(19)
(11) EP 0 401 530 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
12.12.1990  Patentblatt  1990/50

(21) Anmeldenummer: 90108699.1

(22) Anmeldetag:  09.05.1990
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C21C 7/068
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE DE ES FR GB IT NL

(30) Priorität: 03.06.1989 DE 3918155

(71) Anmelder: MESSER GRIESHEIM GMBH
D-60270 Frankfurt (DE)

(72) Erfinder:
  • Gross, Gerhard, Dr.
    D-4156 Willich 4 (DE)
  • Velikonja, Marian
    D-5276 Wiehl (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zum Entkohlen von chromhaltigen Stahlschmelzen mit über 10% Cr-Gehalt


    (57) Die Entkohlung chromhaltiger Stahlschmelzen mit über 10 % Cr-Gehalt erfolgt im unterbadblasenden Konverter durch Einblasen von Sauerstoff als Prozeßgas sowie Stickstoff und Argon als Behandlungsgas. Es wird ein Verfahren angegeben, bei dem Stickstoff und Argon bis zu Kohlenstoffgehalten von ca. 0,06 % durch CO₂ substituiert werden.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Entkohlen von chromhaltigen Stahlschmelzen mit über 10% Cr-Gehalt im bodenblasenden Konverter nach dem Oberbegriff des An­spruches 1.

    [0002] Die Sekundärstahlraffination derartiger Stahlschmelzen erfolgt mit Sauerstoff als Prozeßgas und mindestens einem der Inertgase Argon oder Stickstoff als Behand­lungsgas. Bekannt sind diese Raffinationsverfahren unter den Kurzbezeichnungen MRP (Metall Raffinations Prozess), AOD (Argon Oxygen Decarburization) , ASM (Argon Sekundär Metallurgie) und UBD (Under Bottom Blowing Decarburization) . Aus der DE-PS 24 30 975 ist es bekannt, hierbei Stickstoff und Argon durch Mischen mit CO₂ teilweise zu ersetzen.

    [0003] Die Aufgabe der Inertgase Argon und Stickstoff ist die Absenkung des CO-Partialdruckes in der Schmelze und in der Atmosphäre des Behandlungsgefäßes auf die gewünsch­ten Arbeitsbedingungen. Dabei sind die Reaktionen (1) bis (3) von Bedeutung:
    2 C + O₂ = 2 CO      (1)
    3 O₂ + 4 Cr = 2 Cr₂O₃      (2)
    2 Cr + 3 CO = 3 C + Cr₂O₃      (3)

    [0004] Durch die Verdünnung des Sauerstoffes mit Inertgasen, entsprechend dem Kohlenstoff-Sauerstoff-Chrom-Gleichge­wicht, wird eine Entkohlung einer hochchromhaltigen Schmelze bei geringem Cr-Abbrand ermöglicht.

    [0005] Zum Beispiel: Bei einer Temperatur von 1.700 °C, einem Chromgehalt der Schmelze von 18% Cr, beginnt die Chrom­verschlackung bei einem CO-Partialdruck von:
    PCO = 1 bar unterhalb von 0,22 % C
    PCO = 0,5 bar unterhalb von 0,13 % C
    PCO = 0,1 bar unterhalb von 0,02 % C

    [0006] Deshalb wird die Entkohlung einer hochchromhaltigen Schmelze im bodenblasenden Konverter in mehreren Ent­kohlungsphasen, entsprechend den unterschiedlichen Gleichgewichtsbedingen, durchgeführt. So nutzt z.B. das AOD-Verfahren drei Entkohlungsphasen:

    [0007] In der ersten Phase wird die Schmelze mit einem überwie­gend aus Sauerstoff bestehenden Gasgemisch auf die ge­wünschte Arbeitstemperatur von über 1.700 °C aufgeheizt.

    [0008] In der zweiten Phase wird das Verhältnis von Inertgas zu Sauerstoff im Gasgemisch erhöht, um die Chromverschlackung zu verhindern, d.h. es wird das Gleichgewicht von Cr-C-pCO-Temperatur eingehalten.

    [0009] In der dritten Phase wird das geringere "Ausbringen" des Sauerstoffes von bis unter 10% durch eine gezielte Chromverschlackung in Kauf genommen, um damit die Schmelze in mehreren Schritten bis auf 0,01 % C zu ent­kohlen.

