(19)
(11) EP 0 509 200 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
21.10.1992  Patentblatt  1992/43

(21) Anmeldenummer: 92102032.7

(22) Anmeldetag:  07.02.1992
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C06B 21/00, C06B 25/34, C06B 23/00, F26B 17/28
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE FR GB IT LI SE

(30) Priorität: 11.04.1991 DE 4111752

(71) Anmelder: FRAUNHOFER-GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DER ANGEWANDTEN FORSCHUNG E.V.
D-80636 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Müller, Dietmar, Dipl.-Chem.
    W-7500 Karlsruhe 41 (DE)
  • Helfrich, Mathias, Dipl.-Ing.
    W-6740 Landau (DE)
  • Mandt, Michael
    W-7500 Karlsruhe 1 (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung phlegmatisierter Sprengstoffe


    (57) Bei einem Verfahren zur Herstellung von phlegmatisiertem, hochenergetischem Sprengstoff, insbesondere Hexogen (RDX), als Bestandteil kunststoffgebundener Sprengstoffe oder Treibladungspulver wird der partikelförmige Sprengstoff mit einer Korngröße bis 20 µm mit einem phlegmatisierenden Polymer in wäßriger Dispersion aufgeschlämmt, die Schlämme auf eine umlaufende, beheizte Walze aufgetragen, der Auftrag bei einer Temperatur > 100 °C getrocknet und nach dem Trocknen von der Walze abgeschabt.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von phlegmatisiertem, hochenergetischem Sprengstoff, insbesondere Hexogen (RDX) oder Oktogen (HMX), als Bestandteil kunststoffgebundener Sprengstoffe oder Treibladungspulver, indem der partikelförmige Sprengstoff mit einem phlegmatisierenden Polymer aus wäßriger Phase überzogen wird.

    [0002] Bei Treibladungspulvern, wie auch bei kunststoffgebundenen Sprengstoffen ist es bekannt, als wesentliche Komponente hochenergetische Sprengstoffe, wie Hexogen, Oktogen oder dergleichen, beizumischen. Hexogen und Oktogen zeichnen sich durch eine für ihren Einsatz bestimmende hohe Energie bzw. Brisanz aus, die jedoch für die Verarbeitung erhebliche Probleme mit sich bringt. Die hohe Reib- und Schlagempfindlichkeit führt zu einem entsprechend hohen Sicherheitsrisiko. Dieses Sicherheitsrisiko ist um so höher, je breiter die Kornverteilung und je größer der Grobkornanteil ist, da es dann beispielsweise in einem Treibladungspulver (propellant grains) zu Einzelkorn-Detonationen kommen kann. Solche Einzelkorn-Detonationen sind auch in der Anwendung, insbesondere bei Einsatz in Lova-TLP unerwünscht. Der Grobkornanteil führt beispielsweise bei TLP-Abbrandunterbrechungen zu Lochbrand, wodurch sich die Geometrie des Treibladungskörpers unkontrolliert verändert und somit das Abbrandverhalten und die Ballistik negativ beeinflußt werden.

    [0003] Um das sicherheitstechnische Risiko bei der Verarbeitung und die anwendungstechnischen Nachteile zu reduzieren, ist es bekannt, diese hochenergetischen Sprengstoffe zu phlegmatisieren (DE-OS 37 11 995). Zu diesem Zweck wird der Sprengstoff angefeuchtet und beispielsweise in einem Zwangsmischer unter gleichzeitiger Erwärmung mit Wachs überzogen. Ferner ist es bekannt, den körnigen Sprengstoff in einem Kneter oder Mischer mit einem in flüssiger Phase vorliegenden Phlegmatisator zu überziehen. Zu diesem Zweck wird der eigentliche Phlegmatisator mit einem Lösungsmittel gelöst, gegenüber welchem der Sprengstoff nicht oder nur wenig löslich ist. Der körnige Sprengstoff wird in die Lösung nahe deren Siedetemperatur eingemischt.

    [0004] Nach dem Abzug des Lösungsmittels und der eventuell noch vorhandenen Wasserfeuchtigkeit wird im gleichen Mischer granuliert. Dies geschieht im Rahmen einer sogenannten Aufbaugranulierung, indem bei einer Kornverteilung zwischen 1 und 100 µm der Kornanteil bis 50 µm gesondert granuliert und agglomeriert sowie mit einer gemeinsamen Phlegmatisatschicht überzogen wird, während groberes Korn einzeln mit dem Phlegmatisator überzogen wird. Im Falle von Hexogen (RDX) wird als Phlegmatisator ein Wachs vorgeschlagen, das in Perchlorethylen gelöst wird. Ferner wird Graphitpulver zugegeben, das gleichfalls eine phlegmatisierende Wirkung hat, insbesondere elektrostatischen Aufladungen vorbeugt.

