[0001] Die Erfindung betrifft borlegierte Stähle und ein Verfahren zum Glühen von Erzeugnissen
aus Stählen mit Borgehalten bis 200 ppm im Temperaturbereich von 850 bis 1.050
oC.
[0002] Beim Glühen von Stählen, die Bor in gelöster Form, also bis 100 ppm, enthalten, im
Bereich erhöhter Temperatur um 1.000
oC ist immer wieder beobachtet worden, daß die Erzeugnisse zumindest im Oberflächenbereich
in unerwünschter Weise an Bor verarmen. So fanden z.B. T. Inoue und Y. Ochida in:
Lecture No. S. 1351, presented at the 102nd ISIJ meeting 1981 bei einem niedriglegierten
Stahl mit 0,2 % C und 30 ppm B nach einem Glühen bei 900
oC für 2 h in strömendem Argon eine Borverarmung bis zu einer Tiefe von 0,4 mm von
der Oberfläche. Das gleiche Ergebnis wurde erzielt, wenn anstelle von Argon in Luft
geglüht wurde. Sie empfahlen daher borlegierte Stähle unter Vakuum von 13,3 mPa in
Anwesenheit eines Zirkoniumgetters zu glühen. Auch P.E. Busby, M.E. Warga und C. Wells
in: Journal of Metals, November 1953, S. 1463/8 beobachteten bei Glühungen im Austenitgebiet,
also oberhalb von etwa 900
oC, ein gleichzeitiges Abdampfen von Kohlenstoff und Bor aus einem niedriglegierten
Stahl mit 0,43 % C und 38 ppm B in feuchtem Wasserstoff. M.E. Nicholson in: Journal
of Metals, February 1954, S. 185/90 stellten eine stärkere Anreicherung von Bor im
Kern der Proben fest und führten dies auf die Bildung von Borverbindungen zurück.
Sie empfahlen, bei der Borzugabe vor allem den Sauerstoffgehalt zu berücksichtigen,
denn ein Teil desselben würde sich mit Bor zu Boroxid verbinden, wodurch der lösliche
Anteil von Bor, der härtbarkeitssteigernd wirkt, verringert würde.
[0003] Borlegierte Stähle zeigen häufig sehr unterschiedliche Härtbarkeit. Da es in dieser
Hinsicht an einer systematischen Untersuchung fehlt, ist der Ursachzusammenhang bislang
ungeklärt.
[0004] Der Erfindung liegt nun die Aufgabe zugrunde, beim Hochtemperaturglühen von Erzeugnissen
aus Stählen mit Bor in gelöster Form zu verhindern, daß Bor entweicht bzw. Bor dem
Stahl sogar in definiert vorgebbarer Menge in gelöster Form zugeführt wird, ohne daß
sich an der Oberfläche eine harte Boridschicht bildet.
[0005] Zur Lösung dieser Aufgabe wird erfindungsgemäß ein Stahl nach Anspruch 1 und ein
Verfahren vorgeschlagen, bei dem die Erzeugnisse in einer nichtoxidierenden Gasatmosphäre
mit einem durch eine Quelle aus pulverförmigem Boroxid (B₂O₃) gelieferten Borpotential
einer solchen Größe im Gleichgewichtszustand geglüht werden, daß die Erzeugnisse ihren
Borgehalt beibehalten oder aufnehmen.
[0006] Das erfindungsgemäße Verfahren ist nicht mit dem bekannten Borieren von Stählen vergleichbar,
bei dem die Boraktivität in der Glühatmosphäre in einer ganz anderen Größenordnung
um oder über 1 liegt, während sie beim erfindungsgemäßen Verfahren um mehrere Zehnerpotenzen
niedriger liegt. Dementsprechend nimmt der Stahl in der borierten Zone beim Borieren
unter Bildung von Eisenborid (FeB und Fe₂B) Borgehalte im %-Bereich auf, also Gehalte,
die weit oberhalb der Löslichkeitsgrenze (im Gamma-Eisen bei 1000
oC circa 75 ppm B) liegen. Das Borieren ist beschrieben in dem Fachbuch "Borieren"
von A. Graf von Matuschka (1977), Carl Hanser Verlag. Borierverfahren sind auch bekannt
aus der DE-OS 2 126 379 und GB-PS 1 435 045.
[0007] Beim erfindungsgemäßen Verfahren soll im Gleichgewichtszustand, also unter konstanten
Temperatur-, Druck- und Konzentrationsbedingungen, einschließlich konstanter Boraktivität
bzw. konstantem Borpartialdruck in der Glühatmosphäre geglüht werden. Fig. 1 macht
die Abhängigkeit des Borgehalts von der Boraktivität deutlich. Danach steigt der Borgehalt
mit temperaturabhängigem Gradienten mit zunehmender Boraktivität und beträgt im Gamma-Eisen
bei 1000
oC bei einer Boraktivität a
B = 10⁻³ etwa 70 ppm B, entsprechend einem Molenbruch des Bors von X
B = 3,5 . 10⁻⁴. Im Bereich löslicher Borgehalte im Eisen, d.h. bis etwa 200 ppm B,
liegt die Boraktivität nach Fig. 1 also im Bereich von 10⁻³ bis 10⁻⁴, während sie
beim Borieren wie vorerwähnt wesentlich größer ist. Das erfindungsgemäße Verfahren
zielt also auf das schichtfreie Einstellen eines Gehaltes an gelöstem Bor in der Matrix
ab, ohne daß eine dabei entstandene harte Borierschicht entfernt werden muß.
