(19)
(11) EP 0 432 601 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
19.06.1991  Patentblatt  1991/25

(21) Anmeldenummer: 90123063.1

(22) Anmeldetag:  01.12.1990
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C10M 171/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE ES FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 14.12.1989 DE 3941232
25.08.1990 DE 4026880

(71) Anmelder: BAYER AG
51368 Leverkusen (DE)

(72) Erfinder:
  • Herrmann, Udo, Dr.
    W-4047 Dormagen 3 (DE)
  • Penners, Gunther, Dr.
    W-5090 Leverkusen 1 (DE)
  • Oppermann, Günter, Dr.
    W-5090 Leverkusen 1 (DE)
  • Flindt, Roland, Dr.
    W-5000 Köln 80 (DE)
  • Steinbach, Hans-Horst, Dr.
    W-5253 Lindlar (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Elektroviskose Flüssigkeiten auf der Basis dispergierter Polyether


    (57) Die vorliegende Erfindung betrifft elektroviskose Flüssigkeiten, enthaltend im wesentlichen

    A) einen linearen und/oder verzweigten, gegebenenfalls funktionalisierten Polyether oder dessen Monomere, das Umsetzungsprodukt eines solchen Polyethers bzw. der Monomere mit mono- oder oligofunktionellen Verbindungen und gegebenenfalls zusätzlich weitere Additive,

    B) Dispergiermittel sowie

    C) ein nicht-wäßriges Dispersionsmedium.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft eine elektroviskose Flüssigkeit, deren Viskosität beim Anlegen einer Spannung erhöht wird.

    [0002] Elektroviskose Flüssigkeiten (EVF) sind Dispersionen feinteiliger, hydrophiler Feststoffe in hydrophoben und elektrisch nicht leitenden Ölen, deren Viskosität sich unter dem Einfluß eines hinreichend starken elektrischen Feldes sehr schnell und reversibel vom flüssigen bis zum plastischen oder festen Zustand ändert. Die Viskosität reagiert sowohl auf elektrische Gleichfelder als auch auf Wechselfelder, wobei der Stromfluß durch die EVF sehr gering sein sollte. Daher lassen sich EVF überall dort einsetzen, wo es der Übertragung großer Kräfte mit Hilfe geringer elektrischer Leistungen bedarf, wie z.B. in Kupplungen, Hydraulikventilen, Stoßdämpfern, Vibratoren oder Vorrichtungen zum Positionieren und Fixieren von Werkstücken.

    [0003] Neben den allgemeinen an eine EVF gestellten Anforderungen, wie guter elektroviskoser Effekt, hohe Temperaturstabilität und chemische Beständigkeit spielen bei der praktischen Nutzung die Abrasivität und die Absetzstabilität der dispersen Phase eine wichtige Rolle. Die disperse Phase sollte möglichst nicht sedimentieren, sich jedoch in jedem Fall gut redispergieren lassen und auch unter extremer mechanischer Beanspruchung keinen Abrieb verursachen.

    [0004] Bei einem Teil der EVF, die dem Stand der Technik entsprechen, besteht die disperse Phase aus organischen Feststoffen, wie z.B. Saccharide (DE 2 530 694), Stärke (EP 284 268 A2, US 3 970 573), Polymere (EP 150 994 A1, DE 3 310 959 A1, GB 1 570 234, US 4 129 513), Ionenaustauscherharze (JP 92 278/1975, JP 32 221/1985, US 3 047 507), oder Siliconharze (DE 3 912 888 A1). Es wurden aber auch anorganische Materialien, wie z.B. Li-Hydrazinsulfat (US 4 772 407 A), Zeolithe (EP 265 252 A2), Silicagel (DE 3 517 281 A1, DE 3 427 499 A1), und Aluminiumsilicate (DE 3 536 934 A1) eingesetzt. Der elektroviskose Effekt ist bei den genannten Substanzen auf die Beladung der Feststoffe mit Wasser zurückzuführen. Geringe Wasseranteile ermöglichen die Migration von Ionen und erhöhen dadurch die ionische Leitfähigkeit, bzw. die für die Ausbildung des Effektes unerläßliche Polarisierbarkeit der dispersen Teilchen. Der elektroviskose Effekt kommt dadurch zustande, daß die polarisierten Teilchen der dispersen Phase in einem externen elektrischen Feld durch Dipol-Dipol-Wechselwirkungen agglomerieren. Diese Agglomeration ist reversibel: wird das elektrische Feld abgeschaltet, redispergieren die Teilchen und die Viskosität wird auf den ursprünglichen Wert erniedrigt. Wasserhaltige Systeme haben jedoch eine geringe chemische Stabilität und können zudem zur Korrosion führen. Außerdem ist der Temperaturbereich, in dem diese Flüssigkeiten eingesetzt werden können, beschränkt.

