[0001] Die Erfindung betrifft eine elektroviskose Flüssigkeit, deren Viskosität beim Anlegen
einer Spannung erhöht wird.
[0002] Elektroviskose Flüssigkeiten (EVF) sind Dispersionen feinteiliger, hydrophiler Feststoffe
in hydrophoben und elektrisch nicht leitenden Ölen, deren Viskosität sich unter dem
Einfluß eines hinreichend starken elektrischen Feldes sehr schnell und reversibel
vom flüssigen bis zum plastischen oder festen Zustand ändert. Die Viskosität reagiert
sowohl auf elektrische Gleichfelder als auch auf Wechselfelder, wobei der Stromfluß
durch die EVF sehr gering sein sollte. Daher lassen sich EVF überall dort einsetzen,
wo es der Übertragung großer Kräfte mit Hilfe geringer elektrischer Leistungen bedarf,
wie z.B. in Kupplungen, Hydraulikventilen, Stoßdämpfern, Vibratoren oder Vorrichtungen
zum Positionieren und Fixieren von Werkstücken.
[0003] Neben den allgemeinen an eine EVF gestellten Anforderungen, wie guter elektroviskoser
Effekt, hohe Temperaturstabilität und chemische Beständigkeit spielen bei der praktischen
Nutzung die Abrasivität und die Absetzstabilität der dispersen Phase eine wichtige
Rolle. Die disperse Phase sollte möglichst nicht sedimentieren, sich jedoch in jedem
Fall gut redispergieren lassen und auch unter extremer mechanischer Beanspruchung
keinen Abrieb verursachen.
[0004] Bei einem Teil der EVF, die dem Stand der Technik entsprechen, besteht die disperse
Phase aus organischen Feststoffen, wie z.B. Saccharide (DE 2 530 694), Stärke (EP
284 268 A2, US 3 970 573), Polymere (EP 150 994 A1, DE 3 310 959 A1, GB 1 570 234,
US 4 129 513), Ionenaustauscherharze (JP 92 278/1975, JP 32 221/1985, US 3 047 507),
oder Siliconharze (DE 3 912 888 A1). Es wurden aber auch anorganische Materialien,
wie z.B. Li-Hydrazinsulfat (US 4 772 407 A), Zeolithe (EP 265 252 A2), Silicagel (DE
3 517 281 A1, DE 3 427 499 A1), und Aluminiumsilicate (DE 3 536 934 A1) eingesetzt.
Der elektroviskose Effekt ist bei den genannten Substanzen auf die Beladung der Feststoffe
mit Wasser zurückzuführen. Geringe Wasseranteile ermöglichen die Migration von Ionen
und erhöhen dadurch die ionische Leitfähigkeit, bzw. die für die Ausbildung des Effektes
unerläßliche Polarisierbarkeit der dispersen Teilchen. Der elektroviskose Effekt kommt
dadurch zustande, daß die polarisierten Teilchen der dispersen Phase in einem externen
elektrischen Feld durch Dipol-Dipol-Wechselwirkungen agglomerieren. Diese Agglomeration
ist reversibel: wird das elektrische Feld abgeschaltet, redispergieren die Teilchen
und die Viskosität wird auf den ursprünglichen Wert erniedrigt. Wasserhaltige Systeme
haben jedoch eine geringe chemische Stabilität und können zudem zur Korrosion führen.
Außerdem ist der Temperaturbereich, in dem diese Flüssigkeiten eingesetzt werden können,
beschränkt.
[0005] Bei anderen elektroviskosen Flüssigkeiten wurden die genannten Nachteile dadurch
behoben, daß man die wasserhaltige, disperse Phase durch eine praktisch wasserfreie,
elektronisch leitfähige Phase ersetzt, die aus zum Teil beschichteten, feindispersen
Metallen, wie z.B. Aluminium (JP 016 093, JP 01 172 496), oder Dielektrica wie z.B.
TiO₂ (SU 715 596), CaTiO₃ oder BaTiO₃ (JP 53/17 585) besteht. Die beschriebenen EVF
sind jedoch, bedingt durch die Härte der dispergierten Teilchen abrasiv und dadurch
für praktische Anwendungen, bei denen hohe Scherbeanspruchungen auftreten, nur bedingt
brauchbar.
[0006] Auch rußgefüllte Perlpolymerisate (JP 016 093), oder leitfähige Polymere, wie z.B.