[0008] Wie sich bei Versuchen herausgestellt hat, kommt man mit einem Einsatz vom 100 g
B₂O₃ pro m³ Glühraum als Borquelle für die einige Stunden in Anspruch nehmende Glühung
unter Gleichgewichtsbedingungen aus. Man stellt dabei die Glühbedingungen (Druck,
Temperatur, Zusammensetzung des Glühgasgemischs) ein und glüht dann im Gleichgewichtszustand,
so daß reproduzierbare Verhältnisse herrschen.
[0009] Wenn die Glühgasatmosphäre hauptsächlich aus Wasserstoff besteht, kann in Gegenwart
von B₂O₃ das Borpotential stark verringert werden, weil allenfalls noch Spuren von
Sauerstoff in der Glühgasatmosphäre enthalten sind.
[0010] Außerdem schützt die neutrale Atmosphäre den Stahl vor einer Verzunderung und Borverarmung.
In bevorzugter Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird dabei empfohlen,
den Wasserdampfpartialdruck in der H₂-Glühgasatmosphäre auf die gewünschte Boraktivität
einzustellen, sorgfältig zu messen und beim Auftreten von Anderungen des Wasserdampfpartialdrucks
diesen auf den Sollwert im Bereich von 10⁻³ bis 10⁻⁵ einzuregulieren. Über die von
der Bildungsgleichung von Boroxid abgeleitete Partialdruckbeziehung

ist die Boraktivität a
B in einer reinen Wasserstoffatmosphäre nämlich nur noch vom Wasserdampfpartialdruck
P
H₂O abhängig(K = Konstante).
[0011] Damit ergibt sich die Möglichkeit, die Boraktivität in der Glühgasatmosphäre über
eine Änderung des Wasserdampfpartialdrucks zu beeinflussen.
[0012] Bevorzugt erfolgt das Glühen in der borhaltigen Gasatmosphäre im Kasten ohne Umwälzen
der Gasatmosphäre, denn dann kann ein Verarmen der Glühatmosphäre an Bor durch Auskondensieren
des Boroxids verhindert werden. Stattdessen kann das Borpotential auch über Stunden
in der Glühgasatmosphäre erhalten bleiben.
[0013] Entgegen herrschender Meinung (Nicholson a.a.O. und Grabke/Paju in: Steel Research
8/88 S. 336) gelingt es mit dem erfindungsgemäßen Verfahren borhaltige Erzeugnisse
auch einsatzzuhärten und sogar Erzeugnisse aus einem Stahl, der kein Bor enthält,
einsatzzuhärten und gleichzeitig mit löslichem Bor in einer Menge bis etwa 200 ppm
B zu legieren.
[0014] Nicholson war es nur dann gelungen, Eisen aus einer Eisenboridüberzugsschicht mit
Bor aufzulegieren, wenn die Probe beim Glühen in einer Wasserstoffatmosphäre vollständig
mit Borpulver umgeben war. In Vakuum oder unter Helium als Schutzgas gelang das Eindiffundieren
von Bor in eine Eisenprobe dagegen nicht. Grabke/Paju (a.a.O.) hielten erst kürzlich
das gleichzeitige Aufkohlen von Stahl und Auflegieren mit Bor nicht für möglich.
[0015] Die aus preiswertem pulverförmigen Boroxid bestehende Borquelle kann beim Glühen
mit gleichzeitigem Aufkohlen mit dem Einsatzhärtemittel vermischt werden.
1. Borlegierte Stähle, dadurch gekennzeichnet, daß sie im geglühten Zustand einen
definierten (gelösten) Borgehalt im Bereich bis 200 ppm besitzen.
2. Verfahren zum Glühen von Erzeugnissen aus Stählen mit Gehalten bis 200 ppm Bor
im Temperaturbereich von 850 bis 1.050 oC, dadurch gekennzeichnet, daß die Erzeugnisse in einer nichtoxidierenden Gasatmosphäre
mit einem durch eine Quelle aus pulverförmigem Boroxid (B₂O₃) gelieferten Borpotential
einer solchen Größe im Gleichgewichtszustand geglüht werden, daß die Erzeugnisse ihren
gelösten Borgehalt beibehalten oder aufnehmen.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß 100 g B₂O₃ pro m³ Glühraum
eingesetzt wird.
4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß in einer hauptsächlich
aus Wasserstoff bestehenden Glühgas- atmosphäre bei Atmosphärendruck der Wasserdampfpartialdruck
in Gegenwart von B₂O₃ auf die gewünschte Boraktivität innerhalb des Bereichs von 10⁻³
bis 10⁻⁵ eingestellt wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 2, 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß die
Erzeugnisse während des Glühens einsatzgehärtet werden.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß das Einsatzhärtemittel,
mit pulverförmigem Boroxid vermischt, verwendet wird.