[0001] Die Erfindung bezieht sich auf eine Radsatzführung mit virtueller Radsatz-Schwenkachse
mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1, die aus EP 0 143 540 B1
bekannt sind. Dort ist ein Antriebs-Drehgestell eines Schienenfahrzeugs offenbart,
dessen Rahmen sich auf die beiden Radsätze über vertikal annähernd starre, jedoch
seitlich (in Fahrwegebene) schubelastische Scherblöcke abstützt.
[0002] Die innengelagerten Radsätze sind durch je eine Lenkerstange zwangsgeführt, die eine
Verbindung der Radsatzlager zum Wagenkasten des Schienenfahrzeugs herstellt.
[0003] Die Scherblöcke sind als rechteckige Gummi-Metall-Kissen ausgeführt und auf beiden
Seiten jedes Radsatzes jeweils zu viert so angeordnet, daß ihre verlängert gedachten
Längsachsen in einer vertikal in dem Raum zwischen den Seitenwangen des Drehgestells
und den beiden Radsätzen deutlich außerhalb der Längsmittelachse verlaufenden Drehachse
konvergieren. Diese Drehachse liegt im Bereich einer elastischen Kupplung, mit der
Drehmomente von einem Antriebsmotor auf das Radsatzgetriebe übertragen werden. Dadurch
ist in Fahrtrichtung eine hohe Federsteifigkeit ( = quasi-starre Radsatz-Längsführung)
und in Quer- bzw. in bezüglich der virtuellen Drehachse tangentialer Richtung eine
relativ geringe Federsteifigkeit installiert.
[0004] Bei seitlichem Schub aus Flieh- und Spurführungskräften, d. h. bei Bogenlauf des
Drehgestells bzw. dessen Schwenkbewegung unter dem Wagenkasten, können sich die Radsätze,
gesteuert durch ihre Lenker, durch Schwenken um die außermittige virtuelle Drehachse
radial im Gleis einstellen.
[0005] Das exakte Ausrichten der zahlreichen Scherblöcke ist bei der Herstellung dieser
Radsatzführung sehr aufwendig, zumal die virtuelle Schwenkachse nicht in der Radsatzmittelebene
liegt. Auch erhöhen die Lenker das Eigengewicht und die Komplexität des Drehgestellrahmens.
[0006] Es ist auch bekannt (DE 24 04 768 A1), daß Gummiring-Rollfedern mit einer bestimmten,
vorzugsweise elliptischen Formgebung in einer horizontalen Ebene mit richtungsabhängig
unterschiedlichen Federsteifigkeiten ausgerüstet werden können. In dem dort beschriebenen
Anwendungsfall einer Radsatz-Primärfederung eines Schienenfahrzeugs liegt die größere
Elastizität der Rollfeder genau in Fahrtrichtung, die kleinere quer dazu.
[0007] Bei einer anderen Radsatzführung (EP 0 360 782 A2) werden ringförmige, mit einem
gummielastischen Element ausgestattete Buchsen als Primärfederelemente eingesetzt,
die ebenfalls -aufgrund von Aussparungen in den gummielastischen Elementen- richtungsabhängig
unterschiedliche Federsteifigkeiten in einer Ebene aufweisen, damit deren Steifigkeit
in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit variabel eingestellt werden kann.
[0008] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ausgehend von der eingangs erörterten Radsatzführung
eine einfachere Lösung anzugeben, die ohne Lenker auskommt.
[0009] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs
1 gelöst. Die Merkmale der Unteransprüche geben vorteilhafte Weiterbildungen dieses
Gegenstands an.
[0010] Weitere Vorteile des Gegenstands gehen aus der Zeichnung eines Ausführungsbeispiels
und deren sich im folgenden anschließender eingehender Beschreibung hervor.
[0011] Es zeigen in stark schematisierter Darstellung
- Figur 1
- eine Prinzipskizze eines zweiachsigen Schienenfahrzeug-Drehgestells mit über Primärfederelemente
lenkerfrei selbsttätig radial einstellbaren Radsätzen,
- Figur 2
- eine bevorzugte Ausführungsform für ein Primärfederelement zur Bereitstellung einer
virtuellen Drehachse eines Schienenradsatzes und
- Figur 3
- einen Längsschnitt durch das Primärfederelement entlang Linie III-III in Fig. 2.
