(19)
(11) EP 0 583 697 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
23.02.1994  Patentblatt  1994/08

(21) Anmeldenummer: 93112579.3

(22) Anmeldetag:  05.08.1993
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5C14C 3/06, C14C 1/08
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT DE ES FR GB IT NL PT SE

(30) Priorität: 14.08.1992 DE 4226983

(71) Anmelder: HOECHST AKTIENGESELLSCHAFT
D-65929 Frankfurt am Main (DE)

(72) Erfinder:
  • Fuchs, Karlheinz
    D-65597 Hünfelden (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Chromspar- und Chromfüllgerbung


    (57) Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Chromspar- und Chromfüllgerbung, bei dem man die Blößen im Pickelbad mit einer Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure versetzt und anschließend gerbt, dadurch gekennzeichnet, daß vor der Zugabe der Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure und gegebenenfalls anderen organischen und/oder anorganischen Säuren, die entkälkten und gebeizten Blößen mit einer anionischen, kolloidalen Silikatlösung vorbehandelt werden.


    Beschreibung


    [0001] Die Chromgerbung ist ein wesentlicher Arbeitsschritt in der Lederherstellung. Bei herkömmlichen Verfahren werden zur Erzielung eines kochgaren Leders Chromsalze in einer Konzentration angeboten, die einem Äquivalent von 2 bis 2,5 Gew.-% Cr₂O₃ bezogen auf Blöße entsprechen. Hiervon werden jedoch nur 70 bis 80 % tatsächlich in der Haut dauerhaft fixiert, so daß 20 bis 30 % des angebotenen Chromgerbstoffs in das Abwasser gelangen.

    [0002] Sowohl aus ökonomischen als auch ökologischen Gründen hat es daher in der Vergangenheit nicht an Versuchen gefehlt, die Chromfixierung in der Haut zu verbessern und die für eine kochgare Gerbung notwendige Chrommenge zu reduzieren.

    [0003] So läßt sich durch Erhöhung des pH-Wertes der Gerbflotte über das übliche Maß hinaus der Auszehrungsgrad der Chromgerbstoffe verbessern. Die gleichzeitig erhöhte Adstringenz der Chromgerbstoffe führt jedoch zu Narbenzug d.h. qualitativ minderwertigeren Ledern. Meist muß zusätzlich auch noch ein Flächenverlust in Kauf genommen werden.

    [0004] Desweiteren läßt sich durch Erhöhung der Temperatur der Gerbflotten von üblichen 38 bis 40°C auf ca. 45°C eine verbesserte Auszehrung der Chromgerbstoffe erreichen. Die Temperaturerhöhung bringt jedoch ebenfalls einen Anstieg der Adstringenz der Chromgerbstoffe mit sich, so daß auch hier die Gefahr von Narbenzug und Rendementverlust, also der Qualitätsminderung des Leders gegeben ist.

    [0005] Aus der Literatur ist außerdem bekannt, daß aromatische Di- und Tricarbonsäuren, wie Phthalsäure und/oder deren Salze im Pickel oder in der Chromgerbung eingesetzt werden, um eine bessere Fixierung des Chroms in der Haut zu erreichen. Werden sie im Pickel angewandt, bedingt dies jedoch eine deutliche Minderung der Penetrationsgeschwindigkeit der nachfolgenden Chromgerbstoffe, eine ungleichmäßige Chromverteilung und bei stärkeren, ungespaltenen Blößen sogar in manchen Fällen eine unzureichende Durchgerbung. Sollen sie in der Chromgerbung eingesetzt werden, muß zur Minderung dieser Mängel die Gerbung meist zweistufig geführt werden, indem mit meist organisch maskiertem Chrom(III)-Sulfat-Gerbstoff eine bei niedrigem pH-Wert verlaufende milde Vorgerbung vorgenommen wird, der dann der Zusatz der aromatischen Di- und Tricarbonsäuren allein oder in Gegenwart weiteren Chromgerbstoffs und/oder eines Basifizierungsmittels folgt.

    [0006] Weiterhin bekannt ist ein Chromspar-Gerbverfahren (US 4,715,861), bei dem 0,1 bis 2 Gew.-% einer Aldehyd- oder Ketocarbonsäure, vorzugsweise Glyoxylsäure, vor der Gerbung im Pickelbad als Ersatz oder teilweise Ersatz für die üblicherweise verwendete Schwefelsäure oder Ameisensäure eingesetzt werden. Die Chromgerbung wird im gleichen Bad durchgeführt. Dieses Verfahren ergibt sehr weiche Leder mit fest anliegendem Narben und verbesserten physikalischen Eigenschaften. Die Auszehrung der Chromgerbflotten wird zwar deutlich verbessert, ohne aber den erhöhten Ansprüchen in allen Fällen zu genügen.

