[0001] Die Erfindung betrifft ein Elektrodenbindemittel aus Steinkohlenteer zur Herstellung
von Kohlenstoffformkörpern, wie sie beispielsweise bei der Aluminiumgewinnung verwendet
werden.
[0002] Eine Kohlenstoffanode für die Aluminiumgewinnung sollte eine hohe Festigkeit, eine
geringe Porosität, einen niedrigen elektrischen Widerstand und einen möglichst geringen
Abbrand aufweisen. Diese Eigenschaften werden ganz entscheidend von dem verwendeten
Bindemittel beeinflußt. Es wird charakterisiert durch seinen Erweichungspunkt, den
Verkokungsrückstand und den Gehalten an unlöslichen Anteilen in Chinolin und Toluol,
an Aschebildnern und Schwefel. Häufig werden auch noch die Dichte und der Destillationsverlauf
zur Spezifikation herangezogen. Als Bindemittel werden fast ausschließlich Steinkohlenteerpeche
wegen ihres günstigen Verkokungsverhaltens verwendet. Sie haben folgende Spezifikationsdaten
(Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 4. Auflage, Band 22, Seite 423):
[0003] Die β-Harze beeinflussen insbesondere das Back- und Bindevermögen, und der QI-Gehalt
erhöht die Festigkeit des Bindemittelkokses. Aschebildner sind unerwünscht, da sie
zur Verunreinigung des Aluminiums beitragen.
[0004] Ziel der Aluminiumhütten ist die Entwicklung einer Anode hoher Leitfähigkeit mit
geringem Abbrand, um die Betriebskosten zu senken. Nur ein Teil des verbrauchten
Kohlenstoffs wird für Reduktion des Aluminiumerzes genutzt, ein anderer Teil geht
durch Nebenreaktionen, z.B. Umwandlung von Kohlendioxid in Kohlenmonoxid, und durch
"Absanden" der Anode verloren. Das "Absanden" entsteht durch einen schnelleren Verbrauch
des Binde mittelkokses gegenüber dem Petrolkoks, wobei sich das Füllerkokskorn aus
dem Verbund löst und in das Bad fällt.
[0005] Der Einfluß der Aschebildner auf die Reaktivität des Anodenkohlenstoffs und damit
auf den Anodenverbrauch wurde in letzter Zeit eingehend untersucht. Dabei wurden vor
allem die Einflüsse von Natrium und Eisen untersucht (Petersen: Effect of sodium content
of pitch on selective oxidation on baked blends of pitch/fines / Light Metals, 1981,
Seiten 471 - 476). Es wurde festgestellt, daß weder die Porosität bei der nur geringen
Streubreite noch der Eisengehalt bei einer selektiven Oxidation bei 950°C in Kohlendioxid
mit dem Abbrand eines aus Pech und Kokspulver hergestellten, gebrannten dichten Kohlenstofformkörpers
korrelieren. Allein beim Natrium zeigte sich eine Abhängigkeit des Abbrandes und des
"Absandens" von dessen Konzentration im Pech. Die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse
auf industriell hergestellte Anoden ist wegen der anderen Granulometrie und des geringeren
Binderanteils nicht gesichert, zumal auch die Luftpermeabilität zu berücksichtigen
ist. Vor allem bei vorgebrannten Blockanoden, in deren Masse Na-reiche Anodenreste
enthalten sind, ist mit abweichenden Ergebnissen zu rechnen.
[0006] Steinkohlenteere enthalten als Rohteere bereits Natrium. Der Na-Gehalt wird durch
die übliche Neutralisation der sauren Chlorid-Ionen zur Minderung der Korrosion in
den Destillationsanlagen weiter erhöht. Im Pech sind die Aschebildner und somit auch
das Natrium aufkonzentriert, so daß die Elektrodenbindemittel normalerweise etwa
500 bis 1500 ppm Natrium enthalten.
