[0001] Die Erfindung betrifft die Verwendung von ausscheidungshärtenden ferritisch-perlitischen
Stählen, sog. AFP-Stählen, als Werkstoff für Gaswechselventile von Verbrennungsmotoren.
[0002] Gaswechselventile sind Ein- und Auslaßventile in Verbrennungsmotoren, die den Gaswechsel
im Motor regeln und den Arbeitsraum des Zylinders nach außen abdichten.
[0003] Die Motorentwicklung zu immer höheren Leistungen führt zu einer stetig größer werdenden
Wärmebelastung der Ventile, wobei die von heißen Verbrennungsgasen umspülten Auslaßventile
Betriebstemperaturen bis ca. 850 °C erreichen. Einlaßventile werden dagegen durch
das Frischgas gekühlt und erreichen selten Temperaturen über 550 °C.
1). V. Schüler, T. Kreul, S. Engineer: "Edelbaustähle im Automobil", Thyssen Technische
Berichte 2 (1986), S. 233-240
[0004] Neben hohen Warmfestigkeitseigenschaften der Ventilwerkstoffe sind weitere Gebrauchseigenschaften
gefordert, wie sie schematisch in Fig. 1 wiedergegeben sind 1).
2). DIN 17480: "Ventilwerkstoffe", Beuth Verlag GmbH, Berlin 30 (September 1984)
[0005] Für diese Eigenschaften sind spezielle Ventilwerkstoffe entwickelt worden, die in
DIN 17480 2) genormt sind. Werkstoffkundlich werden drei Gruppen unterschieden:
- martensitisch-carbidische Stähle, wie die Werkstoffe Nr. 1.4718, 1.4731, 1.4748
- austenitisch-carbidische Stähle, z.T. aushärtbar, wie die Werkstoffe Nr. 1.4873,
1.4875, 1.4882, 1.4785 und
austenitisch-aushärtbare Legierungen, wie die Werkstoffe Nr. 2.4955, 2.4952.
[0006] Die Ventilhersteller berücksichtigen bei der Auslegung der unterschiedlich belasteten
Ventile die unterschiedlichen Werkstoffeigenschaften der Ventilwerkstoffe. So werden
gering belastete Einlaßventile als Einmetallventile ("Monoventile") häufig aus dem
Stahl 1.4718 (x 45 CrSi 93) hergestellt. Dabei werden beispielsweise vergütete, geschliffene
Stäbe partiell konduktiv erwärmt und gleichzeitig birnenförmig gestaucht. Danach wird
im Gesenk der Ventilteller geschmiedet, dann wird vergütet oder angelassen und schließlich
erfolgt die Fertigbearbeitung. Bei hoch beanspruchten Auslaßventilen ist der Ventilhersteller
häufig gezwungen, Ventilwerkstoffe sinnvoll miteinander zu kombinieren. Wie in Fig.
1 am Beispiel eines Bimetallventiles dargestellt, kann z.B. durch Reibschweißen eines
Ventiltellers aus dem Stahl 1.4871 (X 53 CrMnNi N 21 9) mit einem Stahl 1.4718 (X
45 CrSi 93) die hohe Warmfestigkeit und Heißgaskorrosionsbeständigkeit des aushärtbaren
austenitischen Stahles mit dem hohen Verschleißwiderstand und den guten Gleiteigenschaften
des härtbaren martensitischen Stahles kombiniert werden.
[0007] Nach dem heutigen Stand der Technik werden für Einlaßventile und gering beanspruchte
Auslaßventile sowie für Schäfte von Ein- und Auslaßbimetallventilen mehr als die Hälfte
des Gesamtbedarfs an Ventilwerkstoffen aus dem Stahl 1.4718 (X 45 CrSi 9 3) oder Modifikationen
hergestellt. Diese Stähle werden beim Stahlhersteller und Ventilhersteller entsprechend
den Haupt-Fertigungsfolgen, wie sie in den Figuren 2 und 3 dargestellt sind, verarbeitet.
[0008] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, anstelle der bisher eingesetzten martensitisch-carbidischen
Stähle, die entsprechend der Fertigungsfolge sowohl beim Stahlerzeuger als auch beim
Ventilhersteller mehrfach wärmebehandelt werden müssen, Stähle einzusetzen, die möglichst
ohne Wärmebehandlung die geforderten Ventileigenschaften erreichen und einen geringeren
Bearbeitungsaufwand erfordern.
[0009] Zur Lösung dieser Aufgabe werden erfindungsgemäß AFP-Stähle der Zusammensetzung nach
einem oder mehrerer der Ansprüche vorgeschlagen.
[0010] Es wurde festgestellt, daß AFP-Stähle sowohl nach dem Walzen zu Draht als auch nach
dem Stauchen und Gesenkschmieden mit gesteuerter Abkühlung von Warmformgebungstemperatur
an Luft ("Zustand BY") mechanisch-technologische Werte aufweisen, die denen des Stahles
1.4718 vergleichbar sind. Tafel 1 zeigt die chemische Zusammensetzung, Tafel 2 und
Fig. 4 die Festigkeitseigenschaften bei Raumtemperatur und erhöhten Temperaturen.
Tafel 3 und Fig. 5 kennzeichnen die Zeitstandfestigkeit der Vergleichswerkstoffe 1.4718
(X 45 CrSi 9 3) und eines AFP-Stahles. Demnach sind AFP-Stähle im Zustand BY eine
sinnvolle Alternative zu dem bekannten Stahl 1.4718.
[0011] Die aus dem erfindungsgemäß zu verwendenden AFP-Stahl bei einem Ventilhersteller
hergestellten Einlaßventile wurden nach dem Stauchen und Gesenkschmieden an ruhender
Luft abgekühlt und ohne Vergütung und sonstige Wärmebehandlung in Motorprüfständen
erprobt. Die gefundenen Ergebnisse sind auch im Vergleich zu dem bisher eingesetzten
Stahl 1.4718 positiv und ausreichend.
