[0001] Die Erfindung betrifft oberflächenvergütete Gläser in Primärpackmitteln von Lyophilisaten
und deren Verwendung bei der Herstellung von Lyophilisaten.
[0002] Feuchtigskeitsempfindliche Arzneistoffe, die parenteral durch Infusion oder Injektion
angewandt werden sollen, müssen zur Lagerung stabilisiert werden. Ein übliches Verfahren
ist die Trocknung der Arzneistofflösungen mittels Lyophilisation. Dazu werden wäßrige
Lösungen der Arzneistoffe in Glasampullen, -vials oder -stechkappenflaschen gefüllt,
eingefroren und bei vermindertem Druck gefriergetrocknet. Glasampullen werden nach
beendeter Trocknung außerhalb des Gefriertrockners zugeschmolzen, Vials und Stechkappenflaschen
können im Gefriertrockner mit den bereits vorher aufgesetzten Gefriertrockenstopfen
verschlossen werden.
[0003] Für die pharmazeutische Qualität des Produktes sind in erster Linie die Zusammensetzung
und Konzentration der Hilfsstoffe enthaltenden Wirkstofflösung, die Art und Weise
des Einfrierens mit dem jeweiligen Temperaturgradienten sowie die Endtemperatur von
Bedeutung. Weiterhin beeinflussen der Temperatur- und Druckverlauf sowie die Zeit
der Gefriertrocknung, die Schichtdicke der zu gefriertrocknenden Lösung, die Behältergeometrie
hinsichtlich der Kontaktfläche zur kühl- und beheizbaren Stellplatte sowie die Feuchte
beim Produktverschluß die pharmazeutische Qualität.
[0004] Für die produktionsmäßige Fertigung sind ebenso entscheidend die zuverlässige exakte
Volumendosierung der zu trocknenden Lösung in das Behältnis hinein, ohne daß Lösung
an den Ampullenhals oder an den Vialrand gelangt, sowie die Vermeidung aller Umstände,
die zu Produktresten in Spieß oder Schulter der Ampullen bzw. zwischen der Kontakt-
und Dichtfläche zwischen Vial und Stopfen führen können. Letzeres trägt im Rahmen
der Gewährleistung der Gehaltshomogenität in den einzelnen Ampullen oder Vials einer
Charge und der Gehaltskonformität von Charge zu Charge entscheidend mit dazu bei,
die Entnehmbarkeit der deklarierten Dosis sicherzustellen sowie Risiken für die Produktstabilität,
die bei Produktanhaftungen an der Dichtfläche des Vialrandes mit dem Stopfen durch
unzureichende Dichtung entstehen, zu vermeiden.
[0005] Die Produktreste im Hals von Ampullen sind in der Sichtkontrolle der Bulkware (dies
sind die bereits verschlossenen Produktbehälter) erkennbar und müssen aussortiert
werden. Die mangelnde Konsistenz und Form des Produktkuchens führt im Fall von Ampullen
zu einem Herstell- oder Ausbeuteverlust, der je nach Rohstoff- und Fertigungskosten
die Herstellung unterschiedlich stark verteuert. Die Produktanhaftung zwischen der
Dichtfläche von Vials mit ihren Stopfen ist in der Sichtkontrolle der Bulkware nicht
ohne weiteres erkennbar, nach dem Aufbringen der Schutzkappen ist sie vollständig
verborgen. Diese Undichtigkeit führt zum unkontrollierten Eindringen von Luftfeuchtigkeit
in die Vials bei Lagerung und birgt damit die Gefahr einer hydrolytischen Zersetzung
der Wirkstoffe in sich.
[0006] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, die oben beschriebenen Nachteile zu vermeiden.
[0007] Diese Aufgabe wurde dadurch gelöst, daß durch Silikonisierung oberflächenvergütete
Gläser bei der Herstellung von Lyophilisaten und in Primärpackmitteln für Lyophilisate
eingesetzt werden.