    [0007] Bekannt ist ein anderes Verfahren (US 4,042,321), das die wie üblich gepickelten Blößen mit Chrom(III)-Salzen vorgerbt, und zur Ausgerbung eine Mischung von Chrom(III)-Salzen, säurebindenden Mitteln (Dolomit, MgO, Alkali- und Erdalkalicarbonate und/oder Bicarbonate) und aromatischen Di- und Tricarbonsäuren (Phthalsäure, Isophthalsäure, Bernsteinsäure usw.), deren Salzen oder Anhydriden verwendet. Bei diesem Verfahren wird eine sehr gute Auszehrung der Chromflotten erzielt. Die erhaltenen Leder aber sind meist schlecht färbbar, haben einen groben Narben und ein schlechtes Rendement.

    [0008] Ein weiteres Chromgerbverfahren mit hoher Auszehrung (US-A-4 938 779) verwendet zur Basifizierung der mit 0,5 bis 12 Gew.-%, vorzugsweise 3 bis 6 Gew.-%, bezogen auf Blößengewicht, Chrom(III)-Salzen gegerbten Blößen, eine Kombination von Basifizierungsmittlen, wie Magnesiumoxid und Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäuren und anschließender Zugabe von Natrium-Aluminiumsilikate.

    [0009] In der Chromspargerbung der US-A-4 978 361 werden die Blößen vor der Gerbung mit 0,5 bis 2,0 Gew.-% einer Aldehyd- oder Ketocarbonsäure, vorzugsweise Glyoxylsäure und 0,5 bis 1,0 Gew.-% einer Mischung aus Chrom(III)-Salzen, säurebindenden Mitteln und aromatischen Di- und Tricarbonsäuren vorbehandelt. Danach wird im gleichen Bad in üblicher Weise gegerbt und anschließend mit 1 bis 3 Gew.-% einer Mischung aus Chrom(III)-Salzen, säurebindenden Mitteln und aromatischen Di- oder Tricarbonsäuren oder deren Salzen ausgegerbt.

    [0010] Alle die genannten Verfahren bringen, bedingt durch das stark reduzierte Chrom(III)-Salz-Angebot, zu wenig Fülle und Weichheit.

    [0011] Aufgabe der Erfindung ist es ein Chromgerbverfahren zur Verfügung zu stellen, das die vorgenannten Nachteile nicht aufweist und neben einer verbesserten Chromauszehrung der Gerbflotte eine größere Fülle, bessere Weichheit und Narbenfestigkeit des Leders garantiert.

    [0012] Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zur Chromspar- und Chromfüllgerbung, bei dem man die Blößen im Pickelbad mit einer Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure versetzt und anschließend gerbt, dadurch gekennzeichnet, daß vor der Zugabe der Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure und gegebenenfalls anderen organischen und/oder anorganischen Säuren, die entkälkten und gebeizten Blößen mit einer anionischen, kolloidalen Silikatlösung vorbehandelt werden.

    [0013] Als anionische kolloidale Silikatlösungen werden üblicherweise wäßrige Dispersionen von kolloidal verteilten, anionisch aufgeladenen Siliciumdioxid-Teilchen, bevorzugt sogenannte Kieselsole, eingesetzt.

    [0014] Die wäßrigen Dispersionen werden üblicherweise durch "in-situ"-Wachstum von Siliciumdioxid-Mikrokeimen und nicht durch Redispergieren von bereits gebildeten Partikeln hergestellt. Die so hergestellten Siliciumdioxid-Teilchen sind porenfrei und amorph. Durch Wachstumssteuerung, z.B. über pH-Verlauf, Temperaturverlauf und Rührgeschwindigkeit während der Fällungsreaktion, können Dispersionen verschiedener Teilchengröße bzw. unterschiedlicher spezifischer Oberfläche hergestellt werden. Falls erforderlich werden die Dispersionen mit organischen oder anorganischen Basen, wie Ammoniak, Amine, z.B. Ethanolamine sowie Natrium-, Kalium- oder Lithiumhydroxid, stabilisiert.
    Die Siliciumdioxid-Teilchen besitzen üblicherweise eine Teilchengröße zwischen 5 und 135 nm, vorzugsweise 5 bis 25 nm und einer spezifischen Oberfläche zwischen 50 und 500 m²/g, vorzugsweise zwischen 100 und 150 m²/g. Der pH-Wert der Dispersion liegt im allgemeinen zwischen 5 und 10.

    [0015] Zu den wäßrigen Dispersionen von kolloidal verteilten, anionisch aufgeladenen Siliciumdioxid-Teilchen zählen bevorzugt sogenannte Kieselsole, wie sie aus Ralph K. Iler, The Chemistry of Silicium, John Wiley and Sons, New york 1979 bekannt sind. Auf die Herstellung und Eigenschaften dieser Kieselsole wird in Kapitel 4, Seiten 312 bis 461 eingegangen. Derartige Kieselsole sind unter der Bezeichnung ®Klebosol (Warenzeichen der Société Française Hoechst) erhältlich und in der Broschüre der Société Française Hoechst "Klebosol, sols de silice-silicasols-Kieselsole" beschrieben.

    [0016] Als anionische kolloidale Silikatlösungen werden im allgemeinen 5 bis 65 gew.-%ige, vorzugsweise 20 bis 40 gew.%ige wäßrige Dispersionen von kolloidal verteilten, anionisch aufgeladenen Siliciumdioxid-Teilchen verwendet.

