(19)
(11) EP 0 724 998 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
07.08.1996  Patentblatt  1996/32

(21) Anmeldenummer: 95119537.9

(22) Anmeldetag:  12.12.1995
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6B61H 7/08
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT CH DE ES FR GB IT LI SE

(30) Priorität: 02.02.1995 DE 19503365

(71) Anmelder: Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH
80809 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Graf, Thomas
    D-86633 Neuburg/Donau (DE)
  • Kerscher, Albert
    D-85386 Eching (DE)
  • Elstorpff, Marc, Dr.
    D-80637 München (DE)

   


(54) Magnetische Bremse, insbesondere lineare Wirbelstrombremse


(57) Eine magnetische Bremse, insbesondere eine lineare Wirbelstrombremse (1) für Schienenfahrzeuge, und ein Verfahren zur Steuerung dieser Bremse bedienen sich bei einem Bremsvorgang einer Entlastungseinrichtung in Abhängigkeit der Anzugskraft zwischen Schiene und Bremse. Beispielsweise wird die Schienenbremse mehrstufig beim Überschreiten bestimmter Anzugskraftwerte entlastet.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft eine magnetische Bremse, insbesondere eine lineare Wirbelstrombremse für Schienenfahrzeuge, nach dem Oberbegriff des Anspruches 1. Den Wirbelstrombremsen wird in neuerer Zeit - insbesondere im Rahmen der Weiterentwicklung von Hochgeschwindigkeitszügen - erhöhte Aufmerksamkeit zugewandt, denn da sie die Schiene beim Bremsen nicht berühren, sind sie praktisch verschleißfrei. Ein weiterer Vorteil der Wirbelstromschienenbremsen besteht darin, daß ihre Bremskraft absolut unabhängig vom Haftwert zwischen Rad und Schiene ist.

[0002] Eine kurze Einführung in die Technologie der Wirbelstrombremsen für Schienenfahrzeuge - deren Funktion auf dem Induktionsgesetz basiert - findet sich beispielsweise in dem Buch von Saumweber et al "AET - Archiv für Eisenbahntechnik, Hestra-Verlag, Bd. 43, Kap. 2.5.2". Wirbelstrombremsen bestehen danach aus einem Eisenjoch mit mehreren Polkernen. Elektrische Spulen erregen die Bremse magnetisch derart, daß alternierend magnetische Nord- und Südpole entstehen. Bei Bewegung der erregten Wirbelstrombremse über die Schiene - d.h. bei einer Bremsung - ergeben sich durch die zeitlichen Flußänderungen elektromagnetische Felder und Wirbelströme. Das sekundäre, durch die Wirbelströme hervorgerufene, Magnetfeld ist dem Magnetfeld der Bremse entgegengerichtet. Die sich daraus ergebende, entgegengesetzt zur Fahrtrichtung wirkende, horizontale Kraftkomponente ist die Bremskraft.

[0003] Im Gegensatz zur Magnetschienenbremse berührt die lineare Wirbelstrombremse bei einer Bremsung nicht die Schiene, sondern sie wird in eine Höhe von etwa 7 mm oberhalb der Schiene gehalten. Die Bremse wird im allgemeinen in etwa gleicher Weise wie die Magnetschienenbremse in ein Drehgestell eingebaut. Um den Abstand der Bremse zur Schiene konstant einhalten zu können, müssen sich die Bremsen jedoch über einen Bremsträger an einem ungefederten Teil des Drehgestells - z.B. auf den Radlagern - abstützen. Dabei wird das Magnetjoch der Bremse an einem Bremsträger befestigt, der wiederum mit dem Drehgestell verbunden ist. Eine derartige Anordnung zeigt z.B. die OS 26 14 298. Die Schrift zeigt beidseits der Radsätze unter dem Drehgestellrahmen angeordnete Träger zur Halterung der Wirbelstrombremse. Die parallel zur Schiene ausgerichteten Träger sind an ihrer unteren Seite mit Bremsmagneten versehen, die über eine Hubzylinderbetätigung zusammen mit dem Bremsträger in die Nähe der Schiene und von dieser weg bewegt werden können.

[0004] Die Erfindung zielt darauf ab, die Aufhängetechnik der gattungsgemäßen Bremsen zu verbessern. Insbesondere ist ein möglichst geringer und konstanter Luftspalt zwischen Bremse und Schiene wünschenswert, um Verluste möglichst gering zu halten.

[0005] Die Erfindung erreicht dieses Ziel durch die Gegenstände der Ansprüche 1 und 5. Die Erfindung basiert auf der Idee, den bei niedrigen Fahrtgeschwindigkeiten wirkenden hohen Anzugskräften, welche zu einer Durchsenkung der Wirbelstrombremsen führen, derart entgegenzusteuern, daß ein möglichst kleiner Spalt einstellbar ist, ohne daß die Bremse bei niedrigen Fahrtgeschwindigkeiten auf der Schiene aufliegt. Durch die Entlastung kann eine an den ungefederten Bauteilen abstützende Kraft konstant und derart klein eingestellt werden, daß tragende Bauteile entlastet und die Spaltbreite zwischen Bremse und Schiene konstant gehalten werden kann.

