[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Entkohlen von chromhaltigen Stahlschmelzen
mit über 10% Cr-Gehalt im bodenblasenden Konverter nach dem Oberbegriff des Anspruches
1.
[0002] Die Sekundärstahlraffination derartiger Stahlschmelzen erfolgt mit Sauerstoff als
Prozeßgas und mindestens einem der Inertgase Argon oder Stickstoff als Behandlungsgas.
Bekannt sind diese Raffinationsverfahren unter den Kurzbezeichnungen MRP (Metall Raffinations
Prozess), AOD (Argon Oxygen Decarburization) , ASM (Argon Sekundär Metallurgie) und
UBD (Under Bottom Blowing Decarburization) . Aus der DE-PS 24 30 975 ist es bekannt,
hierbei Stickstoff und Argon durch Mischen mit CO₂ teilweise zu ersetzen.
[0003] Die Aufgabe der Inertgase Argon und Stickstoff ist die Absenkung des CO-Partialdruckes
in der Schmelze und in der Atmosphäre des Behandlungsgefäßes auf die gewünschten
Arbeitsbedingungen. Dabei sind die Reaktionen (1) bis (3) von Bedeutung:
2 C + O₂ = 2 CO (1)
3 O₂ + 4 Cr = 2 Cr₂O₃ (2)
2 Cr + 3 CO = 3 C + Cr₂O₃ (3)
[0004] Durch die Verdünnung des Sauerstoffes mit Inertgasen, entsprechend dem Kohlenstoff-Sauerstoff-Chrom-Gleichgewicht,
wird eine Entkohlung einer hochchromhaltigen Schmelze bei geringem Cr-Abbrand ermöglicht.
[0005] Zum Beispiel: Bei einer Temperatur von 1.700 °C, einem Chromgehalt der Schmelze von
18% Cr, beginnt die Chromverschlackung bei einem CO-Partialdruck von:
P
CO = 1 bar unterhalb von 0,22 % C
P
CO = 0,5 bar unterhalb von 0,13 % C
P
CO = 0,1 bar unterhalb von 0,02 % C
[0006] Deshalb wird die Entkohlung einer hochchromhaltigen Schmelze im bodenblasenden Konverter
in mehreren Entkohlungsphasen, entsprechend den unterschiedlichen Gleichgewichtsbedingen,
durchgeführt. So nutzt z.B. das AOD-Verfahren drei Entkohlungsphasen:
[0007] In der ersten Phase wird die Schmelze mit einem überwiegend aus Sauerstoff bestehenden
Gasgemisch auf die gewünschte Arbeitstemperatur von über 1.700 °C aufgeheizt.
[0008] In der zweiten Phase wird das Verhältnis von Inertgas zu Sauerstoff im Gasgemisch
erhöht, um die Chromverschlackung zu verhindern, d.h. es wird das Gleichgewicht von
Cr-C-p
CO-Temperatur eingehalten.
[0009] In der dritten Phase wird das geringere "Ausbringen" des Sauerstoffes von bis unter
10% durch eine gezielte Chromverschlackung in Kauf genommen, um damit die Schmelze
in mehreren Schritten bis auf 0,01 % C zu entkohlen.
[0010] Die notwendigen Inertgasmengen sind sehr hoch. Die Reaktion
O₂ + Ar/N₂ + 2 C = 2 CO + Ar/N₂ (4)
zeigt, daß für die Absenkung des CO-Partialdruckes auf p
CO ≦ 0,5 bar die eingeblasene Inertgasmenge (Ar/N₂) zweimal größer als die Sauerstoffmenge
sein muß. Die niedrigsten CO-Partialdrücke von 0,1 bar könnten demnach theoretisch
erst mit den Gasmischungen von Sauerstoff: Inertgas von 1 : 20 erreicht werden. Während
der Entkohlung mit dem Sauerstoff-Inertgas-Gemisch liegt der CO-Partialdruck höher
als der für das Reaktionsgleichgewicht notwendige CO-Partialdruck. Dies führt zu
einer Chromverschlackung gemäß Gleichung (2) . Durch diese Reaktion wird aber kein
CO gebildet. Da die Inertgasmenge konstant gehalten wird, findet eine Absenkung des
CO-Partialdruckes im System statt. Damit ist die Oxidation des Kohlenstoffes nach
Gleichung (1) wieder vorrangig.