    [0005] Bei anderen elektroviskosen Flüssigkeiten wurden die genannten Nachteile dadurch behoben, daß man die wasserhaltige, disperse Phase durch eine praktisch wasserfreie, elektronisch leitfähige Phase ersetzt, die aus zum Teil beschichteten, feindispersen Metallen, wie z.B. Aluminium (JP 016 093, JP 01 172 496), oder Dielektrica wie z.B. TiO₂ (SU 715 596), CaTiO₃ oder BaTiO₃ (JP 53/17 585) besteht. Die beschriebenen EVF sind jedoch, bedingt durch die Härte der dispergierten Teilchen abrasiv und dadurch für praktische Anwendungen, bei denen hohe Scherbeanspruchungen auftreten, nur bedingt brauchbar.

    [0006] Auch rußgefüllte Perlpolymerisate (JP 016 093), oder leitfähige Polymere, wie z.B. Polypyrol oder Polyacetylen (JP 01 260 710) wurden als Ersatz für die wasserhaltige Phase diskutiert. Solche Systeme sind jedoch teuer oder aufwendig in der Herstellung.

    [0007] Das bei allen genannten EVF in mehr oder weniger starkem Maße auftretende Problem der Sedimentation hat man durch Anwendung von Flüssigphasen mit einem hohen spezifischen Gewicht zu lösen versucht. Durch die Anhebung des spezifischen Gewichtes der Flüssigkeit, z.B. durch Einsatz fluorierter, chlorierter oder bromierter Kohlenwasserstoffe, nimmt die Dichte-Differenz zwischen der flüssigen und dispersen Phase, und somit die Sedimentation der Feststoffteilchen ab. So wurden z.B. zur Dispergierung der Feststoffe Lithiumpolyacrylat, Silicagel bzw. Salze der vernetzten Polymethacrylsäure in US-PS 4 502 973 halogeniertes Diphenylmethan als flüssige Phase verwendet, in EP-PS 284 268 A2 Polychlortrifluorethylen und in DE-PS 3 310 959 bromiertes Diphenylmethan. Die mangelnde Umweltverträglichkeit der substituierten Flüssigkeiten kann jedoch ein gravierendes Problem darstellen.

    [0008] Die obengenannten, dem Stand der Technik entsprechenden EVF werden in der Regel durch Eindispergieren eines Feststoffes in ein Dispersionsmedium hergestellt. Die Viskosität der entstehenden Suspension hängt dabei ab von der Form und der Größe, bzw. der Größenverteilung der dispergierten Teilchen, sowie von der Feststoffkonzentration und der Dispergierwirkung eventuell eingesetzter Dispergierhilfsmittel. Hohe volumenbezogene Feststoffgehalte bei geringer Viskosität sind dabei nur schwer zu erreichen. Durch den Einsatz von Feststoffen, die aus Teilchen mit einer kugelförmigen Geometrie bestehen, kann bei gleichbleibender Viskosität der Volumenanteil der dispersen Phase, und damit der elektroviskose Effekt gesteigert werden. Beispiele solcher Feststoffe sind Hydrolysate von Metall-Alkoxiden (EP 341 737), die bereits genannten Perlpolymerisate (JP 016 093), oder kugelförmige Glashohlkörper (JP 01 172 496). Sie weisen jedoch Nachteile hinsichtlich Kosten und Aufwand der Herstellung, Sedimentationsverhalten bzw. Scherstabilität auf.

    [0009] Aufgabe der Erfindung war es, eine wasserfreie, nicht-abrasive, , sedimentationsstabile EVF mit guten elektroviskosen Eigenschaften bereitzustellen, die sich trotz hohen Volumenanteilen der dispersen Phase durch eine geringe Basisviskosität sowie niedrige elektrische Leitfähigkeit auszeichnet.