Polypyrol oder Polyacetylen (JP 01 260 710) wurden als Ersatz für die wasserhaltige
Phase diskutiert. Solche Systeme sind jedoch teuer oder aufwendig in der Herstellung.
[0007] Das bei allen genannten EVF in mehr oder weniger starkem Maße auftretende Problem
der Sedimentation hat man durch Anwendung von Flüssigphasen mit einem hohen spezifischen
Gewicht zu lösen versucht. Durch die Anhebung des spezifischen Gewichtes der Flüssigkeit,
z.B. durch Einsatz fluorierter, chlorierter oder bromierter Kohlenwasserstoffe, nimmt
die Dichte-Differenz zwischen der flüssigen und dispersen Phase, und somit die Sedimentation
der Feststoffteilchen ab. So wurden z.B. zur Dispergierung der Feststoffe Lithiumpolyacrylat,
Silicagel bzw. Salze der vernetzten Polymethacrylsäure in US-PS 4 502 973 halogeniertes
Diphenylmethan als flüssige Phase verwendet, in EP-PS 284 268 A2 Polychlortrifluorethylen
und in DE-PS 3 310 959 bromiertes Diphenylmethan. Die mangelnde Umweltverträglichkeit
der substituierten Flüssigkeiten kann jedoch ein gravierendes Problem darstellen.
[0008] Die obengenannten, dem Stand der Technik entsprechenden EVF werden in der Regel durch
Eindispergieren eines Feststoffes in ein Dispersionsmedium hergestellt. Die Viskosität
der entstehenden Suspension hängt dabei ab von der Form und der Größe, bzw. der Größenverteilung
der dispergierten Teilchen, sowie von der Feststoffkonzentration und der Dispergierwirkung
eventuell eingesetzter Dispergierhilfsmittel. Hohe volumenbezogene Feststoffgehalte
bei geringer Viskosität sind dabei nur schwer zu erreichen. Durch den Einsatz von
Feststoffen, die aus Teilchen mit einer kugelförmigen Geometrie bestehen, kann bei
gleichbleibender Viskosität der Volumenanteil der dispersen Phase, und damit der elektroviskose
Effekt gesteigert werden. Beispiele solcher Feststoffe sind Hydrolysate von Metall-Alkoxiden
(EP 341 737), die bereits genannten Perlpolymerisate (JP 016 093), oder kugelförmige
Glashohlkörper (JP 01 172 496). Sie weisen jedoch Nachteile hinsichtlich Kosten und
Aufwand der Herstellung, Sedimentationsverhalten bzw. Scherstabilität auf.
[0009] Aufgabe der Erfindung war es, eine wasserfreie, nicht-abrasive, , sedimentationsstabile
EVF mit guten elektroviskosen Eigenschaften bereitzustellen, die sich trotz hohen
Volumenanteilen der dispersen Phase durch eine geringe Basisviskosität sowie niedrige
elektrische Leitfähigkeit auszeichnet.
[0010] Die erfindungsgemäße EVF enthält, dispergiert in einer nicht leitenden Flüssigkeit
in reiner Form, oder als Reaktionsprodukt mit anderen Substanzen, 1 bis 80 Gew.-%,
vorzugsweise 1 bis 60 Gew.-%, besonders bevorzugt 20 bis 60 Gew.-%, eines Polyethers.
Das Gemisch aus Polyether und eventuellen Additiven, Vorlage genannt, das während
des Herstellungsprozesses der EVF in die nicht leitende Flüssigkeit eindispergiert
wird, sollte vorzugsweise in flüssiger Form vorliegen. Gegebenenfalls kann die Vorlage,
durch die Zugabe geeigneter Reagenzien vor, während oder nach dem Dispergierschritt,
chemisch modifiziert werden. Diese Modifizierung beeinflußt die Konsistenz, sowie,
durch die teilweise oder völlige Umsetzung der funktionellen Gruppen der Vorlage,
die Leitfähigkeit der dispersen Phase in der fertigen EVF.
[0011] Um bei der Verwendung flüssiger Phasen Koaleszenz zu vermeiden, wird bei der Dispergierung
ein geeignetes Dispergiermittel verwendet.
