[0001] Elektrorheologische Fluide (ER-Fluid), so genannt um eine klare Abgrenzung zu den
literaturbekannten elektroviskosen Phänomenen bei geladenen Kolloiden (T.C. Jordan,
M.T. Shaw, IEEE Trans. Electr. Insul., Vol. 24, No. 5, 1989, 849 ff) zu erzielen,
sind Dispersionen feinteiliger, polarisierbarer Feststoffe in inerten (hydrophoben)
und elektrisch nichtleitenden Flüssigkeiten, deren Fließverhalten sich im elektrischen
Feld stark verändert.
[0002] So führen ausreichend starke elektrische Felder sowohl zu einer Viskositätsänderung
wie zur Ausbildung einer deutlichen Fließgrenze, d.h. bei Unterschreitung einer Grenzscherkraft
verhält das Fluid sich als elastischer Festkörper. Rheologisch betrachtet verändern
die Fluide sich von einfachen Flüssigkeiten (newtonsche Systeme) zu pseudoplastischen
Flüssigkeiten (Bingham-Körper).
[0003] Dieses bereits seit den 40er Jahren bekannte Verhalten (US-Patent 2,417,850 und 3,047,507)
läßt sich an geeigneten Fluiden sowohl mit elektrischer Gleich- als auch Wechselspannung
erzielen (T.W. Martinek US-Patent 4,502,973). Hierbei ist es technisch wünschenswert
einen geringen bis vernachlässigbaren Stromfluß zu realisieren. Der elektrorheologische
Effekt reagiert auf Wechsel des elektrischen Spannungsniveaus in äußerst kurzen Zeiten,
typischerweise mit Zeitkonstanten im Millisekunden-Bereich. Technisch einsetzbar sind
diese als "Smart Fluids" bezeichneten Systeme beim Übertragen und Dämpfen großer Kräfte
mit Hilfe geringer elektrischer Leistungen in kurzen Zeiten, wie z.B. in Dämpfern,
Vibratoren, Kupplungen, als Hydraulikventile und aktiven Fahrgestelle. Ein deutlicher
Fortschritt beim Übergang konventioneller passiver Systeme zu elektrorheologischen
Systemen ist durch die elektrische Anpassung der Viskositäts-Fließgrenze an den momentanen
Bewegungszustand möglich. Solche aktiven, rückkoppelnden Systeme werden zunehmend
zur Bewältigung der technischen Probleme bewegter Systeme gefordert.
[0004] Der technische Einsatz eines ER-Fluids erfordert neben einem ausreichenden ER-Effekt
eine hohe Temperaturstabilität und chemische Beständigkeit des Fluids, geringe elektrische
Leitfähigkeit, vernachlässigbare elektrophoretische Effekte, geringe Abrasivität und
ausreichende Scher- und Sedimentationstabilität. In jedem Fall muß das Fluid sich
auch bei längerem Stehen gut redispergieren lassen und beim Kontakt mit elastomeren
Werkstoffen kein Anquellen oder Auflösen zeigen.
[0005] Beim größeren Teil der ER-Fluide, welche den Stand der Technik repräsentieren, besteht
die disperse Phase aus Polyelektrolyten (US-Patent 3970573 3047507 4992192 4994198),
Zeoliten und Silikagelen (DE 3517281 A1, DE 356934 A1) oder aber exotischen anorganischen
Verbindungen wie Li-Hydraziniumsulfat (US 4 772 407), deren Effekt durch die Beladung
der dispersen Phase mit erheblichen Wassermengen (bis zu 20 %) erzielt wird. Die Wasseranteile
ermöglichen durch Solvatation der vorhandenen Ionen und Oberflächenladungen eine Erhöhung
der ionischen Leitfähigkeit und erzeugen somit die, für den ER-Effekt notwendige Polarisierbarkeit
der dispersen Teilchen. Die im E-Feld polarisierten Teilchen agglomerieren aufgrund
von Dipol-Dipol-Wechselwirkung und erzeugen eine erhöhte Viskosität, zusätzlich spielt
Wasserstoffbrückenbildung eine Rolle. Der Effekt ist reversibel. Solche wasserhaltigen
Systeme neigen zur Elektrolyse, zeigen eine geringe chemische Stabilität und sind
oftmals korrosiv. Daneben ist der nutzbare Temperaturbereich, in dem diese ER-Fluide
reversibel eingesetzt werden können auf unter 110 °C beschränkt.
