(19)
(11) EP 0 691 437 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
10.01.1996  Patentblatt  1996/02

(21) Anmeldenummer: 95250163.3

(22) Anmeldetag:  05.07.1995
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6E02D 29/02, E01F 8/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
LT LV SI

(30) Priorität: 09.07.1994 DE 4424212

(71) Anmelder: Hoffmann, Jürgen, Prof. Dipl.-Ing.
D-12157 Berlin (DE)

(72) Erfinder:
  • Hoffmann, Jürgen, Prof. Dipl.-Ing.
    D-12157 Berlin (DE)

(74) Vertreter: Lüke, Dierck-Wilm, Dipl.-Ing. 
Gelfertstrasse 56
D-14195 Berlin
D-14195 Berlin (DE)

   


(54) Verfahren zur Befestigung von Hängen


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Befestigung von Hängen, bei dem die Hangfestigkeit berechenbar und dauerhaft ist, sowie Folgeschäden vermieden werden.
Dazu werden lebende, adventiv wurzelnde Pflanzen (2) und/oder Pflanzenteile verwendet, deren Mindestdurchmesser, eingebrachte Tiefe und Rastermaß abhängig von der Neigung und der Materialbeschaffenheit des Hanges mittels aus der Bodenmechanik bekannter Rechenverfahren ermittelt wird.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Befestigung von Hängen nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.

[0002] Unbefestigte Hänge neigen durch die auftretenden Zug- und Scherkräfte zum Abrutschen, insbesondere wenn zusätzlich äußere Kräfte von der Geländeoberkante auf den Hang einwirken. Diese Kräfte treten z.B. durch die Gewichtskraft von auf der Geländeoberkante errichteter Gebäude oder über die Geländeoberkante fahrende Züge auf. Die Kräfte, die zum Abrutschen des Hanges führen können, sind von der Steilheit und der Beschaffenheit des Hanges abhängig.

[0003] Es ist bekannt, durch Bodenvernagelungen das Abrutschen von Hängen zu vermeiden. Bei Boden- bzw. Felsvernagelungen handelt es sich um Stützkonstruktionen, die als Verbundkörper wirken. Nagelwände bestehen aus drei Elementen, nämlich dem anstehenden Boden oder Fels, den eingebrachten Stahl- oder Kunststoffstäben und einer dünnen Schutzhaut an der Wandvorderseite. Dazu wird der Boden in einzelnen Etagen von oben nach unten ausgehoben und die freigelegte Wandfläche rasch mit Spritzbeton gesichert. Die Nägel mit einem Stabdurchmesser von ca. 20-30mm werden nach dem Erhärten des Spritzbetons meist annähernd senkrecht zur Wandfläche in den Boden eingebracht. Dies kann durch Rammen, Bohren, Spülen oder Vibration erfolgen. Zur Gewährleistung eines ausreichenden Verbundes zwischen Nagel und Boden wird der durch die Bohrung entstandene Ringraum mit Zementmörtel gefüllt und verpreßt. Nach dem Erhärten des Zementmörtels ist der Nagelkopf mit der Spritzbetonhaut kraftschlüssig zu verbinden. Unmittelbar darauf kann eine neue Lage ausgehoben werden. Im Regelfall entspricht die Länge der Nägel etwa dem 0,5-0,7 fachen der Wandhöhe, und zwar je nach Boden- bzw. Felseigenschaften, geometrischen Verhältnissen und äußeren Lasten. Boden- bzw. Felsvernagelungen werden seit etwa 1970, vor allem im österreichischen Alpenraum häufig verwendet. Das zuvor nur auf empirischen Bemessungsansätzen basierende Verfahren wurde im Verlaufe der letzten Jahre zu einem mit Mitteln der Statik zu berechnendes Verfahren verbessert (Grundbau-Taschenbuch Teil 3 3.Aufl.; Verlag Ernst & Sohn, Berlin 1987). Nachteilig bei diesem Verfahren ist die Verwendung von unnatürlichen Baustoffen, was einen erheblichen Eingriff in den Naturhaushalt darstellt. So wirkt z.B. die dünne Spritzbetonhaut wie eine Versiegelung des Bodens. Regenwasser kann durch die Spritzbetonhaut nicht mehr im Erdreich versickern und fließt folglich hangabwärts, wo es per Kanalisation abgeführt werden muß und somit dem Grundwasserkreislauf entzogen wird. Des weiteren sind die verwendeten Materialien den üblichen Verschleißprozessen wie z.B. Korrosion ausgesetzt, so daß im Laufe der Zeit die Güte der Hangbefestigung abnimmt.