[0012] Die Größe der dispergierten Teilchen in der erfindungsgemäßen EVF beträgt 0,05, vorzugsweise
0,1, bis 200 µm. Die Viskosität der EVF beträgt bei Raumtemperatur, je nach Zusammensetzung
der Flüssigkeit und der Basisviskosität des Dispersionsmediums, zwischen 0,5, vorzugsweise
3, und

[0013] Zur Herstellung der erfindungsgemäßen EVF wird für die disperse Phase eine vorzugsweise
flüssige Vorlage verwendet, die mindestens eine der folgenden Substanzen enthält:
(I): einen linearen oder verzweigten, gegebenenfalls funktionalisierten Polyether,
(II): das Umsetzungsprodukt von (I) mit mono- oder oligofunktionellen Verbindungen,
wie z.B. Additiven wie z.B. Polyole, aliphatische Carbonsäuren oder Amine, Alkoholen,
Estern usw., in unterschiedlichen stöchiometrischen Verhältnissen, (III): ein Gemisch
aus (I) und/oder (II) mit anderen nichtreaktiven Additiven, die in die fertigen EVF
die elektrischen bzw. mechanischen Eigenschaften der dispersen Phase, wie Leitfähigkeit
und elastisches Verhalten beeinflussen. Additive (III) mit Weichmacherfunktion im
Sinne der Erfindung sind z.B. verkappte niedermolekulare Polyether, wie z.B. bismethyliertes
Trimethylpropan oder die Ester der Phthalsäure.
[0014] Beispiele der genannten linearen Polyether sind Polyethylenglykole, Polypropylenglykole,
Polybutylenglykole, statistische Ethylenglykol-Propylenglykol-Copolymerisate oder
auch Ethylenglykol-Propylenglykol-Blockpolymerisate, wie sie z.B. unter dem Handelsnamen
"Pluronic" von der Firma GAF vertrieben werden. Verzweigte Polyether sind beispielsweise
Tris(polypropylenoxid)ω-ol)glycidylether oder andere Substanzen, die durch Ethoxylierung
oder Propoxylierung von höherfunktionellen Hydroxyverbindungen, wie z.B. Pentaerythrit
oder 1,1,1-Trimethylolpropan, erhalten werden. Das Molekulargewicht der Polyglykole
liegt zwischen 62 und 1 000 000, vorzugsweise unter 100 000, besonders bevorzugt jedoch
zwischen 100 und 10 000. Gegebenenfalls können die Polyglykole funktionelle Endgruppen
enthalten. Amine, Allyl- bzw. Vinylgruppen, oder auch Carboxylgruppen stellen Beispiele
solcher funktioneller Endgrupen dar. Polyethylen- bzw. Polypropylen-mono-oder Diamine
sind unter dem Handelsnamen "Jeffamin" der Firma "TEXACO" zu erwerben. Beispiele acrylgruppenhaltiger
Produkte sind die Ester der Glykole mit entsprechenden Säuren, z.B. Acrylsäure. Zu
den unter (II) genannten Substanzen gehören z.B. die in der Polymethanchemie gängigen
Polyester, die u.a durch die Firma BAYER AG unter dem Handelsnamen "Desmophen" vertrieben
werden.
[0015] Bei der Verwendung flüssiger Vorlagen wird gegebenenfalls vor bzw. nach der Emulgierung
der Vorlage dem System ein Additiv (IV) (z.B. Vernetzer) zugesetzt, das durch Reaktion
mit den funktionellen Endgruppen der Verbindungen (I), (II) und/oder (III) zum Molekulargewichtsaufbau
in den Emulsionströpfchen, oder auch zur Reduzierung der Zahl der funktionellen Endgruppen
führt. Je nach Art und Menge der eingesetzten Mischkomponenten und des Additivs bilden
sich viskose oder feste Teilchen, deren kugelförmige Geometrie während und nach der
Reaktion erhalten bleibt.
[0016] Beispiele solche Vernetzer sind di- oder multifunktionelle Isocyanate mit unterschiedlicher
Struktur, die z.B. unter dem Handelsnamen "Desmodur" durch die Firma BAYER AG vertrieben
werden. Bei der Verwendung von tri- oder höherfunktionellen Glykolen ist der Einsatz
von Toluylen-diisocyanat als Vernetzer besonders bevorzugt. Zur Vernetzung sind jedoch
auch die in der Siliconchemie gängigen sog. Acetat-, Amin-, Benzamid-, Oxim- und Alkoxyvernetzer
einsetzbar. Vorzugsweise wird der Isocyanat-Vernetzer in solchen Mengen eingesetzt,
daß 20 bis 100 %, vorzugsweise bis 80 % der OH-Gruppen des Glykols umgesetzt werden.