[0006] Bisherige elektrorheologische Fluide auf Basis beschichteter metallisch leitender
Partikel, polarisierbarer bzw. halbleitender Polymere und wasserfreie Aluminiumsilikate
leiden neben unzureichender Dispersionsstabilität an zu kleinen ER-Effekten, technisch
nicht mehr akzeptablen Leitfähigkeiten und mit Ausnahme der organischen Materialien
an der hohen materialspezifischen Abrasivität.
[0007] Der Einsatz halbleitender organischer Materialien scheitert an der Instabilität (Redoxempfindlichkeit)
und am Preis der bisher bekannten Materialien. So sind zur Zeit keine vermarkteten
Produkte bekannt.
[0008] Die Aufgabe war daher, ein preiswertes und effizientes ER-Fluid zu entwickeln, daß
sowohl im notwendigen, technisch relevanten, Temperaturbereich (bis 140 °C) eine hohe
Elektroaktivität wie eine geringe elektrische Leitfähigkeit besitzt und auch eine
gute Dispersionsstabilität und geringe Abrasivität aufweist. Es wurden verschiedene
synthetische Schichtsilikate als anisotrope, dotierbare, hochpolarisierbare Dielektrika
rein dargestellt und in inerten Ölen gegebenenfalls unter Verwendung verschiedener
Dispergierhilfsmittel dispergiert.
[0009] Überraschend wurde nun gefunden, daß bei Verwendung aluminiumfreier Metallsilikathydrate
mit Schichtstruktur, die obengenannten Forderungen erfüllt werden.
[0010] Die Erfindung betrifft somit elektrorheologische Fluide enthaltend im wesentlichen
aluminiumfreie Metallsilikathydrate mit Schichtstruktur, ein Dispergierhilfsmittel
sowie ein inertes aprotisches Dispersionsmedium.
[0011] Die aluminiumfreien Metallsilikathydrate sind im wesentlichen ternäre Systeme enthaltend
Metalloxyd M₂O (M vorzugsweise Na), Siliciumdioxid SiO₂ und Wasser H₂O. Für die erfindungsgemäßen
ER-Fluide werden als aluminiumfreie Metallsilikathydrate, vorzugsweise solche vom
Kenyait-, Magadiit- und Kanemittyp eingesetzt. Das SiO₂/M₂O-Molverhältnis ist 2-10
für Kanemit, 8 bis 29 für Magadiit und > 19 für Kenyait. Der Wassergehalt beläuft
sich vor dem Trocknungsschritt auf 0 bis
30 Gew%.
[0012] In den erfindungsgemäßen ER-Fluide können ferner Metall-, Ammonium-, Alkylammonium-
und Arylammonium dotierte Schichtsilikate sowie Mischungen der verschiedenen Struktur-
und Dotierungstypen eingesetzt werden.
[0013] Die Metallsilikathydrate werden in Konzentrationen von 1 bis 50 Gew.-%, vorzugsweise
15 bis 40 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des elektrorheologischen Fluids eingesetzt.
[0014] Die chemisch reine Herstellung der Metallsilikathydrate erfolgt nach dem Hydrothermalverfahren
(DE-OS 3400130, DE-OS 3400132, DE-OS 3521227). Durch Ionenaustausch mit mineralischen
Säuren erhält man die Säureform der Schichtsilikate und durch redotieren mit geeigneten
Metallsalz- oder Ammoniumsalzlösungen neue dotierte Silikathydrate. (DE-OS 312300,
F. Wolf, W. Schwieger, Z. Anorg. allgem. Chemie,
457 (1979), 224).
