[0001] Die Erfindung betrifft eine flammgeschützte Lärmschutzwand aus Acrylglas, bestehend
aus im Untergrund verankerten Trägern und daran befestigten, z.B. 10 bis 30 mm dicken
Acrylglasscheiben.
Stand der Technik
[0002] Lärmschutzwände mit Acrylglasscheiben sind bekannt; vgl. deutsches Gebrauchsmuster
G 92 02844. Ein geeignetes Trägersystem ist in dem deutschen Gebrauchsmuster G 85
24319 beschrieben.
[0003] Derartige Lärmschutzwände müssen einer begrenzten Brandbelastung, z.B. einem Grasbrand
am Aufstellungsort, standhalten. Diese Eigenschaft läßt sich zwar leicht verwirklichen,
indem man dem Acrylglas bei der Herstellung üblich flammhemmende Zusätze auf Basis
von Phosphor- oder Halogenverbindungen einverleibt. Diese Zusätze sind größtenteils
gesundheitsbedenklich und erfordern deshalb besondere Schutzmaßnahmen bei der Herstellung
und Verarbeitung des Acrylglases.
Aufgabe und Lösung
[0004] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Acrylglasscheiben für Lärmschutzwände ohne
halogen- und phosphorhaltige Zusätze flammhemmend auszurüsten. Insbesondere soll die
zusätzliche technische Vorschrift für Lärmschutzwände ZTV-Lsw 88 des Bundesministers
für Verkehr erfüllt werden.
[0005] Es wurde gefunden, daß diese Aufgabe an einer Lärmschutzwand aus Acrylglas, bestehend
aus Trägern und daran befestigten Acrylglasscheiben dadurch erfüllt werden kann, daß
das Acrylglas frei von halogen- und phoshorhaltigen flammhemmenden Zusätzen ist und
auf den Oberflächen der Scheiben eine Schicht aus einem bis zu Temperaturen von 250
oC nicht zersetzlichen und nicht schmelzenden Material enthält. Das Material gilt als
nicht zersetzlich, wenn es bei der thermogravimetrischen Analyse unter Stickstoff
bei einer Temperatursteigerung von 20
oC/min bis zu einer Temperatur von 250
oC einen Gewichtsverlust unter 1 % aufweist.
[0006] Zur Prüfung der Brandbelastbarkeit dient eine Versuchsanordnung, bei der ein Wandelement,
das in einen U-Profilrahmen aus Metall eingefaßt ist, auf einem 25 cm hohen unbrennbaren
Sockel senkrecht aufgestellt wird. Unmittelbar vor der Vorderseite werden auf den
Boden zwei mit je 600 g Holzwolle gefüllte Drahtkörbe von 30 x 30 x 20 cm in den Drittelpunkten
des Elements aufgestellt und gleichzeitig angezündet. Nach einer Stunde wird die gleiche
Behandlung auf der Rückseite des Elements wiederholt. Das geprüfte Wandelelement darf,
um den Brandtest zu erfüllen, kein Feuer fangen und auch nicht stellenweise verbrennen.
Es dürfen keine Brandlöcher von mehr als 6 cm² Fläche und keine Risse von mehr als
5 cm Länge entstehen.
[0007] Wandelemente gemäß der Erfindung (hergestellt nach Beispiel 1) mit den Abmessungen
2000 x 1000 x 15 mm erfüllen den beschriebenen Brandtest. Dagegen erfüllen Wandelemente
gleicher Abmessungen aus unbeschichtetem gegossenen Acrylglas, bestehend aus reinem
Polymethylmethacrylat, nur zu 50 % diese Prüfbedingungen. Die anderen Elemente gerieten
in Brand und mußten nach Versuchsende abgelöscht werden.
