[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Messung. radioaktiver Nuklide der
natürlichen Zerfallsreihen nach dem Prinzip der verzögerten Koinzidenz.
[0002] Wie aus den Fig. 1a, 1b und 1c ersichtlich, kommt in jeder der drei natürlichen Zerfallsreihen
ein sehr kurzlebiges Glied vor:
In der Zerfallsreihe des U-238 (Fig. 1a) erscheint als Folgeprodukt von Rn-222 das
Nuklid Bi-214, das unter Emission von ß-Strahlung in Po-214 zerfällt, welches seinerseits
mit einer Halbwertszeit von 0,16 ms unter Emission von α-Strahlung zerfällt.
In der Zerfallsreihe des U-235 (Fig. 1b) erscheint als Folgeprodukt von Ra-223 das
Nuklid Rn-219, das unter Emission von α-Strahlung in Po-215 zerfällt, welches seinerseits
mit einer Halbwertszeit von 1,8 ms unter Emission von α-Strahlung zerfällt.
In der Zerfallsreihe des Th-232 (Fig. 1c) erscheint als Folgeprodukt des Ra-224 das
Nuklid Bi-212, das zum Teil unter Emission von ß-Strahlung in Po-212 zerfällt, welches
seinerseits mit einer Halbwertszeit von 0,3 µs unter Emission von α-Strahlung zerfällt.
Bei einigen der Zerfälle wird zusätzlich Gamma-Strahlung emittiert.
[0003] Verfahren zur Messung von Nukliden dieser Zerfallsreihen nach dem Prinzip der verzögerten
Koinzidenz benützen die schnelle Aufeinanderfolge der Zerfälle eines Mutternuklids
Bi-214, Rn-219 oder Bi-212 und seines kurzlebigen Tochternuklids Po-214, Po-215 bzw.
Po-212.
[0004] Eine für solche Verfahren geeignete Meßapparatur besteht entweder aus einem einzigen
Detektor, der auf die Zerfälle von Mutter- und Tochternuklid anspricht, oder sie
besteht aus mehreren Detektoren, die von unterschiedlicher Bauart sein können, so
daß z. B. von zwei Detektoren einer speziell auf die Zerfälle des Mutternuklids und
der andere speziell auf die Zerfälle des Tochternuklids anspricht.
[0005] Wichtig sind hohe Ansprechwahrscheinlichkeiten für beide Zerfälle, weil die Wahrscheinlichkeit
für den Nachweis eines Paares proportional zu dem Produkt aus diesen Ansprechwahrscheinlichkeiten
ist.
[0006] Durch die aufeinanderfolgenden Zerfälle entstehen in der Meßapparatur, wenn man der
Einfachheit halber von der begleitenden Gamma-Strahlung absieht, Paare von schnell
aufeinanderfolgenden Impulsen. Die Koinzidenz dieser Impulse innerhalb eines kurzen
Zeitintervalls erlaubt die Unterscheidung von anderen, statistisch über die Meßzeit
verteilten Impulsen, sofern deren mittlerer Abstand wesentlich größer als das Koinzidenzzeitintervall
ist. Solche Impulse werden z. B. durch andere Nuklide in der Meßprobe, durch externe
Gamma-Stahlung oder durch Höhenstrahlung hervorgerufen. Die Verzögerung des zweiten
Impulses eines Paares gegenüber dem ersten Impuls erlaubt die Unterscheidung gegenüber
wesentlich schnelleren Koinzidenzereignissen, die z. B. durch einen ß- oder α-Zerfall
mit sofortiger Gamma-Emission, durch eine Gamma-Kaskade oder durch einen Teilchenschauer
verursacht werden können.
[0007] Verfahren zur Messung von Nukliden der natürlichen Zerfallsreihen nach dem Prinzip
der verzögerten Koinzidenz sind bereits bekannt (Rankin, M. O., "The use of coincidence
counting techniques for analyzing low level Plutonium contamination on filters", Nuclear
Instruments and Methods Nr. 24 (1963), S. 221 - 226; Gebauer, H., "Verfahren zur Kompensation
der natürlichen Luftaktivität mit Hilfe von Beta-Alpha-Pseudokoinzidenzen", Kerntechnik
7. Jg. (1965), H7, S. 322 - 325; Assaf, G. und Gat, J.R., "Direct determination of
short-lived Radon daughter products on air filters by liquid scintillation counting
using a delayed-coincidence technique", Nuclear Instruments and Methods Nr. 49 (1967),
S. 29 - 37).
[0008] Das Verfahren mit der höchsten Nachweiswahrscheinlichkeit wird dabei in der Literaturstelle:
Nuclear Instruments and Methods Nr. 49 (1967), S. 29 - 37, beschrieben, welche die
Messung von Zerfallsprodukten des Rn-222 in Luft zum Ziel hat. Nach dieser Literaturstelle
wird ein Luftfilter nach Beendigung des Luftdurchsatzes in einen Flüssigszintillator-Cocktail
getaucht. Die Lichtblitze, welche durch die bei den Zerfällen der gesammelten Atome
ausgesandten ß- und α-Teilchen verursacht werden, werden durch eine Anordnung, bestehend
aus Photomultiplier und nachfolgendem Diskriminator, in logische Impulse umgewandelt.
Weil der Szintillator den Luftfilter durchtränkt und von allen Seiten umgibt, wird
für die ausgesandten Teilchen nahezu eine 4π-Meßgeometrie erreicht. Weil der Luftfilter
im Szintillator transparent wird, kann auch das Licht von Blitzen, die auf der vom
Photomultiplier abgewandten Seite des Filters erzeugt werden, den Photomultiplier
erreichen.
[0009] Die Schwelle des Diskriminators ist möglichst niedrig eingestellt, damit beim ß-Zerfall
des Bi-214, des Mutternuklids des kurzlebigen Kettengliedes Po-214, die emittierten
Elektronen bis zu einer möglichst niedrigen Energie hinab erfaßt werden. Ein erster
Zähler zählt sämtliche logischen Impulse am Ausgang des Diskriminators.
[0010] Zur Messung der Zerfälle des kurzlebigen Nuklids Po-214 nach dem Prinzip der verzögerten
Koinzidenz werden die logischen Impulse am Ausgang des Diskriminators folgendermaßen
weiterverarbeitet, wie besonders anschaulich aus Fig. 3 dieser Literaturstelle hervorgeht:
Eine in der zitierten Arbeit "delay-gate" genannte Einheit erzeugt nach jedem sogenannten
"random gate opening"-Diskrimina torimpuls einen sogenannten "gate open"-Impuls.
