(19)
(11) EP 0 662 525 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
12.07.1995  Patentblatt  1995/28

(21) Anmeldenummer: 94202796.2

(22) Anmeldetag:  27.09.1994
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6C23C 8/22, C21D 1/76, C21D 3/06
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE DE FR GB IT

(30) Priorität: 08.01.1994 DE 4400391

(71) Anmelder: MESSER GRIESHEIM GMBH
D-60547 Frankfurt (DE)

(72) Erfinder:
  • Schmidt, Hans-Peter
    D-40822 Mettmann (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Vermeidung von Randoxidation beim Aufkohlen von Stählen


    (57) Die Randoxidation unter Aufkohlungstemperaturen von Stählen beim Aufkohlen mit kohlenstoffhaltigen Gasgemischen wird vermieden, indem die Stähle unter einem Stickstoff/Wasserstoff-Gemisch oder reinem Wasserstoff auf die Aufkohlungstemperatur aufgeheizt werden. Zum Aufkohlen werden diese Gase durch ein kohlenstoffhaltiges Gasgemisch ersetzt, dessen Sauerstoffaktivität kleiner als die für die Bildung von Mangan- (II) - oder Chrom (III) -oxid erforderliche ist.


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vermeidung von Randoxidation beim Aufkohlen von Stählen nach dem Oberbegriff des Anspruches 1.

    [0002] Beim Einsatzhärten werden Stähle mit niedrigem Kohlenstoffgehalt in kohlenstoffabgebenden Mitteln bei Temperaturen zwischen 800 und 950 °C geglüht. Die Oberfläche reichert sich mit Kohlenstoff an und wird beim Abschrecken hart. Als kohlenstoffabgebende Mittel werden meist Endogase verwendet, welche ca. 20 % CO, 40 % H₂, 40 % N₂ enthalten. Beim Aufkohlen dieser Stähle mit Endogas tritt eine Oxidation der unedlen Legierungselemente in der Randzone der Stähle auf, so daß diese nicht mehr bei der späteren Gefügeausbildung vorhanden sind. In der Randzone der Stähle bildet sich dabei ein unerwünschtes Gefüge aus, welches ungünstige Eigenschaften aufweist und ein mechanisches Abtragen oder Strahlen dieser Randzone erfordert, um die geforderten Eigenschaften der Stähle (Werkstücke) zu erreichen.

    [0003] Untersuchungen haben ergeben, daß diese Randoxidation im wesentlichen durch das Sauerstoffpotential der verwendeten Endogase verursacht wird, obwohl diese Gase stark reduzierend wirken und kein "freier Sauerstoff" bei der jeweiligen Aufkohlungstemperatur vorhanden ist. Die Sauerstoffaktivität wird durch Gehalte an CO, CO₂, H₂O und den nichtsauerstoffhaltigen Komponenten (H₂, CH₄) bestimmt. Die dominierende Aufkohlungsteilreaktion in solchen CO-haltigen Gasatmosphären ist der Kohlenmonoxidzerfall auf der Werkstückoberfläche:



            COGas = [C]gelöst + [O]adsorbiert



    Der freiwerdende Kohlenstoff, aber auch der bei der Reaktion entstehende adsorbierte Sauerstoff, werden von der Legierung gelöst und diffundieren in den Stahl ein. Die Menge an gelöstem Sauerstoff wird durch die Sauerstoffaktivität der Gasphase und die Dauer der Behandlungszeit bestimmt und ist sehr viel geringer als die sich lösende Kohlenstoffmenge. Die Sauerstofflöslichkeit im Reineisen beträgt bei 950 °C und einem C-Pegel von 1 Gew.% Kohlenstoff unter Verwendung eines Endogases aus Methan ungefähr 0,0003 Gew.% Sauerstoff (3 ppm Sauerstoff).

    [0004] Wird der Sauerstoffpartialdruck für die Bildung eines Metalloxides überschritten, so tritt die Oxidation des jeweiligen Metalls ein.