[0006] Eine erfindungsgemäße lineare Wirbelstrombremse für Schienenfahrzeuge mit wenigstens einem Bremsmagneten, die über eine Aufhängeinrichtung an einem ungefederten Element und an einem Drehgestell eines Schienenfahrzeugs angeordnet und über eine Hubvorrichtung in Richtung der Schiene und von dieser wegbewegbar ist, weist danach eine Einrichtung zur Entlastung der Schienenbremse (bzw. ihrer Aufhängung) in Abhängigkeit der Anzugskraft zwischen Schiene und Bremse auf (siehe Anspruch 1).

[0007] Besonders vorteilhaft ist die Einrichtung zur Entlastung eine Softwareroutine, welche ein Entlastungselement in Abhängigkeit der Anzugskraft ansteuert (siehe hierzu Anspruch 2). Die bereits vorhandene Software - z.B. zum Gleitschutz - braucht damit lediglich derart modifiziert werden, daß sie aus Fahrtgeschwindigkeit und Erregung eine der Anzugskraft zwischen Bremse und Schiene geeignet entgegenwirkende Entlastungskraft berechnet und in einen Steuerbefehl zur Ansteuerung des Entlastungselementes umsetzt. Das Entlastungselement kann entweder die bereits vorgesehene Hubvorrichtung oder aber ein zusätzliches Entlastungselement sein (z.B. kann als Entlastungselement eine kontinuierlich und/oder mehrstufig be- und entlüftbare Ringbalgeinheit und/oder ein (ggf. zusätzlicher zweiter oder dritter)) Hubzylinder vorgesehen sein (siehe Ansprüche 3 und 4).

[0008] Das erfindungsgemäße Verfahren zur Steuerung einer magnetischen Bremse, insbesondere einer linearen Wirbelstrombremse, kann - und diese Variante ist besonders einfach realisierbar - die Schienenbremse mehrstufig beim Überschreiten bestimmter Anzugskraftwerte (siehe Anspruch 6) und/oder kontinuierlich in Abhängigkeit der Anzugskraftwerte entlasten (siehe Anspruch 7). Die kontiniuerliche Entlastung stellt eine Möglichkeit dar, die Schienenbremse bei einer Bremsung weitgehend optimal zu entlasten. Die Entlastung wird derart gewählt, daß die Bremse nicht unbeabsichtigt von der Schiene gerissen wird.

[0009] Zur Ermittlung der Entlastungskraft ist es besonders vorteilhaft, die Anzugskraft zwischen Schiene und Bremse zu messen unmd in Abhänigkeit dieser Messung eine entsprechende reduzierte bzw. begrenzte Entlastungskraft zu bestimmen (siehe Anspruch 8). Es ist ferner möglich, die Entlastungskraft über eine Erfassung der Magneterregung unter Einbeziehung der Zugfahrgeschwindigkeit zu bestimmen (siehe Anspruch 8). Beide Varianten sind relativ unkompliziert und ohne höhere Kosten realisierbar.

[0010] Nachfolgend wird die Erfindung unter Bezug auf die Zeichnung anhand von Ausführungsbeispielen näher beschrieben, wobei auch weitere Vorteile und Möglichkeiten der Erfindung deutlich werden. Es zeigt:

Fig. 1a und b Seitenansichten eines ersten Ausführungsbeispiels einer erfindungsgemäßen Wirbelstrombremse im eingebremsten und im gelösten Zustand;

Fig. 2 eine Vergrößerung aus Fig. 1;

Fig. 3 ein Diagramm, welches den Verlauf der Anziehungskraft zwischen Bremse und Schiene in Abhängigkeit der Zuggeschwindigkeit illustriert;

Fig. 4 ein Diagramm, welches eine Variante zur Realisierung einer erfindungsgemäßen Entlastung illustriert.



[0011] Begriffe wie "oben", "unten" usw. beziehen sich auf Wirbelstrombremsen und deren Aufhängung in ihrer normalen Einbaustellung und sind nicht einschränkend zu verstehen.

[0012] Zunächst sei das Ausführungsbeispiel der Fig. 1 beschrieben. Fig. 1 zeigt eine Wirbelstrombremse 1, die an einem Drehgestell 2 befestigt ist (siehe z.B. die bereits genannte DE OS 26 14 298). Die Wirbelstrombremse 1 weist Bremsmagnete 3 auf, deren zentrale Elemente jeweils Magnetspule und Magnetkern (nicht dargestellt) sind.

[0013] Das Drehgestell 2 liegt über Federn 4 auf Achsen 5 der Räder 6 des Schienenfahrzeugs. Ein Träger 7 dient zur Halterung der Wirbelstrombremse 1, eine Hubeinrichtung 8 vermag die Wirbelstrombremse aus der Bremsstellung der Fig. 1a (z.B. 7 mm über der Schiene) in die gelöste Stellung der Fig. 1b anzuheben.