    [0005] Ein solchermaßen hergestellter hochenergetischer Sprengstoff weist eine breite Kornverteilung mit einem hohen Anteil von Grobkorn auf, das nicht nur die vorgenannten Nachteile bei der Verarbeitung zeigt, sondern auch für gewisse anwendungstechnische Mängel verantwortlich ist. Diese Sprengstoffe lassen sich auch nicht bei der ansonsten sehr vorteilhaften Verarbeitung von Treibladungspulvern und Sprengstoffmischungen in Extrudern, insbesondere Doppelschnecken-Extrudern (twin screw extruder) zusetzen, da das Sicherheitsrisiko zu groß ist.

    [0006] Schließlich ist es bekannt (DE-C-39 34 368), den Phlegmatisator unmittelbar in das Sprengstoffkorn einzubauen, indem der Sprengstoff gelöst und in gelöster Form mit dem Phlegmatisator in flüssiger Phase gemischt und die Mischung durch Sprühtrocknen in die feste Phase mit einer Korngröße bis zu 5 µm übergeführt wird. Als Phlegmatisator werden beispielsweise eingesetzt: Dibutylphthalat (DBP) oder Di-(2-ethylhexyl)-adipinat (DOA). Die Reibempfindlichkeit, die die maßgebliche physikalische Größe für die sichere Verarbeitung im Extruder ist, liegt bei Einsatz von DOA bei 30 kg, bei Einsatz von DBP bei 14,4 kg Stiftbelastung. Von Nachteil bei diesem Verfahren ist das Arbeiten mit Lösungsmittel, was entsprechende Vorkehrungen zur Einhaltung der zulässigen Arbeitsplatzkonzentrationen, wie auch zur Vermeidung von Umweltbelastungen erfordert.

    [0007] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren der eingangs genannten Art vorzuschlagen, das einerseits ohne umweltbelastende Lösungsmittel auskommt, andererseits zu phlegmatisierten Sprengstoffen geringer Reibempfindlichkeit führt.

    [0008] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß der partikelförmige Sprengstoff mit einer Korngröße bis 20 µm mit dem Polymer in wäßriger Dispersion aufgeschlämmt, die Schlämme auf eine umlaufende, beheizte Walze aufgetragen, der Auftrag bei einer Temperatur > 100 °C drucklos getrocknet und nach dem Trocknen von der Walze abgeschabt wird.

    [0009] Das erfindungsgemäße Verfahren läßt sich kontinuierlich durchführen und bedarf keiner besonderen Vorkehrungen zum Arbeitsplatz- bzw. Umweltschutz, da in wäßriger Phase gearbeitet wird. Im Verein mit der geringen Korngröße läßt sich eine homogene Dispersion erzielen, die auf die Walze ohne sicherheitstechnisches Risiko aufgetragen werden kann und drucklos durch bloßes Abdampfen getrocknet wird. Nach dem Abschaben der getrockneten Schicht sind die Sprengstoffpartikel mit dem Polymer homogen beschichtet. Das der Phlegmatisierung dienende Polymer bildet vorzugsweise zugleich den Kunststoffbinder für den fertigen Sprengstoff bzw. das fertige Treibladungspulver, wobei das Polymer in der für das Endprodukt erforderlichen Menge oder einem Teil derselben zugegeben wird.

    [0010] Als besonders vorteilhaft hat sich erwiesen, das Polymer aus der Gruppe Styrol-1,3-Butadien-Acrylnitril, Vinylpropionat-Acrylat auszuwählen, wobei das Polymer vorzugsweise in einer 50 bis 55%igen wäßrigen Dispersion verwendet wird.

    [0011] Statt dessen kann als Polymer auch Polyvinylalkohol verwendet werden, wobei die wäßrige Dispersion zusätzlich Glycerin enthält.

    [0012] Vorzugsweise wird der wäßrigen Dispersion ein oberflächenaktives Additiv zugegeben. Beispielsweise kann als oberflächenaktives Additiv hochdisperses, amorphes Siliciumdioxid verwendet werden.

    [0013] Das vorgenannte Additiv verhindert aufgrund seiner oberflächenaktiven Wirkung die Entstehung von Dampfblasen, die wiederum zum Aufspringen und gegebenenfalls Abplatzen der Schicht führen werden. Ferner wird die Fließfähigkeit und die Qualität des Auftrags verbessert.

    [0014] Eine ausreichende Phlegmatisierung wird dann erhalten, wenn der Sprengstoff mit 5 bis 25 Gew% Polymer in wäßriger Dispersion aufgeschlämmt wird.

    [0015] Der Sprengstoff wird vorzugsweise mit einer Korngröße bis zu 10 um verwendet, wobei das Korngrößenspektrum durchaus auch im Bereich zwischen 3 und 5 µm liegen kann.

    [0016] Die auf die Walze aufgetragene Schlämme wird vorzugsweise bei einer Walzentemperatur zwischen 110 °C und 150 °C, vorzugsweise < 140 °C getrocknet, womit sich relativ kurze Verweilzeiten erreichen lassen. Diese können beispielsweise im Bereich von 60 s und wenig darüber liegen, wenn eine Walze von mindestens 150 cm verwendet wird und die Schichtdicke < 10 mm beträgt.