    [0010] Die erfindungsgemäße EVF enthält, dispergiert in einer nicht leitenden Flüssigkeit in reiner Form, oder als Reaktionsprodukt mit anderen Substanzen, 1 bis 80 Gew.-%, vorzugsweise 1 bis 60 Gew.-%, besonders bevorzugt 20 bis 60 Gew.-%, eines Polyethers. Das Gemisch aus Polyether und eventuellen Additiven, Vorlage genannt, das während des Herstellungsprozesses der EVF in die nicht leitende Flüssigkeit eindispergiert wird, sollte vorzugsweise in flüssiger Form vorliegen. Gegebenenfalls kann die Vorlage, durch die Zugabe geeigneter Reagenzien vor, während oder nach dem Dispergierschritt, chemisch modifiziert werden. Diese Modifizierung beeinflußt die Konsistenz, sowie, durch die teilweise oder völlige Umsetzung der funktionellen Gruppen der Vorlage, die Leitfähigkeit der dispersen Phase in der fertigen EVF.

    [0011] Um bei der Verwendung flüssiger Phasen Koaleszenz zu vermeiden, wird bei der Dispergierung ein geeignetes Dispergiermittel verwendet.

    [0012] Die Größe der dispergierten Teilchen in der erfindungsgemäßen EVF beträgt 0,05, vorzugsweise 0,1, bis 200 µm. Die Viskosität der EVF beträgt bei Raumtemperatur, je nach Zusammensetzung der Flüssigkeit und der Basisviskosität des Dispersionsmediums, zwischen 0,5, vorzugsweise 3, und



    [0013] Zur Herstellung der erfindungsgemäßen EVF wird für die disperse Phase eine vorzugsweise flüssige Vorlage verwendet, die mindestens eine der folgenden Substanzen enthält: (I): einen linearen oder verzweigten, gegebenenfalls funktionalisierten Polyether, (II): das Umsetzungsprodukt von (I) mit mono- oder oligofunktionellen Verbindungen, wie z.B. Additiven wie z.B. Polyole, aliphatische Carbonsäuren oder Amine, Alkoholen, Estern usw., in unterschiedlichen stöchiometrischen Verhältnissen, (III): ein Gemisch aus (I) und/oder (II) mit anderen nichtreaktiven Additiven, die in die fertigen EVF die elektrischen bzw. mechanischen Eigenschaften der dispersen Phase, wie Leitfähigkeit und elastisches Verhalten beeinflussen. Additive (III) mit Weichmacherfunktion im Sinne der Erfindung sind z.B. verkappte niedermolekulare Polyether, wie z.B. bismethyliertes Trimethylpropan oder die Ester der Phthalsäure.

    [0014] Beispiele der genannten linearen Polyether sind Polyethylenglykole, Polypropylenglykole, Polybutylenglykole, statistische Ethylenglykol-Propylenglykol-Copolymerisate oder auch Ethylenglykol-Propylenglykol-Blockpolymerisate, wie sie z.B. unter dem Handelsnamen "Pluronic" von der Firma GAF vertrieben werden. Verzweigte Polyether sind beispielsweise Tris(polypropylenoxid)ω-ol)glycidylether oder andere Substanzen, die durch Ethoxylierung oder Propoxylierung von höherfunktionellen Hydroxyverbindungen, wie z.B. Pentaerythrit oder 1,1,1-Trimethylolpropan, erhalten werden. Das Molekulargewicht der Polyglykole liegt zwischen 62 und 1 000 000, vorzugsweise unter 100 000, besonders bevorzugt jedoch zwischen 100 und 10 000. Gegebenenfalls können die Polyglykole funktionelle Endgruppen enthalten. Amine, Allyl- bzw. Vinylgruppen, oder auch Carboxylgruppen stellen Beispiele solcher funktioneller Endgrupen dar. Polyethylen- bzw. Polypropylen-mono-oder Diamine sind unter dem Handelsnamen "Jeffamin" der Firma "TEXACO" zu erwerben. Beispiele acrylgruppenhaltiger Produkte sind die Ester der Glykole mit entsprechenden Säuren, z.B. Acrylsäure. Zu den unter (II) genannten Substanzen gehören z.B. die in der Polymethanchemie gängigen Polyester, die u.a durch die Firma BAYER AG unter dem Handelsnamen "Desmophen" vertrieben werden.

    [0015] Bei der Verwendung flüssiger Vorlagen wird gegebenenfalls vor bzw. nach der Emulgierung der Vorlage dem System ein Additiv (IV) (z.B. Vernetzer) zugesetzt, das durch Reaktion mit den funktionellen Endgruppen der Verbindungen (I), (II) und/oder (III) zum Molekulargewichtsaufbau in den Emulsionströpfchen, oder auch zur Reduzierung der Zahl der funktionellen Endgruppen führt. Je nach Art und Menge der eingesetzten Mischkomponenten und des Additivs bilden sich viskose oder feste Teilchen, deren kugelförmige Geometrie während und nach der Reaktion erhalten bleibt.