Dieser "gate open"-Impuls beginnt mit einer Verzögerung Delta t
d (d = delay) nach dem Diskriminatorimpuls und hat die Länge Delta t
g (g = gate). Als "random gate opening"-Impulse werden in dieser Literaturstelle alle
logischen Impulse am Ausgang des Diskriminators bezeichnet, die nicht selbst während
eines "gate-open"-Intervalls auftreten. Eine Koinzidenzeinheit, deren zwei Eingänge
mit den Ausgängen des Diskriminators und der "delay-gate"-Einheit verbunden sind,
erzeugt an ihrem Ausgang genau dann einen logischen Impuls, wenn am Ausgang des Diskriminators
ein Impuls während eines "gate open"-Impulses am Ausgang der "delay-gate"-Einheit
auftritt. Die Impulse am Ausgang der Koinzidenzeinheit werden von einem zweiten Zähler
gezählt.
[0011] Die optimale Länge des "gate open"-Intervalls liegt nach dieser Literaturstelle zwischen
dem 5-fachen und dem 10-fachen der Halbwertszeit des Po-214 (0,8 ms bzw. 1,6 ms).
Die Verzögerungszeit Delta t
d wird zu 2 µs gewählt, das sind ca. 7 Halbwertszeiten des Po-212 aus der Zerfallsreihe
des Th-232. Falls ein Diskriminatorimpuls von einem Zerfall des Bi-212, der Mutter
von Po-212, herrührt, ist das Atom des kurzlebigen Tochternuklids Po-212, das bei
diesem Zerfall gebildet wurde, beim Start des "gate open"-Intervalls mit großer Wahrscheinlichkeit
schon zerfallen, d. h. die Verzögerungszeit bewirkt, daß sein Zerfall nicht fälschlicherweise
als Po-214-Zerfall registriert wird.
[0012] In dieser Literaturstelle wird darauf hingewiesen, daß das beschriebene Meßverfahren
mit entsprechend kürzeren Zeitintervallen Delta t
dund Delta t
g auch zur Messung der Zerfälle des Nuklidpaares Bi-212/Po-212 aus der Zerfallsreihe
des Th-232 geeignet ist.
[0013] Das beschriebene Meßverfahren ist auf die Messung von solchen Proben übertragbar,
die aus einem Szintillator bestehen, in den die zu messenden Nuklide anders als über
Filter eingebracht wurden.
[0014] Ferner besteht die Möglichkeit, auch solche Impulse, die selbst während eines "gate-open"-Intervalls
Delta t
g auftreten, als "gate-opening"-Impulse zu berücksichtigen.
[0015] Wenn starke oder sehr schwache Aktivitäten zu messen sind oder wenn die Lichtausbeute
in den verschiedenen Meßproben aus einer Meßreihe unterschiedlich groß ist, weist
das Verfahren nach dieser Literaturstelle jedoch folgende Schwächen auf:
(1) Bei der Messung von Proben mit hoher Zählrate wird ein großer Teil der gesamten
Meßdauer von "gate open"-Intervallen eingenommen. Es besteht dann auch für solche
Diskriminatorimpulse, die nicht von einem Po-214-Zerfall herrühren, eine nicht vernachlässigbare
Wahrscheinlichkeit, daß sie während eines "gate open"-Intervalls auftreten und im
zweiten Zähler als Zerfälle des Po-214 registriert werden. Dieser Fehler durch zufällige
verzögerte Koinzidenzen bei hohen Zählraten ist groß.
(2) Ist die Aktivität der zu messenden Nuklide in einer Meßprobe klein im Vergleich
zur Untergrundzählrate U, so ist die Rate der zufälligen verzögerten Koinzidenzen
gleich U².Delta tg. Bei einer Untergrundzählrate von z. B. 0,2 Impulsen/s und Delta tg = 1 ms ergibt sich die theoretische Rate zufälliger verzögerter Koinzidenzen zu 4
. 10⁻⁵ Impulsen/s. Zusätzlich erscheinen im zweiten Zähler noch die echten verzögerten
Koinzidenzen von Reaktionsprodukten einzelner Teilchen der Höhenstrahlung. Dadurch
wird die Messung von Ra-226- oder Rn-222-Aktivitäten im Bereich von einigen 10⁻⁵
Bq schwierig.
(3) Ist die Lichtausbeute zweier Meßproben verschieden, so liegt ein unterschiedlich
großer Anteil der Impulse, die von den Bi-214-ß-Zerfällen erzeugt werden, oberhalb
der Diskriminatorschwelle, d. h. die Zählausbeute ist für die Meßproben verschieden.
Das bekannte Meßverfahren sieht keine Möglichkeit vor, die es gestattet, Unterschiede
in der Lichtausbeute zu erkennen.
[0016] Zur Messung von Nukliden der natürlichen Zerfallsreihen bedient man sich vor allem
der α-Spektroskopie. Deshalb sollen hier kurz die empfindlichsten Verfahren der α-Spektroskopie
diskutiert werden.
[0017] Am häufigsten werden zur α-Spektroskopie Sperrschichtdetektoren oder Gitterionisationskammern
verwendet. Beide Systeme haben eine Nachweiswahrscheinlichkeit von maximal 50 %. Für
beide Systeme muß die Meßprobe in Form einer sehr dünnen Schicht vorliegen. Dicke
Meßproben würden wegen der Selbstabsorption der α-Teilchen breite α-Peaks verursachen.
Dadurch ginge die eigentliche Stärke dieser Systeme, nämlich die hohe Energieauflösung,
verloren. Besonders bei Radium, dessen Messung eine der wesentlichen Anwendungen
der Erfindung ist, ist die quantitative Verarbeitung zu einer dünnen Meßprobe schwierig.