[0011] Die Tabelle 1 stellt das durch das "Sauerstoff-Ausbringen" bedingte Zusammenspiel
zwischen dem Sauerstoff/Inertgas-Verhältnis und CO-Partialdruck dar. Zum Beispiel:
Ein p
CO = 0,1 bar wird schon beim Verhältnis Sauerstoff: Inertgas von 1 : 2 und "Ausbringen"
von 10 % erreicht. Bekanntlich schwanken die Werte des "Sauerstoffausbringens" beim
AOD-Prozeß zwischen 75 % und weniger als 10 %.
Tabelle 1
Verhältnis Sauerstoff/Inertgas |
CO-Partialdruck in Abgasen bei einem O₂-Ausbringen von |
|
100 % |
50 % |
30 % |
10 % |
|
(in mbar) |
5 : 1 |
909 |
833 |
750 |
500 |
3 : 1 |
860 |
750 |
667 |
375 |
2 : 1 |
800 |
667 |
545 |
286 |
1 : 1 |
667 |
500 |
375 |
167 |
1 : 2 |
500 |
333 |
230 |
91 |
1 : 3 |
400 |
250 |
167 |
63 |
1 : 4 |
333 |
200 |
130 |
48 |
1 : 5 |
286 |
167 |
107 |
38 |
1 : 6 |
250 |
143 |
91 |
32 |
1 : 7 |
222 |
125 |
79 |
28 |
0 : 1 |
0 |
0 |
0 |
0 |
Entkohlung von hochchromhaltigen Stahlmarken durch Gasgemische beim AOD-, MRP-, UBD-,
ASM-Prozeß, etc. |
|
[0012] Im Gegensatz zum AOD-Prozeß wird beim MRP-Prozeß die Entkohlung in nur zwei Phasen
durchgeführt. In Fig.1 ist dieser Verfahrensablauf schematisch dargestellt. Die Entkohlungsphasen
sind durch die Bereiche A und B angegeben. C gibt die Reduktion bis zum Pfannenabstich
an. Unter dem Verlauf der Temperatur und der Kohlenstoffkonzentration ist der zeitliche
und mengenmäßige Einsatz des Prozeßgases Sauerstoff und der Behandlungsgase Argon
und Stickstoff angegeben.
[0013] In der ersten Entkohlungsphase A wird die Chromverschlackung nur durch die Anhebung
der Temperatur bis 1.780 °C verhindert. In der zweiten Entkohlungsphase B wird ein
pulsierendes Blasen angewandt. Beim pulsierenden Blasen wird nach jeder Blasminute
mit Sauerstoff etwa die gleiche Zeit lang reines Inertgas geblasen und dadurch der
CO-Partialdruck p
CO in der Schmelze abgesenkt. Die Absenkung des Partialdruckes bewirkt eine spontane
Reaktion zwischen dem in der Schmelze gelösten Sauerstoff und Kohlenstoff. Die Entkohlung
läuft dadurch selbständig ohne Sauerstoffzufuhr weiter, denn durch eine hohe Inertgasblasrate
wird eine ausreichende Mischungsenergie in die Schmelze eingebracht, was die Reaktionen
bis zum Gleichgewicht ablaufen läßt.
[0014] Die modernen Entkohlungsprozesse benutzen in der ersten Phase zusätzlich zu Unterbodendüsen
auch eine Toplanze, um reinen Sauerstoff, wie z.B. beim AOD-L-, MRP-L-Verfahren oder
ein Gasgemisch von Sauerstoff und Inertgas aufzublasen, wie z.B. beim KCBS-Verfahren
usw. Fig.2 zeigt als Beispiel das AOD-L-Verfahren in einer der Fig.1 entsprechenden
Darstellung. Mit D, E und F sind die drei Entkohlungsphasen angegeben, G gibt den
Einsatz der Toplanzen und H den Einsatz der Bodendüsen an. Ferner ist das Verhältnis
von O₂ zu Inertgas während der einzelnen Phasen angegeben.
[0015] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die spezifischen Gasekosten bei diesen
Verfahren zu senken.
[0016] Ausgehend von dem im Oberbegriff des Ansprüches 1 berücksichtigten Stand der Technkik
ist diese Aufgabe erfindungsgemäß gelöst mit den im kennzeichnenden Teil des Ansprüches
1 angegebenen Merkmalen.
[0017] Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.