[0004] Eine weitere Möglichkeit zur Hangbefestigung ist der Lagenbau. Dabei werden lebende Pflanzen in den Hang verlegt. Beim Heckenlagenbau werden bewurzelte Pflanzen auf eine 0,5 bis 0,7m tiefe Berme oder Terrasse, deren liegende Fläche mindestens 10% nach außen ansteigen soll, so dicht nebeneinander gelegt, daß diese etwa ein Drittel der ganzen Länge über das Planum hinausragen. Bevorzugt werden verschüttungsresistente Laubgehölze, die die Fähigkeit zur adventiven Wurzelbildung besitzen. Eine weitere Variante ist der Buschlagenbau. Am Hangfuße beginnend zieht man Gräben oder Terrassen von 50 bis 100 cm Breite. Ihr Planum soll mindestens 10° nach außen ansteigen, damit später die Äste an der ganzen Länge bewurzeln. Auf diese Terrassen wird das Buschwerk so eingelegt, daß Äste von mindestens 1m Länge nur ein Fünftel bis ein Viertel ihrer gesamten Länge herausragen. Die Äste werden überkreuzt und nicht parallel verlegt, damit möglichst lange Stücke von Erde bedeckt sind. Dabei werden zur Erzielung verschieden tiefer Wurzelhorizonte und eines möglichst gleichmäßigen Aufwuchses nicht nur verschiedene Pflanzenarten, sondern auch verschiedene Altersphasen und Aststärken gemischt. Mit dem Aushub des darüber liegenden Grabens wird der untere wieder zugeschüttet. In Schüttungen geht der Buschlagenbau weit einfacher vor sich. Die Außenseite der Schüttungen wird jeweils mit einer leichten Steigung gegen den Hang hin ausgebildet. Auf diesen äußersten Streifen der Schüttung wird das Buschwerk ausgelegt und beschüttet. Bei Schüttungen können mehrere Meter lange Äste verlegt werden, wodurch ohne bedeutenden Mehraufwand eine außerordentlich tief reichende Festigkeit erzielt wird. Durch die anschließende Bewurzelung erhöht sich die Festigkeit weiter (Grundbau-Taschenbuch Teil 3, 3.Aufl.; Verlag Ernst & Sohn, Berlin 1987). Eine weitere Möglichkeit zur Hangbefestigung ist der Heckenbuschlagenbau, der einer Kombination der beiden oben beschriebenen Lagenbauarten entspricht. Nachteilig bei allen Verfahren des Lagenbaus ist die mangelnde Berechenbarkeit der Festigkeit. Dies ist aber gerade für Bauten auf der Hangoberkante oder vor dem Böschhungsfuß dringend notwendig, so daß diese weder mit dem Hang zusammen abrutschen, noch von dem abrutschenden Hang zugeschüttet werden. Gleiches gilt selbstverständlich auch für sich auf oder unterhalb des Hanges befindliche Personen.

[0005] Aufgabe der Erfindung ist von daher, ein Verfahren zur Hangbefestigung zu schaffen, bei dem die Hangfestigkeit berechenbar und dauerhaft ist, sowie Folgeschäden vermieden werden.

[0006] Die Lösung der Aufgabe ergibt sich aus den kennzeichnenden Merkmalen des Patentanspruchs 1. Durch die Berechnung des Mindestdurchmessers der lebenden, adventiv wurzelbildenden Pflanzen und/oder Pflanzenteilen, deren Länge und Rastermaß mittels aus der Bodenmechanik bekannter Rechenverfahren ermittelt werden, ist es möglich, rechnerisch nachweisbare, dauerhafte Hangfestigkeiten mit lebendbewehrten Boden zu erreichen. Die dadurch erzielte Hangfestigkeit ist sofort voll wirksam. Durch die spätere Wurzelbildung und das damit einhergehende Dickenwachstum wird die Hangfestigkeit zusätzlich erhöht. Die Wurzelbildung ist nur für die Nährstoffversorgung der lebenden Pflanzen wichtig, daß diese nicht absterben und verrotten. Für die direkte Hangbefestigung ist die Wurzelbildung nur ein positiver Nebeneffekt. Die Pflanzenteile werden in solchen Mengen und mit solchen Querschnitten je m Fläche lagenweise im Boden angeordnet, so daß durch den Einbau der Pflanzen die bodenmechanischen Brucheigenschaften des Bodens so gestört werden, daß dieser als Monolith reagiert.

