[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vermeidung von Randoxidation beim Aufkohlen
von Stählen nach dem Oberbegriff des Anspruches 1.
[0002] Beim Einsatzhärten werden Stähle mit niedrigem Kohlenstoffgehalt in kohlenstoffabgebenden
Mitteln bei Temperaturen zwischen 800 und 950 °C geglüht. Die Oberfläche reichert
sich mit Kohlenstoff an und wird beim Abschrecken hart. Als kohlenstoffabgebende Mittel
werden meist Endogase verwendet, welche ca. 20 % CO, 40 % H₂, 40 % N₂ enthalten. Beim
Aufkohlen dieser Stähle mit Endogas tritt eine Oxidation der unedlen Legierungselemente
in der Randzone der Stähle auf, so daß diese nicht mehr bei der späteren Gefügeausbildung
vorhanden sind. In der Randzone der Stähle bildet sich dabei ein unerwünschtes Gefüge
aus, welches ungünstige Eigenschaften aufweist und ein mechanisches Abtragen oder
Strahlen dieser Randzone erfordert, um die geforderten Eigenschaften der Stähle (Werkstücke)
zu erreichen.
[0003] Untersuchungen haben ergeben, daß diese Randoxidation im wesentlichen durch das Sauerstoffpotential
der verwendeten Endogase verursacht wird, obwohl diese Gase stark reduzierend wirken
und kein "freier Sauerstoff" bei der jeweiligen Aufkohlungstemperatur vorhanden ist.
Die Sauerstoffaktivität wird durch Gehalte an CO, CO₂, H₂O und den nichtsauerstoffhaltigen
Komponenten (H₂, CH₄) bestimmt. Die dominierende Aufkohlungsteilreaktion in solchen
CO-haltigen Gasatmosphären ist der Kohlenmonoxidzerfall auf der Werkstückoberfläche:
CO
Gas = [C]
gelöst + [O]
adsorbiert
Der freiwerdende Kohlenstoff, aber auch der bei der Reaktion entstehende adsorbierte
Sauerstoff, werden von der Legierung gelöst und diffundieren in den Stahl ein. Die
Menge an gelöstem Sauerstoff wird durch die Sauerstoffaktivität der Gasphase und die
Dauer der Behandlungszeit bestimmt und ist sehr viel geringer als die sich lösende
Kohlenstoffmenge. Die Sauerstofflöslichkeit im Reineisen beträgt bei 950 °C und einem
C-Pegel von 1 Gew.% Kohlenstoff unter Verwendung eines Endogases aus Methan ungefähr
0,0003 Gew.% Sauerstoff (3 ppm Sauerstoff).
[0004] Wird der Sauerstoffpartialdruck für die Bildung eines Metalloxides überschritten,
so tritt die Oxidation des jeweiligen Metalls ein.
Me + H₂O = MeO + H₂
Me + CO₂ = MeO + CO
Das Sauerstoffpotential der verwendeten Aufkohlungsmedien ist in der Regel so gering,
daß keine Oxidation des Eisens auftritt. In den Stählen vorhandene Legierungselemente
besitzen jedoch eine hohe Affinität zum Sauerstoff, so daß geringe Mengen an gelöstem
Sauerstoff in der Legierung zur sogenannten inneren Oxidation führen.
[0005] Übliche Legierungselemente sind: Cr, Mn, Si, Ti, V und andere, die in geringen Konzentrationen
vorliegen. Unter der Randoxidation oder auch inneren Oxidation werden Oxidausscheidungen
der oben genannten Metalle innerhalb eines Metallkorns oder entlang der Korngrenzen
verstanden, die durch den eindiffundierenden gelösten Sauerstoff gebildet werden und
dann dispergiert in der Matrix verteilt sind.
[0006] Die Kinetik der Sauerstoffaufnahme gehorcht einem diffusionskontrollierten Zeitgesetz
und die Eindringtiefe nimmt somit parabolisch mit der Aufkohlungsdauer zu. Die Eindringtiefe
des Sauerstoffs und die daraus resultierende Randoxidationstiefe kann nach folgender
Gleichung berechnet werden:
- Xt
- Eindringtiefe des Sauerstoffs
- Do
- Diffusionskoeffizient des Sauerstoffs in der Legierung
- Co
- Sauerstoffkonzentration aus der Legierungsoberfläche
- CMe
- Konzentration des unedlen Metalls in der Legierung (z.B. Silizium)
- ν
- stöchiometrischer Faktor
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Randoxidation beim Aufkohlen von Stählen
zu verhindern.
[0007] Ausgehend von dem im Oberbegriff des Anspruches 1 berücksichtigten Stand der Technik
ist diese Aufgabe erfindungsgemäß gelöst mit den im kennzeichnenden Teil des Anspruches
1 angegebenen Merkmalen.
[0008] Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.