    [0016] Beispiele solche Vernetzer sind di- oder multifunktionelle Isocyanate mit unterschiedlicher Struktur, die z.B. unter dem Handelsnamen "Desmodur" durch die Firma BAYER AG vertrieben werden. Bei der Verwendung von tri- oder höherfunktionellen Glykolen ist der Einsatz von Toluylen-diisocyanat als Vernetzer besonders bevorzugt. Zur Vernetzung sind jedoch auch die in der Siliconchemie gängigen sog. Acetat-, Amin-, Benzamid-, Oxim- und Alkoxyvernetzer einsetzbar. Vorzugsweise wird der Isocyanat-Vernetzer in solchen Mengen eingesetzt, daß 20 bis 100 %, vorzugsweise bis 80 % der OH-Gruppen des Glykols umgesetzt werden. Für den Umsatz von Allyl, bzw. vinylgruppenmodifizierte Verbindungen der Gruppen (I) bis (III) sind radikalische Vernetzersysteme geeignet.

    [0017] In den erfindungsgemäßen EVF ist die disperse Phase (das Reaktionsprodukt aus Vorlage und (IV)), zu 10 bis 85 Gew.-%, vorzugsweise jedoch zu 40 bis 70 Gew.%, enthalten.

    [0018] Als Dispersionsmedium für die disperse Phase werden, neben flüssigen Kohlenwasserstoffen, wie z.B. Paraffine, Olefine und aromatische Kohlenwasserstoffe, vorzugsweise Silikonöle wie Polydimethylsiloxane oder auch Polysiloxane mit höheren Alkylgruppen, fluorhaltige Siloxane und flüssige Methylphenylsiloxane verwendet. Diese können allein, oder in Kombination aus zwei oder mehreren Arten eingesetzt werden. Der Erstarrungspunkt der Dispersionsmedien wird vorzugsweise niedriger als -30°C eingestellt, der Siedepunkt größer als 150°C. Die Viskosität der Öle liegt bei Raumtemperatur zwischen 3 und 300 mm²/s. Im allgemeinen sind die niedrigviskosen Öle mit einer Viskosität von 3 bis 20 mm²/s zu bevorzugen, weil hiermit eine niedrigere Grundviskosität der EVF erreicht wird.

    [0019] Um Sedimentation zu vermeiden, sollte das Öl außerdem eine Dichte haben, die annähernd der Dichte der dispersen Phase entspricht. So lassen sich z.B. durch die Verwendung von fluorhaltigen Siloxanen, die als Reinsubstanz oder als Gemisch mit anderen Ölen eingesetzt werden, erfindungsgemäße EVF herstellen, die trotz geringer Basisviskosität auch über Wochen hinaus keine Sedimentation aufweisen.

    [0020] Besonders geeignet zur Herstellung sedimentationsstabiler EVF sind fluorhaltige Siloxane der allgemeinen Struktur:



    [0021] Als Dispergiermittel für die disperse Phase können im Dispersionsmedium lösliche Tenside verwendet werden, die z.B. von Aminen, Imidazolinen, Oxazolinen, Alkoholen, Glykol oder Sorbitol abgeleitet sind. Auch können im Dispersionsmedium lösliche Polymere eingesetzt werden. Geeignet sind z.B. Polymere, welche 0,1 bis 10 Gew.-% N und/oder OH, sowie 25 bis 83 Gew.-% C₄-C₂₄-Alkylgruppen enthalten und ein Molekulargewicht im Bereich von 5000 bis 1 000 000 aufweisen. Die N- und/oder OH-haltigen Verbindungen in diesen Polymeren können z.B. Amin-, Amid-, Imid-, Nitril-, 5- bis 6-gliedrige N-haltige heterocyclische Ringe, bzw. ein Alkohol sein, und die C₄-C₂₄-Alkylgruppen Ester von Acryl- bzw. Methacrylsäure. Beispiele für die genannten N- und OH-haltigen Verbindungen sind N,N-Dimethylaminoethylmethacrylat, tert-Butylacrylamid, Maleinimid, Acrylnitril, N-Vinylpyrrolidon, Vinylpyridin und 2-Hydroxyethylmethacrylat. Die vorgenannten polymeren Dispergiermittel haben gegenüber den niedermolekularen Tensiden im allgemeinen den Vorteil, daß die hiermit hergestellten Dispersionen bezüglich des Absetzverhaltens stabiler sind.