[0008] Der Befund, daß die erfindungsgemäßen Acrylglasscheiben unter den Bedingungen des
vorgeschriebenen Brandtests bis zum Abbrennen des Umgebungsfeuers nicht entzündet
werden, ist überraschend, denn ein Einfluß der Oberflächenschicht ist schon bei sehr
geringen Schichtdicken, beispielsweise 200 bis 600 nm, feststellbar. Obwohl eine Erklärung
bisher nicht möglich ist, wird angenommen, daß die Entzündungsgefahr auf der Verbrennung
von monomerem Methylmethacrylat-Dampf beruht, der durch thermische Depolymerisation
entsteht. Es war bisher nicht feststellbar, ob die Wirkung der Schicht auf einer Hemmung
der Depolymerisation oder auf der Hinderung der Freisetzung der Monomerendämpfe beruht.
Ausführung der Erfindung
[0009] Als Acrylglas werden Homo- und Copolymerisate aus wenigstens 80 Gew.-% Polymethylmethacrylat
und gegebenenfalls bis zu 20 Gew.-% an Comonomeren, wie niedere Alkylacrylate und
-methacrylate, bezeichnet. Geeignet sind gegossenes und extrudiertes Acrylglas.
[0010] Um eine ausreichende Lärmschutzwirkung zu erreichen, müssen die Acrylglasscheiben
eine beträchtliche Dicke haben. Bei Dicken unter 10 mm ist die schalldämmende Wirkung
zu gering. Bei Dicken über 30 mm steht die Wirkungszunahme in keinem wirtschaftlich
tragbaren Verhältnis zum zunehmenden Materialverbrauch. Vorzugsweise sind die Scheiben
12 bis 25 mm dick. Die Herstellung entsprechend dicker Scheiben durch Extrusion ist
schwierig. Eine dafür geeignete Extrusionsdüse ist in dem deutschen Gebrauchmuster
G 90 015187 beschrieben.
[0011] Glasklare farblose Scheiben sind bevorzugt. Aus Gründen des Vogelschutzes werden
manchmal Scheiben mit gut sichtbaren Längs- oder Querstreifen in Abständen von einigen
Zentimetern oder undurchsichtig eingefärbte Scheiben bevorzugt.
[0012] Bei Lärmschutzwänden an Autostraßen sind Vorkehrungen erforderlich, um zu verhindern,
daß im Falle der Zerstörung einer Acrylglasscheibe bei einem Unfall Bruchstücke in
die Umgebung geschleudert werden. In den deutschen Gebrauchsmustern G 91 09817 und
G 92 02488 wird vorgeschlagen, in die Acrylglasscheiben in Längsrichtung durchlaufende
zugfeste Einlagen einzubetten, die die Bruchstücke zusammenhalten. Geeignet sind z.B.
monofile Fäden oder Bänder aus Polyamid oder Stahlspiralen. Sie werden bei der Herstellung
gegossener Platten nach dem Kammerverfahren vor dem Einfüllen der Monomeren in der
Flachkammer eingespannt und nach dem Füllen von dem polymerisierenden Monomeren umschlossen.
Bei der Herstellung durch Extrusion kann man in der Weise vorgehen, daß zwei Stränge
halber Dicke getrennt extrudiert und in einem Walzenstuhl im thermoplastischen Zustand
vereinigt werden, wobei man die Fäden oder Bänder gleichzeitig zwischen den beiden
Strängen einlaufen läßt. Als zugfeste Einlage muß in diesem Falle ein Material verwendet
werden, das durch die hohe Temperatur der thermoplastischen Formmassenstränge nicht
geschädigt wird.
[0013] Die Acrylglasscheiben haben üblicherweise Abmessungen von 2 bis 4 m Länge und 1 bis
2 m Breite. Sie werden in der Regel an senkrecht stehenden Trägern oder Pfosten, die
im Untergrund verankert sind, befestigt. Vorzugsweise sind die Kanten mit U-Profilen
aus Metall eingefaßt.
[0014] Die auf der Oberfläche des Acrylglases angeordnete Schicht kann eine Dicke von 0,1
bis 100, vorzugsweise 0,3 bis 15 Mikrometer haben.
