[0001] Die Erfindung betrifft Verfahren und Mittel zur oxidativen Zerstörung von Aziden,
insbesondere zur Entsorgung von Azid enthaltenden Lösungen aus dem Bereich der klinischen
Chemie, wie sie z.B. im Rahmen der Diagnostik im Laboratorium anfallen.
[0002] Zum Konservieren von wäßrigen Lösungen in diagnostischen Testsätzen wird fast ausschließlich
Natriumazid verwendet. Auf die Problematik der Vernichtung von Aziden aus Abfällen
wird in der Literatur hingewiesen; es sind jedoch keine brauchbaren Lösungen für dieses
Problem aus dem Stand der Technik bekannt. In US 3,768,865 wird vorgeschlagen, mit
Azid belastete Salzlösungen in unterirdischen Kavernen zu lagern, bis sie im wesentlichen
frei von Azid sind, und die Lösungen dann wieder an die Erdoberfläche zu pumpen. In
J. Chem. Educ.
62, 93 (1985) wird ausgeführt, daß die Oxidation mit Cer(IV)-ammoniumsulfat eine häufig
beschriebene Methode zur Vernichtung anorganischer Azide ist, die Reaktion jedoch
extrem langsam abläuft und nicht befriedigend ist.
[0003] Es gibt bisher keine geeignete Methode zur Entsorgung von Azid in Abfällen. Der Erfindung
liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, Mittel und Verfahren zur Verfügung zu stellen,
die die beschriebenen Nachteile vermeiden und eine die Umwelt schonende Zerstörung
von Aziden erlauben, d.h. die keine schädlichen Abbauprodukte liefern.
[0004] Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zu oxidativen Zerstörung von Aziden, das
dadurch gekennzeichnet ist, daß die zu entsorgenden Azid enthaltenden Lösungen mit
einer Jod/Jodid-Lösung in Gegenwart von Thiosulfat behandelt werden.
[0005] Ein weiterer Gegenstand der Erfindung ist ein Mittel zur oxidativen Zerstörung von
Aziden, gekennzeichnet durch Jod/Jodid- und Thiosulfat enthaltende Tabletten, sowie
dessen Verwendung zur Entsorgung von Aziden, vorzugsweise in Lösungen aus dem Bereich
der klinischen Chemie.
[0006] Die Oxidation von Stickstoffwasserstoffsäure mit Jod in Gegenwart von etwas Thiosulfat
als Katalysator führt die Säure quantitativ in Stickstoff über. Diese Reaktion war
bisher zur Analyse von Stickstoffwasserstoffsäure bekannt. Sie hat jedoch keinen Eingang
gefunden in das seit langem bestehende Bedürfnis der unschädlichen Entsorgung von
Aziden.
[0007] Überraschenderweise hat sich gezeigt, daß das erfindungsgemäße Verfahren auch bei
äußerst geringen Konzentrationen von Azid im Überschuß von Serumbestandteilen und
Puffersubstanzen wirksam ist. Das läßt darauf schließen, daß das Azid sehr schnell
reagiert, noch bevor das Jod durch andere oxidierbare Serumbestandteile aufgebraucht
ist.
[0008] Das Verfahren nach der Erfindung wird so durchgeführt, daß man zur Azid enthaltenden
Abfallösung zunächst eine katalytische Menge Natriumthiosulfat und anschließend eine
Jodlösung bis zur dauerhaften Färbung hinzugibt.
[0009] Überschüssiges Jod kann nach einer bestimmten Einwirkungszeit mit Thiosulfat oder
anderen Reduktionsmitteln wie Metabisulfit, Dithionit, Ascorbinsäure, in Jodid überführt
werden. Die Oxidation mit Jod ist völlig unabhängig vom pH-Wert, sie wird jedoch vorzugsweise
in gepufferten Systemen durchgeführt. Der pH-Wert der zu entsorgenden Lösungen liegt
vorzugsweise im Bereich von pH 6 bis pH 9.
[0010] Als Jodlösung wird eine wäßrige Lösung von Jod und Kaliumjodid im Gewichtsverhältnis
von etwa 2:1 eingesetzt. Dieses Verhältnis ist jedoch nicht kritisch und kann in einem
weiten Bereich variiert werden. Die einzusetzende Jodkonzentration ist abhängig vom
Gehalt an oxidierbaren Substanzen in der Abfallösung. Da zur Vernichtung von einem
Mol Natriumazid 0,5 Mol Jod (J₂ ) verbraucht werden, sind 126,9 g Jod die minimale
Konzentration, die dazu erforderlich ist. Die Azidkonzentrationen im Abfall bewegen
sich in der Regel in der Größenordnung von wenigen mmol, so daß entsprechend geringe
Mengen an Jod erforderlich sind.