Für den Umsatz von Allyl, bzw. vinylgruppenmodifizierte Verbindungen der Gruppen (I)
bis (III) sind radikalische Vernetzersysteme geeignet.
[0017] In den erfindungsgemäßen EVF ist die disperse Phase (das Reaktionsprodukt aus Vorlage
und (IV)), zu 10 bis 85 Gew.-%, vorzugsweise jedoch zu 40 bis 70 Gew.%, enthalten.
[0018] Als Dispersionsmedium für die disperse Phase werden, neben flüssigen Kohlenwasserstoffen,
wie z.B. Paraffine, Olefine und aromatische Kohlenwasserstoffe, vorzugsweise Silikonöle
wie Polydimethylsiloxane oder auch Polysiloxane mit höheren Alkylgruppen, fluorhaltige
Siloxane und flüssige Methylphenylsiloxane verwendet. Diese können allein, oder in
Kombination aus zwei oder mehreren Arten eingesetzt werden. Der Erstarrungspunkt der
Dispersionsmedien wird vorzugsweise niedriger als -30°C eingestellt, der Siedepunkt
größer als 150°C. Die Viskosität der Öle liegt bei Raumtemperatur zwischen 3 und 300
mm²/s. Im allgemeinen sind die niedrigviskosen Öle mit einer Viskosität von 3 bis
20 mm²/s zu bevorzugen, weil hiermit eine niedrigere Grundviskosität der EVF erreicht
wird.
[0019] Um Sedimentation zu vermeiden, sollte das Öl außerdem eine Dichte haben, die annähernd
der Dichte der dispersen Phase entspricht. So lassen sich z.B. durch die Verwendung
von fluorhaltigen Siloxanen, die als Reinsubstanz oder als Gemisch mit anderen Ölen
eingesetzt werden, erfindungsgemäße EVF herstellen, die trotz geringer Basisviskosität
auch über Wochen hinaus keine Sedimentation aufweisen.
[0020] Besonders geeignet zur Herstellung sedimentationsstabiler EVF sind fluorhaltige Siloxane
der allgemeinen Struktur:

[0021] Als Dispergiermittel für die disperse Phase können im Dispersionsmedium lösliche
Tenside verwendet werden, die z.B. von Aminen, Imidazolinen, Oxazolinen, Alkoholen,
Glykol oder Sorbitol abgeleitet sind. Auch können im Dispersionsmedium lösliche Polymere
eingesetzt werden. Geeignet sind z.B. Polymere, welche 0,1 bis 10 Gew.-% N und/oder
OH, sowie 25 bis 83 Gew.-% C₄-C₂₄-Alkylgruppen enthalten und ein Molekulargewicht
im Bereich von 5000 bis 1 000 000 aufweisen. Die N- und/oder OH-haltigen Verbindungen
in diesen Polymeren können z.B. Amin-, Amid-, Imid-, Nitril-, 5- bis 6-gliedrige N-haltige
heterocyclische Ringe, bzw. ein Alkohol sein, und die C₄-C₂₄-Alkylgruppen Ester von
Acryl- bzw. Methacrylsäure. Beispiele für die genannten N- und OH-haltigen Verbindungen
sind N,N-Dimethylaminoethylmethacrylat, tert-Butylacrylamid, Maleinimid, Acrylnitril,
N-Vinylpyrrolidon, Vinylpyridin und 2-Hydroxyethylmethacrylat. Die vorgenannten polymeren
Dispergiermittel haben gegenüber den niedermolekularen Tensiden im allgemeinen den
Vorteil, daß die hiermit hergestellten Dispersionen bezüglich des Absetzverhaltens
stabiler sind.
[0022] Für die Dispergierung in Siliconöl werden bevorzugt Polysiloxan-Polyether-Copolymere
eingesetzt, wie sie beispielsweise unter dem Handelsnamen "Tegopren" bei der Firma
GOLDSCHMIDT AG in Essen (BRD) verfügbar sind. Besonders bevorzugte Dispergiermittel
aus dieser Klasse sind Polysiloxan-Polyether mit einem Ethylenoxid-Propylenoxid-Gewichtsverhältnis
von ungefähr 1:1. Ein solches Produkt, mit einem Ethylenoxid-Propylenoxid Gewichtsverhältnis
von 49:51, wird bei der Firma GOLDSCHMIDT unter dem Namen "Tegopren 5830" geführt.