[0015] Vorzugsweise werden die im folgenden aufgeführten Dispergierhilfsmittel und deren
Mischungen aus neutralen und nichtneutralen Tensiden sowie Betaine verwendet:
Kationische Tenside:
[0016]
- Dialkyldimethylammoniumsalze, Alkylkette C₈-C₂₂, vorzugsweise C₁₆-C₁₈
- Alkyltrimethylammoniumsalze, Alkylkette C₈-C₁₈, vorzugsweise C₁₆-C₁₈
- Oxyethylierte Amine R-N(C₂H₄O)xH (C₂H₄O)yH, Alkylkette C₈-C₁₈,
und deren Ammoniumsalze.
- Perfluoralkyltrimethylammoniumsalze, Alkylkette C₈-C₁₈
- Poly-diallyldimethylammoniumsalze
Nichtionische Tenside
[0017]
- AB-, ABA-, BAB-Blockcopolymere aus einem Polydimethylsiloxanblock (A) und einem Polyoxyalkylenblock
(B) Alkylen-C-Länge 2,3,4
- Polydimethylsiloxanblock auf den Polyoxyalkylenblöcke aufgepfropft sind
- Polyether (MW < 10⁷)
- Ester und Halbester der Alkanphosphon- und 1-Hydroxy-1,1-alkandiphosphonsäuren, Alkanreste
C₈-C₁₈
Anionische Tenside
[0018]
- Dialkylnaphthalinsulfonsäure mit Formaldehyd kondensiert als Na-Salz Alkylkette: C₈-C₁₈
- Diphenylethersulfonsäure mit Formaldehyd kondensiert als Triethanol-aminsalz
- 1 mol 3-Kern-nonylphenol-novolak + 10 bis 20 mol Ethylenoxid als dreifacher Sulfobernsteinsäurehalbester
Na-Salz
- 1 mol 7-Kern-nonylphenol-novolak + 10 bis 120 mol Ethylenoxid
- 1 mol 7-Kern-nonylphenol-novolak + 10 bis 120 mol Ethylenoxid als Mischester aus Benzoesäure
und Maleinsäure mit angelagertem Na-Sulfit als Na-Salz
- Vernetzte Copolymere aus Acrylsäure und Acrylamid
- Vernetzte Polyacrylate
- Copolymere aus Acrylamid und 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure
- Copolymer aus 2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure und Methacryl amido-N,N-dimethylmethylamin
- 1-Hydroxy-alkan-1,1-diphosphonat als Alkylammonium-, Dialkylammonium-, Na-, und Li-Salze,
Alkanreste: C₈-C₁₈, Alkylreste im Ammoniumion C₂-C₁₈
- Alkanphosphonat als Alkylammonium-, Dialkylammonium-,Na-, und Li-Salze, Alkanreste:
C₈-C₁₈, Alkylreste im Ammoniumion C₂-C₁₈
- N-Oleyl-sarcosin-Na
- N-Oleyl-methyltaurin-Na
- Alkyl-oxyalkylen-sulfonsäure, Alkylrest:C₈-C₁₈, 2-7 Oxyalkyleneinheiten
- 2,4,6-tributyl-1-polyethersulfonsäure-benzol, 2-7 Oxyalkyleneinheiten
- p-Alkylbenzolsulfonate, Alkylrest:C₈-C₁₈
- Dialkylmethansulfonsäuren Summe der C-Atome der Alkylreste ist 14.
- Natrium-O-oleylisothionat
- Alkyl-polyethersulfonate, Alkylrest C₈-C₁₄, 2-7 Oxyalkylene
- Alkylpolyethercarbonsäuren, Alkylrest C₈-C₁₄, 2-7 Oxyalkylene
- Alkylaminopropanphosphonate
- Copolymere aus Acrylsäure und 10 Gew% an
Diallylamino-methylenphosphonsäure
Diallylamino-methylendiphosphonsäure
Diallylamino-methandiphosphonsäure-tetraethylester
Allylamino-bis(methylenphosphonsäure)
Diallylamino-methylenphosphonsäure-diethylester
Betaine
[0019]
- Betainsalz aus der Substitutionsreaktion von Monochloressigsäure und Alkyldimethylaminen
Alkylreste C₈-C₁₈
- Betainsalz aus der Substitutionsreaktion von Monochloressigsäure und Alkylamidopropyl-N,N-dimethylamin
Alkylreste C₆-C₁₈
- Betainsalz aus der Substitutionsreaktion von Monochloressigsäurealkylester und Alkyldimethylaminen,
Alkylreste in beiden Fällen C₆-C₁₈
- Betainsalz aus der Substitutionsreaktion von Monochloressigsäurealkylester und 1-Hydroxyethyl-2-alkylimidazol,
Alkylreste in beiden Fällen C₆-C₁₈
Als Basisöle können inerte aprotische Dispersionsmedien eingesetzt werden. Bevorzugt
werden Silikonöle in einem Viskositätsbereich von 0.5 bis 1000 mPas und Mineral- bzw.