[0014] Gelenkarme 9, 10 des Trägers 9 verbinden die Wirbelstrombremse 1 gelenkig mit der Achse 5 und mit einer Anschlageinheit 11. Sie schaffen eine Verdrehmöglichkeit um eine parallel zur Radsatzwelle liegende Achse. Die Wirbelstrombremse 1 ist damit von den Achslagern 5 in Fahrtrichtung entkoppelt. Eine Stütze 12 stützt beim Bremsen die Bremskraft am Drehgestell 2 ab.

[0015] Das Hubelement 8 ist - wie in Fig. 2 erkennbar - als Luftbalg ausgeführt, wobei beim Belüften eines Balgabschnittes 13 die Bremse über einen Faltenbalt 14 aus der Bremsstellung der Fig. 1a in die Lösestellung der Fig. 1b bringbar ist. Die Erfindung nutzt die Hubeinrichtung 8 in vorteilhafter Weise als Entlastungselement bei einem Bremsvorgang.

[0016] Fig. 3 veranschaulicht die bei einer Bremsung zwischen Schiene und Bremse wirkende Anziehungskraft in Abhängigkeit der Erregung O (Erregung der Bremse) und der Fahrtgeschwindigkeit v. Gut zu erkennen ist die starke Zunahme dieser Kraft bei einer Abnahme der Fahrtgeschwindigkeit (z.B. Anstieg von 10 kN bei 300 km/h auf fast 40 kN bei ca. 50 km/h). Die erhöhte Anziehungskraft führt bei niedrigen Geschwindigkeiten zu einem stärken Durchhängen der Bremse. Diesem Effekt wirkt die Erfindung durch eine Entlastung der Bremse über die Hubeinrichtung 8 entgegen. Die Entlastungskraft wird beispielsweise nach Art der Fig. 4 gewählt, die eine stufenweise Entlastung in Abhängigkeit von Fahrtgeschwindigkeit und Erregung vorschlägt, z.B. bei 10kA < O < 30 kA bei ca. 230 km/h eine Entlastung um 5 kN und bei Unterschreiten einer Geschwindigkeit von 130 km/h um weitere 5 kN. Bei sehr kleinen Erregungen (z.B. < 5 kA) wird die Entlastung abgeschaltet. Alternativ kann die Entlastung - wie oben beschrieben - auch kontinuierlich erfolgen.
Bezugszeichenliste
Wirbelstrombremse 1
Drehgestell 2
Bremsmagnete 3
Federn 4
Achsen 5
Räder 6
Träger 7
Hubeinrichtung 8
Gelenkarme 9, 10
Anschlagseinheit 11
Stütze 12
Balgabschnitt 13
Faltenbalt 14



Ansprüche

1. Magnetische Bremse, insbesondere lineare Wirbelstrombremse (1) für Schienenfahrzeuge mit wenigstens einem Bremsmagneten (3), die über eine Aufhängeinrichtung (7) an einem ungefederten Element, insbesondere an den Achslagern, eines Schienenfahrzeugs angeordnet und über eine Hubvorrichtung (8) in Richtung der Schiene und von dieser wegbewegbar ist, gekennzeichnet durch eine Einrichtung zur Entlastung der Schienenbremse über ihre Aufhängung in direkter oder indirekter Abhängigkeit der Anzugskraft zwischen Schiene und Bremse.
 
2. Magnetische Bremse nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Einrichtung zur Entlastung eine Softwareroutine ist, welche ein Entlastungselement in Abhängigkeit der Anzugskraft ansteuert.
 
3. Magnetische Bremse nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Entlastungselement eine kontinuierlich und/oder mehrstufig be- und entlüftbare Ringbalgeinheit (13) vorgesehen ist.
 
4. Magnetische Bremse nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Entlastungselement ein Hubzylinder vorgesehen ist.
 
5. Verfahren zur Steuerung einer magnetischen Bremse, insbesondere einer linearen Wirbelstrombremse für Schienenfahrzeuge mit wenigstens einem Bremsmagneten, die über eine Aufhängeinrichtung an einem Drehgestell eines Schienenfahrzeugs angeordnet und über eine Hubvorrichtung in Richtung der Schiene und von dieser wegbewegt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Schienenbremse bei einem Bremsvorgang über ihre Aufhängung in direkter oder indirekter Abhängigkeit der Anzugskraft zwischen Schiene und Bremse entlastet wird.
 
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Schienenbremse mehrstufig beim Überschreiten bestimmter Anzugskraftwerte entlastet wird.
 
7. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Schienenbremse kontinuierlich in Abhängigkeit der Anzugskraftwerte entlastet wird.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 5 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Entlastungskraft anhand einer Messung der Anzugskraft zwischen Schiene und Bremse ermittelt wird.
 
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 5 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Entlastungskraft über eine Erfassung der Magneterregung unter Einbeziehung der Zugfahrgeschwindigkeit ermittelt wird.
 




Zeichnung













Recherchenbericht