[0023] Neben den Polyether-Polysiloxanen stellen die Reaktionsprodukte von hydroxyfunktionellen
Polysiloxanen mit den unterschiedlichsten Silanen Dispergiermittel zur Herstellung
der erfindungsgemäßen EVF dar. Besonders bevorzugte Dispergiermittel aus dieser Substanzklasse
sind die Umsetzungsprodukte eines hydroxyfunktionellen Polysiloxans mit Aminosilanen.
[0024] Das Dispergiermittel soll in der EVF in Mengen von 0,1 bis 4 Gew.-%, vorzugsweise
0,5 bis 3 Gew.-%, vorhanden sein.
[0025] Für erfindungsgemäße, mit Silikonöl hergestellte EVF gilt, daß sie absetzstabil,
physiologisch indifferent (ungiftig), und mit elastomeren Werkstoffen, insbesondere
mit Gummi bestens verträglich sind. Außerdem sind sie innerhalb eines ungewöhnlich
weiten Temperaturbereichs wärme- und kältebeständig und weisen nur eine geringfügige
Druckabhängigkeit der Viskosität auf. Darüber hinaus haben die erfindungsgemäßen elektroviskosen
Dispersionen eine hohe elektrische Durchschlagsfestigkeit. Als weiterer Vorteil ist
hervorzuheben, daß die beschriebenen EVF absetzstabil und nicht abrasiv sind und trotz
hoher Volumenanteile an disperser Phase geringe Basisviskositäten aufweisen.
[0026] Bei einer typischen Art der Herstellung der erfindungsgemäßen EVF wird die Vorlage
mit dem reaktiven Additiv, bzw. dem Vernetzer vermischt. Nach Homogenisierung der
Komponenten wird das Gemisch in einer, das Dispergiermittel enthaltenden, flüssigen
Phase dispergiert. Hierzu können, um einen entsprechenden Dispergiergrad zu erreichen,
Scherhomogenisatoren, Hochdruckhomogenisatoren oder Ultraschall verwendet werden.
Die Dispergierung sollte jedoch so durchgeführt werden, daß die Teilchengröße 200
µm, vorzugsweise 100 µm, nicht überschreitet. Gegebenenfalls läßt man nach erfolgter
Dispergierung das Produkt bei einer geeigneten Temperatur, die abhängig von der Reaktivität
des Vernetzers typischerweise in einem Bereich von 0°C, vorzugsweise 15°C, bis 150°C
liegt, über längere Zeit ausreagieren.
[0027] Bei einer alternativen Herstellungsweise wird der Vernetzer erst nach dem Dispergiervorgang
in die Dispersion eingemischt.
[0028] Bei einer anderen Art der Herstellung wird die Vorlage mit oder ohne Tensid, bzw.
Additiv (IV) zu einem feinen Pulver versprüht, und das entstandene Pulver nachträglich
in die flüssige Phase eindispergiert.
[0029] Die so hergestellten EVF wurden in einem modifizierten Rotationsviskosimeter, wie
es bereits von W.M. Winslow in J. Appl. Phys. 20 (1949), Seiten 1137 bis 1140 beschrieben
wurde, untersucht.
[0030] Die Elektrodenfläche des inneren rotierenden Zylinders mit einem Durchmesser von
50 mm beträgt ca. 78 cm², die Spaltweite zwischen den Elektroden 0,50 mm. Bei den
dynamischen Messungen kann die Scherbelastung mit maximal 2640 s⁻¹ eingestellt werden.
Der Meßbereich der Schubspannung des Viskosimeters beträgt maximal 750 Pa. Die Anregung
der EVF kann sowohl mit Gleichspannung als auch mit Wechselspannung erfolgen.
[0031] Bei Anregung mit Gleichspannung können bei einigen Flüssigkeiten neben der spontanen
Erhöhung der Viskosität oder der Fließgrenze beim Einschalten des Feldes auch noch
elektrophoretische Abscheidevorgänge der festen Teilchen auf den Elektrodenoberflächen
wahrgenommen werden, insbesondere bei kleinen Schergeschwindigkeiten, bzw. bei statischen
Messungen. Daher wird die Prüfung der EVF bevorzugt mit Wechselspannung und bei dynamischer
Scherbeanspruchung durchgeführt. Man erhält so gut reproduzierbare Fließkurven.