            Me + H₂O = MeO + H₂




            Me + CO₂ = MeO + CO



    Das Sauerstoffpotential der verwendeten Aufkohlungsmedien ist in der Regel so gering, daß keine Oxidation des Eisens auftritt. In den Stählen vorhandene Legierungselemente besitzen jedoch eine hohe Affinität zum Sauerstoff, so daß geringe Mengen an gelöstem Sauerstoff in der Legierung zur sogenannten inneren Oxidation führen.

    [0005] Übliche Legierungselemente sind: Cr, Mn, Si, Ti, V und andere, die in geringen Konzentrationen vorliegen. Unter der Randoxidation oder auch inneren Oxidation werden Oxidausscheidungen der oben genannten Metalle innerhalb eines Metallkorns oder entlang der Korngrenzen verstanden, die durch den eindiffundierenden gelösten Sauerstoff gebildet werden und dann dispergiert in der Matrix verteilt sind.

    [0006] Die Kinetik der Sauerstoffaufnahme gehorcht einem diffusionskontrollierten Zeitgesetz und die Eindringtiefe nimmt somit parabolisch mit der Aufkohlungsdauer zu. Die Eindringtiefe des Sauerstoffs und die daraus resultierende Randoxidationstiefe kann nach folgender Gleichung berechnet werden:





    Xt
    Eindringtiefe des Sauerstoffs
    Do
    Diffusionskoeffizient des Sauerstoffs in der Legierung
    Co
    Sauerstoffkonzentration aus der Legierungsoberfläche
    CMe
    Konzentration des unedlen Metalls in der Legierung (z.B. Silizium)
    ν
    stöchiometrischer Faktor
    Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Randoxidation beim Aufkohlen von Stählen zu verhindern.

    [0007] Ausgehend von dem im Oberbegriff des Anspruches 1 berücksichtigten Stand der Technik ist diese Aufgabe erfindungsgemäß gelöst mit den im kennzeichnenden Teil des Anspruches 1 angegebenen Merkmalen.

    [0008] Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.

    [0009] Durch die Erfindung wird ein Aufkohlungsverfahren mit nur geringen Anlage- und Betriebskosten geschaffen, weil die Glühung in herkömmlichen Industrieofenanlagen bei Atmosphärendruck ausgeführt werden kann.

    [0010] Erfindungsgemäß wird die Randoxidation der Stähle vermieden, indem die Wärmebehandlung in Gasphasen erfolgt, die keine oder nur geringe sauerstoffhaltige Moleküle enthalten. Bei der Aufkohlung dieser Stähle übersteigt der Sauerstoffpartialdruck der Gasatmosphäre nicht den Bildungsdruck der Oxide.

    [0011] Die Gaskomponenten Wasserstoff und Kohlenwasserstoffe des erfindungsgemäßen Gasgemisches, dessen Sauerstoffaktivität kleiner ist als für die Bildung von Mangan(II) - oder Chrom- (III) -oxid notwendig ist, sind nicht sauerstoffhaltig (sauerstofffrei), so daß nahezu kein Sauerstoffpartialdruck vorhanden ist. Der Kohlenstofftransfer aus der Gasphase in den Stahl während der Anfangs- und Diffusionsphase ist groß und der geforderte Kohlenstoffgehalt im Rand des Werkstoffes (ca. 1 % C) stellt sich relativ schnell ein. Bei den Aufkohlungstemperaturen zerfällt der instabile Kohlenwasserstoff (Cx Hy) auf der Legierungsoberfläche hauptsächlich in Wasserstoff, Methan und atomaren Kohlenstoff, der schnell in den Werkstoff eindiffundiert. Der Zerfall kann z.B. bei Einsatz von Propan nach folgender Reaktionsgleichung ablaufen:



            C₃H₈ → 2 CH₄ + Cad




    Die sich einstellende Kohlenstoffaktivität der Gasphase wird über die zudosierte Kohlenwasserstoffmenge beeinflußt. Da die Gasphase hauptsächlich aus Wasserstoff besteht, wird der C-Pegel über das sich einstellende Methan/Wasserstoff-Verhältnis geregelt. Die Aufkohlungsreaktion über den Methanzerfall in Wasserstoffatmosphären lautet:


    Der Gehalt an Wasserstoff und insbesondere der sich einstellende Methangehalt werden ständig analysiert und anhand der erfaßten Istwerte wird die Kohlenwasserstoffzufuhr auf einen gewünschten Randkohlenstoffgehalt geregelt.