[0018] Ein verhältnismäßig neues Verfahren ist die Flüssigszintillations-α-Spektroskopie
mit pulse-shape-Analyse zur Unterscheidung von ß- und α-Zerfällen (Mc Dowell, W. J.,
"Alpha Liquid Scintillation Counting: Past, Present, and Future" in "Liquid Scintillation
Counting Recent Applications and Development", Vol. I, Physical Aspects, Academic
Press, New York 1980). Bei diesem Verfahren werden die zu messenden Nuklide in der
Regel als organische Komplexe im Szintillator-Cocktail gelöst. Die Zählausbeute des
Verfahrens beträgt 100 %. Ein wesentlicher Nachteil des bekannten Verfahrens ist,
daß die Meßproben hohe Anforderungen bezüglich ihrer Zusammen setzung und Reinheit
erfüllen müssen, damit die Unterscheidung von ß- und α-Zerfällen mittels pulse-shape-Analyse
möglich ist. So darf z. B. im Szintillator kein Sauerstoff gelöst sein.
Unter dieser Bedingung ist das quantitative Einbringen des Radons einer Luft- oder
Wasserprobe in den Szintillator-Cocktail schwierig. Ferner ist keine Prozedur bekannt,
nach der Radium in einem zur pulse-shape-Analyse geeigneten Szintillator gelöst werden
kann.
[0019] Aufgabe der Erfindung ist es, die Selektivität und damit auch die Empfindlichkeit
und die Genauigkeit der Messung einiger Nuklide der natürlichen Zerfallsreihen nach
dem Prinzip der verzögerten Koinzidenz zu erhöhen.
[0020] Dies wird erfindungsgemäß durch die im Anspruch 1 angegebenen Maßnahmen erreicht.
Das erfindungsgemäße Verfahren kann insbesondere zur Messung extrem niedriger Aktivitäten
von Rn-222 und Ra-226, von Pb-212, Rn-220, Ra-224, Th-228 und Ra-228 und von Ra-223,
Th-227 und Ac-227 und zur Korrektur des Quenching bei der Flüssigszintillationsmessung
verwendet werden.
[0021] Die Messung von z. B. Rn-222 aus der Zerfallsreihe des U-238 geht erfindungsgemäß
z. B. folgendermaßen vor sich:
Das Rn-222 wird mit einem Flüssigszintillator vermischt. Nach wenigen Stunden sind
die Folgeprodukte des Rn-222 bis zum Po-214 praktisch im radioaktiven Gleichgewicht,
d. h. es zerfallen von jedem der Folgeprodukte pro Zeitintervall gleich viele Kerne
wie vom Rn-222.
[0022] Die Lichtblitze, die von den emittierten Teilchen im Szintillator erzeugt werden,
werden durch Photomultiplier und anschließende Verstärkungseinheit in Spannungsimpulse
umgewandelt, deren Höhe ein Maß für die Intensität der Lichtblitze ist. Dabei ist
es unwesentlich, ob ein oder mehrere Photomultiplier verwendet werden und ob zwischen
der Intensität eines Lichtblitzes und der Impulshöhe ein linearer oder, wie bei manchen
käuflichen Flüssigszintillationsspektrometern üblich, ein logarithmischer Zusammenhang
besteht.
[0023] In Fig. 2 ist ein Diagramm wiedergegeben, das die Aufeinanderfolge der Lichtimpulse
im Szintillator bzw. der zugehörigen Spannungsimpulse am Ausgang der Verstärkungseinheit
veranschaulicht. Neben den Impulsen, die von den Zerfällen des Rn-222, Po-218, Pb-214
und dem Zähluntergrund herrühren, treten Paare kurz aufeinanderfolgender Impulse
auf, die von den Zerfällen des Bi-214 und seiner Tochter Po-214 herrühren. Das Po-214
hat eine sehr kurze Halbwertszeit von ca. 1,6 . 10⁻⁴ s. Innerhalb dieser Zeit zerfällt
also die Hälfte aller Po-214-Kerne, die gerade kurz vorher durch einen ß-Zerfall des
Bi-214 gebildet worden sind. So ist z. B. nach 5 Halbwertszeiten (ca. 8 . 10⁻⁴ s)
ein neu gebildeter Po-214-Kern mit einer Wahrscheinlichkeit von 97 % zerfallen.
[0024] Bei den Impulspaaren a und a′, welche durch den ß-Zerfall b, b′ des Mutternuklids
Bi-214 und den α-Zerfall c, c′ des Tochternuklids Po-214 entstehen, ist der Impuls
des Tochternuklids zeitlich um Delta t 3 . 10⁻⁴ s und Delta t′ = 0,8 . 10⁻⁴ s versetzt.
Weil Delta t und Delta t′ größer als das gewählte Verzögerungszeitintervall Delta
t
d (z.B. 3 . 10⁻⁶ s) und kleiner als die Summe aus Delta t
d und dem "gate open"-Intervall Delta t
g (z. B. 1 . 10⁻³ s) sind, werden die Impulspaare a und a′ als Ergebnisse von Zerfällen
des Nuklidpaares Bi-214/Po-214 betrachtet. Delta t
d und Delta t
g in Fig. 2 haben dabei die vorstehend erwähnte Bedeutung.
[0025] Die beim ß-Zerfall des Bi-214 emittierten Elektronen weisen eine breite Energieverteilung
auf (s. z. B. b und b′ in Fig. 2). Die α-Teilchen des Po-214 haben dagegen einen scharfen
Energiewert von 7,69 MeV (s. z. B. c und c′ in Fig. 2) und liefern in einem Impulshöhen-
bzw. Energiespektrum einen relativ scharfen Peak, dessen Breite allein von Eigenschaften
der Meßanordnung abhängt.
[0026] Anstatt wie nach den bekannten Verfahren die Paare der Zerfälle von Mutternuklid
und kurzlebigem Tochternuklid nur zu zählen, nimmt man daher gemäß der Erfindung das
Impulshöhenspektrum des kurzlebigen Tochternuklids, im vorstehend genannten Beispiel
der Messung von Rn-222 also das Spektrum des Po-214, auf. Dies kann derart geschehen,
daß entweder überhaupt nur diejenigen Impulse in einem Spektrum abgespeichert werden,
die gegenüber einem vorhergehenden Impuls, der höher als eine eingestellte Diskriminatorschwelle
ist, um mindestens Delta t
d und höchstens Delta t
d + Delta t
g verzögert sind, oder daß diese Impulse getrennt von allen anderen Impulsen in einem
separaten Spektrum abgespeichert werden.
Im letzteren Fall werden also zwei Spektren aufgenommen:
Das "Spektrum verzögert koinzidenter Impulse" und das "Spektrum der restlichen Impulse".