[0018] Das erfindungsgemäße Verfahren geht von der überraschenden Beobachtung aus, daß
die Inertgase N₂ und Ar nicht nur teilweise, sondern völlig durch CO₂ während der
Entkohlung bis zu Kohlenstoffgehalten von ca. 0,06 % substituiert werden können. Hierdurch
werden die spezifischen Gasekosten erheblich reduziert. Die erforderliche CO₂-Menge
bezogen auf das Gewicht der Schmelze beträgt 0,2 bis 1,5 m³/t · min und ist vorzugsweise
so groß, daß die in der Schmelze entstehende Mischungsenergie ausreicht, um die Entkohlungsreaktionen
unter Gleichgewichtsbedingungen ablaufen zu lassen. Für das Verfahren genügt technisch
reines CO₂ mit etwa maximal 1 Vol. % N₂. Das CO₂ kann somit direkt durch Verdampfen
der Flüssigphase aus einem CO₂-Tank gewonnen werden.
[0019] Zum Eintragen des CO₂ können die üblichen Einrichtungen, z.B. Ringspaltdüsen und
ggf. zusätzlich Toplanze verwendet werden.
[0020] Die wesentliche Wirkung von CO₂ als Behandlungsgas besteht darin, daß es eine Absenkung
des CO-Partialdruckes in der Schmelze und in der Atmosphäre des Konverters verursacht.
Außerdem wird eine Absenkung des N₂ - und H₂-Partialdruckes erreicht, was zur Entgasung
der Schmelze führt. Gleichzeitig wird eine Aufladung der Schmelze mit N₂ und H₂ verhindert,
was zu weitgehend stickstoff- und wasserstoffarmen Stählen führt.
[0021] Durch Aufblasen von CO₂ auf die Schmelze durch eine Toplanze wird der CO-Partialdruck
in der Atmosphäre entsprechend der CO₂-Menge verdünnt. Bei Gleichgewichtsbedingungen
zwischen Schmelze und Konverteratmosphäre führt dies zu einer Absenkung des CO-Partialdruckes
in der Schmelze und damit werden die Gleichgewichtsbedingungen für die Cr-Oxidation
(Gleichung 2) zu niedrigen C-Gehalten in der Schmelze verschoben.
[0022] Die Berechnung des dabei entstandenen CO-Partialdruckes ist in Tabelle 2 angegeben.
Die Werte des CO-Partialdruckes entsprechen den p
CO-Werten, wenn anstelle CO₂ die Inertgase Stickstoff und/oder Argon verwendet würden.
Tabelle 2
Verhältnis |
CO-Partialdruck bei Sauerstoffausbringen von |
O₂ CO₂ |
100 % |
50 % |
30 % |
10 % |
|
in mbar |
2 : 1 |
800 |
667 |
545 |
285 |
1 : 1 |
667 |
500 |
375 |
167 |
1 : 2 |
500 |
333 |
230 |
91 |
Veränderung des CO-Partialdruckes durch Aufblasen von CO₂ durch eine Toplanze |
|
[0023] CO₂-Gas verhält sich in der Gasatmosphäre des Konverters nahezu inert, da die mögliche
thermische Dissoziation
CO₂ ---→ CO + ½ O₂ (5) vernachlässigt werden kann. So entsteht z.B. aus CO₂ bei
1.700 °C ein Gasgemisch von 98,08 % CO₂, 1,28 % CO und 0,64 % O₂.
[0024] Fig.3 zeigt, wie Fig.2, den Verfahrensablauf einer Schmelze im AOD-L-Konverter, bei
dem gemäß der Erfindung CO₂ anstelle der Inertgase Ar und N₂ verwendet wurde. Es
wird hierbei das gleiche Entkohlungsergebnis erzielt. Der Einsatz von Argon wird erst
unterhalb 0,06 % Kohlenstoff erforderlich.
[0025] Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse der Entkohlung beim Einblasen von CO₂ anstelle von
Ar und N₂ durch Bodendüsen gemäß der Erfindung. Der dazu gehörende Verfahrensablauf,
ein MRP-Prozeß, ist in Fig.4 dargestellt und entspricht dem Verfahren gemäß Fig.1.