Paraffinöle in einem Viskositätsbereich von 0.1 bis 5000 mPas verwendet.
[0020] Zur Herstellung der ER-Fluide erwiesen sich folgende Verfahren als günstig:
Methode 1)
[0021] Die schichtstrukturierten Metallsilikathydrate werden in einer alkalischen (pH =
8-14), wäßrigen Lösung von Dispergierhilfsmitteln mit einem Gehalt von 2 bis 30 Gew%,
vorzugsweise 2 bis 10 Gew%, an Dispergierhilfsmittel bezogen auf die eingesetzte Menge
an Silikat (Silikat/Lösung 1:2) dispergiert und bei Temperaturen von 60 bis 80 °C
drei bis zehn Stunden gerührt.
[0022] Nach Abtrennen der wäßrigen Phase durch Filtration oder Zentrifugation wird der feuchte
Feststoff bei Temperaturen von 80 bis 180 °C, vorzugsweise bei 120 bis 140 °C, getrocknet.
[0023] Nach dem Aufmahlen und gegebenenfalls erneutem Dispergieren in Silikon- oder Mineralöl,
wird die resultierende Mischung in einer Kugelmühle vermahlen.
Methode 2)
[0024] Nach der Trocknung des Schichtsilikats zwischen 120 und 240 °C, vorzugsweise 140
°C oder 180 °C, bis zur Gewichtskonstanz wird das Schichtsilikat mit 2 bis 30 Gew%
an Dispergierhilfsmittel bezogen auf die Silikatmenge in Silikon- oder Mineralöl dispergiert
und mehrere Stunden gerührt. Anschließend wird die Dispersion in einer Kugelmühle
vermahlen.
Methode 3)
[0025] Entspricht der Methode 2 nur ohne Trocknungsschritt.
Methode 4)
[0026] Das Schichtsilikat wird analog der Methode 2 getrocknet. Es wird in aprotischen,
unpolaren Lösungsmitteln mit einem Dispergierhilfsmittel (Ansatzmengen 2 bis 30 Gew%
des Schichtsilikates) dispergiert und mehrere Stunden bei Temperaturen, die 60 bis
80 % des Siedepunktes des Lösungsmittels entsprechen, gerührt. Das Lösungsmittel wird
durch Filtration oder Zentrifugation abgetrennt, der verbleibende Feststoff getrocknet,
erneut gemahlen und in Silikon- oder Mineralöl dispergiert. Diese Öldispersion wird
anschließend in einer Kugelmühle gemahlen.
[0027] Mit der Erfindung werden folgende Vorteile erzielt:
Bis zu Gewichtskonstanz getrocknete aluminiumfreie Metallsilikathydrate mit Schichtstruktur,
insbesondere metalldotierte Silikathydrate, zeigen überraschenderweise deutlich größere
elektrorheologische Effekte als solche mit andersartigen dielektrischen Materialien
bei sehr niedriger Grundviskosität. Die Fluide sind wasserfrei und auch oberhalb 110
°C aktiv. Der ER-Effekt nimmt mit der Temperatur zu, wobei die Leitfähigkeit gering
bleibt. Elektrische Leistungsaufnahmen von 10 bis 20 mW pro Quadratzentimeter Elektrodenoberfläche
bei 20 °C und 80 bis 120 mW/cm² bei 140 °C sind typische Werte.
