gew.-%, vorzugsweise weniger als 0,1 Gew.-%, und einen Na-Gehalt von weniger als 50 ppm, vorzugsweise weniger als 20 ppm, erhältlich durch Filtration eines Steinkoh­lenteerpechs, das mit der 1- bis 2,5-fachen Menge eines anorganischen oder organischen Filter­hilfsmittels, bezogen auf den QI-Gehalt des Peches, vermischt wird, mittels Filterkerzen mit einer Spaltweite von 50 bis 100 µm bei einer Temperatur von 250 bis 300°C unter einem Druck von bis zu 8 bar und gegebenenfalls durch Ab­destillieren von Ölen aus dem filtrierten Pech zur Einstellung des Erweichungspunktes.
     
    2. Verwendung des Elektrodenbindemittels nach Anspruch 1, als Bindemittel bei der Herstellung von Anoden mit vermindertem Abbrand für die Aluminiumindustrie, insbesondere bei der Her­stellung vorgebrannter Blockanoden mit einem Zusatz von bis zu 30 Gew.-% Anodenreste, bezogen auf den Feststoffanteil der Anodenmasse, mit einem Na-Gehalt von mehr als 1500 ppm.
     




    Zeichnung










    Recherchenbericht