[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Rohren, insbesondere Großrohre,
nach dem UOE-Verfahren gemäß dem Gattungsbegriff des Hauptanspruchs.
[0002] Das in der Fachwelt mit UOE bezeichnete Verfahren ist das am häufigsten angewandte
Verfahren zur Herstellung längsnahtgeschweißter Großrohre (Stradtmann, Stahlrohr-Handbuch,
10. Auflage, Vulkan-Verlag, Essen 1996, Seiten 164-167). Bei diesem Verfahren wird
in einem ersten Schritt aus einem ebenen Blech auf einer Presse mit offenen Gesenken
(
U-Presse) ein U-förmiges Schlitzrohr geformt. Anschließend erfolgt auf einer zweiten
Presse mit sich schließenden Gesenken (
O-Presse) die Rundung zu einem Rohr. Da in vielen Fällen die Rohre nach dem Innen-
und Außenschweißen noch nicht die Anforderungen an Durchmesser und Rundheit erfüllen,
werden sie durch Kaltaufweiten (Expandieren) kalibriert. Durch dieses Expandieren
wird auch gleichzeitig ein Teil der während der Fertigung und des Schweißens sich
aufbauenden Zugeigenspannungen teilweise abgebaut und auf dem größten Teil des Umfangs
sogar in Druckeigenspannungen umgewandelt (Firmenprospekt Mannesmann Großrohr, Herausgeber:
MRW, Ddf. 1980, S. 114-1239).
[0003] Nach dem UOE-Verfahren hergestellte Rohre zeigen durch das Kaltaufweiten Veränderungen
der Festigkeits- und Verformeigenschaften gegenüber dem Ausgangsblech, gekennzeichnet
durch Inhomogenitäten am Rohrumfang und ausgeprägte Verformungsanisotropien.
[0004] Insbesondere für dickwandige Offshore-Rohre und für Rohre aus Stahlgüten mit hohem
Streckgrenzverhältnis haben diese Veränderungen Beeinträchtigungen der Gebrauchseigenschaften
und der Bauteilsicherheit zur Folge.
[0005] Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren zur Herstellung von Rohren, insbesondere
Großrohre, nach dem UOE-Verfahren anzugeben, bei dem die Festigkeits- und Verformungseigenschaften
in Rohrumfangsrichtung weitgehend homogenisiert sind und bestimmte Eigenschaften gezielt
eingestellt werden können.
[0006] Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, daß die Rohre durch eine kombinierte Anwendung
von Kaltaufweiten und Kaltreduzieren konditioniert werden, wobei je nach Anforderungsprofil
die Reihenfolge und der Grad des Aufweitens bzw. Reduzierens festgelegt werden.
[0007] Die Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens sind darin zu sehen, daß
- die Festigkeits- und Verformungseigenschaften in Rohrumfangsrichtung homogenisiert
werden, auch von einem Rohr zum anderen, was zu einer Verringerung der Streubreite
einzelner Eigenschaftsmerkmale führt
- die Rohrfließcharakteristik je nach Anwendungszweck für Innen- und/oder Außedendruckbelastung
verbessert wird
- die Rohrfließbarkeit ganz gezielt je nach Anwendungszweck für Innen- oder Außendruckbelastung
eingestellt werden kann
- der Kollapsdruck und die Bauteilsicherheit von Offshore-Rohren erhöht wird
- Stahlgüten mit besonders hohem Streckgrenzverhältnis besser verarbeitet werden können
- die Umfangseigenspannungen am Rohrumfang homogenisiert werden
- das Rohrverformungsvermögen im Gleichmaßdehnungsbereich erhöht wird
- die Maßhaltigkeit und Rohrgeometrie (Vermeidung von Unrundheiten und Aufdachungen)
verbessert wird
- die Umformkräfte beim O-Pressen und beim Kaltaufweiten reduziert werden können.