[0027] Eine besonders einfache Modifikation der normalerweise in der Kernstrahlungsspektroskopie
verwendeten Vielkanalanalysatoren, die das bewirkt, ist folgende: Normalerweise wird
in einem Vielkanalanalysator ein ankommender Impuls vom Analog-Digital-Converter (ADC)
entsprechend seiner Höhe einem bestimmten Kanal des Impulshöhenspektrums zugewiesen.
Der Impuls wird in diesem Kanal abgespeichert, d. h. der Inhalt dieses Kanals wird
um 1 erhöht. Die Kanalnummern eines Spektrums mit 2
n Kanälen (Nr. 0 bis Nr. 2
n - 1) sind dabei im Gerät binär durch n bits dargestellt.
[0028] In der Modifikation, wie sie für das Verfahren nach Anspruch 1 verwendet werden
kann, werden die Kanalnummern nicht durch n, sondern durch n + 1 bits dargestellt.
Das vorangestellte bit Nr. n + 1 wird durch eine zusätzliche elektronische Schaltung,
deren Bauart unwesentlich ist, nur für einen solchen Impuls vom Normalzustand "low"
(= 0) auf "high" (= 1) gesetzt, der mindestens Delta t
d und höchstens Delta t
d + Delta t
g nach einem vorhergehenden Impuls auftritt.
[0029] Ein solcher verzögert koinzidenter Impuls wird also in einem Kanal abgespeichert,
dessen Nummer gegenüber derjenigen Nummer, die vom ADC aus der Impulshöhe ermittelt
wurde, um 2
n erhöht ist. Z. B. wird ein verzögert koinzidenter Impuls, der nach seiner Höhe im
Kanal 131 eines 512-Kanäle-Spektrums (n = 9) abgespeichert würde, (binäre Darstellung
der Kanalnummer 131 = 0 1 0 0 0 0 0 1 1), im Kanal 131 + 512 des Vielkanalsystems
abgespeichert (binäre Darstellung der Kanalnummer 131 + 512 = 1 0 1 0 0 0 0 0 1 1).
[0030] Die Abbildungen 3a und 3b zeigen das "Spektrum der restlichen Impulse" bzw. das
"Spektrum verzögert koinzidenter Impulse", wie sie bei der Messung einer Rn-222-Probe
mit einem für das erfindungsgemäße Verfahren entsprechend modifizierten Flüssigszintillationsspektrometer
aufgenommen wurden. Im "Spektrum verzögert koinzidenter Impulse" erscheint der Peak
der 7,69 MeV-α-Teilchen des Po-214.
[0031] Das erfindungsgemäße Verfahren beruht also vor allem darauf, daß von den verzögert
koinzidenten Impulsen nur diejenigen, deren Höhen innerhalb eines gewissen Impulshöhenintervalls
liegen, direkt zur Auswertung einer Messung herangezogen werden. Durch die Beschränkung
auf ein Impulshöhenintervall wird der störende Einfluß von verzögert koinzidenten
Impulsen, die nicht von Zerfällen des kurzlebigen Tochternuklids herrühren, wesentlich
verringert. Solche verzögert koinzidente Impulse haben ihre Ursache zum einen in
der sogenannten zufälligen verzö gerten Koinzidenz, bei der der verzögert koinzidente
Impuls mit dem "gate opening"-Impuls in keinem kausalen Zusammenhang steht, und zum
anderen in der echten verzögerten Koinzidenz von Impulsen, die von Reaktionsprodukten
eines Teilchens der Höhenstrahlung ausgelöst werden.
[0032] Der Effekt der zufälligen verzögerten Koinzidenz wirkt sich im angeführten Beispiel
der Messung von Rn-222 mit einem Flüssigszintillationsspektrometer nach dem erfindungsgemäßen
Verfahren derart aus, daß ein Impuls, der nicht von einem Po-214-Zerfall herrührt,
im Spektrum verzögert koinzidenter Impulse abgespeichert wird, wenn er zufällig während
eines "gate open"-Intervalls auftritt. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten während
eines "gate open"-Intervalls ist gegeben durch den Anteil, den die "gate open"-Intervalle
an der gesamten Meßdauer einnehmen. In erster Näherung ist dieser Anteil gleich dem
Produkt aus der Länge des "gate open"-Intervalls und der Gesamtimpulsrate R oberhalb
der Diskriminatorschwelle, d. h. Delta t
g . R. Durch den Effekt der zufälligen verzögerten Koinzidenz wird also in erster
Näherung ein mit dem Faktor Delta t
g . R multipliziertes Abbild des Spektrums der restlichen Impulse in das Spektrum
verzögert koinzidenter Impulse transferiert.
[0033] Beispielsweise war bei der Messung, deren Spektren in Fig. 3a und 3b dargestellt
sind, Delta t
g = 1 ms und R = 40 Impulse/s. Entsprechend erscheint im Spektrum verzögert koinzidenter
Impulse (Fig. 3b) zusätzlich zum Po-214-Peak ein mit dem Faktor 0,04 (= 1 ms . 40
s⁻¹) multipliziertes Abbild des Spektrums der restlichen Impulse (Fig. 3a), wobei
in Fig. 3b deutlich die Rn-222- und Po-218-Peaks zu sehen sind. Es ist ersichtlich,
daß nur ein kleiner Teil der Impulse des transferierten Spektrums im Kanalbereich
des Po-214-Peaks liegt, und daß deshalb die Impulsrate im Kanalbereich dieses Peaks
wesentlich weniger verfälscht wird als die Rate aller verzögert koinzidenten Impulse,
die nach dem Stand der Technik zur Auswertung verwendet wird.
[0034] Bei der Messung extrem schwacher Proben treten im angeführten Beispiel der Messung
von Rn-222 mit einem Flüssigszintillationsspektrometer nach dem erfindungsgemäßen
Verfahren im Spektrum verzögert koinzidenter Impulse die durch Höhenstrahlung verursachten
echten verzögerten Koinzidenzen gegenüber den zufälligen verzögerten Koinzidenzen
in den Vordergrund. In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse einer Nullmessung
von 1 Woche Dauer mit einem Flüssigszintillationsspektrometer wiedergegeben. Die Nullprobe
besteht aus 3 ml Insta-Gel
R in einem Quarzgefäß. Delta t
g beträgt 1,0 ms. Die Tabelle enthält die Impulsraten im Gesamtspektrum und im Spektrum
verzögert koinzidenter Impulse der Nullprobe. Zum Vergleich sind zusätzlich die berechneten
Raten der zufälligen verzögerten Koinzidenzen angegeben. Die Impulsraten der Nullprobe
sind in der Tabelle jeweils einmal über alle Kanäle oberhalb der Diskriminatorschwelle
und einmal über die Kanäle (2 Halbwertsbreiten) des Kanalbereichs, in dem der Po-214-Peak
erwartet wird, summiert.