[0028] Im weiteren Vergleich zu ER-Fluiden auf der Basis aluminiumhaltiger Schichtsilikate
sind die erfindungsgemäßen Fluide frei fließend, nicht thixotrop und was sehr wichtig
ist dispersionsstabil. ER-Fluide mit Alumosilikaten als Dielektrikum zeigen im Gegensatz
zu den hier beschriebenen zu kleine ER-Effekte, technisch nicht mehr akzeptable Leitfähigkeiten
und eine hohe materialspezifische Abrasivität, wodurch Bauteile, in denen das Fluid
eingesetzt werden soll, zerstört werden.
[0029] Aufgrund der Reinheit der zum Einsatz kommenden mineralischen Materialien im Vergleich
zu natürlich vorkommenden Alumosilikaten ist der Aufbau genau definierter ER-Fluide
gegeben, was der Grund für die reproduzierbare Herstellung und die damit verbundene
definierte Einstellung von rheologischen Eigenschaften ist.
[0030] Das Erzeugen von strukturviskosen Eigenschaften im E-feldfreien Zustand durch die
Dotierung der Schichtsilikate und die Belegung mit oberflächenaktiven Substanzen ermöglicht
auch sehr gute elektromechanische Eigenschaften bei hohen Schergeschwindigkeiten,
wodurch eine Anwendung dieser Fluide im Vergleich zu Fluiden auf der Basis von Alumosilikaten
für Drehmomentüberträger und Kupplungen erst möglich wird.
[0031] Für die, im Dispergiermittel Silikonöl hergestellten ER-Fluide gilt außerdem, daß
sie mit gummiartigen Materialien verträglich und ungiftig (d.h. physiologisch unbedenklich)
sind.
Beispiele
Charakterisierung der ER-Fluide
[0032] Die ER-Fluide werden in einem ER-Rotationsrheometer der Firma Haake, Karlsruhe mit
der Typenbezeichnung CV20 und den Meßsystemen PQ20, PG45, SV0,5ER, SV1.0ER, SV0.2ER
und DA45 untersucht, wobei Spaltweiten von 0,2, 0,5 oder 1 mm und Feldstärken bis
10 kV zur Anwendung kommen. Es werden statische und dynamische Messungen ausgewertet
und Gleich- oder Wechselspannung aufgebracht. Zur Meßwerterfassung dient ein Rheocontroller
RC20 und ein Rotovisko RV20 derselben Firma. Vergleichbare Apparaturen sowie die Meß-
bzw. Auswertemethoden sind in der Literatur ausführlich beschrieben (vgl. W. Winslow,
J. Appl. Phys. 20 (1949) 1137, R. T. Bonnecaze, J. F. Brady, J. Rheol. 36(1) 1992).
[0033] In den Tabellen sind, im Vergleich zum Stand der Technik der Aufbau der Fluide, d.h.
verwendetes Dielektrikum in Grundöl mit Dispergierhilfsmittel sowie Viskosität mit
und ohne Feld und der Verstärkungsfaktor bei 100 s⁻¹ sowie die statische Fließgrenze
zur Charakterisierung aufgeführt.
[0034] Die in den Ausführungsbeispielen ersten drei Rezepturen entsprechen den Vergleichsmustern,
die folgenden Beispiele den erfindungsgemäßen ER-Fluiden, wobei verdeutlicht wird,
daß verschiedenartige Zusammensetzung der dispersen Phase und unterschiedliche Dispergierhilfsmittel
(vgl. Beispiel 4 - 23) zu Dispersionen mit guten ER-Eigenschaften führen, insbesondere
gute Wirkung bei Temperaturen oberhalb 110 °C.