[0009] Durch die Erfindung wird ein Aufkohlungsverfahren mit nur geringen Anlage- und Betriebskosten
geschaffen, weil die Glühung in herkömmlichen Industrieofenanlagen bei Atmosphärendruck
ausgeführt werden kann.
[0010] Erfindungsgemäß wird die Randoxidation der Stähle vermieden, indem die Wärmebehandlung
in Gasphasen erfolgt, die keine oder nur geringe sauerstoffhaltige Moleküle enthalten.
Bei der Aufkohlung dieser Stähle übersteigt der Sauerstoffpartialdruck der Gasatmosphäre
nicht den Bildungsdruck der Oxide.
[0011] Die Gaskomponenten Wasserstoff und Kohlenwasserstoffe des erfindungsgemäßen Gasgemisches,
dessen Sauerstoffaktivität kleiner ist als für die Bildung von Mangan(II) - oder Chrom-
(III) -oxid notwendig ist, sind nicht sauerstoffhaltig (sauerstofffrei), so daß nahezu
kein Sauerstoffpartialdruck vorhanden ist. Der Kohlenstofftransfer aus der Gasphase
in den Stahl während der Anfangs- und Diffusionsphase ist groß und der geforderte
Kohlenstoffgehalt im Rand des Werkstoffes (ca. 1 % C) stellt sich relativ schnell
ein. Bei den Aufkohlungstemperaturen zerfällt der instabile Kohlenwasserstoff (C
x H
y) auf der Legierungsoberfläche hauptsächlich in Wasserstoff, Methan und atomaren Kohlenstoff,
der schnell in den Werkstoff eindiffundiert. Der Zerfall kann z.B. bei Einsatz von
Propan nach folgender Reaktionsgleichung ablaufen:
C₃H₈ → 2 CH₄ + C
ad

Die sich einstellende Kohlenstoffaktivität der Gasphase wird über die zudosierte Kohlenwasserstoffmenge
beeinflußt. Da die Gasphase hauptsächlich aus Wasserstoff besteht, wird der C-Pegel
über das sich einstellende Methan/Wasserstoff-Verhältnis geregelt. Die Aufkohlungsreaktion
über den Methanzerfall in Wasserstoffatmosphären lautet:

Der Gehalt an Wasserstoff und insbesondere der sich einstellende Methangehalt werden
ständig analysiert und anhand der erfaßten Istwerte wird die Kohlenwasserstoffzufuhr
auf einen gewünschten Randkohlenstoffgehalt geregelt.
[0012] Werden jedoch große Aufkohlungstiefen verlangt, d.h. lange Aufkohlungszeiten (größer
8 Stunden), so kann das Wasserstoff-/Kohlenwasserstoff-Gasgemisch durch ein verdünntes
Stickstoff-Methanol-Spaltgas zum Ende der Aufkohlungsphase ausgetauscht werden. Es
handelt sich somit bei dieser Aufkohlungsvariante um ein zweistufiges Aufkohlungsverfahren:
- 1. Stufe
- Hauptaufkohlungsphase
- 2. Stufe
- Diffusionsphase
Während der Diffusionsphase (ca. 1 bis 2 Stunden) wird der sich während der Hauptaufkohlungsphase
gelöste Wasserstoff im Werkstück stark herabgesetzt, so daß eine Wasserstoffversprödung
ausgeschlossen werden kann.
[0013] Zum einstufigen Verfahren wird das kohlenstoffhaltige Gasgemisch nach dem Aufkohlen
durch Stickstoff ersetzt und damit der im Stahl gelöste Wasserstoff abgebaut. Der
Stahl wird zwischen 5 und 15 Minuten in der Stickstoffatmosphäre gehalten.
[0014] Wird bei einer niedrigeren als der Aufkohlungstemperatur gehärtet, kann während der
Abkühlphase auf Härtetemperatur mit Stickstoff gespült werden, um den gelösten Wasserstoff
abzubauen. Die Aufkohlungsphase kann somit zu 100 % genutzt werden.
Beispiele:
[0015] In eine Industrieofenanlage wurde der Stahl 16 MnCr 5 (1 % Mn; 1 % Cr; 0,20 % Si)
aufgekohlt. Die Ofenanlage wurde vor der ersten Aufkohlung bei ca. 1.000 °C mit Endogas
formiert. Während der Formierung wurden Temperatur und Thermospannung der Sauerstoffsonde
bzw. der Taupunkt oder der CO₂-Gehalt gemessen und registriert und eine eindeutige
Aussage über die Güte der Ofenformierung gemacht. Der Ablauf der Aufkohlung wurde
wie folgt durchgeführt:
Einstufiges Verfahren
[0016]
- 1. Schritt:
- Stähle in den Ofen fahren und mit Stickstoff (N₂) sauerstofffrei spülen.
- 2. Schritt:
- Aufheizen der Stähle auf die Aufkohlungstemperatur unter einer Stickstoff/Wasserstoff-Atmosphäre.