    [0022] Für die Dispergierung in Siliconöl werden bevorzugt Polysiloxan-Polyether-Copolymere eingesetzt, wie sie beispielsweise unter dem Handelsnamen "Tegopren" bei der Firma GOLDSCHMIDT AG in Essen (BRD) verfügbar sind. Besonders bevorzugte Dispergiermittel aus dieser Klasse sind Polysiloxan-Polyether mit einem Ethylenoxid-Propylenoxid-Gewichtsverhältnis von ungefähr 1:1. Ein solches Produkt, mit einem Ethylenoxid-Propylenoxid Gewichtsverhältnis von 49:51, wird bei der Firma GOLDSCHMIDT unter dem Namen "Tegopren 5830" geführt.

    [0023] Neben den Polyether-Polysiloxanen stellen die Reaktionsprodukte von hydroxyfunktionellen Polysiloxanen mit den unterschiedlichsten Silanen Dispergiermittel zur Herstellung der erfindungsgemäßen EVF dar. Besonders bevorzugte Dispergiermittel aus dieser Substanzklasse sind die Umsetzungsprodukte eines hydroxyfunktionellen Polysiloxans mit Aminosilanen.

    [0024] Das Dispergiermittel soll in der EVF in Mengen von 0,1 bis 4 Gew.-%, vorzugsweise 0,5 bis 3 Gew.-%, vorhanden sein.

    [0025] Für erfindungsgemäße, mit Silikonöl hergestellte EVF gilt, daß sie absetzstabil, physiologisch indifferent (ungiftig), und mit elastomeren Werkstoffen, insbesondere mit Gummi bestens verträglich sind. Außerdem sind sie innerhalb eines ungewöhnlich weiten Temperaturbereichs wärme- und kältebeständig und weisen nur eine geringfügige Druckabhängigkeit der Viskosität auf. Darüber hinaus haben die erfindungsgemäßen elektroviskosen Dispersionen eine hohe elektrische Durchschlagsfestigkeit. Als weiterer Vorteil ist hervorzuheben, daß die beschriebenen EVF absetzstabil und nicht abrasiv sind und trotz hoher Volumenanteile an disperser Phase geringe Basisviskositäten aufweisen.

    [0026] Bei einer typischen Art der Herstellung der erfindungsgemäßen EVF wird die Vorlage mit dem reaktiven Additiv, bzw. dem Vernetzer vermischt. Nach Homogenisierung der Komponenten wird das Gemisch in einer, das Dispergiermittel enthaltenden, flüssigen Phase dispergiert. Hierzu können, um einen entsprechenden Dispergiergrad zu erreichen, Scherhomogenisatoren, Hochdruckhomogenisatoren oder Ultraschall verwendet werden. Die Dispergierung sollte jedoch so durchgeführt werden, daß die Teilchengröße 200 µm, vorzugsweise 100 µm, nicht überschreitet. Gegebenenfalls läßt man nach erfolgter Dispergierung das Produkt bei einer geeigneten Temperatur, die abhängig von der Reaktivität des Vernetzers typischerweise in einem Bereich von 0°C, vorzugsweise 15°C, bis 150°C liegt, über längere Zeit ausreagieren.

    [0027] Bei einer alternativen Herstellungsweise wird der Vernetzer erst nach dem Dispergiervorgang in die Dispersion eingemischt.

    [0028] Bei einer anderen Art der Herstellung wird die Vorlage mit oder ohne Tensid, bzw. Additiv (IV) zu einem feinen Pulver versprüht, und das entstandene Pulver nachträglich in die flüssige Phase eindispergiert.

    [0029] Die so hergestellten EVF wurden in einem modifizierten Rotationsviskosimeter, wie es bereits von W.M. Winslow in J. Appl. Phys. 20 (1949), Seiten 1137 bis 1140 beschrieben wurde, untersucht.

    [0030] Die Elektrodenfläche des inneren rotierenden Zylinders mit einem Durchmesser von 50 mm beträgt ca. 78 cm², die Spaltweite zwischen den Elektroden 0,50 mm. Bei den dynamischen Messungen kann die Scherbelastung mit maximal 2640 s⁻¹ eingestellt werden. Der Meßbereich der Schubspannung des Viskosimeters beträgt maximal 750 Pa. Die Anregung der EVF kann sowohl mit Gleichspannung als auch mit Wechselspannung erfolgen.