Tabelle
Impulsrate (s⁻¹) der Nullprobe |
|
Gesamtspektrum(1) |
Spektrum verzögert koinzidenter Impulse |
|
|
gemessen |
berechnete |
zufällige |
|
|
verzögerte Koinzidenzen |
oberhalb Diskriminatorschwelle |
0,21(2) |
2.10⁻⁴ |
4.10⁻⁵ (3) |
davon im Kanalbereich des Po-214-Peaks |
4,5.10-3(5) |
7.10⁻⁶ (4 Impulse in 1 Woche) |
9.10⁻⁷ (4) |
(1) Impulse des Spektrums verzögert koinzidenter Impulse plus der Impulse des Spektrums
der restlichen Impulse. |
(2) Gesamtimpulsrate R |
(3) berechnet nach der Formel R² . Delta tg mit Delta tg = 10⁻³ s |
(4) berechnet nach der Formel R . Delta tg mal L(5) mit Delta tg = 10⁻³ s |
[0035] Es ist aus der Tabelle ersichtlich, daß im Spektrum verzögert koinzidenter Impulse
"gemessen" die Impulsrate im Kanalbereich des Po-214-Peaks mit 7 . 10⁻⁶ s⁻¹ wesentlich
niedriger ist als die Impulsrate von 2 . 10⁻⁴ s⁻¹ im ganzen Spektrum oberhalb der
Diskriminatorschwelle, und daß somit das erfindungsgemäße Verfahren eine äußerst niedrige
Nachweisgrenze hat, d. h., im Vergleich mit dem Verfahren nach der Literaturstelle:
Nuclear Instruments and Methods Nr. 49 (1967), S. 29 - 37, ist die Untergrundzählrate
um etwa das 30fache geringer, wie dieses Beispiel verdeutlicht.
[0036] Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens liegt in der Möglichkeit der
Korrektur des Quenching bei der Flüssigszintillationsmessung. Diese Anwendung wird
weiter unten beschrieben.
[0037] Das erfindungsgemäße Verfahren läßt sich entsprechend Anspruch 2 derart erweitern,
daß ein verzögert koinzidenter Impuls in einem aus einer ganzen Schar von Spektren
abgespeichert wird. Elektronisch kann dies dadurch bewerkstelligt werden, daß nicht
nur das bit Nr. n + 1, sondern die bits n + 1, n + 2, n + 3 usw. für die Zuordnung
eines Impulses zu einem bestimmten Spektrum aus der Schar verwendet werden. Es wird
also eines dieser bits oder eine Kombination aus mehreren dieser bits von 0 auf 1
gesetzt. Dadurch kann erreicht werden, daß die Impulse der Zerfälle bestimmter Nuklide
aus einem Nuklidgemisch in separaten Spektren abgespeichert werden.
[0038] Beispielsweise kann die Zuordnung eines verzögert koinzidenten Impulses zu einem
bestimmten Spektrum aus einer Schar von Spektren nach Maßgabe des zeitlichen Abstands
zum vorhergehenden Impuls erfolgen. Eine Anwendung davon ist die simultane Messung
der drei Radium-Isotope Ra-224, Ra-226 und Ra-223 mit einem Flüssigszintillationsspektrometer:
Die Zerfälle dieser drei Radium-Isotope führen zum Teil über Zwischenprodukte zu den
Nukliden Bi-212, Bi-214 bzw. Rn-219, deren Tochternuklide Po-212, Po-214 bzw. Po-215
mit den kurzen Halbwertszeiten von 3 . 10⁻⁷ s, 1,6 . 10⁻⁴ s bzw. 1,8 . 10⁻³ s durch
Emission von α-Teilchen zerfallen. Speichert man alle Impulse z. B. in vier verschiedenen
Spektren ab, wobei die Impulse im Spektrum 1 mehr als 1 . 10⁻² s, im Spektrum 2 weniger
als 3 . 10⁻⁶ s, im Spektrum 3 zwischen 3 . 10⁻⁶ s und 1 . 10⁻³ s und im Spektrum 4
zwischen 1 . 10⁻³ s und 1 . 10⁻² s gegenüber einem vorhergehenden Impuls verzögert
sind, so erscheinen im Spektrum 2 die Po-212-Zerfälle, im Spektrum 3 die Po-214-Zerfälle,
im Spektrum 4 die Po-215-Zerfälle und im Spektrum 1 alle restlichen Impulse. Bei
der Auswertung einer solchen Messung muß allerdings beachtet werden, daß bei der Zuordnung
der Zerfälle zu den Spektren Überlappungen auftreten. So zerfällt z. B. ein kleiner
Teil der Po-214-Kerne in weniger als 3 . 10⁻⁶ s und wird im Spektrum der Po-212-Zerfälle
abgespeichert, ein anderer kleiner Teil der Po-214-Kerne zerfällt später als nach
1 . 10⁻³ s und wird im Spektrum der Po-215-Zerfälle abgespeichert.
[0039] Zum Steuern des Abspeicherns eines verzögert koinzidenten Impulses in einem bestimmten
Spektrum aus einer Schar von separaten Spektren können zusätzlich zum zeitlichen Abstand
gegenüber dem vorhergehenden Impuls noch weitere Kriterien verwendet werden. Solche
sind z. B.:
- Die Art des den "gate opening"-Impuls und/oder den verzögert koinzidenten Impuls
verursachenden Zerfalls. ß- und α-Zerfälle können bei Verwendung geeigneter Detektoren,
z.B. durch pulse-shape-Anlayse, voneinander unterschieden werden.