[0011] Jod/Kaliumjodid als auch Natriumthiosulfat werden vorzugsweise in Form von Tabletten
eingesetzt. Eine Jod/Kaliumjodid-Tablette zur Entsorgung von 1 l Azid enthaltendem
Abfall enthält z.B. 1 g Jod und 0,5 g Kaliumjodid neben üblichen Tablettierhilfsmittelen
wie Polyethylenglykol, Magnesiumsulfat, Magnesiumcarbonat, Mannit, Sorbit, Methylzellulose,
Calciumstearat usw. Die Natriumthiosulfatkonzentration liegt bei etwa 0,1 bis 1 Gew.-%
der Jodkonzentration. Es ist auch möglich, Jodid zusammen mit Thiosulfat zu verpressen.
[0012] Aufgrund der Tatsache, daß Jod antiseptisch, bakterizid, sporizid, fungizid und viruzid
wirkt und in der Hauptsache Abfälle von Körperflüssigkeiten entsorgt werden müssen,
ergibt sich der zusätzliche Vorteil, daß mit dem erfindungsgemäßen Mittel nicht nur
das Azid zerstört wird, sondern auch alle Keime abgetötet werden.
Beispiel 1
[0013] Die Abfallösung aus einem Analysengerät enthält 4,89 mmol/l Natriumazid. Zu einem
ml dieser Lösung werden 200 µl einer 0,1%igen wäßrigen Natriumthiosulfatlösung und
1 ml einer 0,2%igen wäßrigen Lösung aus Jod (7,88 mmol/l) und Kaliumjodid (7,88 mmol/l)
hinzugegeben.
[0014] Nach einer Inkubationszeit von 15 Minuten wird Natriumthiosulfatlösung bis zur vollständigen
Entfärbung der Lösung hinzugegeben. Die anschließende Messung der Natriumazidkonzentration
zeigt, daß noch 1,5 µmol Natriumazid intakt sind.
Beispiel 2
[0015] Zur gleichen Abfallösung wie in Beispiel 1 werden 20 µl der wäßrigen 0,1%igen Natriumthiosulfatlösung
und 1 ml einer 0,4%igen wäßrigen Lösung aus Jod und Kaliumjodid hinzugegeben.
[0016] Nach einer Inkubationszeit von 15 Minuten und der anschließenden Entfärbung der Lösung
ist kein Natriumazid mehr nachweisbar. Wenn anstelle der Natriumthiosulfatlösung eine
Lösung von Natriummetabisulfit, Natriumdithionit oder Ascorbinsäure zur Entfärbung
eingesetzt wird, ändert das nichts am Ergebnis.
Beispiel 3
[0017] Zu einer Natriumazid enthaltenden Abfallösung werden folgende Tabletten hinzugegeben:
Die 1. Tablette enthält
8,00 % Kaliumjodid
0,09 % Natriumthiosulfat
48,81 % basisches Magnesiumcarbonat
40,00 % Magnesiumsulfat
0,10 % Calciumstearat
3,00 % Talcum
Die 2.Tablette enthält
52,7 g Polyethylenglykol 400
8,3 g Polyethylenglykol 4000
16,9 g Polyethylenglykol 6000
10,0 g Jod
10,0 g Wasser
Nach einer Inkubationszeit von ca. 15 Minuten wird gegebenenfalls mit einer Natriumthiosulfatlösung
oder einer Tablette die im wesentlichen Natriumthiosulfat enthält, entfärbt.
Beispiel 4
[0018] Analog Beispiel 3 werden folgende Tabletten eingesetzt:
Die 1. Tablette enthält
0,09 % Natriumthiosulfat
52,81 % basisches Magnesiumcarbonat
44,00 % Magnesiumsulfat
0,10 % Calciumstearat
3,00 % Talcum
Die 2. Tablette enthält
52,7 g Polyethylenglykol 400
8,3 g Polyethylenglykol 4000
16,9 g Polyethylenglykol 6000
10,0 g Jod
5,0 g Kaliumjodid
10,0 g Wasser
1. Verfahren zur oxidativen Zerstörung von Aziden, dadurch gekennzeichnet, daß die zu
entsorgenden Azid enthaltenden Lösungen mit einer Jod/Jodid-Lösung in Gegenwart von
Thiosulfat behandelt werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Azid enthaltenden Lösungen
mit Jod/Jodid- und mit Thiosulfat-enthaltenden Tabletten versetzt werden.
3. Mittel zur oxidativen Zerstörung von Aziden, gekennzeichnet durch Jod/Jodid- und Thiosulfat
enthaltende Tabletten.
4. Mittel nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Jod/Jodid enthaltende Tablette
Jod und Kaliumjodid im Gewichtsverhältnis 2:1 enthält.
5. Verwendung des Mittels nach den Ansprüchen 3 und 4 zur Entsorgung von Aziden in Lösungen
aus dem Bereich der klinischen Chemie.