[0012] In einem Rahmen 1 eines Schienenfahrzeug-Fahrgestells 2-hier eines zweiachsigen Drehgestells-
sind gemäß der in
Figur 1 gezeigten Draufsicht auf die Fahrwegebene zwei Radsätze 3 und 4 um ihre Rotationsachsen
3A bzw. 4A drehbar gelagert, wobei zwischen deren außenliegenden Lagergehäusen 5 und
dem Rahmen 1 Primärfederelemente 6 angeordnet sind.
Die Radsätze 3 und 4 sind in ihrer Normalstellung (Stillstand oder Fahrt in der Geraden)
durchgezogen und in einer Lenkstellung (Fahrt im Bogen) gestrichelt gezeichnet. Die
Rotationsachsen 3A und 4A sind in letzterer Stellung gegeneinander angestellt, die
Radsätze also radial in den Bogen eingeschwenkt, wobei der eingeschlossene Winkel
hier der Verdeutlichung halber übertrieben groß gezeichnet ist. Real auftretende Schwenkwinkel
sind viel kleiner.
[0013] Rechtsseitig sind in den Rotationsachsen 3A und 4A nach links weisende Pfeile F eingezeichnet,
die auf den Rahmen 1 einwirkende Fliehkräfte repräsentieren. Mittig auf den Radsatzwellen
sind nach rechts weisende Pfeile L eingezeichnet, welche die von der bogenäußeren
(linken) Schiene auf die Radsätze 3 und 4 bzw. deren Spurkränze ausgeübten Spurführungs-
oder Richtkräfte repräsentieren.
[0014] Die gestrichelt gezeichnete Lenkstellung der beiden Radsätze 3 und 4 stellt sich
bei diesem Fahrgestell allein und lenkerfrei unter der Wirkung der Kräfte F und L
ein, weil die Primärfederelemente 6 eines Radsatzes spiegelsymmetrisch beidseits der
Längsmittelachse LM des Fahrgestells derart angeordnet und ausgeführt sind, daß sie
in Fahrwegebene in zwei Richtungen unterschiedliche, bezüglich der Fahrtrichtung und
Fliehkraftrichtung gedreht orientierte Federsteifigkeiten aufweisen, wobei sich die
Achsen der geringsten Federsteifigkeiten außerhalb der Rotationsachse 3A bzw. 4A der
Radsätze 3 bzw. 4 in einer Längsprojektion des Radsatzmittelpunkts bzw. auf der Längsmittelachse
LM schneiden, wie hier durch Schnittpunkte der Achse LM und je zweier strich-doppelpunktierter
Wirkungslinien gezeigt ist.
[0015] Die Schrägwinkel dieser Wirkungslinien sind nicht repräsentativ für eine reale Anordnung,
sondern müssen natürlich an die Erfordernisse des realen Fahrzeugs angepaßt werden.
Im Ausführungsbeispiel ist die Richtung der geringsten Federsteifigkeit gegenüber
der Achse LM (Fahrtrichtung) um etwa 45° verdreht, und auch beim realen Fahrzeug wird
er in einem Bereich zwischen 10 und 60° einzustellen sein.
[0016] Unter der Einwirkung der genannten Kräfte F und L -ausgehend von der Anordnung in
der Zeichnung- tendiert das rechte Lagergehäuse 5 des Radsatzes 3 in einer Ausweichbewegung
auf der Wirkungslinie der geringsten Federsteifigkeit nach schräg rechts unten, während
das linke Lagergehäuse desselben Radsatzes entlang der korrespondierenden Wirkungslinie
nach schräg rechts oben tendiert.