    [0031] Bei Anregung mit Gleichspannung können bei einigen Flüssigkeiten neben der spontanen Erhöhung der Viskosität oder der Fließgrenze beim Einschalten des Feldes auch noch elektrophoretische Abscheidevorgänge der festen Teilchen auf den Elektrodenoberflächen wahrgenommen werden, insbesondere bei kleinen Schergeschwindigkeiten, bzw. bei statischen Messungen. Daher wird die Prüfung der EVF bevorzugt mit Wechselspannung und bei dynamischer Scherbeanspruchung durchgeführt. Man erhält so gut reproduzierbare Fließkurven.

    [0032] Zur Bestimmung der Elektroreaktivität stellt man eine konstante Schergeschwindigkeit 0<D<2640 s⁻¹ ein und mißt die Abhängigkeit der Schubspannung τ von der elektrischen Feldstärke E. Mit der Prüfapparatur können Wechselfelder bis zu einer maximalen effektiven Feldstärke von 2370 kV/m bei einem maximalen effektiven Strom von 4 mA und einer Frequenz zwischen 50 und 550 Hz erzeugt werden. Vorzugsweise wird jedoch bei 50 Hz gemessen, weil dann der Gesamtstrom am niedrigsten, und dadurch die benötigte elektrische Leistung am geringsten ist. Man erhält dabei Fließkurven entsprechend der Fig. 1. Man erkennt, daß die Schubspannung τ bei kleinen Feldstärken zunächst parabelförmig und bei größeren Feldstärken linear ansteigt. Die Steigung S des linearen Teils der Kurve kann aus der Abbildung entnommen werden und wird in Pa.m/kV angegeben. Aus dem Schnittpunkt der Geraden S mit der Geraden τ=τo (Schubspannung ohne elektrisches Feld) wird der Schwellwert Eo der elektrischen Feldstärke in kV/m bestimmt. Für die Erhöhung der Schubspannung τ(E)-τo im elektrischen Feld E>Eo gilt:

    τ(E)-τo=S(E-Eo).



    [0033] Bei den nachfolgend beschriebenen Ausführungsbeispielen entsprechen die Vergleichsansätze 1 bis 3 dem Stand der Technik. Ihnen liegen die Beispiele 6,7 und 9 von DE 3 536 934 A1 zugrunde. Die in diesen Beispielen beschriebenen Flüssigkeiten zeichnen sich durch besonders gute elektroviskose Eigenschaften aus.

    [0034] Bei den Beispielen 1 bis 12 handelt es sich um erfindungsgemäße EVF.

    [0035] In Tabelle I sind die elektroviskosen Eigenschaften der erfindungsgemäßen EVF I bis 11, sowie der Vergleichsproben bei unterschiedlichen Temperaturen aufgeführt.

    [0036] In Fig. 2 bis 4 ist der Zusammenhang zwischen einigen Eigenschaften (Elektroviskoser Effekt S, Schwellwert der elektrischen Feldstärke Eo und Viskosität V bei einer Umlaufgeschwindigkeit des Rotors von 1 000 U/min.) der in den Beispielen 1 bis 5 beschriebenen EVF und der Menge der mit Isocyanat umgesetzten Hydroxylgruppen bei einer Meßtemperatur von 25°C dargestellt. Zum Vergleich geben die Pfeile an der Ordinate typische Werte für eine EVF gemäß Vergleichsbeispiel 2 wieder. Besonders hervorzuheben ist, daß viele erfindungsgemäße EVF sich trotz geringer Viskosität und geringer Schwellfeldstärke durch sehr gute elektroviskose Effekte kennzeichnen.


    Beispiel 1



    [0037] 1,25 g des Dispergiermittels (a) werden in 20 g des Dispersionsmediums (a) gelöst. In einem Becherglas von 100 ml wird in diese Lösung mittels eines Rotor-Stator-Scherhomogenisators (Ultra-Turrax T25 der Firma IKA Labortechnik) 17,5 g des bifunktionellen Glykols (a) bei 25°C emulgiert. Die Emulgierzeit bei einer Umlaufgeschwindigkeit des Rotors von 10 000 U/min beträgt 3 min. Zu der fertigen Emulsion wird unter Rühren 7,61 g des Vernetzers (a) zugetropft. Diese Vernetzermenge führt bei einer quantitativen Reaktion zum stöchiometrischen Umsatz der Hydroxylgruppen im Glykol. Diese Einsatzmenge entspricht somit einem OH-Umsatz von 100 Mol-%. Die Proben wurden nach Zugabe des Vernetzers 48 Stunden mit einem Propellerrührer bei niedriger Umlaufgeschwindigkeit nachgerührt.