[0015] Siliciumdioxid erfüllt die Forderungen hinsichtlich der Schmelz- und Zersetzungstemperaturen.
Eine Schicht aus kolloidalen Siliziumdioxid-Partikeln kann in an sich bekannter Weise
gemäß EP 149 182 durch Auftragen eines wäßrigen Siliciumdioxid-Kolloidsols erzeugt
werden. Um eine gute Haftung auf dem Acrylglas zu erreichen, ist eine Grundierung
der Acrylglasoberfläche mit einem löslichen organischen Polymermaterial mit einem
Gehalt an polaren Gruppen vorteilhaft. Die Grundierungsschicht braucht die erfindungsgemäß
an die äußerste Schicht gestellten Anforderungen nicht zu erfüllen. Geeigent sind
z.B. Copolymerisate von niederen Alkylestern der Acryl- und/oder Methacrylsäure, die
als polare Gruppen z.B. Einheiten von Hydroxyalkyl-acrylat oder -methacrylat, N-Methylol-acrylamid
oder -methacrylamid oder deren Alkylether oder Methacryloxypropyl-trimethoxysilan
enthalten können.
[0016] Die Schicht aus kolloidalen Siliziumdioxid-Partikeln wirkt zugleich wasserspreitend.
Das hat den Vorteil, daß Regenwassertropfen auf der Oberfläche der Acrylglasscheiben
zu einem geschlossenen Film zusammenfließen und an der aufrecht stehenden Platte abfließen.
Dabei werden lose anhaftende Staub- und Schmutzteilchen mitgerissen, so daß sich die
Lärmschutzwand über längere Zeit selbst reinigt.
[0017] Eine andere Art der Oberflächenschicht besteht aus einem vernetzten, bis 250
oC nicht zersetzlichen organischen Polymermaterial. Die Vernetzung muß so hoch sein,
daß das Polymermaterial bis zu einer Temperatur von 250
oC nicht schmilzt. Infolge der Vernetzung ist es unlöslich in organischen Lösemitteln.
[0018] Bevorzugt sind Polymerisate bzw. Copolymerisate von äthylenisch ungesättigten, radikalisch
polymerisierbaren Monomeren, an deren Aufbau wenigstens 10 Gew.-%, vorzugsweise 30
bis 80 Gew.-%, an Monomeren mit zwei oder mehr ungesättigten polymerisierbaren Gruppen
beteiligt sind. Beispiele sind Diester, Triester oder höherfunktionelle Ester der
Acryl- und/oder Methacrylsäure mit zwei- oder mehrwertigen Alkanolen, wie Ethylenglykol,
1,2-Propylengkykol, Butandiol-1,4, Glycerin, Trimethylolpropan und Pentaerythrit.
Als einfach ungesättigte Comonomere kommen vor allem die niederen Alkylester der Acryl-
und/oder Methacrylsäure (vorzugsweise mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen im Alkylrest)
in Betracht. Die aus diesen Monomeren aufgebauten Polymerisate und Copolymerisate
erfüllen in der Regel die Voraussetzung einer nicht unter 250
oC liegenden Zersetzungstemperatur. Die daraus aufgebauten Schichten haben eine hohe
mechanische Festigkeit und schützen die Oberfläche des Acrylglases gleichzeitig gegen
eine Verminderung der Transparenz durch die Einwirkung von kratzenden oder reibenden
Beanspruchungen.
[0019] Beschichtungen dieser Art werden aus einer auf die Oberfläche des Acrylglases aufgebrachten
Schicht der zugrundeliegenden flüssigen Monomeren durch radikalische Polymerisation
erzeugt. Geeignete Polymerisationsverfahren sind aus der Technik der Kratzfestbeschichtung
bekannt. Die Polymerisation wird beispielsweise durch radikalbildende Photoinitiatoren
unter UV-Strahlung bewirkt. Ein Verfahren dieser Art ist z.B. in DE-A 2928512 beschrieben.