[0008] Zwar ist bekannt, daß silikonisierte Glasoberflächen unter der Bezeichnung "Glasgüte
II" eingesetzt werden (Hartke, Mutschler, Herausgeber, DAB 9 Kommentar, Band I, Seite
353, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, Govi Verlag GmbH, Frankfurt
1987). Entsprechend dem Stand der Technik wird die Silikonisierung bei Injektionsflaschen
und -ampullen angewandt, um beim Entleeren "das Ablaufen von Flüssigkeitsresten zu
erleichtern, was insbesondere bei teuren Füllgütern wie Antibiotika Bedeutung hat"
(H.Sucker, P.Fuchs, P.Speiser, Hrsg. Pharmazeutische Technologie Seite 762, Georg
Thieme Verlag Stuttgart 1978); US-P 2,504,482; GB-Patent 702,292. Eine andere Anwendung
dient zur Erhöhung der hydrolytischen Resistenz, eine Anwendung, die jedoch in Fachkreisen
umstritten ist (Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, 4. Ausgabe, Band 7, Teil
A, Seite 373, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1971). Im weiteren kann
die Silikonisierung bei Spritzen zur Reduzierung der Reibung des Kolbens oder des
Stopfens (im Falle der Zweikammerspritze) mit dem Spritzenzylinder eingesetzt werden.
Im Falle von an Gläsern adsorbierenden Wirkstoffen z.B. aus den Substanzklassen Peptide
und Proteine dient die Silikonisierung zur Verringerung der Glasadsorption; Franz
et al. US-P 3,717,498.
[0009] Aufgrund der bisherigen Verwendungszwecke silikonisierter Gläser war es nicht vorhersehbar,
durch ihren Einsatz die Kompaktheit und Kohärenz des Lyophilisates in der Weise verbessern
zu können, daß eine fehlerfreie Lyophilisation des Produktes ermöglicht wird. Infolge
der extremen Verbesserung der Kohärenz, Kompaktheit und Geometrie des getrockneten
Produktes wird seine unerwünschte Verteilung innerhalb des Behältnisses in Schulter,
Spieß oder an die Stopfenkontaktfläche des Gefäßes vermieden.
[0010] Demgemäß betrifft eine weitere Ausgestaltung der Erfindung ein Verfahren zur Verhinderung
des Produktausschusses von Lyophilisaten, indem das zu lyophilisierende Produkt in
an der jeweiligen Innenseite mit einer Silikonschicht vergütete gläserne Primärpackmittel
verbracht wird und unter Bildung einer kompakten Produktvorlage lyophilisiert wird.
[0011] Beim Einfrieren entsteht dabei ein maximal dichter und optimal geformter Eiskörper,
der wesentlich gleichmäßiger zu lyophilisieren ist als ein unterschiedliche Schichtdicken
enthaltender Eiskörper.
[0012] Im Falle der Lyophilisation eines Prostaglandin E₁ Produktes, das neben PGE₁ auch
α-Cyclodextrin und Lactose enthält, wird bei Verwendung des dem Stand der Technik
entsprechenden Primärpackmittels der Glasgüte I (d.h. besonders natriumarmen und damit
im Kontakt mit wäßrigen Lösungen deren pH nicht verändernden Glases, Klassifizierung
nach gültigen Pharmakopoen, z.B. Ph. Eur. oder USP XII) circa 10 % Produktausschuß
bei der Gefriertrocknung des Produktes in Ampullen erhalten. Dieser Produktausschuß
wird verursacht durch einen Produktkuchen mangelnder Kohärenz und zu geringer mechanischer
Stabilität, der zur Verteilung von Lyophilisat im gesamten Behäter in ca. 10 % der
Ampullen jeder Charge führt. Dieser Produktverlust erhöht im Falle der Verwendung
von Ampullen die Produktionskosten, im Falle von Vials oder Stechkappenflaschen kann
die Lagerstabilität unvorhersehbar verringert werden. Die Versuche, über die Modifikation
der Gefriertrocknungsbedingungen den Produktausschuß zu verringern, verliefen erfolglos.
[0013] Überraschenderweise zeigte sich jedoch, daß die Verwendung von durch Silikonisierung
oberflächenvergütetem Glas die o.g. Produktmängel beseitgt.
[0014] Das Ausführungsbeispiel, ohne darauf beschränkt zu sein, erläutert die Erfindung.
