(19)
(11) EP 0 581 093 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
02.02.1994  Patentblatt  1994/05

(21) Anmeldenummer: 93111094.4

(22) Anmeldetag:  10.07.1993
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5A62D 3/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE CH DE ES FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 22.07.1992 DE 4224114

(71) Anmelder: MERCK PATENT GmbH
D-64293 Darmstadt (DE)

(72) Erfinder:
  • Heubner, Arnulf, Dr.
    D-55131 Mainz (DE)
  • Schwarz, Michael, Dr.
    D-64521 Gross-Gerau 3 (DE)
  • Reckmann, Bernd, Dr.
    D-64342 Seeheim-Jugenheim (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren und Mittel zur oxidativen Zerstörung von Aziden


    (57) Die Erfindung betrifft Verfahren und Mittel zur oxidativen Zerstörung von Aziden. Das Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß die zu entsorgenden Azid enthaltenden Lösungen mit einer Jod/Jodid-Lösung in Gegenwart von Thiosulfat behandelt werden. Vorzugsweise wird das Mittel in Form von Tabletten eingesetzt.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft Verfahren und Mittel zur oxidativen Zerstörung von Aziden, insbesondere zur Entsorgung von Azid enthaltenden Lösungen aus dem Bereich der klinischen Chemie, wie sie z.B. im Rahmen der Diagnostik im Laboratorium anfallen.

    [0002] Zum Konservieren von wäßrigen Lösungen in diagnostischen Testsätzen wird fast ausschließlich Natriumazid verwendet. Auf die Problematik der Vernichtung von Aziden aus Abfällen wird in der Literatur hingewiesen; es sind jedoch keine brauchbaren Lösungen für dieses Problem aus dem Stand der Technik bekannt. In US 3,768,865 wird vorgeschlagen, mit Azid belastete Salzlösungen in unterirdischen Kavernen zu lagern, bis sie im wesentlichen frei von Azid sind, und die Lösungen dann wieder an die Erdoberfläche zu pumpen. In J. Chem. Educ. 62, 93 (1985) wird ausgeführt, daß die Oxidation mit Cer(IV)-ammoniumsulfat eine häufig beschriebene Methode zur Vernichtung anorganischer Azide ist, die Reaktion jedoch extrem langsam abläuft und nicht befriedigend ist.

    [0003] Es gibt bisher keine geeignete Methode zur Entsorgung von Azid in Abfällen. Der Erfindung liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, Mittel und Verfahren zur Verfügung zu stellen, die die beschriebenen Nachteile vermeiden und eine die Umwelt schonende Zerstörung von Aziden erlauben, d.h. die keine schädlichen Abbauprodukte liefern.

    [0004] Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zu oxidativen Zerstörung von Aziden, das dadurch gekennzeichnet ist, daß die zu entsorgenden Azid enthaltenden Lösungen mit einer Jod/Jodid-Lösung in Gegenwart von Thiosulfat behandelt werden.

    [0005] Ein weiterer Gegenstand der Erfindung ist ein Mittel zur oxidativen Zerstörung von Aziden, gekennzeichnet durch Jod/Jodid- und Thiosulfat enthaltende Tabletten, sowie dessen Verwendung zur Entsorgung von Aziden, vorzugsweise in Lösungen aus dem Bereich der klinischen Chemie.

    [0006] Die Oxidation von Stickstoffwasserstoffsäure mit Jod in Gegenwart von etwas Thiosulfat als Katalysator führt die Säure quantitativ in Stickstoff über. Diese Reaktion war bisher zur Analyse von Stickstoffwasserstoffsäure bekannt. Sie hat jedoch keinen Eingang gefunden in das seit langem bestehende Bedürfnis der unschädlichen Entsorgung von Aziden.

    [0007] Überraschenderweise hat sich gezeigt, daß das erfindungsgemäße Verfahren auch bei äußerst geringen Konzentrationen von Azid im Überschuß von Serumbestandteilen und Puffersubstanzen wirksam ist. Das läßt darauf schließen, daß das Azid sehr schnell reagiert, noch bevor das Jod durch andere oxidierbare Serumbestandteile aufgebraucht ist.

    [0008] Das Verfahren nach der Erfindung wird so durchgeführt, daß man zur Azid enthaltenden Abfallösung zunächst eine katalytische Menge Natriumthiosulfat und anschließend eine Jodlösung bis zur dauerhaften Färbung hinzugibt.

    [0009] Überschüssiges Jod kann nach einer bestimmten Einwirkungszeit mit Thiosulfat oder anderen Reduktionsmitteln wie Metabisulfit, Dithionit, Ascorbinsäure, in Jodid überführt werden. Die Oxidation mit Jod ist völlig unabhängig vom pH-Wert, sie wird jedoch vorzugsweise in gepufferten Systemen durchgeführt. Der pH-Wert der zu entsorgenden Lösungen liegt vorzugsweise im Bereich von pH 6 bis pH 9.

    [0010] Als Jodlösung wird eine wäßrige Lösung von Jod und Kaliumjodid im Gewichtsverhältnis von etwa 2:1 eingesetzt. Dieses Verhältnis ist jedoch nicht kritisch und kann in einem weiten Bereich variiert werden. Die einzusetzende Jodkonzentration ist abhängig vom Gehalt an oxidierbaren Substanzen in der Abfallösung. Da zur Vernichtung von einem Mol Natriumazid 0,5 Mol Jod (J₂ ) verbraucht werden, sind 126,9 g Jod die minimale Konzentration, die dazu erforderlich ist. Die Azidkonzentrationen im Abfall bewegen sich in der Regel in der Größenordnung von wenigen mmol, so daß entsprechend geringe Mengen an Jod erforderlich sind.