1. Inertes Dispergiermedium (bei 25 °C):
a) Polydimethylsiloxan (AK 10 Wacker)
- Viskosität:
- 9,4 mPas
- Dichte
- 0,930 - 0,933 g/cm³
b) Polymethylphenylsiloxan (TR 50 Wacker)
- Viskosität:
- 50 ± 5 mPas
- Dichte:
- 0,955 - 0,957 g/cm³
c) Mineralöl
- Viskosität:
- 7,15 mPas
- Dichte:
- 0,8399 g/cm³
d) Paraffinöl
- Viskosität:
- 254 mPas
- Dichte:
- 0,873 g/cm3
2. Dispergierte Festkörper
a) Schichtsilikat Kenyaittyp
b) Schichtsilikat Magadiittyp
c) Schichtsilikat Kanemittyp
d) Mischung a - c
e) Ionengetauschtes Schichtsilikat Typ a - c
3. Dispergierhilfsmittel
Kationische Tenside:
[0035]
- Distearyldimethylammoniumchlorid
- Perfluorstearyltrimethylammoniumiodid
Nichtionische Tenside
[0036]
- AB-Blockcopolymere aus einem Polydimethylsiloxanblock (A) und einem Polyoxyalkylenblock
(B), Alkylen-C-Länge 2,(Wackerhandelsprodukt VP1633),
Anionische Tenside
[0037]
- Dioctylnaphthalinsulfonsäure mit Formaldehyd kondensiert als Na-Salz
- 1 mol 7-Kern-nonylphenol-novolak + 10 bis 120 mol Ethylenoxid
- 1 mol 7-Kern-nonylphenol-novolak + 10 bis 120 mol Ethylenoxid als Mischester aus Benzoesäure
und Maleinsäure mit angelagertem Na-Sulfit als Na-Salz
- Vernetztes Na-Polyacrylat
- 1-Hydroxy-dodecan-1,1-diphosphonat als Dibutylammoniumsalz
- Decanphosphonat als Na-Salz
- 2,4,6-tributyl-1-polyethersulfonsäure-benzol, 7 Oxyalkyleneinheiten
- p-Dodecylbenzolsulfonate
- Alkyl-polyethersulfonate, Alkylreste C₁₂:C₁₃:C₁₄ Verhältnis = 30:1:5, 7 Oxyalkylene
- Copolymere aus Acrylsäure und 10 Gew% an Diallylaminomethandiphosphonsäure -tetraethylester
Betaine
[0038]
- Betainsalz aus der Substitutionsreaktion von Monochloressigsäure und Stearyldimethylamin
- Betainsalz aus der Substitutionsreaktion von Monochloressigsäurestearylester und 1-Hydroxyethyl-2-stearylimidazol
Vergleichsbeispiel 1
[0039] Entsprechend Beispiel 3 der Patentanmeldung EP 0361106 A1 wurde das auf Basis eines
Peches bestehende ER-Fluid hergestellt. Dispergierhilfsmittel wurden analog der Patentanmeldung
nicht eingesetzt.
Vergleichsbeispiel 2
[0040] Das ER-Fluid wurde von Advanced Fluid Systems Ltd. zur Verfügung gestellt. Es ist
ein ERF-Fluid auf Basis eines Lithiumpolyacrylats nach UK-Patent 1570234.
Vergleichsbeispiel 3
[0041] Muster gemäß der Patentanmeldung DE 3536934 A1 mit 40 Gew% Aluminiumsilikat als disperse
Phase und
(R)Baysilon als Dispergierhilfsmittel (5 Gew%), entsprechend Beispiel 4 hergestellt.
Beispiel 4
[0042] 5 g Dispergierhilfsmittel (Dioctylnaphtalinsulfonsäure kondensiert mit Formaldehyd
als Na-Salz) werden in 1 l Wasser gelöst. In einem thermostatisierten Behälter wird
in diese Lösung mittels eines Pendraulik Dissolver LD50 100 g synthetischer Kenyait
eindispergiert. Die Temperatur wird für 30 min bei 70 °C gehalten. Die Suspension
wird zentrifugiert und der Rückstand bei 140 °C im Vakuum bis zur Gewichtskonstanz
getrocknet. Anschließend wird das so beschichtete Material aufgemahlen und gesiebt.
Die Fraktion mit Teilchengrößen < 32 µm wird in 70 Gew% Silikonöl (AK10) aufgeschlämmt
und in mehreren Mahlgängen in einer Fryma Perlmühle, Typ Co Ball Mill, auf eine Feinheit
von 1 - 2 µm d₅₀ homogenisiert. Die so erhaltene Dispersion ist nicht thixotrop, freifließend
und nichtabsetzend.