[0032] Zur Bestimmung der Elektroreaktivität stellt man eine konstante Schergeschwindigkeit
0<D<2640 s⁻¹ ein und mißt die Abhängigkeit der Schubspannung τ von der elektrischen
Feldstärke E. Mit der Prüfapparatur können Wechselfelder bis zu einer maximalen effektiven
Feldstärke von 2370 kV/m bei einem maximalen effektiven Strom von 4 mA und einer Frequenz
zwischen 50 und 550 Hz erzeugt werden. Vorzugsweise wird jedoch bei 50 Hz gemessen,
weil dann der Gesamtstrom am niedrigsten, und dadurch die benötigte elektrische Leistung
am geringsten ist. Man erhält dabei Fließkurven entsprechend der Fig. 1. Man erkennt,
daß die Schubspannung τ bei kleinen Feldstärken zunächst parabelförmig und bei größeren
Feldstärken linear ansteigt. Die Steigung S des linearen Teils der Kurve kann aus
der Abbildung entnommen werden und wird in Pa.m/kV angegeben. Aus dem Schnittpunkt
der Geraden S mit der Geraden τ=τ
o (Schubspannung ohne elektrisches Feld) wird der Schwellwert Eo der elektrischen Feldstärke
in kV/m bestimmt. Für die Erhöhung der Schubspannung τ(E)-τ
o im elektrischen Feld E>Eo gilt:
τ(E)-τ
o=S(E-E
o).
[0033] Bei den nachfolgend beschriebenen Ausführungsbeispielen entsprechen die Vergleichsansätze
1 bis 3 dem Stand der Technik. Ihnen liegen die Beispiele 6,7 und 9 von DE 3 536 934
A1 zugrunde. Die in diesen Beispielen beschriebenen Flüssigkeiten zeichnen sich durch
besonders gute elektroviskose Eigenschaften aus.
[0034] Bei den Beispielen 1 bis 12 handelt es sich um erfindungsgemäße EVF.
[0035] In Tabelle I sind die elektroviskosen Eigenschaften der erfindungsgemäßen EVF I bis
11, sowie der Vergleichsproben bei unterschiedlichen Temperaturen aufgeführt.
[0036] In Fig. 2 bis 4 ist der Zusammenhang zwischen einigen Eigenschaften (Elektroviskoser
Effekt S, Schwellwert der elektrischen Feldstärke E
o und Viskosität V bei einer Umlaufgeschwindigkeit des Rotors von 1 000 U/min.) der
in den Beispielen 1 bis 5 beschriebenen EVF und der Menge der mit Isocyanat umgesetzten
Hydroxylgruppen bei einer Meßtemperatur von 25°C dargestellt. Zum Vergleich geben
die Pfeile an der Ordinate typische Werte für eine EVF gemäß Vergleichsbeispiel 2
wieder. Besonders hervorzuheben ist, daß viele erfindungsgemäße EVF sich trotz geringer
Viskosität und geringer Schwellfeldstärke durch sehr gute elektroviskose Effekte kennzeichnen.

Beispiel 1
[0037] 1,25 g des Dispergiermittels (a) werden in 20 g des Dispersionsmediums (a) gelöst.
In einem Becherglas von 100 ml wird in diese Lösung mittels eines Rotor-Stator-Scherhomogenisators
(Ultra-Turrax T25 der Firma IKA Labortechnik) 17,5 g des bifunktionellen Glykols (a)
bei 25°C emulgiert. Die Emulgierzeit bei einer Umlaufgeschwindigkeit des Rotors von
10 000 U/min beträgt 3 min. Zu der fertigen Emulsion wird unter Rühren 7,61 g des
Vernetzers (a) zugetropft. Diese Vernetzermenge führt bei einer quantitativen Reaktion
zum stöchiometrischen Umsatz der Hydroxylgruppen im Glykol. Diese Einsatzmenge entspricht
somit einem OH-Umsatz von 100 Mol-%. Die Proben wurden nach Zugabe des Vernetzers
48 Stunden mit einem Propellerrührer bei niedriger Umlaufgeschwindigkeit nachgerührt.
Beispiel 2
[0038] Entsprechend der unter Beispiel 1 angegebenen Arbeitsweise wurde eine EVF hergestellt,
jedoch mit einer Vernetzermenge von 5,71 g. Dies entspricht einem OH-Umsatz von 75
Mol-%.