    [0010] Die notwendigen Inertgasmengen sind sehr hoch. Die Reaktion
    O₂ + Ar/N₂ + 2 C = 2 CO + Ar/N₂      (4)
    zeigt, daß für die Absenkung des CO-Partialdruckes auf pCO ≦ 0,5 bar die eingeblasene Inertgasmenge (Ar/N₂) zweimal größer als die Sauerstoffmenge sein muß. Die niedrigsten CO-Partialdrücke von 0,1 bar könnten dem­nach theoretisch erst mit den Gasmischungen von Sauer­stoff: Inertgas von 1 : 20 erreicht werden. Während der Entkohlung mit dem Sauerstoff-Inertgas-Gemisch liegt der CO-Partialdruck höher als der für das Reaktions­gleichgewicht notwendige CO-Partialdruck. Dies führt zu einer Chromverschlackung gemäß Gleichung (2) . Durch diese Reaktion wird aber kein CO gebildet. Da die Inert­gasmenge konstant gehalten wird, findet eine Absenkung des CO-Partialdruckes im System statt. Damit ist die Oxidation des Kohlenstoffes nach Gleichung (1) wieder vorrangig.

    [0011] Die Tabelle 1 stellt das durch das "Sauerstoff-Aus­bringen" bedingte Zusammenspiel zwischen dem Sauer­stoff/Inertgas-Verhältnis und CO-Partialdruck dar. Zum Beispiel: Ein pCO = 0,1 bar wird schon beim Ver­hältnis Sauerstoff: Inertgas von 1 : 2 und "Ausbringen" von 10 % erreicht. Bekanntlich schwanken die Werte des "Sauerstoffausbringens" beim AOD-Prozeß zwischen 75 % und weniger als 10 %.
    Tabelle 1
    Verhältnis Sauerstoff/Inertgas CO-Partialdruck in Abgasen bei einem O₂-Ausbringen von
      100 % 50 % 30 % 10 %
      (in mbar)
    5 : 1 909 833 750 500
    3 : 1 860 750 667 375
    2 : 1 800 667 545 286
    1 : 1 667 500 375 167
    1 : 2 500 333 230 91
    1 : 3 400 250 167 63
    1 : 4 333 200 130 48
    1 : 5 286 167 107 38
    1 : 6 250 143 91 32
    1 : 7 222 125 79 28
    0 : 1 0 0 0 0
    Entkohlung von hochchromhaltigen Stahlmarken durch Gasgemische beim AOD-, MRP-, UBD-, ASM-Prozeß, etc.
     


    [0012] Im Gegensatz zum AOD-Prozeß wird beim MRP-Prozeß die Entkohlung in nur zwei Phasen durchgeführt. In Fig.1 ist dieser Verfahrensablauf schematisch dargestellt. Die Entkohlungsphasen sind durch die Bereiche A und B angegeben. C gibt die Reduktion bis zum Pfannenabstich an. Unter dem Verlauf der Temperatur und der Kohlen­stoffkonzentration ist der zeitliche und mengenmäßige Einsatz des Prozeßgases Sauerstoff und der Behandlungs­gase Argon und Stickstoff angegeben.

    [0013] In der ersten Entkohlungsphase A wird die Chromver­schlackung nur durch die Anhebung der Temperatur bis 1.780 °C verhindert. In der zweiten Entkohlungsphase B wird ein pulsierendes Blasen angewandt. Beim pulsieren­den Blasen wird nach jeder Blasminute mit Sauerstoff etwa die gleiche Zeit lang reines Inertgas geblasen und dadurch der CO-Partialdruck pCO in der Schmelze abge­senkt. Die Absenkung des Partialdruckes bewirkt eine spontane Reaktion zwischen dem in der Schmelze gelösten Sauerstoff und Kohlenstoff. Die Entkohlung läuft da­durch selbständig ohne Sauerstoffzufuhr weiter, denn durch eine hohe Inertgasblasrate wird eine ausreichende Mischungsenergie in die Schmelze eingebracht, was die Reaktionen bis zum Gleichgewicht ablaufen läßt.

    [0014] Die modernen Entkohlungsprozesse benutzen in der ersten Phase zusätzlich zu Unterbodendüsen auch eine Toplanze, um reinen Sauerstoff, wie z.B. beim AOD-L-, MRP-L-Ver­fahren oder ein Gasgemisch von Sauerstoff und Inertgas aufzublasen, wie z.B. beim KCBS-Verfahren usw. Fig.2 zeigt als Beispiel das AOD-L-Verfahren in einer der Fig.1 entsprechenden Darstellung. Mit D, E und F sind die drei Entkohlungsphasen angegeben, G gibt den Ein­satz der Toplanzen und H den Einsatz der Bodendüsen an. Ferner ist das Verhältnis von O₂ zu Inertgas während der einzelnen Phasen angegeben.