Ausführungsbeispiele
1. Beschichtung von gegossenem Acrylglas mit Siliciumdioxid
[0020] Als Grundierung wurde eine 2,5-prozentige Lösung eines Mischpolymerisats aus 88 Gew.-%
Methylmethacrylat und 12 Gew.-% Methacryloyl-oxypropyl-trimethoxysilan in einem Gemisch
aus Isopropylalkohol und Toluol hergestellt. Die Grundierung wurde auf mehrere Acrylglasplatten
der Abmessungen 1000 x 1600 x 15 mm (PLEXIGLAS® GS 233, Röhm GmbH) aufgetragen. Dazu
wurde ein Textilstreifen, der auf einen geraden Stab gewickelt war, mit der Lösung
getränkt und quer über die Breite der Acrylglasplatten gezogen. Der zurückbleibende
Flüssigkeitsfilm wurde getrocknet. Anschließend wurde in gleicher Weise ein 3-prozentiges,
schwach anionisches, oberflächlich mit Aluminiumoxid modifiziertes Kieselsol unter
Zusatz von 0,01 Gew.-% eines nichtionischen Netzmittels (Isotridecylalkohol, achtfach
ethoxyliert) aufgetragen und 5 min in einem Warmluftstrom bei 80
oC getrocknet. Beide Schichten waren je etwa 300 nm dick.
[0021] Beim Brandtest der beschichteten Acrylglasscheiben unter den eingangs beschriebenen
Bedingungen der ZTV-Lsw 88 trat in keinem Fall ein Mitbrennen oder eine Flammenbildung,
ein Durchbrennen und Rißbildung auf. Im beflammten Bereich waren feine Blasen und
eine braune Verfärbung sichtbar.
2. Beschichtung von gegossenem Acrylglas mit einem vernetzten Acrylpolymeren
[0022] Eine Überzugslösung wurde aus 3900 g Pentaerythrittetraacrylat (Sartomer®), 5900
g 1,6-Hexandioldiacrylat und 200 g eines Photoinitiators (Darocur® 1116, Ciba-Geigy
AG) bereitet.
[0023] Die Lösung wurde mittels einer Walzenauftragsmaschine im Gleichlauf auf mehrere Acrylglasplatten
(wie im Beispiel 1) aufgetragen und mit einem UV-Strahler einer Leistung von 120 W/cm
(Quecksilber-Hochdruckstrahler) unter Stickstoff ausgehärtet. Die Schichtdicke betrug
10 - 12 Mikrometer. Die thermogravimetrische Analyse des Beschichtungsmaterials ergab
unter den oben beschriebenen Bedingungen eine Zersetzung von 1 % bei etwa 310
oC.
[0024] Beim Brandtest erfüllten alle beschichteten Acrylglasplatten die Prüfung gemäß ZTV-Lsw
88.
1. Flammgeschützte Lärmschutzwand aus Acrylglas, bestehend aus Trägern und daran befestigten
Acrylglasscheiben,
dadurch gekennzeichnet, daß das Acrylglas frei von halogen- und phoshorhaltigen
flammhemmenden Zusätzen ist und auf den Oberflächen der Scheiben eine Schicht aus
einem bis zu Temperaturen von 250oC nicht zersetzlichen und nicht schmelzenden Material enthält.
2. Lärmschutzwand nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Schicht eine Dicke
von 0,1 bis 100 Mikrometer hat.
3. Lärmschutzwand nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Schicht aus
kolloidalen Siliziumdioxid-Partikeln besteht.
4. Lärmschutzwand nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Schicht aus
einem vernetzten organischen Polymermaterial besteht.
5. Lärmschutzwand nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet,
daß die Acrylglasscheiben durch Extrusion erzeugt sind.
6. Lärmschutzwand nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet,
daß in das Acrylglas in Längsrichtung durchlaufende zugfeste Einlagen eingebettet
sind.