Beispiel 3
[0039] Herstellung gemäß Beispiel 1, jedoch mit einer Vernetzermenge von 3,81 g (OH-Umsatz
50 Mol-%).
Beispiel 4
[0040] Herstellung gemäß Beispiel 1, jedoch mit einer Vernetzermenge von 1,90 g (OH-Umsatz
25 Mol-%).
Beispiel 5
[0041] Die EVF wurde entsprechend der unter Beispiel 1 angegebenen Arbeitsweise hergestellt.
Es wurde jedoch kein Vernetzer zugegeben, so daß der Umsatz der Hydroxylgrupen des
Glykols 0 Mol-% beträgt.
Beispiel 6
[0042] 0,6 g des Dispergiermittels (b) werden in 20 g des Dispersionsmediums (a) gelöst.
17,5 g des Glykols (a) werden mit 7,61 g des Vernetzers (a) vermischt. Diese Vernetzermenge
führt bei einer quantitativen Reaktion zum stöchiometrischen Umsatz der Hydroxylgruppen
im Glykol und entspricht somit einem OH-Umsatz von 100 Mol-%. Das Gemisch wird sofort
nach der Herstellung gemäß Beispiel 1 in die Dispergiermittel-Lösung emulgiert. Nachträglich
wurden die Proben 48 Stunden bei Raumtemperatur ausreagiert.
Beispiel 7
[0043] Entsprechend der unter Beispiel 6 angegebenen Arbeitsweise wurde eine EVF hergestellt,
jedoch mit einer Vernetzermenge von 5,71 g. Dies entspricht einem OH-Umsatz von 75
Mol-%.
Beispiel 8
[0044] Herstellung gemäß Beispiel 6, jedoch mit einer Vernetzermenge von 3,81 g (OH-Umsatz
50 Mol-%).
Beispiel 9
[0045] Herstellung gemäß Beispiel 6, jedoch mit einer Vernetzermenge von 1,90 g (OH-Umsatz
25 Mol-%).
Beispiel 10
[0046] 0,6 g des Dispergiermittels (b) werden in 20 g des Dispersionsmediums (a) gelöst.
17,5 g des trifunktionellen Glykols (b) werden mit 6,79 g des Vernetzers (a) vermischt.
Diese Vernetzermenge führt bei einer quantitativen Reaktion zum stöchiometrischen
Umsatz der Hydroxylgrupen im Glykol und entspricht somit einem OH-Umsatz von 100 Mol-%.
Das Gemisch wird sofort nach der Herstellung gemäß Beispiel 1 in die Dispergiermittel-Lösung
emulgiert Nachträglich wurden die Proben 8 Stunden bei 90°C ausreagiert.
Beispiel 11
[0047] 0,5 g des Dispergiermittels (b) werden in 20 g des Dispersionsmediums (a) gelöst.
15,0 g des bifunktionellen Glykols (a) werden mit 4,14 g des Vernetzers (b) vermischt.
Diese Vernetzermenge führt bei einer quantitativen Reaktion zu einem OH-Umsatz von
75 Mol-%. Das Gemisch wird sofort nach der Herstellung gemäß Beispiel 1 in die Dispergiermittel-Lösung
emulgiert Nachträglich wurden die Proben 48 Stunden bei Raumtemperatur ausreagiert.
Beispiel 12
[0048] 0,6 g des Dispergiermittels (b) werden in 20 g des Dispersionsmediums (b) gelöst.
17,5 g des trifunktionellen Glykols (b) werden mit 6,79 g des Vernetzers (a) vermischt.
Diese Vernetzermenge führt bei einer quantitativen Reaktion zum stöchiometrischen
Umsatz der Hydroxylgruppen im Glykol und entspricht somit einem OH-Umsatz von 100
Mol-%. Das Gemisch wird sofort nach der Herstellung gemäß Beispiel 1 in die Dispergiermittel-Lösung
emulgiert. Nachträglich wurden die Proben 8 Stunden bei 90°C ausreagiert.