Ausführungsbeispiel
[0015] Glasampullen der Glasgüte I wurden im Sprühverfahren auf einer Bausch & Ströbel Waschsilikonisiermaschine
unter Verwendung einer 1 %-igen Silikonemulsion durch Zugabe von 550 ml Baysilon H®,
das in 55 Liter denaturiertem Wasser gelöst war, silikonisiert. Baysilon H® ist eine
wässrige Emulsion aus Polydimethylsiloxan der Fa. Bayer AG, Leverkusen, Deutschland.
[0016] Die Trocknung bzw. das Einbrennen des Silikons erfolgt in einem Durchlaufofen, wobei
die Durchlaufzeit 40 Minuten bei einer Temperatur von 300°C beträgt. Die silikonisierten
Ampullen sind einem dreimaligen Waschprozeß mit bi-destilliertem Wasser bei 50°C und
einer anschließenden Sterilisationsphase von 3 Minuten mit 300°C auszusetzen, ohne
daß der Silikonfilm beschädigt wird.
[0017] Eine Lösung mit einer Zusammensetzung pro Ampulle von 20 µg PGE₁ als circa 3 %iger
Einschlußkomplex des α-Cyclodextrins und 50 mg Lactose ·H₂O in 400 µl Wasser wurde
für Injektionszwecke hergestellt. Diese Lösung wurde volumendosiert in alternativ
5 ml Glasampullen, Glas Güteklasse I, bzw. 5 ml Glasampullen, Glasgüte I mit zusätzlicher
Einbrennsilikonisierung, die mit einer handelsüblichen wäßrigen Silikonölemulsion
aufgebracht worden war, wie oben beschrieben, gefüllt.
[0018] Die PGE₁-Lösung enthaltenden Glas-Ampullen wurden anschließend einem Standardlyophilisations-Verfahren
unterworfen und einem gleichen Verfahren, jedoch mit Variationen bezüglich Gefriertrocknungszeit,
Temperatur und Trocknungszeit.
[0019] Das Standard-Lyophilisationsverfahren wird, wie folgt, beschrieben:
1. Die Gefrierkammer wird mit den PGE₁-enthaltenden Ampullen unter Stickstoffbelüftung
beladen.
2. Einfrieren
Die Anfangstemperatur beträgt + 25°C bis + 30°C. Innerhalb 8 Std. wird dann unter
Stickstoffatmosphäre auf -40°C eingefroren. Weitere 30 Std. wird die Einfriertemperatur
bei -40°C gehalten.
3. Haupttrocknung
8 Std. erfolgt bei -40°C die Haupttrocknung unter Stickstoffatmosphäre. Danach wird
in 5 Std. auf +25°C erwärmt. Anschließend wird die Temperatur mindestens 6 weitere
Stunden bei +25°C konstant gehalten.
Das Vakuum beträgt 5 x 10⁻² mbar. Die Heizleistung beträgt 12 KW.
4. Nachtrocknung
Mindestens weitere 7 Std. wird bei +25°C unter Stickstoffatmosphäre getrocknet. Das
Vakuum beträgt hierbei 10⁻³ mbar.
[0020] Die Ampullen werden schließlich der Kammer entnommen und durch Abschmelzen der Ampullenenden
versiegelt.
[0021] Die Ergebnisse des Lyophilisationsprozesses und deren Variationen sind in Tabelle
1 zusammengefaßt.

1. Gläserne Primärpackmittel für Lyophilisate, dadurch gekennzeichnet, daß die jeweils
innere Glasoberfläche eine Silikonbeschichtung aufweist.
2. Verfahren zur Verhinderung des Produktausschusses von Lyophilsaten, dadurch gekennzeichnet,
daß das zu lyophilisierende Produkt in an der jeweiligen Innenseite mit einer Silikonschicht
vergütete gläserne Primärpackmittel verbracht wird und unter Bildung einer kompakten
Produktvorlage lyophilisiert wird.
3. Verwendung von gläsernen Primärpackmitteln mit einer Silikonbeschichtung der jeweils
inneren Glasoberfläche zur Herstellung von Lyophilisaten.