[0007] Es ist zwar bekannt, daß die Aschebildner durch geeignete Trennverfahren wie Zentrifugieren,
Separieren, Filtrieren und promotorbeschleunigtes Absitzenlassen aus Teeren und Pechen
entfernt werden können. Bei diesen Verfahren wird aber das für die Anodenfestigkeit
erforderliche Chinolinunlösliche ebenfalls abgeschieden.
[0008] Es bestand daher die Aufgabe, ein Elektrodenbindemittel auf Steinkohlenteerbasis
zu entwickeln, mit dem Anoden hoher Festigkeit, geringem elektrischen Widerstand
und niedriger Luft-Permeabilität hergestellt werden können, die einen verminderten
CO₂-Abbrand und ein weniger starkes "Absanden" zeigen.
[0009] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Steinkohlenteerpech mit einem Erweichungspunkt
(Kraemer-Sarnow) von 90 bis 105°C, einem Gehalt an Chinolinunlöslichem (QI)/ von
0,5 bis 5 Gew.-%, 25 bis 35 Gew.-% β-Harzen, einem Gehalt an Aschebildnern von weniger
als 0,2 Gew.-%, vorzugsweise weniger als 0,1 Gew.-%, und einem Na-Gehalt von weniger
als 50 ppm, vorzugsweise weniger als 20 ppm, gelöst, erhältlich durch Filtration
eines Steinkohlenteerpeches, das mit der 1-bis 2,5-fache Menge eines anorganischen
oder organischen Filterhilfsmittels, bezogen auf den QI-Gehalt des Peches, vermischt
wird, mittels Filterkerzen mit einer Spaltweite von 50 bis 500 µm bei einer Tempe
ratur von 250 bis 300°C unter einem Druck von bis zu 8 bar und gegebenenfalls durch
Abdestillieren von Pechfraktionen aus dem filtrierten Pech zur Einstellung des Erweichungspunktes.
[0010] Als anorganische Filterhilfsmittel können Kieselgur (Diatomeenerde), Vulkanasche
oder ähnliches verwendet werden. Organische Filterhilfsmittel sind Aktivkohle, Holzkohle,
Torfkoks, Braunkohlenkoks und ähnliches. Die Korngröße dieser Filterhilfsmittel entspricht
dem 0,2- bis 3-fachen der Spaltweite des Filters.
[0011] Die Reaktivität der mit dem erfindungsgemäßen Pech hergestellten Anoden vermindert
sich nicht nur bei Söderberg-Anoden, sondern sogar bei vorgebrannten Blockanoden,
die bis zu 30 Gew.-% Anodenreste, bezogen auf den Feststoffanteil, mit einem Natriumgehalt
von über 1500 ppm enthalten. Dies war aufgrund der bekannten Veröffentlichungen nicht
zu erwarten, da sich der Na-Gehalt der Blockanoden nur wenig durch das Bindemittel
beeinflussen läßt und je nach Anteil und Reinigungsgrad der Anodenreste ("Butts")
bei etwa 350 (14 % Butts) bzw. 900 ppm (20 % Butts) liegt. Über die katalytische Wirkung
des Natriums auf die CO₂-Reaktivität des Kokses läßt sich dieses Verhalten nicht
erklären.
[0012] Überraschend ist außerdem, daß die Festigkeit, gemessen als Biegefestigkeit, der
Anoden sich zumindest in dem Bereich der üblichen Mischungsverhältnisse bei Verwendung
des erfindungsgemäßen Bindemittels nicht von der üblicher Anoden unterscheidet, dies,
obwohl die Brennverluste bei gleichem Bindemittelgehalt höher und damit die scheinbare
Dichte meist geringer ist als bei Anoden mit bekannten Bindemitteln.