    Beispiel 2



    [0038] Entsprechend der unter Beispiel 1 angegebenen Arbeitsweise wurde eine EVF hergestellt, jedoch mit einer Vernetzermenge von 5,71 g. Dies entspricht einem OH-Umsatz von 75 Mol-%.

    Beispiel 3



    [0039] Herstellung gemäß Beispiel 1, jedoch mit einer Vernetzermenge von 3,81 g (OH-Umsatz 50 Mol-%).

    Beispiel 4



    [0040] Herstellung gemäß Beispiel 1, jedoch mit einer Vernetzermenge von 1,90 g (OH-Umsatz 25 Mol-%).

    Beispiel 5



    [0041] Die EVF wurde entsprechend der unter Beispiel 1 angegebenen Arbeitsweise hergestellt. Es wurde jedoch kein Vernetzer zugegeben, so daß der Umsatz der Hydroxylgrupen des Glykols 0 Mol-% beträgt.

    Beispiel 6



    [0042] 0,6 g des Dispergiermittels (b) werden in 20 g des Dispersionsmediums (a) gelöst. 17,5 g des Glykols (a) werden mit 7,61 g des Vernetzers (a) vermischt. Diese Vernetzermenge führt bei einer quantitativen Reaktion zum stöchiometrischen Umsatz der Hydroxylgruppen im Glykol und entspricht somit einem OH-Umsatz von 100 Mol-%. Das Gemisch wird sofort nach der Herstellung gemäß Beispiel 1 in die Dispergiermittel-Lösung emulgiert. Nachträglich wurden die Proben 48 Stunden bei Raumtemperatur ausreagiert.

    Beispiel 7



    [0043] Entsprechend der unter Beispiel 6 angegebenen Arbeitsweise wurde eine EVF hergestellt, jedoch mit einer Vernetzermenge von 5,71 g. Dies entspricht einem OH-Umsatz von 75 Mol-%.

    Beispiel 8



    [0044] Herstellung gemäß Beispiel 6, jedoch mit einer Vernetzermenge von 3,81 g (OH-Umsatz 50 Mol-%).

    Beispiel 9



    [0045] Herstellung gemäß Beispiel 6, jedoch mit einer Vernetzermenge von 1,90 g (OH-Umsatz 25 Mol-%).

    Beispiel 10



    [0046] 0,6 g des Dispergiermittels (b) werden in 20 g des Dispersionsmediums (a) gelöst. 17,5 g des trifunktionellen Glykols (b) werden mit 6,79 g des Vernetzers (a) vermischt. Diese Vernetzermenge führt bei einer quantitativen Reaktion zum stöchiometrischen Umsatz der Hydroxylgrupen im Glykol und entspricht somit einem OH-Umsatz von 100 Mol-%. Das Gemisch wird sofort nach der Herstellung gemäß Beispiel 1 in die Dispergiermittel-Lösung emulgiert Nachträglich wurden die Proben 8 Stunden bei 90°C ausreagiert.

    Beispiel 11



    [0047] 0,5 g des Dispergiermittels (b) werden in 20 g des Dispersionsmediums (a) gelöst. 15,0 g des bifunktionellen Glykols (a) werden mit 4,14 g des Vernetzers (b) vermischt. Diese Vernetzermenge führt bei einer quantitativen Reaktion zu einem OH-Umsatz von 75 Mol-%. Das Gemisch wird sofort nach der Herstellung gemäß Beispiel 1 in die Dispergiermittel-Lösung emulgiert Nachträglich wurden die Proben 48 Stunden bei Raumtemperatur ausreagiert.

    Beispiel 12



    [0048] 0,6 g des Dispergiermittels (b) werden in 20 g des Dispersionsmediums (b) gelöst. 17,5 g des trifunktionellen Glykols (b) werden mit 6,79 g des Vernetzers (a) vermischt. Diese Vernetzermenge führt bei einer quantitativen Reaktion zum stöchiometrischen Umsatz der Hydroxylgruppen im Glykol und entspricht somit einem OH-Umsatz von 100 Mol-%. Das Gemisch wird sofort nach der Herstellung gemäß Beispiel 1 in die Dispergiermittel-Lösung emulgiert. Nachträglich wurden die Proben 8 Stunden bei 90°C ausreagiert.