    [0017] Bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die entkalkten und gebeizten Blößen bevorzugt mit 0,3 bis 5,0 Gew.-%, besonders bevorzugt 0,3 bis 0,6 Gew.-% einer anionischen, kolloidalen Silikatlösung, bezogen auf das Gewicht der Blößen, vorbehandelt.

    [0018] Danach wird der pH-Wert durch Zusatz einer Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure, vorzugsweise Glyoxylsäure oder Brenztraubensäure und gegebenenfalls anderen organischen und/oder anorganischen Säuren auf einen pH-Wert kleiner 6, bevorzugt 2,8 bis 4,3 eingestellt. Hierfür reicht üblicherweise die Zugabe von 0,25 bis 2,5 Gew.-% der Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure, bezogen auf das Pickelgewicht des Pickels, aus. Bevorzugt wird Glyoxylsäure allein oder in Kombination mit anderen organischen und/oder anorganischen Säuren, wie Ameisensäure und Schwefelsäure eingesetzt.

    [0019] Die Gerbung erfolgt anschließend im gleichen Bad mit den üblichen im Handel befindlichen Chrom(III)-Gerbstoffen, wobei auch die modernen, selbstabstumpfenden Chrom(III)-Gerbstoffe problemlos eingesetzt werden können.

    [0020] Werden im Pickel kolloidale Silikatlösungen mit einer Teilchengröße von 5 bis 25 nm mit solchen zwischen 26 und 135 nm und Glyoxylsäure kombiniert, so erhält man ein "Wet-white", das ohne Probleme den mechanischen Prozessen des Spaltens oder Falzens unterzogen (Spaltabfälle und Falzabfälle sind aldehyd-, chrom- und aluminiumfrei; sie können umweltfreundlich recycled oder entsorgt werden) und anschließend mit Chromgerbstoffen (oder anderen Gerbstoffen) gegerbt werden kann. Der Charakter des Chromleders wird durch die Vorbehandlung nicht beeinträchtigt. Der Restchromgehalt der ausgezehrten Gerbflotten liegt unter 100 mg Cr₂O₃ pro Liter.

    [0021] Das erfindungsgemäße Verfahren zeichnet sich durch den sehr hohen Auszehrungsgrad der Chromgerbstoffe aus. Der Restchromgehalt der ausgezehrten Gerbflotten liegt unter 200 mg Cr₂O₃ pro Liter.

    [0022] Das hergestellte Wet-blue ist besonders voll, weich und auffallend hell. Die helle Wet-blue-Farbe wirkt sich nicht negativ auf das Farbaufbauvermögen in der späteren Färbung aus. Durch die schon im Gerbprozeß erreichte Fülle und Weichheit können Nachgerbstoff- und Fettangebot in der Naßzurichung deutlich verringert werden.

    [0023] Die Prozentangaben bedeuten Gewichtsprozent








    Ansprüche

    1. Verfahren zur Chromspar- und Chromfüllgerbung, bei dem man die Blößen im Pickelbad mit einer Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure versetzt und anschließend gerbt, dadurch gekennzeichnet, daß vor der Zugabe der Aldehyd- und/oder Ketocarbonsäure und gegebenenfalls anderen organischen und/oder anorganischen Säuren, die entkälkten und gebeizten Blößen mit einer anionischen, kolloidalen Silikatlösung vorbehandelt werden.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als anionisch, kolloidale Silikatlösung eine wäßrige Dispersion von kolloidal verteilten, anionisch aufgeladenen Siliciumdioxid-Teilchen, bevorzugt Kieselsole, eingesetzt wird.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die wäßrige Dispersion Siliciumdioxid-Teilchen mit einer Teilchengröße zwischen 5 und 135 nm, bevorzugt 5 bis 25 nm und einer spezifischen Oberfläche zwischen 50 und 500 m²/g, bevorzugt 100 bis 150 m²/g, enthält.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß die wäßrige Dispersion eine Konzentration von 5 bis 65, bevorzugt 20 bis 40 Gew.-%, an kolloidal verteilten, anionisch aufgeladenen Siliciumdioxid-Teilchen besitzt.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Blößen mit 0,3 bis 5,0 Gew.-%, bevorzugt 0,3 bis 0,6 Gew.-% einer anionischen, kolloidalen Silikatlösung, bezogen auf das Gewicht der Blößen, vorbehandelt werden.
     
    6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß Glyoxylsäure zugegeben wird.
     
    7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß Glyoxylsäure und andere organische und/oder anorganische Säuren, wie Ameisensäure und Schwefelsäure, zugegeben werden.
     
    8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß das Pickelbad nach Zugabe der Aldehyd- oder Ketocarbonsäure einen pH-Wert kleiner 6, bevorzugt 2,8 bis 4,3 besitzt.
     
    9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß mit einem Chromangebot von 0,7 bis 1,5 Gew.-% Cr₂O₃, bezogen auf das Blößengewicht, oder 0,7 bis 2,5 Gew.-% Cr₂O₃, bezogen auf das Falzgewicht gegerbt wird.