[0013] Die Erfindung wird anhand des Beispiels 1 näher erläutert. Aus dem Vergleich mit
dem Beispiel 2, in dem ein gebräuchliches Elektrodenpech verwendet wird, ergeben sich
die Vorzüge des erfindungsgemäßen Pechs.
werden bei 200°C mit 7 Gew.-Teilen Diatomeenerde der Körnung 30 - 300 µm vermischt
und auf 270°C erhitzt. Das Gemisch wird dann über ein Spaltrohrfilter mit einer Spaltweite
von 150 µm im Kreislauf gefahren, bis sich bei einem Druck von 1,5 bar eine Filterschicht
aufgebaut hat. Danach wird das Filtratpech entnommen. Der Filtrationszyklus wird bei
einem Druck von 7 bar abgebrochen und nach Abreinigen der Filterfläche wiederholt,
bis die gesamte Pechmenge filtriert ist. Das Filtratpech ist durch folgende Analysendaten
gekennzeichnet:
EP (K.-S.) 66°C
QI 1,0 %
TI 25,6 %
Aschebildner 0,06 %
Na 9 ppm
[0014] Von dem Filtratpech werden 12 Gew.-% Öle bei einem Druck von 100 mbar abdestilliert.
Als Rückstand wird ein Pech mit folgenden Kenndaten erhalten:
EP (K.S.) 99°C
QI 1,1 %
TI 28,8 %
β-Harze 27,7 %
Aschebildner 0,07 %
Na 10 ppm
Verkokungsrückstand 52 %
(Conradson)
[0015] Ein Gemisch aus 86 Gew.-Teilen Petrolkoks und 14 Gew.-Teilen Anodenreste wird mit
diesem Pech gemischt. Vier Gemische mit 14, 16, 18 und 20 Gew.-% Bindemittel werden
in bekannter Weise zu Blockanoden geformt und gebrannt. Die Brennverluste sind in
Fig.1 und die Eigenschaften der Anoden in den Fig. 2 bis 7 dargestellt.
Beispiel 2 (Vergleich)
[0016] Zum Vergleich werden aus dem gleichen Feststoffgemisch wie in Beispiel 1 Anodenmischungen
mit 14, 16, 18 und 20 Gew.-% eines üblichen Elektrodenbindemittels aus Steinkohlenteer
hergestellt. Das Elektrodenpech ist durch folgende Analysendaten charakterisiert:
EP (K.-S.) 93 °C
QI 12,0 %
TI 35,0 %
β-Harze 23,0 %
Aschebildner 0,21 %
Na 390 ppm
Verkokungsrückstand
(Conradson) 58,1 %
[0017] Die Ergebnisse der Untersuchungen an den Anoden sind in den Fig. 1 - 7 denen aus
dem Beispiel 1 gegenübergestellt. Die Meßpunkte des Beispiels 1 sind durch ein +-Zeichen
und die des Beispiels 2 durch ein Δ-Zeichen dargestellt. Aus Fig. 1 ergeben sich die
höheren Brennverluste bei der Verwendung des erfindungsgemäßen Pechs als Bindemittel.
Auf die scheinbare Dichte (Fig.2) wirkt sich dies allerdings erst bei Bindemittelgehalten
über 16 % aus. Dieser Punkt ist zugleich das Dichteoptimum für die mit dem erfindungsgemäßen
Pech hergestellten Anoden. Bei den Vergleichsanoden liegt das Optimum bei 18 %. Der
spezifische elektrische Widerstand (Fig. 3) ist bei beiden Anodentypen gleich. Das
gilt angenähert auch für die Biegefestigkeit (Fig. 4). Der Einfluß der unterschiedlichen
Dichte ist auch hier nicht spürbar.
[0018] Der Na-Gehalt (Fig. 5) der Anoden mit dem erfindungsgemäßen Bindemittel ist nur
geringfügig niedriger. Die Reaktivität, gemessen als Gesamtverlust- Abbrand und Absanden-
nach 7 h bei 960°C in CO₂, ist jedoch bei der Anode mit dem normalen Binderpech um
etwa 3 Gew.-%, bezogen auf die Anodenmasse, größer.
[0019] Ein weiterer Vorteil im Hinblick auf einen geringen Anodenverbrauch ist die geringe
Luft-Permeabilität (Fig.7) der Anode bei 20 °C mit dem erfindungsgemäßen Bindemittel.