Beispiel 5
[0043] Der im Beispiel 4 angegebenen Herstellweise folgend wird ein ER-Fluid hergestellt
mit synthetischem Magadiit als Festkörper und einer Mischung aus einem 7-Kern-nonylphenolnovolak
und Ethylenoxid als Dispergierhilfsmittel.
Beispiel 6
[0044] Herstellung analog Beispiel 4 mit 1-Decanphosphonsäure als Dispergierhilfsmittel.
Beispiel 7
[0045] Herstellung analog Beispiel 4 mit Block-(polysiloxan)-polyoxyalkylen (VP 1633 Wackerchemie)
als Dispergierhilfsmittel.
Beispiel 8
[0046] Herstellung analog Beispiel 4 mit einer quartären Ammoniumverbindung (Betain aus
Monochloressigsäurestearylester + Stearyldimethylamin) als Dispergierhilfsmittel.
Beispiel 9
[0047] Herstellung analog Beispiel 4 mit einem Gemisch aus synthetischem Kenyait/Magadiit
(70 : 30) und Na-polyacrylat (MW 10⁶) als Dispergierhilfsmittel.
Beispiel 10
[0048] Herstellung analog Beispiel 9 mit einem Dibutylammoniumsalz des 1-Oxy-dodecan-1,1-diphosphonat
als Dispergierhilfsmittel.
Beispiel 11
[0049] Herstellung eines ER-Fluids mit synthetischem Kanemit als dielektrisches Material
und Baysilon OF (Bayer-Handelprodukt) als Dispergierhilfsmittel. Die Formulierung
erfolgt entsprechend Beispiel 4.
Beispiel 12
[0050] Herstellung analog Beispiel 4 mit einem 7-Kern-nonylphenol-novolak mit Ethylenoxid
als Mischester aus Benzoesäure und Maleinsäure mit angelagertem Na-Sulfit als Dispergierhilfsmittel.
Beispiel 13
[0051] Herstellung eines ER-Fluids mit einem Gemisch aus synthetischem Kenyait/Magadiit
(vgl. Beispiel 9) und einem Distearyldimethylammoniumchlorid als Dispergierhilfsmittel.
Auf einen wässrigen Präparationsschritt wurde verzichtet (vgl. Beispiel 4) und direkt
in der Perlmühle mit 16 Durchgängen die Dispersion hergestellt.
Beispiel 14
[0052] Herstellung analog Beispiel 13 mit Mineralöl als Grundflüssigkeit. Dispergierhilfsmittel
ist eine mit Formaldehyd kondensiente Dioctylnaphtalinsulfonsäure als Na-Salz.
Beispiel 15
[0053] Herstellung analog Beispiel 4 mit Li-Ionengetauschtem Kenyait und 1-Oxy-dodecan-1,1-diphosphonat
als Dispergierhilfsmittel.
Beispiel 16
[0054] Herstellung analog Beispiel 4 nur anstelle des Kenyaits wurde ein Magadiit verwendet
mit Dibutylammonium-p-dodecylbenzolsulfonat als Dispergierhilfsmittel
Beispiel 17
[0055] Herstellung analog Beispiel 16 mit Calcium-p-dodecylbenzolsulfonat als Dispergierhilfsmittel
Beispiel 18
[0056] Herstellung analog Beispiel 16 mit Paraffinöl als Grundöl und Calcium-p-Dodecylbenzolsulfonat
als Tensid
Beispiel 19
[0057] Herstellung analog Beispiel 16 mit einem Dodecyl-polyethersulfonat und 7 Oxyethyleneinheiten
als Tensid
Beispiel 20
[0058] Herstellung analog Beispiel 16 mit einem Copolymeren aus Acrylsäure und 10 Gew% Diallylamino-methandiphosphonsäure-tetraethylester
als Tensid
Beispiel 21
[0059] Herstellung analog Beispiel 16 mit einem Copolymeren aus Acrylsäure und 10 Gew% Dialylamino-methandiphosphonsäure-tetraethylester
als Dispergierhilfsmittel und Paraffinöl als Grundöl
Beispiel 22
[0060] Herstellung nach Beispiel 16 mit 2,4,6-Tributyl-1-polyethersulfonsäurebenzol, welches
7 Oxyethyleneinheiten enthält, als Tensid
Beispiel 23
[0061] 520 g Magadiit wird bei 180 °C bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Danach wird er
in 1 l einer Lösung aus Silikonöl AK10 und dem Betain aus Monochloressigsäurealkylester
und 1-Hydroxyethyl-2-alkylimidazol eingetragen und 3 Stunden mit einem Pendraulik
Dissolver LD50 bei 90 °C gerührt. Die Menge an Betain ist in diesem Falle 5 Gew% der
eingesetzten Schichtsilikatmenge. Diese Ölsuspension wird anschließend in einer Co-Ball-Mill
MS12 in mehrerern Durchgängen vermahlen.