    [0015] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die spezi­fischen Gasekosten bei diesen Verfahren zu senken.

    [0016] Ausgehend von dem im Oberbegriff des Ansprüches 1 be­rücksichtigten Stand der Technkik ist diese Aufgabe erfindungsgemäß gelöst mit den im kennzeichnenden Teil des Ansprüches 1 angegebenen Merkmalen.

    [0017] Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.

    [0018] Das erfindungsgemäße Verfahren geht von der überraschen­den Beobachtung aus, daß die Inertgase N₂ und Ar nicht nur teilweise, sondern völlig durch CO₂ während der Entkohlung bis zu Kohlenstoffgehalten von ca. 0,06 % substituiert werden können. Hierdurch werden die spezi­fischen Gasekosten erheblich reduziert. Die erforder­liche CO₂-Menge bezogen auf das Gewicht der Schmelze beträgt 0,2 bis 1,5 m³/t · min und ist vorzugsweise so groß, daß die in der Schmelze entstehende Mischungs­energie ausreicht, um die Entkohlungsreaktionen unter Gleichgewichtsbedingungen ablaufen zu lassen. Für das Verfahren genügt technisch reines CO₂ mit etwa maximal 1 Vol. % N₂. Das CO₂ kann somit direkt durch Verdampfen der Flüssigphase aus einem CO₂-Tank gewonnen werden.

    [0019] Zum Eintragen des CO₂ können die üblichen Einrichtungen, z.B. Ringspaltdüsen und ggf. zusätzlich Toplanze ver­wendet werden.

    [0020] Die wesentliche Wirkung von CO₂ als Behandlungsgas be­steht darin, daß es eine Absenkung des CO-Partialdruckes in der Schmelze und in der Atmosphäre des Konverters verursacht. Außerdem wird eine Absenkung des N₂ - und H₂-Partialdruckes erreicht, was zur Entgasung der Schmelze führt. Gleichzeitig wird eine Aufladung der Schmelze mit N₂ und H₂ verhindert, was zu weitgehend stickstoff- und wasserstoffarmen Stählen führt.

    [0021] Durch Aufblasen von CO₂ auf die Schmelze durch eine Toplanze wird der CO-Partialdruck in der Atmosphäre entsprechend der CO₂-Menge verdünnt. Bei Gleichgewichts­bedingungen zwischen Schmelze und Konverteratmosphäre führt dies zu einer Absenkung des CO-Partialdruckes in der Schmelze und damit werden die Gleichgewichtsbe­dingungen für die Cr-Oxidation (Gleichung 2) zu niedri­gen C-Gehalten in der Schmelze verschoben.

    [0022] Die Berechnung des dabei entstandenen CO-Partialdruckes ist in Tabelle 2 angegeben. Die Werte des CO-Partial­druckes entsprechen den pCO-Werten, wenn anstelle CO₂ die Inertgase Stickstoff und/oder Argon verwendet wür­den.
    Tabelle 2
    Verhältnis CO-Partialdruck bei Sauerstoffausbringen von
    O₂ CO₂ 100 % 50 % 30 % 10 %
      in mbar
    2 : 1 800 667 545 285
    1 : 1 667 500 375 167
    1 : 2 500 333 230 91
    Veränderung des CO-Partialdruckes durch Aufblasen von CO₂ durch eine Toplanze
     


    [0023] CO₂-Gas verhält sich in der Gasatmosphäre des Konverters nahezu inert, da die mögliche thermische Dissoziation
    CO₂ ---→ CO + ½ O₂      (5) vernachlässigt werden kann. So entsteht z.B. aus CO₂ bei 1.700 °C ein Gasgemisch von 98,08 % CO₂, 1,28 % CO und 0,64 % O₂.

    [0024] Fig.3 zeigt, wie Fig.2, den Verfahrensablauf einer Schmelze im AOD-L-Konverter, bei dem gemäß der Erfin­dung CO₂ anstelle der Inertgase Ar und N₂ verwendet wurde. Es wird hierbei das gleiche Entkohlungsergebnis erzielt. Der Einsatz von Argon wird erst unterhalb 0,06 % Kohlenstoff erforderlich.