- Die Impulshöhe des "gate opening"-Impulses. Dieses und auch das vorhergenannte Kriterium
sind z. B. bei der Messung von Ra-223 in einem Radiumisotopengemisch mit einem Flüssigszintillationsspektrometer
von Nutzen. Weil Ra-223 in natürlichen Proben in der Regel in wesentlich niedrigerer
Aktivität auftritt als die anderen Radiumisotope Ra-224, Ra-228 und Ra-226, und weil
wegen der relativ langen Halbwertszeit des kurzlebigen Tochternuklids Po-215 ein
langes "gate open"-Intervall nötig ist, kann durch zufällige verzögerte Koinzidenzen
die Bestimmung der Fläche des Po-215-Peaks im zugehörigen Spektrum verzögert koinzidenter
Impulse sehr schwierig sein. Es ist deshalb zweckmäßig, die Gesamtzählrate einer Meßprobe
zu verringern, indem man die Ra-224-Aktivität vor der Messung abklingen läßt und
die Zerfallskette des Ra-226 durch Austreiben des Rn-222 aus dem Szintillator unterbricht.
Es befinden sich dann im wesentlichen noch Ra-226, Ra-228 und dessen Tochter Ac-228
in der Meßprobe. Durch die Bedingung, daß der "gate opening"-Impuls innerhalb des
Impulshöhenintervalls des α-Zerfalls des Rn-219 (E = 6,82 MeV) liegen muß, können
der α-Zerfall des Ra-226 (E = 4,78 MeV), der niederenergetische ß-Zerfall des Ra-228
(E
max = 0,046 MeV) und zum großen Teil der ß-Zerfall des Ac-228 als Ursachen für einen
"gate opening"-Impuls ausgeschlossen werden.
- Das mit dem "gate opening"-Impuls oder mit dem verzögert koinzidenten Impuls koinzidente
Auftreten von Gamma-Strahlung in einem weiteren Detektor der Meßanordnung. Umgibt
man z. B. einen Flüssigszintillatordetektor mit einem Gamma-Detektor von hoher Nachweiswahrscheinlichkeit,
z. B. mit einem NaI(Tl)- oder mit einem BGO-Detektor, so kann durch die Kriterien
a) "gate opening"-Impuls des Flüssigszintillators koinzident mit einem Impuls des
Gamma-Detektors und
b) verzögert koinzidenter Impuls des Flüssigszintillators nicht koinzident mit einem
Impuls des Gamma-Detektors
die Selektivität des Nachweises der Zerfälle des po-214 besonders gegenüber zufälligen
verzögerten Koinzidenzen erhöht werden, weil ca. 82 % der ß- Zerfälle des Bi-214 zur
Emission von Gamma-Strahlung führen, wogegen im Anschluß an den α-Zerfall des Po-214
keine Emission von Gamma-Strahlung stattfindet.
[0040] Für die meisten Anwendungen der Erfindung wird man gemäß Anspruch 4 als Detektor
einen Flüssigszintillator verwenden, mit dem eine Probe selbst oder eine aus einer
Probe abgetrennte Substanz vermischt wird. Wegen der innigen Mischung von radioaktiver
Substanz und Szintillator werden alle emittierten ß- und α-Teilchen nachgewiesen,
abgesehen von sehr niederenergetischen ß-Teilchen und solchen Teilchen, die nur einen
kleinen Teil ihrer Bahn im Szintillator zurücklegen. Deshalb werden für die Zerfälle
der Paare Bi-214/Po-214, Bi-212/Po-212 und Rn-219/Po-215 Nachweiswahrscheinlichkeiten
von über 95 % erreicht, sofern die linearen Abmessungen einer Meßprobe 1 cm oder
mehr betragen.
[0041] Ein weiterer Vorteil von Flüssigszintillatoren und auch Plastikszintillatoren speziell
bei der Messung der Zerfälle des Paares Bi-212/Po-212 ist ihre kurze Abklingzeit
von wenigen Nanosekunden. Wegen dieser kurzen Abklingzeit sind die Lichtblitze der
beiden Zerfälle fast immer deutlich voneinander getrennt, und es ist möglich, ein
Spektrum der unverfälschten verzögert koinzidenten Impulse der Po-212-Zerfälle aufzunehmen.
Dazu ist es zweckmäßig, "gate-opening"-Impulse und verzögert koinzidente Impulse bereits
direkt am Photomultiplier oder gleich hinter dem Photomultiplier voneinander zu trennen,
etwa derart, daß jeder Impuls, der über einer eingestellten Diskriminatorschwelle
liegt, für einige Zeit ein schnell schaltbares analoges Gate öffnet, das dann von
einem verzögert koinzidenten Photomultiplierimpuls passiert werden kann. Hinter dem
Gate erscheinen also nur noch die verzögert koinzidenten Impulse. Diese Impulse können
nun, ohne daß sie mit ihren "gate opening"-Impulsen überlappen, in eine Form gebracht
werden, in der sie von den in der Kernstrahlungsspektroskopie üblichen Analog-Digital-Convertern
verarbeitet werden können.
[0042] Bei der Verwendung langsamer Detektoren überlappen bereits die Detektorsignale der
Zerfälle des Bi-212 und des Po-212. Es läßt sich dann zwar noch leicht die Information
über die Zeitpunkte der Zerfälle erhalten, aber der Peak im Spektrum der verzögert
koinzidenten Impulse wird in Richtung höherer Kanalnummern verzerrt oder unscharf,
weil die Impulshöhen der Überlappungen von "gate opening"-Impuls und verzögert koinzidentem
Impuls aufgenommen werden, bzw. weil zur Reduzierung dieses Effekts sehr kurze pulseshaping-Zeiten
verwendet werden.
[0043] Die zu messenden Nuklide können auf viele verschiedene Weisen in einen Flüssigszintillator
eingebracht werden. Zur Messung des Rn-222-Gehalts von Wasser können z. B. einige
ml Wasser direkt mit einem geeigneten Szintillator vermischt werden, oder das Rn
kann vom Wasser in einen Szintillator, der nicht mit Wasser mischbar ist, extrahiert
werden.
[0044] Eine Methode zum Einbringen von Rn-222 aus der Luft in einen Flüssigszintillator
ist z. B. in "Protocol for using Packard PICO-RAD charcoal LSC detectors to measure
Radon concentrations in air", Fa. CANBERRA (1987/88) beschrieben.
[0045] Nichtgasförmige Stoffe können als wäßrige Lösung mit einem geeigneten Flüssigszintillator
gemischt werden. So werden z. B. vom Anmelder seit ca. vier Jahren routinemäßig unter
Verwendung von ca. 100 mg BaCl₂ . 2H₂O als Träger und Ba-133 als Ausbeutetracer die
Radiumisotope aus Grundwasserproben abgetrennt und als 1 ml wäßrige Bariumchloridlösung
mit 2 ml Insta-Gel
R der Fa. Packard zu einer Meßprobe vereinigt.