[0017] Da die entsprechenden Wirkungslinien am Radsatz 4 umgekehrt verdreht sind, schwenkt
dessen Rotationsachse bei gleicher Richtung der einwirkenden Kräfte gegenläufig, d.
h. sein rechtes Lagergehäuse 5 tendiert nach schräg rechts oben und sein linkes Lagergehäuse
5 tendiert nach schräg rechts unten.
[0018] Ersichtlich stellt sich jeder Radsatz in der Fahrwegebene um eine vertikale virtuelle
Drehachse V ein, die im Idealfall die Rotationsachse 3A bzw. 4A des Radsatzes im Radsatzmittelpunkt
schneidet, zumindest aber die Radsatzwelle durchlaufen sollte.
[0019] Erreicht wird dies bevorzugt durch eine besondere Ausführung der in Fig. 1 nur angedeuteten
Primärfederelemente als MehrschichtGummi-Metall-Elemente gemäß der Schnittansicht
in
Fig. 2. Der Schnitt durch das Primärfederelement 6 liegt wiederum parallel zur Fahrwegebene,
wie durch Koordinatenpfeile x (Fahrtrichtung) und y (Spurführungs- bzw. Fliehkraftrichtung)
angedeutet ist.
[0020] Von einem -vorzugsweise ovalen- Außenring 6R wird ein Elastomerkörper 6K umschlossen,
der seinerseits einen länglichen zentralen Mittelkörper (Schwert) 6M umfaßt. Die jeweils
flächig aneinanderstoßenden Bauteile sind scherfest kraftschlüssig miteinander verbunden
(z. B. vulkanisiert).
[0021] Durch einen Pfeil h wird die Wirkungslinie der größten Federhärte des Elements 6
gezeigt, ein Pfeil w gibt die Wirkungslinie der geringsten Federhärte an. Diese Wirkungslinien
schneiden einander hier unter einem rechten Winkel, und ihr Schnittpunkt liegt im
Grundriß vorzugsweise genau über der Radsatzmittenachse.
[0022] Vorzugsweise sind in dem Elastomerkörper 6K in Richtung des Pfeils w Aussparungen
6A vorgesehen. Mit deren Größe kann die Nachgiebigkeit des Elastomerkörpers 6K gegenüber
Verformungen in dieser Richtung eingestellt werden. Die Größe dieser Aussparungen
wird je nach Erfordernissen festgelegt; sie können sich bei Bedarf auch bis zu dem
Mittelkörper 6M hin erstrecken, so daß an dessen Spitzen im Gegensatz zur gezeichneten
Ausführung kein Elastomermaterial mehr vorhanden und der Elastomerkörper in zwei Teile
geteilt ist.
[0023] Aus dem Längsschnitt in
Fig. 3 wird deutlich, daß das Primärfederelement auch in vertikaler Richtung (Pfeil z) belastbar
und nachgiebig ist. Eine Gewichtskraft G wirkt nach unten auf den Mittelkörper ein,
während der Außenring 6R festgehalten wird. Natürlich könnte diese Anordnung bedarfsweise
umgekehrt werden, so daß dann der radsatzfeste Mittelkörper von unten nach oben in
den Elastomerkörper eingeführt wird und der Außenring am Rahmen befestigt wird.
In jedem Fall hat der Elastomerkörper 6K eine hauptsächlich in den Richtungen w und
z scherfähige Verbindung zwischen dem Außenring 6R und dem Mittelkörper 6M zu bilden.
[0024] Die Härte des Elastomerkörpers ist in allen Richtungen in bekannter Weise durch die
Werkstoffauswahl und seine Geometrie in weiten Grenzen bedarfsgerecht einstellbar.
[0025] Auf die Bauart des Primärfederelements kommt es für die Erzielung des erfindungsgemäßen
Selbstlenkeffekts aber nicht an, vielmehr können auch andere Bauarten, z. B. Rollringfedern
oder trapezoide Mehrschichtfederelemente eingesetzt werden, so lange die Federsteifigkeiten
in der vorstehend beschriebenen Weise ausgerichtet und aufeinander abgestimmt werden.
