[0001] Die Chromgerbung ist ein wesentlicher Arbeitsschritt in der Lederherstellung. Bei
herkömmlichen Verfahren werden zur Erzielung eines kochgaren Leders Chromsalze in
einer Konzentration angeboten, die einem Äquivalent von 2 bis 2,5 Gew.-% Cr₂O₃ bezogen
auf Blöße entsprechen. Hiervon werden jedoch nur 70 bis 80 % tatsächlich in der Haut
dauerhaft fixiert, so daß 20 bis 30 % des angebotenen Chromgerbstoffs in das Abwasser
gelangen.
[0002] Sowohl aus ökonomischen als auch ökologischen Gründen hat es daher in der Vergangenheit
nicht an Versuchen gefehlt, die Chromfixierung in der Haut zu verbessern und die für
eine kochgare Gerbung notwendige Chrommenge zu reduzieren.
[0003] So läßt sich durch Erhöhung des pH-Wertes der Gerbflotte über das übliche Maß hinaus
der Auszehrungsgrad der Chromgerbstoffe verbessern. Die gleichzeitig erhöhte Adstringenz
der Chromgerbstoffe führt jedoch zu Narbenzug d.h. qualitativ minderwertigeren Ledern.
Meist muß zusätzlich auch noch ein Flächenverlust in Kauf genommen werden.
[0004] Desweiteren läßt sich durch Erhöhung der Temperatur der Gerbflotten von üblichen
38 bis 40°C auf ca. 45°C eine verbesserte Auszehrung der Chromgerbstoffe erreichen.
Die Temperaturerhöhung bringt jedoch ebenfalls einen Anstieg der Adstringenz der Chromgerbstoffe
mit sich, so daß auch hier die Gefahr von Narbenzug und Rendementverlust, also der
Qualitätsminderung des Leders gegeben ist.
[0005] Aus der Literatur ist außerdem bekannt, daß aromatische Di- und Tricarbonsäuren,
wie Phthalsäure und/oder deren Salze im Pickel oder in der Chromgerbung eingesetzt
werden, um eine bessere Fixierung des Chroms in der Haut zu erreichen. Werden sie
im Pickel angewandt, bedingt dies jedoch eine deutliche Minderung der Penetrationsgeschwindigkeit
der nachfolgenden Chromgerbstoffe, eine ungleichmäßige Chromverteilung und bei stärkeren,
ungespaltenen Blößen sogar in manchen Fällen eine unzureichende Durchgerbung. Sollen
sie in der Chromgerbung eingesetzt werden, muß zur Minderung dieser Mängel die Gerbung
meist zweistufig geführt werden, indem mit meist organisch maskiertem Chrom(III)-Sulfat-Gerbstoff
eine bei niedrigem pH-Wert verlaufende milde Vorgerbung vorgenommen wird, der dann
der Zusatz der aromatischen Di- und Tricarbonsäuren allein oder in Gegenwart weiteren
Chromgerbstoffs und/oder eines Basifizierungsmittels folgt.
[0006] Weiterhin bekannt ist ein Chromspar-Gerbverfahren (US 4,715,861), bei dem 0,1 bis
2 Gew.-% einer Aldehyd- oder Ketocarbonsäure, vorzugsweise Glyoxylsäure, vor der Gerbung
im Pickelbad als Ersatz oder teilweise Ersatz für die üblicherweise verwendete Schwefelsäure
oder Ameisensäure eingesetzt werden. Die Chromgerbung wird im gleichen Bad durchgeführt.
Dieses Verfahren ergibt sehr weiche Leder mit fest anliegendem Narben und verbesserten
physikalischen Eigenschaften. Die Auszehrung der Chromgerbflotten wird zwar deutlich
verbessert, ohne aber den erhöhten Ansprüchen in allen Fällen zu genügen.
[0007] Bekannt ist ein anderes Verfahren (US 4,042,321), das die wie üblich gepickelten
Blößen mit Chrom(III)-Salzen vorgerbt, und zur Ausgerbung eine Mischung von Chrom(III)-Salzen,
säurebindenden Mitteln (Dolomit, MgO, Alkali- und Erdalkalicarbonate und/oder Bicarbonate)
und aromatischen Di- und Tricarbonsäuren (Phthalsäure, Isophthalsäure, Bernsteinsäure
usw.), deren Salzen oder Anhydriden verwendet. Bei diesem Verfahren wird eine sehr
gute Auszehrung der Chromflotten erzielt. Die erhaltenen Leder aber sind meist schlecht
färbbar, haben einen groben Narben und ein schlechtes Rendement.