[0046] Häufig werden Nuklide in Form von organischen Komplexen, z. B. durch Extraktion,
in Flüssigszintillatoren eingebracht.
[0047] Es ist ersichtlich, daß das erfindungsgemäße Verfahren die Messung extrem niedriger
Aktivitäten von Nukliden aus den drei natürlichen Zerfallsreihen erlaubt. Solche Nuklide
sind alle diejenigen Vorläufer der kurzlebigen Polonium-Isotope, aus denen innerhalb
einer vernünftigen Wartezeit eine hinreichend hohe Aktivität der kurzlebigen Po-Isotope
anwachsen kann. Die Zerfallsreihe bis zum Po-Isotop darf also nicht durch ein zu
langlebiges Zwischenglied blockiert sein. In den Ansprüchen 5, 6 und 7 sind diese
Nuklide benannt.
[0048] Interessant sind die Gehalte dieser Nuklide z. B. in Grundwässern, Werkstoffen und
Kunstgegenständen, wo sie zur Abschätzung des Alters herangezogen werden können, in
Detektor- und Baumaterialien für Strahlungsmeßgeräte, im Reinstsilicium für die Computerchips,
weil α-Zerfälle in den Chips Rechenfehler, sogenannte "soft-errors", verursachen
können, und in Lebensmitteln.
[0049] Weiterhin lassen sich mit dem erfindungsgemäßen Verfahren störende Spuren dieser
Nuklide in Proben erkennen, die auf den Gehalt anderer Nuklide untersucht werden sollen.
Bei Low-Level-Messungen ist erfahrungsgemäß nicht allein die absolute Höhe der Hintergrundzählrate
ein Problem, sondern ebensosehr unerklärbare Schwankungen derselben. Ein beachtlicher
Teil dieser Schwankungen dürfte besonders bei solchen Zählrohrmessungen, bei denen
die Meßprobe ein Bestandteil der Zählgasfüllung ist, und bei Flüssigszintillationsmessungen
auf Rn-Kontaminationen zurückzuführen sein.
[0050] Diese Kontaminationen sind mit dem erfindungsgemäßen Verfahren jedoch leicht feststellbar,
und damit ist die Messung der anderen Nuklide korrigierbar.
[0051] Eine sehr spezielle Anwendungsmöglichkeit des erfindungsgemäßen Verfahrens ist gemäß
Anspruch 8 die Messung von Spuren der in den Ansprüchen 5, 6 und 7 genannten Nuklide
in Festkörperszintillatoren und in Halbleitern, wobei diese Festkörper gegebenenfalls
nach einer geeigneten Bearbeitung als Detektoren zum Nachweis der in ihnen selbst
stattfindenden Zerfälle dienen.
[0052] Ein Beispiel ist die Messung der Radiumisotopengehalte eines BaF₂-Kristalls, der
als Szintillationsdetektor verwendet wird. Käufliche sogenannte analysenreine Bariumverbindungen
haben häufig einen Ra-226-Gehalt in der Größenordnung von 10⁻² Bq pro Gramm Ba. Die
Reinigung des Ba vom chemisch ähnlichen Ra durch eine Fraktionierungsmethode ist
aufwendig, so daß bei BaF₂-Detektoren nicht von vornherein eine hohe Ra-Reinheit angenommen
werden kann.
[0053] Ein besonders wichtiges Beispiel ist die Messung von Uran- und Thoriumzerfallsprodukten
in Reinstsilicium, aus dem Computerchips hergestellt werden sollen. Eine Möglichkeit
ist z. B., die Siliciumprobe aufzuschließen, die Nuklide abzutrennen und z. B. in
einem Flüssigszintillator nach dem erfindungsgemäßen Verfahren zu messen. Dabei besteht
die Gefahr des Einschleppens von Radioaktivität. Eine Alternative ist die Messung
in situ. Zu diesem Zweck wird aus der Siliciumprobe ein Halbleiter-Strahlungsdetektor
hergestellt, der die in seinem Innern stattfindenden Zerfälle nachweist. Im allgemeinen
ist dazu eine Bearbeitung des Siliciumhalbleiters erforderlich, und zwar wird aus
ihm eine Diode hergestellt, z. B. entspre chend den handelsüblichen Strahlungsdetektoren
auf Siliciumhalbleiterbasis.
[0054] Durch die Verarbeitung der Impulse des Siliciumdetektors nach dem erfindungsgemäßen
Verfahren lassen sich die Nachweisgrenzen für die in den Ansprüchen 5, 6 und 7 genannten
Nuklide wesentlich senken.
[0055] Eine weitere wesentliche Anwendungsmöglichkeit des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht
gemäß Anspruch 9 in der Korrektur des Quenching bei der Flüssigszintillationsmessung
anderer Nuklide.
[0056] Flüssigszintillationszähler werden meistens zur Messung von ß-Strahlern benutzt.
Die Elektronen, die beim ß-Zerfall eines Nuklids ausgesandt werden, haben eine breite
Energieverteilung. Im Bereich niedriger Energiewerte werden die Impulse dieser Elektronen
vom Rauschen des Meßgerätes überdeckt, so daß nur der Teil des ß-Spektrums oberhalb
einer gewissen Schwelle für die Bestimmung der Aktivität zur Verfügung steht. Der
Anteil dieses Teils am ganzen ß-Spektrum ändert sich, wenn durch eine Verminderung
der Lichtausbeute im Szintillator das Spektrum gestaucht oder "gequencht" wird. Ursache
für dieses "Quenching" können eine Vielzahl von chemischen Verunreinigungen besonders
bei Anwendungen in Medizin und Biologie sein, so daß die Korrektur des Quenching ein
wesentlicher Bestandteil der Flüssigszintillationsmessung ist.
[0057] Die Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht nun darin, daß eine Probe
nach ihrer Messung mit Rn-222 versetzt und ein zweites Mal gemessen wird. Das Rn-222-Gas
wird dabei zweckmäßigerweise aus einem Gefäß, das Ra-226 enthält, z. B. mit einer
Spritze entnommen. Aus der Kanallage des α-Peaks des Po-214 im Spektrum verzögert
koinzidenter Impulse (s. Fig. 3b) kann dann unter Verwen dung von Eichkurven der
Wert der anzubringenden Quench-Korrektur bestimmt werden.