[0007] Die Erfindung ist nachfolgend anhand eines in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispieles näher erläutert. Die einzige Figur zeigt eine Prinzipdarstellung eines Stützkörpers in Form einer durch Äste und Zweige bewehrten Hangbefestigung.

[0008] In der Fig.1 ist ein abzusichernder Hang der Höhe H dargestellt. Ohne Befestigung ergibt sich aufgrund der auftretenden Zug- und Scherkräfte eine maximale Bruchfläche 1 mit einer an der Hangoberkante auftretenden maximalen Breite B. Durch das gezielte Einbringen von Zweigen und Ästen 2 in die Tiefe b des Hanges, werden die bodenmechanischen Brucheigenschaften des Hanges derart gestört, daß der Hang wie ein Verbundkörper oder Monolith reagiert. Die Tiefe b der Zweige und Äste sowie der Abstand h der Einbaubermen ist abhängig vom Neigungswinkel, der Höhe und der Materialeigenschaft des Hanges. Anhand eines Zahlenbeispieles sollen die Relationen verdeutlicht werden.

[0009] Gegeben sei ein Hang der Höhe H (H=10m) und einem Neigungswinkel von 45°. Die Materialeigenschaften des Hanges seien bestimmt durch die Wichte 19 kN/m³, einer scheinbaren Kohäsion von 1 kN/m, eines Reibungswinkels des Bodens von 32,5° und einer inneren Standsicherheit von 1,4. Als Parameter zur Variation der Güte der Hangfestigkeit stehen der Abstand der Einbaubermen, die Eindringtiefe b, die mittlere Dicke, die Neigung und die Anzahl pro laufenden Meter Einbauberme der Zweige und Äste 2 zur Verfügung. Dabei sind jedoch die biologischen Grenzen der einzelnen Parameter zu beachten. Bei einer Eindringtiefe b von 2m, einer mittleren Dicke von 0,05m und einer Neigung von 10° der Zweige und Äste 2, sowie einem Abstand h der Einbaubermen von 0,5m errechnet sich die Anzahl der zu verwendenden Zweige und Äste 2 auf 11 pro laufenden Meter Einbauberme, d.h. 220 Zweige und Äste 2 pro laufenden Meter Hang um eine Neigung der maßgebenden Bruchfläche von 42° zu erreichen, also kleiner als der Neigungswinkel von 45° des Hanges. Die 3° Differenz sind notwendig, um die von den DIN-Vorschriften vorgegebenen Sicherheitsmargen einzuhalten. Der Abstand paralleler einzelner Zweige und Äste 2 zueinander in einer Einbauberme sollte mindestens 0,02m betragen, damit keine gegeseitigen negativen Beeinflussungen stattfinden. Damit ist auch die Anzahl der Zweige und Äste pro laufenden Meter Einbauberme begrenzt.

[0010] Das Verfahren wird vorzugsweise für erst durch Schüttungen entstehende Hänge verwendet, da dadurch das Einbringen der Pflanzen und/oder Pflanzenteilen besonders einfach gehandhabt werden kann. Es ist aber auch für bereits bestehende Hänge geeignet.

[0011] Wachsen einzelne Pflanzen oder Pflanzenteile nicht an, so müssen diese durch neue Pflanzen oder Pflanzenteile ersetzt werden. Sind jedoch erst einmal alle Pflanzen angewachsen, so wird der altersmäßige Ausfall einzelner Pflanzen durch Austrieb neuer junger Pflanzen mehr als kompensiert. Es stellt sich ein ökologisches Gleichgewicht ein.

[0012] Mit dem Verfahren können Hänge bis zu einer Neigung von 70° befestigt werden, so daß es neben der Befestigung von Hängen und Böschungen auch zur Befestigung von Schallschutzwällen geeignet ist.


Ansprüche

1. Verfahren zur Befestigung von Hängen mit lebenden, adventiv wurzelbildenden Pflanzen und/oder Pflanzenteilen,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Mindestdurchmesser, die eingebrachte Tiefe und das Rastermaß der verwendeten Pflanzen und/oder Pflanzenteilen abhängig von Neigung und Materialbeschaffenheit des Hanges mittels aus der Bodenmechnik bekannter Rechenverfahren ermittelt werden.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Verfahren zur Befestigung von Schallschutzwällen verwendet wird.
 




Zeichnung







Recherchenbericht