- 3. Schritt:
- Ab einer Temperatur von 750 °C Einspeisen eines Wasserstoff/Propan-Gasgemisches.
- 4. Schritt:
- Aufkohlen der Stähle bei vorgegebener Haltezeit und -temperatur in der Wasserstoff/Propan-Ofenatmosphäre.
- 5. Schritt:
- Ungefähr 1 bis 2 Stunden vor Ablauf der Haltezeit wird der C-Pegel der Ofenatmosphäre
durch Zugabe von Propan auf den Wert geregelt, der einen gewünschten Randkohlenstoffgehalt
im Stahl einstellt.
- 6. Schritt:
- Ofenraum mit Stickstoff spülen (große Spülmenge) und die Stähle ca. 10 Minuten auf
Temperatur halten bzw. auf Härtetemperatur abkühlen.
- 7. Schritt:
- Stähle härten.
Zweistufiges Verfahren
[0017]
- 1. Schritt:
- Stähle in den Ofen fahren und mit Stickstoff (N₂) sauerstofffrei spülen.
- 2. Schritt:
- Aufheizen der Stähle auf die Aufkohlungstemperatur unter einer Stickstoff- (N₂)/Wasserstoff-
(H₂) Atmosphäre.
- 3. Schritt:
- Ab einer Temperatur von 750 °C einspeisen eines Wasserstoff/Kohlenwasserstoff-Gasgemisches.
- 4. Schritt:
- Aufkohlen der Stähle bei vorgegebener Haltezeit und -temperatur in der Kohlenwasserstoff-Ofenatmosphäre.
- 5. Schritt:
- Ungefähr 1 bis 2 Stunden vor Ablauf der Haltezeit (Aufkohlungszeit) wird die Gasatmosphäre
durch ein Stickstoff-Methanol-Spaltgas ersetzt.
- 6. Schritt:
- Ungefähr 1 bis 2 Stunden vor Ablauf der Haltezeit wird der C-Pegel der Ofenatmosphäre
(C-Pegelregelung über Sauerstoffsonde, CO₂- bzw. Wassergehalt) durch Zugabe von Propan
oder andere Kohlenwasserstoffe auf den Wert geregelt, der einen gewünschten Randkohlenstoffgehalt
im Stahl einstellt.
- 7. Schritt:
- Stähle auf Härtetemperatur abkühlen.
- 8. Schritt:
- Während der Abkühlung auf Härtetemperatur wird der C-Pegel auf dem gewünschten Wert
konstantgehalten.
- 9. Schritt:
- Stähle härten.
[0018] Die Ofengaszusammensetzung wurde bei beiden Verfahrensvarianten während des gesamten
Prozesses auf ihre Gehalte an H₂, CH₄, CO, CO₂
und H₂O stetig analysiert. Der Temperaturverlauf wurde ebenfalls gemessen und registriert.
Kohlenstoff- und Sauerstoffaktivität wurden ständig bestimmt und auf ihre Sollwerte
hin korrigiert.
1. Verfahren zur Vermeidung von Randoxidation beim Aufkohlen von Stählen unter kohlenstoffhaltigem
Gasgemisch bei Aufkohlungstemperatur,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Stähle unter einem Stickstoff/Wasserstoff-Gasgemisch oder mit reinem Wasserstoff
auf die Aufkohlungstemperatur aufgeheizt werden und das Stickstoff/Wasserstoff-Gasgemisch
oder der Wasserstoff während der Aufkohlung durch ein kohlenstoffhaltiges Gasgemisch
mit einer Sauerstoffaktivität kleiner als die für die Bildung von Mangan- (II) - oder
Chrom- (III) -oxid erforderliche ersetzt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß das kohlenstoffhaltige Gasgemisch ein Wasserstoff/Kohlenwasserstoff-Gasgemisch,
vorzugsweise ein Wasserstoff/Propan-Gasgemisch, ist.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß gegen Ende der Aufkohlung das kohlenstoffhaltige Gasgemisch durch ein Stickstoff-Methanol-Spaltgas
ersetzt wird.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Zusammensetzung des Gasgemisches bzw. des Spaltgases während der Aufheizung
und Aufkohlung erfaßt wird und in Abhängigkeit von den erfaßten Istwerten der Kohlenstoffgehalt
durch Zufuhr von Kohlenwasserstoffen auf einen gewünschten Randkohlenstoffgehalt eingestellt
wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß das kohlenstoffhaltige Gasgemisch bzw. das Spaltgas nach dem Aufkohlen durch Stickstoff
ersetzt und damit der im Stahl gelöste Wasserstoff abgebaut wird.
6. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Stahl zwischen 5 und 15 Minuten in der Stickstoffatmosphäre auf der Aufkohlungstemperatur
gehalten wird.
7. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Stahl in der Stickstoffatmosphäre unterhalb der Aufkohlungstemperatur abgekühlt
wird.