Beispiel 24
[0062] Herstellung analog Beispiel 4 mit Distearyldimethylammoniumchlorid als Dispergierhilfsmittel.
Beispiel 25
[0064] Wesentlich für die Beurteilung eines ER-Fluides ist die Bestimmung der relativen
Leistungsaufnahme unter Spannung im Vergleich zum feldfreien Zustand.
Hierbei ist τ die gemessene Schubspannung und D die vorgegebene Scherrate. Der Indix
E steht für Meßergebnisse im elektrischen Feld, der Index 0 for solche ohne Feld.
Diese Größe wurde optimiert.
[0065] Aus den resultierenden Kurven ist das Verhältnis der notwendigen, zu dissipierenden,
mechanischen Energien mit und ohne elektrisches Feld bei verschiedenen Schergeschwindigkeiten
erkennbar.
Diese Größe ist wesentlich für die Auslegung technischer Bauteile.
[0066] Abbildung 1 und 3 stellen den Zusammenhang zwischen gemessener Schubspannung als
Funktion der elektrischen Feldstärke und der gegebenen Scherrate dar. Die Abbildungen
2, 4, 5, und 6 stellen die relativen Leistungsaufnahmen der ER-Fluide (
) in Abhängigkeit der Scherrate bei verschiedenen Temperaturen und konstanter Feldstärke
dar.
[0067] In Abbildung 7 ist eine neue elektrorheologische Erscheinung dargestellt. Beim Anlegen
eines elektrischen Feldes sinkt für Scherraten > 5 s⁻¹ die Viskosität der Suspension
unter die der Suspension ohne Feld ab. Beim Abschalten des elektrischen Feldes kehrt
dann die Viskosität auf ihren ursprünglichen Wert wieder zurück. Wir bezeichnen diese
Erscheinung als negativen elektrorheologischen Effekt.
1. Elektrorheologisches Fluid, enthaltend im wesentlichen ein aluminiumfreies Metallsilikathydrat
mit Schichtstruktur, ein Dispergierhilfsmittel sowie inertes aprotisches Dispersionsmedium.
2. Elektrorheologisches Fluid nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das aluminiumfreie
Metallsilikathydrat ein Silikathydrat vom Kenyaittyp vom Magadiittyp und/oder vom
Kanemittyp ist.
3. Elektrorheologisches Fluid nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das inerte
Dispersionsmedium ein Silikonöl in einem Viskositätsbereich von 0,5 bis 1000 mPas
und/oder ein Mineralöl und/oder Paraffinöl jeweils in einem Viskositätsbereich von
0,1 bis 5000 mPas.
4. Elektrorheologisches Fluid nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Dispergierhilfsmittel
ein kationisches Tensid, ein anionisches Tensid, ein nichtionisches Tensid sowie Betain
ist.
5. Elektrorheologisches Fluid nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3, dadurch
gekennzeichnet, daß die Metallsilikathydrate Metall- Ammonium- Alkylammonium- und
Arylammonium- dotiert sind.
6. Elektrorheologisches Fluid gemäß Anspruch I, dadurch gekennzeichnet, daß die Metallsilikathydrate
in Konzentrationen von 1 - 50 Gew%, vorzugsweise 15 - 40 Gew%, bezogen auf das Gesamtgewicht,
eingesetzt werden.