[0008] Ein weiteres Chromgerbverfahren mit hoher Auszehrung (US-A-4 938 779) verwendet zur
Basifizierung der mit 0,5 bis 12 Gew.-%, vorzugsweise 3 bis 6 Gew.-%, bezogen auf
Blößengewicht, Chrom(III)-Salzen gegerbten Blößen, eine Kombination von Basifizierungsmittlen,
wie Magnesiumoxid und Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäuren und anschließender Zugabe
von Natrium-Aluminiumsilikate.
[0009] In der Chromspargerbung der US-A-4 978 361 werden die Blößen vor der Gerbung mit
0,5 bis 2,0 Gew.-% einer Aldehyd- oder Ketocarbonsäure, vorzugsweise Glyoxylsäure
und 0,5 bis 1,0 Gew.-% einer Mischung aus Chrom(III)-Salzen, säurebindenden Mitteln
und aromatischen Di- und Tricarbonsäuren vorbehandelt. Danach wird im gleichen Bad
in üblicher Weise gegerbt und anschließend mit 1 bis 3 Gew.-% einer Mischung aus Chrom(III)-Salzen,
säurebindenden Mitteln und aromatischen Di- oder Tricarbonsäuren oder deren Salzen
ausgegerbt.
[0010] Alle die genannten Verfahren bringen, bedingt durch das stark reduzierte Chrom(III)-Salz-Angebot,
zu wenig Fülle und Weichheit.
[0011] Aufgabe der Erfindung ist es ein Chromgerbverfahren zur Verfügung zu stellen, das
die vorgenannten Nachteile nicht aufweist und neben einer verbesserten Chromauszehrung
der Gerbflotte eine größere Fülle, bessere Weichheit und Narbenfestigkeit des Leders
garantiert.
[0012] Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zur Chromspar- und Chromfüllgerbung, bei
dem man die Blößen im Pickelbad mit einer Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure versetzt
und anschließend gerbt, dadurch gekennzeichnet, daß vor der Zugabe der Aldehyd- und/oder
Ketocarbonsäure und gegebenenfalls anderen organischen und/oder anorganischen Säuren,
die entkälkten und gebeizten Blößen mit einer anionischen, kolloidalen Silikatlösung
vorbehandelt werden.
[0013] Als anionische kolloidale Silikatlösungen werden üblicherweise wäßrige Dispersionen
von kolloidal verteilten, anionisch aufgeladenen Siliciumdioxid-Teilchen, bevorzugt
sogenannte Kieselsole, eingesetzt.
[0014] Die wäßrigen Dispersionen werden üblicherweise durch "in-situ"-Wachstum von Siliciumdioxid-Mikrokeimen
und nicht durch Redispergieren von bereits gebildeten Partikeln hergestellt. Die so
hergestellten Siliciumdioxid-Teilchen sind porenfrei und amorph. Durch Wachstumssteuerung,
z.B. über pH-Verlauf, Temperaturverlauf und Rührgeschwindigkeit während der Fällungsreaktion,
können Dispersionen verschiedener Teilchengröße bzw. unterschiedlicher spezifischer
Oberfläche hergestellt werden. Falls erforderlich werden die Dispersionen mit organischen
oder anorganischen Basen, wie Ammoniak, Amine, z.B. Ethanolamine sowie Natrium-, Kalium-
oder Lithiumhydroxid, stabilisiert.
Die Siliciumdioxid-Teilchen besitzen üblicherweise eine Teilchengröße zwischen 5 und
135 nm, vorzugsweise 5 bis 25 nm und einer spezifischen Oberfläche zwischen 50 und
500 m²/g, vorzugsweise zwischen 100 und 150 m²/g. Der pH-Wert der Dispersion liegt
im allgemeinen zwischen 5 und 10.
[0015] Zu den wäßrigen Dispersionen von kolloidal verteilten, anionisch aufgeladenen Siliciumdioxid-Teilchen
zählen bevorzugt sogenannte Kieselsole, wie sie aus Ralph K. Iler, The Chemistry of
Silicium, John Wiley and Sons, New york 1979 bekannt sind. Auf die Herstellung und
Eigenschaften dieser Kieselsole wird in Kapitel 4, Seiten 312 bis 461 eingegangen.
Derartige Kieselsole sind unter der Bezeichnung ®Klebosol (Warenzeichen der Société
Française Hoechst) erhältlich und in der Broschüre der Société Française Hoechst "Klebosol,
sols de silice-silicasols-Kieselsole" beschrieben.
[0016] Als anionische kolloidale Silikatlösungen werden im allgemeinen 5 bis 65 gew.-%ige,
vorzugsweise 20 bis 40 gew.%ige wäßrige Dispersionen von kolloidal verteilten, anionisch
aufgeladenen Siliciumdioxid-Teilchen verwendet.
[0017] Bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die entkalkten und gebeizten
Blößen bevorzugt mit 0,3 bis 5,0 Gew.-%, besonders bevorzugt 0,3 bis 0,6 Gew.-% einer
anionischen, kolloidalen Silikatlösung, bezogen auf das Gewicht der Blößen, vorbehandelt.