[0012] Erfindungsgemäß zu verwendende Stähle haben gegenüber den bisher eingesetzten Materialien
für Gaswechselventile den Vorteil, daß sie nach den in den Figuren 6 und 7 wiedergegebenen
Fertigungsfolgen vereinfacht und damit kostensparender erzeugt werden können.
[0013] Beim Vergleich der Hauptvertigungsfolgen nach den Fig. 6 und 7 mit den bisher üblichen
Hauptfertigungsfolgen in den Figuren 2 und 3 fällt zunächst beim Einsatz von AFP-Stählen
der Wegfall von Wärmebehandlungen beim Stahlerzeuger und Ventilhersteller auf. Als
weiterer Vorteil kann wegen der geringeren Riß- und Entkohlungsempfindlichkeit der
AFP-Stähle im Vergleich zum Stahl 1.4718 und wegen der fehlenden Entkohlung durch
wegfallende Wärmebehandlungsvorgänge das heute notwendige 100 %ige Blankschleifen
des Halbzeuges zum Weiterwalzen beim Stahl 1.4718 durch partielles Fleckschleifen
bei den AFP-Stählen ersetzt werden. Darüber hinaus kann das Bearbeitungsaufmaß zum
Centerless-Schleifen von Stabstahl reduziert oder sogar ganz eingespart werden, indem
man bei AFP-Stählen als Vormaterial für die Herstellung von Gaswechselventilen gezogene
Stäbe anstelle von geschliffenen Stäben einsetzt.
[0014] Weitere Vorteile der AFP-Stähle gegenüber martensitisch-carbidischen Ventilstählen
sind neben geringerer Riß- und Entkohlungsempfindlichkeit:
. geringer Legierungsaufwand
. bessere Strangvergießbarkeit
. geringere Empfindlichkeit gegenüber grobkörniger Rekristallisation
. bessere Zerspanbarkeit.
[0015] Insgesamt ergibt sich bei Verwendung der AFP-Stähle für Gaswechselventile von Verbrennungsmotoren
durch diese Vorteile eine erhebliche Kosteneinsparung beim Stahlerzeuger und auch
beim Ventilhersteller.
Tafel 1
Vergleichsstähle : 1.4718(X45CrSi93) und AFP-Stahl |
Chemische Zusammensetzung - Schmelzanalysen (Angaben in Mass.-%) |
Element |
Stahl 1,4718 |
AFP-Stahl |
|
A |
B |
C |
0,44 |
0,43 |
Si |
2,78 |
0,66 |
Mn |
0,32 |
1,38 |
P |
0,015 |
0,008 |
S |
0,003 |
0,027 |
Cr |
8,93 |
0,15 |
Mo |
0,12 |
0,02 |
Ni |
0,20 |
0,08 |
V |
0,03 |
0,12 |
W |
0,02 |
< 0,01 |
Al |
0,027 |
0,047 |
B |
- |
< 0,0004 |
Co |
0,06 |
0,008 |
Cu |
0,04 |
0,10 |
N |
0,018 |
0,016 |
Nb |
< 0,005 |
< 0,005 |
Ti |
< 0,003 |
< 0,003 |
Sn |
< 0,003 |
0,012 |
As |
0,008 |
0,010 |
Tafel 3
Vergleichsstähle 1.4718 (X45CrSi93) und AFP-Stahl |
Zeitstandfestigkeit bei 450, 500 und 550 °C für 10² und 10³ h Beanspruchungsdauern |
Stahl A = 1.4718, 17,5 mm Dmr.; Standardvergütung |
Stahl B = AFP-Stahl 9,32 mm Dmr.; BY / gezogen / geschliffen |
Stahl |
Prüftemperatur °C |
Zeitstandfestigkeit für |
|
|
10² h N/mm² |
10³ h N/mm² |
A |
450 |
500 |
380 |
500 |
330 |
230 |
550 |
210 |
130 |
B |
450 |
410 |
310 |
500 |
260 |
150 |
550 |
140 |
70 |
1. Verwendung von ausscheidungshärten ferritisch-perlitischen Stählen, bestehend aus
0,20 bis 0,60 % Kohlenstoff
0,20 bis 0,95 % Silicium
0,50 bis 1,80 % Mangan
0,004 bis 0,04 % Stickstoff
0,05 bis 0,20 % Vanadium und/oder Niob
Rest Eisen und erschmelzungsbedingte Verunreinigungen als Werkstoff für Gaswechselventile
von Verbrennungsmotoren.
2. Verwendung eines Stahls nach Anspruch 1, der zusätzlich noch bis 0,20 Schwefel,
bis 0,70 % Chrom, bis 0,10 % Aluminium, bis 0,05 % Titan einzeln oder zu mehreren
enthält, für den Zweck nach Anspruch 1.
3. Verwendung eines Stahls nach Anspruch 1 und 2 mit
0,35 bis 0,50 % Kohlenstoff
0,40 bis 0,80 % Silicium
1,00 bis 1,60 % Mangan
0,05 bis 0,50 % Chrom
0,01 bis 0,05 % Aluminium
0,008 bis 0,03 % Stickstoff
0,05 bis 0,12 % Vanadium,
Rest Eisen und erschmelzungsbedingte Verunreinigungen für den Zweck nach Anspruch
1.
4. Verwendung eines Stahls nach Anspruch 3, der zusätzlich noch bis 0,05 % Schwefel,
bis 0,05 % Niob, bis 0,025 % Titan einzeln oder zu mehreren enthält, für den Zweck
nach Anspruch 1.