Tabelle 3
Schmelze |
Entkohlung |
N₂-Gehalt |
stöchiometr. |
Entkohlungsmedium |
|
von |
bis |
von |
bis |
Sauerstoffmenge |
O₂* |
O₂ ges. |
|
% |
% |
ppm |
ppm |
m³ |
m³ |
m³ |
48275 |
1,10 |
0,16 |
550 |
462 |
44 |
17 |
112 |
48275 |
0,16 |
0,06 |
462 |
411 |
5 |
4 |
25 |
45244 |
0,89 |
0,06 |
389 |
148 |
63 |
25 |
125 |
48286 |
0,85 |
0,05 |
225 |
115 |
60 |
19 |
104 |
48289 |
0,14 |
0,05 |
129 |
113 |
5 |
5 |
15 |
Entkohlen einer hochchromhaltigen Schmelze durch Einblasen von CO₂ im MRP-Konverter. |
|
O₂* ist die äquivalente Sauerstoffmenge, die durch die Boudouard-Reaktion (Gleichung
6) mit CO₂ entsteht. |
[0026] In Tabelle 3 ist zu erkennen, daß ein Teil des durch Bodendüsen in die Schmelze eingeblasenen
CO₂ mit dem Kohlenstoff nach der Boudouard-Reaktion
CO₂ + C ---→ 2 CO (6)
reagiert. O₂* ist dabei die äquivalente Sauerstoffmenge, die aus dieser Reaktion zur
Entkohlung der Stahlschmelze zur Verfügung steht. In dem zugehörigen Verfahrensablauf
(Fig.4) ist zu erkennen, daß der CO₂-Einsatz von dem Kohlenstoffgehalt der Schmelze
begrenzt wird. Unterhalb von ca. 0,06 % C zeigt sich, daß CO₂ gemäß Gleichung
3 CO₂ + 4 Cr ---→ 2 Cr₂ O₃ + 3 C (7)
durch Chrom in der Schmelze reduziert wird. Dies verhindert die weitere Entkohlung
der Schmelze bei gleichzeitiger Chromoxidation.
[0027] Fig.5 zeigt das Cr-C-p
CO-Gleichgewichtsdiagramm mit den Massenanteilen von C und Cr in Prozent. In Anlehnung
an Fig.4 bezeichnet A die Entkohlung mit CO₂ gemäß der Erfindung bis 0,06 % C, B
die pulsierende Entkohlung und C die Reduktion, welche durch Zugabe von Al und Si
bewirkt wird.
[0028] Die erreichten Chrom- und Kohlenstoffanalysenwerte zeigen, daß die Absenkung des
CO-Partialdruckes stattgefunden hat. Die Gleichgewichtswerte für erreichte Analysen
von 0,06 % C liegen bei 1.760 °C im Bereich von 300 mbar p
CO.
[0029] Durch die Reduktion der Schlacke mit Silizium und/oder Aluminium werden die durch
Oxidation verlorenen Metalle, vor allem Chrom, zurückgewonnen. Deshalb muß nach der
abgeschlossenen Entkohlung eine Schlackenreduktion vorgenommen werden.
[0030] Für die notwendige Mischungsenergie wird vorwiegend Argon als Inertgas benutzt. Eine
Substitution durch CO₂ würde eine Aufkohlung der Schmelze durch die Reduktion des
CO₂ durch Al und/oder Si gemäß Gleichung (8) und (9) zur Folge haben. Deshalb darf
und kann in dieser Phase CO₂ nicht verwendet werden.
4 Al + 3 CO₂ ---→ 2 Al₂O₃ + 3C (8)
Si + CO₂ ---→ SiO₂ + C (9)
1. Verfahren zum Entkohlen von chromhaltigen Stahlschmelzen mit über 10 % Cr-Gehalt
im unterbadblasenden Konverter durch Einblasen von Sauerstoff als Prozeßgas und einem
Behandlungsgas,
dadurch gekennzeichnet,
daß bis zur Entkohlung auf 0,06% C als Behandlungsgas ausschließlich CO₂ dient.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß CO₂ zusätzlich durch eine Toplanze in die Schmelze eingebracht wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß die CO₂-Menge bezogen auf das Gewicht der Schmelze 0,2 bis 1,5m³/t · min beträgt.
4. Verfahren nach Anspruch 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß die durch die eingebrachte CO₂-Menge in der Schmelze entstehende Mischungsenergie
ausreicht, um die Entkohlungsreaktionen unter Gleichgewichtsbedingungen ablaufen
zu lassen.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß das CO₂ durch Verdampfen aus der flüssigen Phase gewonnen wird und maximal 1 Vol.
% Stickstoff enthält.