Die Permeabilität wird in nPerm (nPm) gemessen (1 Pm bedeutet einen Gasdurchfluss
von 1 cm³/s durch eine 1 cm² große Fläche eines 1 cm dicken Probekörpers bei einem
Druckverlust von 1 dyn/cm² bei einer Viskosität des Gases von 0,1 Pa · s). Die Abhängigkeit
des Minderverbrauchs an Anodenmaterial ergibt sich nach Keller und Fischer ("Development
of Anode Quality Criteria by Statistical Evaluation of Operational Results in the
Electrolysis", Light Metals, 1982, Seiten 729 - 740) zu:
ΔNC = 9,3 · Δ AP - 3,7 · Δ RR.
ΔNC ist dabei der Minderverbrauch an Anodenmaterial in g Kohlenstoff je kg Aluminium,
ΔAP kennzeichnet die Differenz der Luft-Permeabilität in nPm und Δ RR die des Reaktivitätsrestes
in Gew.-% (eingesetzter Kohlenstoff-Gesamtverlust, bezogen auf den eingesetzten Kohlenstoff).
Das Minium der Luft-Permeabilität liegt bei dem erfindungsgemäßen Bindemittel bei
einem Bindemittelgehalt von etwa 16 %, bei der Vergleichsanode bei einem von etwa
18 %.
[0020] Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß Anoden, die mit dem erfindungsgemäßen
Pech als Bindemittel hergestellt werden, die gleiche Festigkeit und den gleichen
spezifischen elektrischen Widerstand haben wie bekannte Anoden, aber einen um 3 %
geringeren Abbrand aufweisen. Dieser geringere Abbrand wird bereits bei etwa 16 Gew.-%
Bindemittel erreicht. Bei Inkaufnahme einer geringfügigen Erhöhung des elektrischen
Widerstandes und einer für Blockanoden vertretbaren Abnahme der Festigkeit der Anoden
könnten außerdem etwa 11 % des Bindemittels eingespart und durch den wesentlich billigeren
Petrolkoks ersetzt werden. Dieses unerwartete Verhalten des erfindungsgemäßen Bindemittels
ist möglicherweise auf ein verbessertes Benetzungsverhalten gegenüber Petrolkoks zurückzuführen.
1. Elektrodenbindemittel aus Steinkohlenteer, ge-kennzeichnet durch einen Erweichungspunkt (Kraemer-Sarnow) von 90 bis 105°C, einen Gehalt an Chinolinunlöslichen
(QI) von 0,5 bis 5 Gew.-%, 25 bis 35 Gew.-% ß-Harzen, einen Gehalt an Aschebildnern
von weniger als 0,2 Gew.-%, vorzugsweise weniger als 0,1 Gew.-%, und einen Na-Gehalt
von weniger als 50 ppm, vorzugsweise weniger als 20 ppm, erhältlich durch Filtration
eines Steinkohlenteerpechs, das mit der 1- bis 2,5-fachen Menge eines anorganischen
oder organischen Filterhilfsmittels, bezogen auf den QI-Gehalt des Peches, vermischt
wird, mittels Filterkerzen mit einer Spaltweite von 50 bis 100 µm bei einer Temperatur
von 250 bis 300°C unter einem Druck von bis zu 8 bar und gegebenenfalls durch Abdestillieren
von Ölen aus dem filtrierten Pech zur Einstellung des Erweichungspunktes.
2. Verwendung des Elektrodenbindemittels nach Anspruch 1, als Bindemittel bei der
Herstellung von Anoden mit vermindertem Abbrand für die Aluminiumindustrie, insbesondere
bei der Herstellung vorgebrannter Blockanoden mit einem Zusatz von bis zu 30 Gew.-%
Anodenreste, bezogen auf den Feststoffanteil der Anodenmasse, mit einem Na-Gehalt
von mehr als 1500 ppm.