    [0011] Jod/Kaliumjodid als auch Natriumthiosulfat werden vorzugsweise in Form von Tabletten eingesetzt. Eine Jod/Kaliumjodid-Tablette zur Entsorgung von 1 l Azid enthaltendem Abfall enthält z.B. 1 g Jod und 0,5 g Kaliumjodid neben üblichen Tablettierhilfsmittelen wie Polyethylenglykol, Magnesiumsulfat, Magnesiumcarbonat, Mannit, Sorbit, Methylzellulose, Calciumstearat usw. Die Natriumthiosulfatkonzentration liegt bei etwa 0,1 bis 1 Gew.-% der Jodkonzentration. Es ist auch möglich, Jodid zusammen mit Thiosulfat zu verpressen.

    [0012] Aufgrund der Tatsache, daß Jod antiseptisch, bakterizid, sporizid, fungizid und viruzid wirkt und in der Hauptsache Abfälle von Körperflüssigkeiten entsorgt werden müssen, ergibt sich der zusätzliche Vorteil, daß mit dem erfindungsgemäßen Mittel nicht nur das Azid zerstört wird, sondern auch alle Keime abgetötet werden.

    Beispiel 1



    [0013] Die Abfallösung aus einem Analysengerät enthält 4,89 mmol/l Natriumazid. Zu einem ml dieser Lösung werden 200 µl einer 0,1%igen wäßrigen Natriumthiosulfatlösung und 1 ml einer 0,2%igen wäßrigen Lösung aus Jod (7,88 mmol/l) und Kaliumjodid (7,88 mmol/l) hinzugegeben.

    [0014] Nach einer Inkubationszeit von 15 Minuten wird Natriumthiosulfatlösung bis zur vollständigen Entfärbung der Lösung hinzugegeben. Die anschließende Messung der Natriumazidkonzentration zeigt, daß noch 1,5 µmol Natriumazid intakt sind.

    Beispiel 2



    [0015] Zur gleichen Abfallösung wie in Beispiel 1 werden 20 µl der wäßrigen 0,1%igen Natriumthiosulfatlösung und 1 ml einer 0,4%igen wäßrigen Lösung aus Jod und Kaliumjodid hinzugegeben.

    [0016] Nach einer Inkubationszeit von 15 Minuten und der anschließenden Entfärbung der Lösung ist kein Natriumazid mehr nachweisbar. Wenn anstelle der Natriumthiosulfatlösung eine Lösung von Natriummetabisulfit, Natriumdithionit oder Ascorbinsäure zur Entfärbung eingesetzt wird, ändert das nichts am Ergebnis.

    Beispiel 3



    [0017] Zu einer Natriumazid enthaltenden Abfallösung werden folgende Tabletten hinzugegeben:
    Die 1. Tablette enthält
    8,00 % Kaliumjodid
    0,09 % Natriumthiosulfat
    48,81 % basisches Magnesiumcarbonat
    40,00 % Magnesiumsulfat
    0,10 % Calciumstearat
    3,00 % Talcum
    Die 2.Tablette enthält
    52,7 g Polyethylenglykol 400
    8,3 g Polyethylenglykol 4000
    16,9 g Polyethylenglykol 6000
    10,0 g Jod
    10,0 g Wasser
    Nach einer Inkubationszeit von ca. 15 Minuten wird gegebenenfalls mit einer Natriumthiosulfatlösung oder einer Tablette die im wesentlichen Natriumthiosulfat enthält, entfärbt.

    Beispiel 4



    [0018] Analog Beispiel 3 werden folgende Tabletten eingesetzt:
    Die 1. Tablette enthält
    0,09 % Natriumthiosulfat
    52,81 % basisches Magnesiumcarbonat
    44,00 % Magnesiumsulfat
    0,10 % Calciumstearat
    3,00 % Talcum
    Die 2. Tablette enthält
    52,7 g Polyethylenglykol 400
    8,3 g Polyethylenglykol 4000
    16,9 g Polyethylenglykol 6000
    10,0 g Jod
    5,0 g Kaliumjodid
    10,0 g Wasser


    Ansprüche

    1. Verfahren zur oxidativen Zerstörung von Aziden, dadurch gekennzeichnet, daß die zu entsorgenden Azid enthaltenden Lösungen mit einer Jod/Jodid-Lösung in Gegenwart von Thiosulfat behandelt werden.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Azid enthaltenden Lösungen mit Jod/Jodid- und mit Thiosulfat-enthaltenden Tabletten versetzt werden.
     
    3. Mittel zur oxidativen Zerstörung von Aziden, gekennzeichnet durch Jod/Jodid- und Thiosulfat enthaltende Tabletten.
     
    4. Mittel nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Jod/Jodid enthaltende Tablette Jod und Kaliumjodid im Gewichtsverhältnis 2:1 enthält.
     
    5. Verwendung des Mittels nach den Ansprüchen 3 und 4 zur Entsorgung von Aziden in Lösungen aus dem Bereich der klinischen Chemie.
     





    Recherchenbericht