    [0012] Werden jedoch große Aufkohlungstiefen verlangt, d.h. lange Aufkohlungszeiten (größer 8 Stunden), so kann das Wasserstoff-/Kohlenwasserstoff-Gasgemisch durch ein verdünntes Stickstoff-Methanol-Spaltgas zum Ende der Aufkohlungsphase ausgetauscht werden. Es handelt sich somit bei dieser Aufkohlungsvariante um ein zweistufiges Aufkohlungsverfahren:
    1. Stufe
    Hauptaufkohlungsphase
    2. Stufe
    Diffusionsphase
    Während der Diffusionsphase (ca. 1 bis 2 Stunden) wird der sich während der Hauptaufkohlungsphase gelöste Wasserstoff im Werkstück stark herabgesetzt, so daß eine Wasserstoffversprödung ausgeschlossen werden kann.

    [0013] Zum einstufigen Verfahren wird das kohlenstoffhaltige Gasgemisch nach dem Aufkohlen durch Stickstoff ersetzt und damit der im Stahl gelöste Wasserstoff abgebaut. Der Stahl wird zwischen 5 und 15 Minuten in der Stickstoffatmosphäre gehalten.

    [0014] Wird bei einer niedrigeren als der Aufkohlungstemperatur gehärtet, kann während der Abkühlphase auf Härtetemperatur mit Stickstoff gespült werden, um den gelösten Wasserstoff abzubauen. Die Aufkohlungsphase kann somit zu 100 % genutzt werden.

    Beispiele:



    [0015] In eine Industrieofenanlage wurde der Stahl 16 MnCr 5 (1 % Mn; 1 % Cr; 0,20 % Si) aufgekohlt. Die Ofenanlage wurde vor der ersten Aufkohlung bei ca. 1.000 °C mit Endogas formiert. Während der Formierung wurden Temperatur und Thermospannung der Sauerstoffsonde bzw. der Taupunkt oder der CO₂-Gehalt gemessen und registriert und eine eindeutige Aussage über die Güte der Ofenformierung gemacht. Der Ablauf der Aufkohlung wurde wie folgt durchgeführt:

    Einstufiges Verfahren



    [0016] 
    1. Schritt:
    Stähle in den Ofen fahren und mit Stickstoff (N₂) sauerstofffrei spülen.
    2. Schritt:
    Aufheizen der Stähle auf die Aufkohlungstemperatur unter einer Stickstoff/Wasserstoff-Atmosphäre.
    3. Schritt:
    Ab einer Temperatur von 750 °C Einspeisen eines Wasserstoff/Propan-Gasgemisches.
    4. Schritt:
    Aufkohlen der Stähle bei vorgegebener Haltezeit und -temperatur in der Wasserstoff/Propan-Ofenatmosphäre.
    5. Schritt:
    Ungefähr 1 bis 2 Stunden vor Ablauf der Haltezeit wird der C-Pegel der Ofenatmosphäre durch Zugabe von Propan auf den Wert geregelt, der einen gewünschten Randkohlenstoffgehalt im Stahl einstellt.
    6. Schritt:
    Ofenraum mit Stickstoff spülen (große Spülmenge) und die Stähle ca. 10 Minuten auf Temperatur halten bzw. auf Härtetemperatur abkühlen.
    7. Schritt:
    Stähle härten.