[0018] Danach wird der pH-Wert durch Zusatz einer Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure, vorzugsweise
Glyoxylsäure oder Brenztraubensäure und gegebenenfalls anderen organischen und/oder
anorganischen Säuren auf einen pH-Wert kleiner 6, bevorzugt 2,8 bis 4,3 eingestellt.
Hierfür reicht üblicherweise die Zugabe von 0,25 bis 2,5 Gew.-% der Aldehyd- und/oder
Ketocarbonsäure, bezogen auf das Pickelgewicht des Pickels, aus. Bevorzugt wird Glyoxylsäure
allein oder in Kombination mit anderen organischen und/oder anorganischen Säuren,
wie Ameisensäure und Schwefelsäure eingesetzt.
[0019] Die Gerbung erfolgt anschließend im gleichen Bad mit den üblichen im Handel befindlichen
Chrom(III)-Gerbstoffen, wobei auch die modernen, selbstabstumpfenden Chrom(III)-Gerbstoffe
problemlos eingesetzt werden können.
[0020] Werden im Pickel kolloidale Silikatlösungen mit einer Teilchengröße von 5 bis 25
nm mit solchen zwischen 26 und 135 nm und Glyoxylsäure kombiniert, so erhält man ein
"Wet-white", das ohne Probleme den mechanischen Prozessen des Spaltens oder Falzens
unterzogen (Spaltabfälle und Falzabfälle sind aldehyd-, chrom- und aluminiumfrei;
sie können umweltfreundlich recycled oder entsorgt werden) und anschließend mit Chromgerbstoffen
(oder anderen Gerbstoffen) gegerbt werden kann. Der Charakter des Chromleders wird
durch die Vorbehandlung nicht beeinträchtigt. Der Restchromgehalt der ausgezehrten
Gerbflotten liegt unter 100 mg Cr₂O₃ pro Liter.
[0021] Das erfindungsgemäße Verfahren zeichnet sich durch den sehr hohen Auszehrungsgrad
der Chromgerbstoffe aus. Der Restchromgehalt der ausgezehrten Gerbflotten liegt unter
200 mg Cr₂O₃ pro Liter.
[0022] Das hergestellte Wet-blue ist besonders voll, weich und auffallend hell. Die helle
Wet-blue-Farbe wirkt sich nicht negativ auf das Farbaufbauvermögen in der späteren
Färbung aus. Durch die schon im Gerbprozeß erreichte Fülle und Weichheit können Nachgerbstoff-
und Fettangebot in der Naßzurichung deutlich verringert werden.
1. Verfahren zur Chromspar- und Chromfüllgerbung, bei dem man die Blößen im Pickelbad
mit einer Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure versetzt und anschließend gerbt, dadurch
gekennzeichnet, daß vor der Zugabe der Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure und gegebenenfalls
anderen organischen und/oder anorganischen Säuren, die entkälkten und gebeizten Blößen
mit einer anionischen, kolloidalen Silikatlösung vorbehandelt werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als anionisch, kolloidale Silikatlösung
eine wäßrige Dispersion von kolloidal verteilten, anionisch aufgeladenen Siliciumdioxid-Teilchen,
bevorzugt Kieselsole, eingesetzt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die wäßrige Dispersion Siliciumdioxid-Teilchen
mit einer Teilchengröße zwischen 5 und 135 nm, bevorzugt 5 bis 25 nm und einer spezifischen
Oberfläche zwischen 50 und 500 m²/g, bevorzugt 100 bis 150 m²/g, enthält.
4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß die wäßrige Dispersion
eine Konzentration von 5 bis 65, bevorzugt 20 bis 40 Gew.-%, an kolloidal verteilten,
anionisch aufgeladenen Siliciumdioxid-Teilchen besitzt.
5. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Blößen mit 0,3 bis 5,0
Gew.-%, bevorzugt 0,3 bis 0,6 Gew.-% einer anionischen, kolloidalen Silikatlösung,
bezogen auf das Gewicht der Blößen, vorbehandelt werden.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß Glyoxylsäure
zugegeben wird.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß Glyoxylsäure
und andere organische und/oder anorganische Säuren, wie Ameisensäure und Schwefelsäure,
zugegeben werden.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß das Pickelbad
nach Zugabe der Aldehyd- oder Ketocarbonsäure einen pH-Wert kleiner 6, bevorzugt 2,8
bis 4,3 besitzt.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß mit einem
Chromangebot von 0,7 bis 1,5 Gew.-% Cr₂O₃, bezogen auf das Blößengewicht, oder 0,7
bis 2,5 Gew.-% Cr₂O₃, bezogen auf das Falzgewicht gegerbt wird.