[0058] Soll z. B. der Tritium-Gehalt einer Probe gemessen werden, so wird zunächst mit
einer vorgegebenen Tritiummenge und unterschiedlichen Konzentrationen der quenchenden
Verbindung die Tritium-Zählausbeute in Abhängigkeit von der Kanallage des Peaks des
Po-214 in Form einer Eichkurve aufgenommen. Alsdann wird die Zählrate der zu messenden
Tritium-Probe aufgenommen. Die Probe wird anschließend mit Rn-222 versetzt und nach
einer Zeitspanne von einer halben Stunde oder mehr, d. h. wenn die Tochternuklide
Pb-214 und Bi-214 ausreichend nachgebildet worden sind, erneut gemessen und die Kanallage
des Po-214-Peaks bestimmt. Anhand der Kanallage kann dann aus der Eichkurve die Tritium-Zählausbeute
abgelesen werden und damit aus der Zählrate die Zerfallsrate des Tritiums, d. h. der
Tritiumgehalt, ermittelt werden.
[0059] Die Vorteile dieser Methode gegenüber anderen Methoden der Quenchkorrektur mit einem
sogenannten "inneren Standard" liegen darin, daß die Lage des α-Peaks genau bestimmt
werden kann, daß das Quenching der Probe durch Zugabe des Rn-222, also eines gasförmigen
inneren Standards, nicht verändert wird, daß nach gut einem Monat das Rn-222 samt
seinen Tochternukliden bis auf eine geringe Aktivität von Pb-210 und dessen Folgeprodukten
zerfallen ist, und somit die Probe praktisch wieder in ihrem ursprünglichen Zustand
vorliegt, und daß das Rn-222 leicht aus einer praktisch unerschöpflichen Ra-226-Quelle
"gemolken" werden kann.
[0060] Wird bei der Verwendung von Rn-222 als innerer Standard zur Quenchkorrektur auf die
Methode der verzögerten Koinzidenz verzichtet, d. h. nur das Gesamtspektrum aufgenommen,
so läßt sich besonders bei stark gequenchten Proben die Mitte des Po-214-Peaks nicht
so einfach und genau bestimmen wie bei der Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens.
[0061] Weil die "gate opening"-Impulse für die kurzlebigen Nuklide Po-212 und Po-214 durch
den ß-Zerfall der Mutternuklide erzeugt werden, muß auch bei der Messung von Nukliden
aus den zugehörigen Zerfallsreihen nach dem Prinzip der verzögerten Koinzidenz das
Quenching berücksichtigt werden. Das erfindungsgemäße Verfahren erlaubt es, die Größe
der notwendigen Quenchkorrektur zu bestimmen.
1. Verfahren zur Messung radioaktiver Nuklide der natürlichen Zerfallsreihen des
Th-232, U-238 und U-235 durch den Nachweis von Zerfällen der kurzlebigen Glieder Po-212,
Po-214 bzw. Po-215 dieser Zerfallsreihen nach dem Prinzip der verzögerten Koinzidenz,
dadurch gekennzeichnet,
daß von solchen Impulsen des Meßgerätes, die innerhalb eines festgesetzten kurzen
Zeitintervalls nach einem vorhergehenden Impuls auftreten, ein eigenes Impulshöhenspektrum
aufgenommen wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1 zur simultanen Messung von Nukliden aus mindestens zwei
der natürlichen Zerfallsreihen durch den simultanen Nachweis der zugehörigen kurzlebigen
Glieder,
dadurch gekennzeichnet,
daß mehrere auf einen Impuls folgende kurze Zeitintervalle festgesetzt werden und
ein auf einen Impuls folgender Impuls nach Maßgabe der Nummer des Zeitintervalls,
innerhalb dessen er auftritt, in eines von mehreren separaten Impulshöhenspektren
eingeordnet wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Länge eines festgesetzten kurzen Zeitintervalls das Ein- bis Zehnfache der
Halbwertszeit des nachzuweisenden kurzlebigen Gliedes beträgt.
4. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß als Detektor ein Flüssigszintillator, mit dem eine Probe selbst oder eine aus
einer Probe abgetrennte Substanz vermischt wird, verwendet wird.
5. Anwendung des Verfahrens nach einem der vorstehenden Ansprüche zur Messung von
Rn-222 oder Ra-226 und zur Messung des Einflusses dieser Nuklide auf Messungen anderer
Nuklide, wobei aus dem Inhalt des Alphapeaks des Po-214 im zugehörigen Spektrum der
innerhalb eines festgesetzten kurzen Zeitintervalls auf einen vorhergehenden Impuls
folgenden Impulse die Aktivität des Rn-222 oder des Ra-226 berechnet wird.
6. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4 zur Messung von Pb-212,
Rn-220, Ra-224, Th-228 oder Ra-228, wobei aus dem Inhalt des Alphapeaks des Po-212
im zugehörigen Spektrum der innerhalb eines festgesetzten kurzen Zeitintervalls auf
einen vorhergehenden Impuls folgenden Impulse die Aktivität des zu messenden Nuklids
berechnet wird.
7. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4 zur Messung von Ra-223,
Th-227 oder Ac-227, wobei aus dem Inhalt des Alphapeaks des Po-215 im zugehörigen
Spektrum der innerhalb eines festgesetzten kurzen Zeitintervalls auf einen vorhergehenden
Impuls folgenden Impulse die Aktivität des zu messenden Nuklids berechnet wird.
8. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 3 zur Messung von radioaktiven
Verunreinigungen in Festkörperszintillatoren und Halbleitern, wobei diese Materialien
als Detektoren zum Nachweis der in ihnen selbst stattfindenden Zerfälle dienen.
9. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4 zur Bestimmung des Quenching
bei der Flüssigszintillationsmessung, wobei eine Probe mit Rn-222 versetzt wird,
die Position des Alphapeaks des Po-214 im Spektrum der innerhalb eines festgesetzten
kurzen Zeitintervalls auf einen vorhergehenden Impuls folgenden Impulse ermittelt
wird, und anhand einer separat aufgenommenen Eichkurve, welche den Zusammenhang zwischen
dem Quenching und der Position des Alphapeaks des Po-214 beschreibt, die Größe des
Quenching bestimmt wird.