    Zweistufiges Verfahren



    [0017] 
    1. Schritt:
    Stähle in den Ofen fahren und mit Stickstoff (N₂) sauerstofffrei spülen.
    2. Schritt:
    Aufheizen der Stähle auf die Aufkohlungstemperatur unter einer Stickstoff- (N₂)/Wasserstoff- (H₂) Atmosphäre.
    3. Schritt:
    Ab einer Temperatur von 750 °C einspeisen eines Wasserstoff/Kohlenwasserstoff-Gasgemisches.
    4. Schritt:
    Aufkohlen der Stähle bei vorgegebener Haltezeit und -temperatur in der Kohlenwasserstoff-Ofenatmosphäre.
    5. Schritt:
    Ungefähr 1 bis 2 Stunden vor Ablauf der Haltezeit (Aufkohlungszeit) wird die Gasatmosphäre durch ein Stickstoff-Methanol-Spaltgas ersetzt.
    6. Schritt:
    Ungefähr 1 bis 2 Stunden vor Ablauf der Haltezeit wird der C-Pegel der Ofenatmosphäre (C-Pegelregelung über Sauerstoffsonde, CO₂- bzw. Wassergehalt) durch Zugabe von Propan oder andere Kohlenwasserstoffe auf den Wert geregelt, der einen gewünschten Randkohlenstoffgehalt im Stahl einstellt.
    7. Schritt:
    Stähle auf Härtetemperatur abkühlen.
    8. Schritt:
    Während der Abkühlung auf Härtetemperatur wird der C-Pegel auf dem gewünschten Wert konstantgehalten.
    9. Schritt:
    Stähle härten.


    [0018] Die Ofengaszusammensetzung wurde bei beiden Verfahrensvarianten während des gesamten Prozesses auf ihre Gehalte an H₂, CH₄, CO, CO₂ und H₂O stetig analysiert. Der Temperaturverlauf wurde ebenfalls gemessen und registriert. Kohlenstoff- und Sauerstoffaktivität wurden ständig bestimmt und auf ihre Sollwerte hin korrigiert.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Vermeidung von Randoxidation beim Aufkohlen von Stählen unter kohlenstoffhaltigem Gasgemisch bei Aufkohlungstemperatur,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Stähle unter einem Stickstoff/Wasserstoff-Gasgemisch oder mit reinem Wasserstoff auf die Aufkohlungstemperatur aufgeheizt werden und das Stickstoff/Wasserstoff-Gasgemisch oder der Wasserstoff während der Aufkohlung durch ein kohlenstoffhaltiges Gasgemisch mit einer Sauerstoffaktivität kleiner als die für die Bildung von Mangan- (II) - oder Chrom- (III) -oxid erforderliche ersetzt wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß das kohlenstoffhaltige Gasgemisch ein Wasserstoff/Kohlenwasserstoff-Gasgemisch, vorzugsweise ein Wasserstoff/Propan-Gasgemisch, ist.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß gegen Ende der Aufkohlung das kohlenstoffhaltige Gasgemisch durch ein Stickstoff-Methanol-Spaltgas ersetzt wird.
     
    4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß die Zusammensetzung des Gasgemisches bzw. des Spaltgases während der Aufheizung und Aufkohlung erfaßt wird und in Abhängigkeit von den erfaßten Istwerten der Kohlenstoffgehalt durch Zufuhr von Kohlenwasserstoffen auf einen gewünschten Randkohlenstoffgehalt eingestellt wird.
     
    5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß das kohlenstoffhaltige Gasgemisch bzw. das Spaltgas nach dem Aufkohlen durch Stickstoff ersetzt und damit der im Stahl gelöste Wasserstoff abgebaut wird.
     
    6. Verfahren nach Anspruch 4,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß der Stahl zwischen 5 und 15 Minuten in der Stickstoffatmosphäre auf der Aufkohlungstemperatur gehalten wird.
     
    7. Verfahren nach Anspruch 4,
    dadurch gekennzeichnet,
    daß der Stahl in der Stickstoffatmosphäre unterhalb der Aufkohlungstemperatur abgekühlt wird.
     





    Recherchenbericht