[0049] Zentrifugation der Probe (30 min bei 2000 g) führte, trotz der niedrigen Viskosität
zu keiner sichtbaren Abtrennung der dispersen Phase vom Dispersionsmedium. Bei einer
Vergleichsprobe gemäß Vergleichsbeispiel 2 hatte sich jedoch die disperse Phase als
festes Sediment auf den Boden des Zentrifugenröhrchens abgesetzt. Dieses Sediment
war nur durch starke Scherbeanspruchung wieder zu redispergieren.
Vergleichsbeispiel 1
[0050] Gemäß Beispiel 6 des Patentes DE 3 536 934 A1 wurden 50 Gew.-Teile eines Erionits
(Zusammensetzung: 62 Gew.-% SiO₂, 18 Gew.-% Al₂O₃, 10 Gew.-% Na₂O) in 50 Gew.-Teile
eines Polydimethylsiloxan-Siliconöls mit einer Viskosität von 5 mm²/s (bei 25°C) eindispergiert.
Die Feuchte des Erionits nach DIN 55 921 betrug 6 Gew.-%. Als Dispergiermittel wurden
2,5 Gew.-Teile des in der Patentschrift beschriebenen Dispergiermittels 1 (aminofunktionelles
Siloxan) eingesetzt.
Vergleichsbeispiel 2
[0051] Gemäß Beispiel 7 des Patentes DE 3 536 934 A1 wurden 40 Gew.-Teile eines Al-Silikates
(Zusammensetzung: 75 Gew.-% SiO₂, 9 Gew.-% Al₂O₃, 7 Gew.-% Na₂O) in 60 Gew.-Teile
eines Polydimethylsiloxan-Siliconöls mit einer Viskosität von 5 mm²/s (bei 25°C) eindispergiert.
Die Feuchte des Al-Silikates nach DIN 55 921 betrug 6 Gew.-%. Als Dispergiermittel
wurden 6 Gew.-Teile des in der Patentschrift beschriebenen Dispergiermittels 1 eingesetzt.
Vergleichsbeispiel 3
[0052] Gemäß Beispiel 9 des Patentes DE 3 536 934 A1 wurden 50 Gew.-Teile eines Zeoliths
Y (Na-Form) (Zusammensetzung: 58 Gew.-% SiO₂, 20 Gew.-% Al₂O₃, 12 Gew.-% Na₂O) in
50 Gew.-Teile eines Polydimethylsiloxan-Siliconöls mit einer Viskosität von 5 mm²/s
(bei 25°C) eindispergiert. Die Feuchte des Zeoliths Y nach DIN 55 921 betrug 6 Gew.-%.
Als Dispergiermittel wurden 2,5 Gew.-Teile des in der Patentschrift beschriebenen
Dispergiermittels 1 eingesetzt.

1. Elektroviskose Flüssigkeiten, enthaltend im wesentlichen
A) einen linearen und/oder verzweigten, gegebenenfalls funktionalisierten Polyether
oder dessen Monomere, das Umsetzungsprodukt eines solchen Polyethers bzw. der Monomere
mit mono- oder oligofunktionellen Verbindungen und gegebenenfalls zusätzlich weitere
Additive,
B) Dispergiermittel sowie
C) ein Nicht-wäßriges Dispersionsmedium.
2. Elektroviskose Flüssigkeiten gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Phase
A) während des Dispergiervorganges in flüssiger Form vorliegt, gegebenenfalls jedoch
durch den Zusatz von reaktiven Additiven vor, während oder nach der Dispergierung
in eine höherviskose bzw. feste Form überführt wird.
3. Elektroviskose Flüssigkeit gemäß einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
daß sie als Komponente C) ein Siliconöl enthält.
4. Elektroviskose Flüssigkeit gemäß einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet,
daß sie als Komponente C) ein fluorhaltiges Siloxan, gegebenenfalls im Gemisch mit
fluorfreien Siloxanen, enthält.
5. Elektroviskose Flüssigkeit gemäß einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
daß sie als Komponente C) einen Kohlenwasserstoff enthält.
6. Elektroviskose Flüssigkeiten gemäß einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet,
daß sie als Komponente B) ein Polysiloxan-Polyether-Copolymerisat enthält.
7. Elektroviskose Flüssigkeiten gemäß einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet,
daß sie als Komponente B) Alkoxy- bzw. ein Acetoxypolysiloxan enthält.