    [0017] Ein erfindungsgemäß phlegmatisiertes RDX mit höherem Polymer-Gehalt, z. B. im Bereich von 15 bis 25 % läßt sich unmittelbar als Grundgranulat beim Extrudieren von LOVA-Treibladungspulver verwenden.

    [0018] In der Tabelle I gemäß Anlage ist eine Versuchsreihe mit Hexogen (RDX) der Korngröße 10 µm und verschiedenen Polymeren wiedergegeben und die jeweils festgestellte Reibempfindlichkeit und Schlagempfindlichkeit aufgeführt. Hierbei sind die Phlegmatisatoren mit Großbuchstaben angegeben, die in der Fußnote zu der Tabelle erläutert sind.

    [0019] Die besten Ergebnisse bezüglich Reib- und Schlagempfindlichkeit zeigen die Versuchsbeispiele mit 75 Gew% RDX und einer Dispersion aus dem Polymer D mit 15 Gew%, Glycerin mit 10 Gew% und Wasser. Die Reibempfindlichkeit liegt bei über 36 kg Stiftbelastung, die Schlagempfindlichkeit bei 0,55 kgm.

    [0020] Ähnlich gute Ergebnisse hinsichtlich der Reibempfindlichkeit zeigt das Beispiel mit 75 Gew% RDX und 25 Gew% Polymer A in Wasser dispergiert. Die Schlagempfindlichkeit beträgt in diesem Fall 0,35 kgm.

    [0021] Auch bei einem sehr hohen Hexogenanteil von 90 % wurde mit dem Polymer A mit 10 Gew%, dispergiert in Wasser, noch eine Reibempfindlichkeit von 32,4 kg Stiftbelastung und eine Schlagempfindlichkeit bei 0,30 kgm festgestellt.

    [0022] In Tabelle II sind die gleichen Daten für ein Hexogen kleinerer Korngröße (5 µm) aufgezeichnet. Ferner ist in allen Versuchsreihen handelsübliches "Aerosil 200" (hochdisperses, amorphes Siliciumdioxid) zugegeben worden. Hierbei handelt es sich um ein Verdickungsmittel auf Kieselsäurebasis, das zu einer gleichmäßigen Verteilung des Auftrags auf der Walze führt und ein Abspringen der trocknenden Schicht auf der Walze verhindert.






    Ansprüche

    1. Verfahren zur Herstellung von phlegmatisiertem, hochenergetischem Sprengstoff, insbesondere Hexogen (RDX) oder Oktogen (HMX), als Bestandteil kunststoffgebundener Sprengstoffe oder Treibladungspulver, indem der partikelförmige Sprengstoff mit einem phlegmatisierenden Polymer aus wäßriger Phase überzogen wird, dadurch gekennzeichnet, daß der partikelförmige Sprengstoff mit einer Korngröße bis 20 µm mit dem Polymer in wäßriger Dispersion aufgeschlämmt, die Schlämme auf eine umlaufende, beheizte Walze aufgetragen, der Auftrag bei einer Temperatur > 100 °C drucklos getrocknet und nach dem Trocknen von der Walze abgeschabt wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Polymer aus der Gruppe Styrol-1,3-Butadien-Acrylnitril, Vinylpropionat-Acrylat ausgewählt wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Polymer in einer 50 bis 55%igen wäßrigen Dispersion verwendet wird.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Polymer Polyvinylalkohol verwendet wird und die wäßrige Dispersion zusätzlich Glycerin enthält.
     
    5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß der wäßrigen Dispersion ein oberflächenaktives Additiv zugegeben wird.
     
    6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß als oberflächenaktives Additiv hochdisperses, amorphes Siliciumdioxid verwendet wird.
     
    7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß als Phlegmatisator ein zugleich als Kunststoffbinder für den Sprengstoff bzw. das Treibladungspulver dienendes Polymer verwendet wird.
     
    8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß der Sprengstoff mit 5 bis 25 Gew% Polymer in wäßriger Dispersion aufgeschlämmt wird.
     
    9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß Sprengstoff mit einer Korngröße bis zu 10 µm verwendet wird.
     
    10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß der Auftrag auf der Walze bei einer Temperatur zwischen 110 °C und 150 °C getrocknet wird.
     
    11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß der Auftrag auf der Walze bei einer Temperatur zwischen 110 °C und 140 °C getrocknet wird.
     
    12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, daß die Schlämme auf eine Walze mit einem Umfang von mindestens 150 cm aufgetragen wird und die Verweilzeit des Auftrags auf der Walze > 60 s beträgt.
     
    13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, daß die Schlämme auf die Walze in einer Schichtdicke < 10 mm aufgetragen wird.
     
    14. Verwendung eines nach einem der Ansprüche 1 bis 13 phlegmatisierten RDX mit einem Polymer-Anteil von 15 bis 25 Gew% als Grundgranulat zum direkten Extrudieren von LOVA-Treibladungspulver.
     





    Recherchenbericht