    [0025] Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse der Entkohlung beim Ein­blasen von CO₂ anstelle von Ar und N₂ durch Bodendüsen gemäß der Erfindung. Der dazu gehörende Verfahrensab­lauf, ein MRP-Prozeß, ist in Fig.4 dargestellt und ent­spricht dem Verfahren gemäß Fig.1.
    Tabelle 3
    Schmelze Entkohlung N₂-Gehalt stöchiometr. Entkohlungsmedium
      von bis von bis Sauerstoffmenge O₂* O₂ ges.
      % % ppm ppm
    48275 1,10 0,16 550 462 44 17 112
    48275 0,16 0,06 462 411 5 4 25
    45244 0,89 0,06 389 148 63 25 125
    48286 0,85 0,05 225 115 60 19 104
    48289 0,14 0,05 129 113 5 5 15
    Entkohlen einer hochchromhaltigen Schmelze durch Einblasen von CO₂ im MRP-Konverter.
     
    O₂* ist die äquivalente Sauerstoffmenge, die durch die Boudouard-Reaktion (Gleichung 6) mit CO₂ entsteht.


    [0026] In Tabelle 3 ist zu erkennen, daß ein Teil des durch Bodendüsen in die Schmelze eingeblasenen CO₂ mit dem Kohlenstoff nach der Boudouard-Reaktion
    CO₂ + C ---→ 2 CO      (6)
    reagiert. O₂* ist dabei die äquivalente Sauerstoffmenge, die aus dieser Reaktion zur Entkohlung der Stahlschmel­ze zur Verfügung steht. In dem zugehörigen Verfahrens­ablauf (Fig.4) ist zu erkennen, daß der CO₂-Einsatz von dem Kohlenstoffgehalt der Schmelze begrenzt wird. Unterhalb von ca. 0,06 % C zeigt sich, daß CO₂ gemäß Gleichung
    3 CO₂ + 4 Cr ---→ 2 Cr₂ O₃ + 3 C      (7)
    durch Chrom in der Schmelze reduziert wird. Dies ver­hindert die weitere Entkohlung der Schmelze bei gleich­zeitiger Chromoxidation.

    [0027] Fig.5 zeigt das Cr-C-pCO-Gleichgewichtsdiagramm mit den Massenanteilen von C und Cr in Prozent. In Anlehnung an Fig.4 bezeichnet A die Entkohlung mit CO₂ gemäß der Er­findung bis 0,06 % C, B die pulsierende Entkohlung und C die Reduktion, welche durch Zugabe von Al und Si be­wirkt wird.

    [0028] Die erreichten Chrom- und Kohlenstoffanalysenwerte zeigen, daß die Absenkung des CO-Partialdruckes statt­gefunden hat. Die Gleichgewichtswerte für erreichte Analysen von 0,06 % C liegen bei 1.760 °C im Bereich von 300 mbar pCO.

    [0029] Durch die Reduktion der Schlacke mit Silizium und/oder Aluminium werden die durch Oxidation verlorenen Metalle, vor allem Chrom, zurückgewonnen. Deshalb muß nach der abgeschlossenen Entkohlung eine Schlackenreduktion vor­genommen werden.

    [0030] Für die notwendige Mischungsenergie wird vorwiegend Argon als Inertgas benutzt. Eine Substitution durch CO₂ würde eine Aufkohlung der Schmelze durch die Reduktion des CO₂ durch Al und/oder Si gemäß Gleichung (8) und (9) zur Folge haben. Deshalb darf und kann in dieser Phase CO₂ nicht verwendet werden.
    4 Al + 3 CO₂ ---→ 2 Al₂O₃ + 3C      (8)
    Si + CO₂ ---→ SiO₂ + C      (9)


    Ansprüche

    1. Verfahren zum Entkohlen von chromhaltigen Stahl­schmelzen mit über 10 % Cr-Gehalt im unterbadblasen­den Konverter durch Einblasen von Sauerstoff als Prozeßgas und einem Behandlungsgas,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß bis zur Entkohlung auf 0,06% C als Behandlungsgas ausschließlich CO₂ dient.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß CO₂ zusätzlich durch eine Toplanze in die Schmelze eingebracht wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die CO₂-Menge bezogen auf das Gewicht der Schmelze 0,2 bis 1,5m³/t · min beträgt.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 3,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die durch die eingebrachte CO₂-Menge in der Schmelze entstehende Mischungsenergie ausreicht, um die Entkohlungsreaktionen unter Gleichgewichtsbe­dingungen ablaufen zu lassen.
     
    5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß das CO₂ durch Verdampfen aus der flüssigen Phase gewonnen wird und maximal 1 Vol. % Stickstoff ent­hält.
     




    Zeichnung