    [0049] Zentrifugation der Probe (30 min bei 2000 g) führte, trotz der niedrigen Viskosität zu keiner sichtbaren Abtrennung der dispersen Phase vom Dispersionsmedium. Bei einer Vergleichsprobe gemäß Vergleichsbeispiel 2 hatte sich jedoch die disperse Phase als festes Sediment auf den Boden des Zentrifugenröhrchens abgesetzt. Dieses Sediment war nur durch starke Scherbeanspruchung wieder zu redispergieren.

    Vergleichsbeispiel 1



    [0050] Gemäß Beispiel 6 des Patentes DE 3 536 934 A1 wurden 50 Gew.-Teile eines Erionits (Zusammensetzung: 62 Gew.-% SiO₂, 18 Gew.-% Al₂O₃, 10 Gew.-% Na₂O) in 50 Gew.-Teile eines Polydimethylsiloxan-Siliconöls mit einer Viskosität von 5 mm²/s (bei 25°C) eindispergiert. Die Feuchte des Erionits nach DIN 55 921 betrug 6 Gew.-%. Als Dispergiermittel wurden 2,5 Gew.-Teile des in der Patentschrift beschriebenen Dispergiermittels 1 (aminofunktionelles Siloxan) eingesetzt.

    Vergleichsbeispiel 2



    [0051] Gemäß Beispiel 7 des Patentes DE 3 536 934 A1 wurden 40 Gew.-Teile eines Al-Silikates (Zusammensetzung: 75 Gew.-% SiO₂, 9 Gew.-% Al₂O₃, 7 Gew.-% Na₂O) in 60 Gew.-Teile eines Polydimethylsiloxan-Siliconöls mit einer Viskosität von 5 mm²/s (bei 25°C) eindispergiert. Die Feuchte des Al-Silikates nach DIN 55 921 betrug 6 Gew.-%. Als Dispergiermittel wurden 6 Gew.-Teile des in der Patentschrift beschriebenen Dispergiermittels 1 eingesetzt.

    Vergleichsbeispiel 3



    [0052] Gemäß Beispiel 9 des Patentes DE 3 536 934 A1 wurden 50 Gew.-Teile eines Zeoliths Y (Na-Form) (Zusammensetzung: 58 Gew.-% SiO₂, 20 Gew.-% Al₂O₃, 12 Gew.-% Na₂O) in 50 Gew.-Teile eines Polydimethylsiloxan-Siliconöls mit einer Viskosität von 5 mm²/s (bei 25°C) eindispergiert. Die Feuchte des Zeoliths Y nach DIN 55 921 betrug 6 Gew.-%. Als Dispergiermittel wurden 2,5 Gew.-Teile des in der Patentschrift beschriebenen Dispergiermittels 1 eingesetzt.




    Ansprüche

    1. Elektroviskose Flüssigkeiten, enthaltend im wesentlichen

    A) einen linearen und/oder verzweigten, gegebenenfalls funktionalisierten Polyether oder dessen Monomere, das Umsetzungsprodukt eines solchen Polyethers bzw. der Monomere mit mono- oder oligofunktionellen Verbindungen und gegebenenfalls zusätzlich weitere Additive,

    B) Dispergiermittel sowie

    C) ein Nicht-wäßriges Dispersionsmedium.


     
    2. Elektroviskose Flüssigkeiten gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Phase A) während des Dispergiervorganges in flüssiger Form vorliegt, gegebenenfalls jedoch durch den Zusatz von reaktiven Additiven vor, während oder nach der Dispergierung in eine höherviskose bzw. feste Form überführt wird.
     
    3. Elektroviskose Flüssigkeit gemäß einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Komponente C) ein Siliconöl enthält.
     
    4. Elektroviskose Flüssigkeit gemäß einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Komponente C) ein fluorhaltiges Siloxan, gegebenenfalls im Gemisch mit fluorfreien Siloxanen, enthält.
     
    5. Elektroviskose Flüssigkeit gemäß einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Komponente C) einen Kohlenwasserstoff enthält.
     
    6. Elektroviskose Flüssigkeiten gemäß einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Komponente B) ein Polysiloxan-Polyether-Copolymerisat enthält.
     
    7. Elektroviskose Flüssigkeiten gemäß einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Komponente B) Alkoxy- bzw. ein Acetoxypolysiloxan enthält.
     




    Zeichnung
















    Recherchenbericht