[0026] Abweichend von der hier dargestellten Ausführungsform mit je nur einem Primärfederelement
auf jeder Radsatzseite kann auch an jeder Radsatzseite beidseits der Rotationsachse
je ein Primärfederelement vorgesehen werden. Mittels einer Traverse stützen sich diese
in an sich bekannter Weise paarweise an der Radsatzlagerung ab. Bei einer niedrigeren
Bauweise im Bereich der Radsatzlagerung werden damit auch die Vertikallasten der einzelnen
Primärfederelemente halbiert.
1. Radsatzführung mit virtueller vertikaler Radsatz-Schwenkachse (V), die zwischen einem
Radsatz (3, 4) und einem Fahrgestell, insbesondere einem Drehgestell-Rahmen (1), eines
Schienenfahrzeugs angeordnete elastische Elemente umfaßt, die in Fahrwegebene unterschiedliche
Federsteifigkeiten (h, w) aufweisen, um eine radiale Einstellung jedes Radsatzes (3,
4) gegenüber dem Fahrgestell (1) zu erlauben,
dadurch gekennzeichnet,
daß auf jeder Seite des Radsatzes (3, 4) mindestens ein Primärfederelement (6) mit
in Fahrwegebene unterschiedlichen Federsteifigkeiten (h, w) derart angeordnet ist,
daß die verlängert gedachten Wirkungslinien der in Fahrwegebene kleinsten Federsteifigkeiten
(w) beider Primärfederelemente (6) sich außerhalb der Rotationsachse (3A, 4A) des
Radsatzes (3, 4) annähernd in der Längsmittelachse (LM) des Fahrgestells (2) schneiden,
so daß die Rotationsachse (3A, 4A) gegenüber dem Fahrgestell (2) bei einer von diesem
auf den Radsatz (3, 4) quer zu dessen Abrollrichtung wirkenden Krafteinleitung in
einer Ausweichbewegung selbsttätig um die annähernd in der Radsatzmitte liegende virtuelle
Schwenkachse (V) frei schwenkbar ist.
2. Radsatzführung nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß je ein Primärfederelement (6) an den Lagergehäusen (5) einer außenliegenden Radsatzlagerung
angeordnet ist.
3. Radsatzführung nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Wirkungslinien der geringsten Federsteifigkeiten (w) mit der Längsmittelachse
(LM) des Fahrgestells (2) einen Winkel im Bereich zwischen 10° und 60° einschließen.
4. Radsatzführung nach einem der vorstehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Primärfederelement (6) als Elastomer-Mehrschichtfeder ausgeführt ist.
5. Radsatzführung nach Anspruch 3 oder 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Primärfederelement (6) einen ovalen Grundriß aufweist, wobei die längere Hauptachse
in der Richtung der geringsten Federsteifigkeit ausgerichtet ist.
6. Radsatzführung nach Anspruch 4 oder 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Primärfederelement (6) einen ovalen Außenring (6R), einen Mittelkörper (6M)
sowie einen zwischen dem Außenring und dem Mittelkörper angeordneten und kraftschlüssig
mit diesen verbundenen Elastomerkörper (6K) umfaßt, wobei der Elastomerkörper mit
Ausnehmungen (6A) zur Herabsetzung seines Verformungswiderstandes in der Richtung
der geringsten Federsteifigkeit versehen ist.
7. Radsatzführung nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet,
daß sich die Ausnehmungen zwischen dem Außenring (6R) und dem Mittelkörper (6M) erstrecken
und den Elastomerkörper in zwei Teile teilen.
8. Radsatzführung nach Anspruch 6 oder 7,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Mittelkörper (6M) einen flachen, gerundeten Schwert-Querschnitt hat.
9. Radsatzführung nach einem der vorstehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß an jeder Radsatzseite je ein Primärfederelement beidseits der Rotationsachse angeordnet
ist,
daß sich die beiden Primärfederelemente auf einer gemeinsamen Traverse gegenüber dem
Radsatzgehäuse abstützen, wobei die Wirkungslinien der geringsten Federsteifigkeiten
beider Primärfederelemente sich zumindest annähernd in der Längsmittelachse (LM) des
Fahrgestells (2) schneiden.