[0008] Der letztgenannte Vorteil ist besonders für dickwandige Rohre von Bedeutung, da hier
sowohl die O-Presse als auch der üblicherweise eingesetzte mechanische Expander bis
an die Belastungsgrenze beansprucht werden. Da ein Teil der erforderlichen Umformung
in die Konditionierung verlagert wird, kann dementsprechend die Belastung sowohl für
die O-Presse als auch für den mechanischen Expander verringert werden.
[0009] Das zuvor erläuterte Verfahren ist auch anwendbar für das Dreiwalzenbiegeverfahren
mit integrierter Kaltaufweitung. Im Unterschied zum UOE-Verfahren wird hier weniger
Wert auf die Homogenisierung als vielmehr auf die Einstellung der Festigkeitseigenschaften
und der Rohrgeometrie gelegt.
[0010] In der Zeichnung werden anhand einiger Darstellungen die Vorteile des erfindungsgemäßen
Verfahrens näher erläutert.
Es zeigen:
- Figur 1
- eine grafische Darstellung der Gleichmaßdehnung in Rohrumfangsrichtung als Funktion
des Reduktions- und des Expansionsgrades
- Figur 2
- eine grafische Darstellung des Streckgrenzenverhältnisses in Rohrumfangsrichtung als
Funktion des Reduktions- und des Expansionsgrades
- Figur 3
- eine grafische Darstellung der Rt0,5 Fließgrenze über den Rohrumfang in Abhängigkeit vom Innen- oder Außendruck Teilbild
a: herkömmliches Verfahren Teilbild b: neues erfindungsgemäßes Verfahren
- Figur 4
- eine grafische Darstellung des Spannungs-Dehnungsdiagrammes für die Herstellung und
Prüfung nach dem herkömmlichen Verfahren
- Figur 5
- eine grafische Darstellung des Spannungs- Dehnungsdiagrammes für die Herstellung und
Prüfung nach dem neuen Verfahren für die Herstellung von Onshore-Rohren
- Figur 6
- wie Fig. 5 für die Herstellung von Offshore-Rohren
[0011] Figur 1 zeigt eine grafische Darstellung der Gleichmaßdehnung in Rohrumfangsrichtung
als Funktion des Reduktions- und Expansionsgrades. Auf der Ordinate ist die Gleichmaßdehnung
in Prozent und auf der Abszisse der Verformungsgrad resultierend aus Reduktion und
Expansion in Prozent aufgetragen. Die feinpunktierte gerade Linie 1 ist die Gleichmaßdehnung
für das Ausgangsmaterial Blech beispielhaft für den Stahl X70-TM d.h. thermomechanisch
gewalzt. Sie liegt hier oberhalb von 13 %. Der darunter liegende Kurvenzug 2 zeigt
das Streuband der Versuchswerte. Bei einem Umformgrad 0 % liegen bedingt durch die
Rohrherstellung die Werte der Gleichmaßdehnung schon unterhalb denen des Bleches.
Wird nun im Zuge der Rohrherstellung das Rohr stark aufgeweitet, dann nimmt, wie das
Bild deutlich zeigt, die Gleichmaßdehnung stark ab. Wird dagegen das Rohr reduziert,
dann steigt die Gleichmaßdehnung an und kann je nach Reduktionsgrad den Ausgangswert
des Bleches als Einzelwert oder sogar als Mittelwert wieder erreichen.
[0012] Figur 2 zeigt eine grafische Darstellung des Streckgrenzenverhältnisses in Rohrumfangsrichtung
als Funktion des Reduktions- und Expansionsgrades. Auf der Ordinate ist das Streckgrenzenverhältnis
R
t0,5/R
m abgetragen und auf der Abszisse der Verformungsgrad in Prozent. Die feinpunktierte
gerade Linie 3 ist das Streckgrenzenverhältnis für das Ausgangsmaterial Blech. Beispielsweise
soll dieses Verhältnis 0,8 betragen. Die stark ausgezogene Linie 4 zeigt den Anstieg
des Streckgrenzenverhältnisses mit steigendem Expansionsgrad. Die Fortsetzung dieses
Kurvenzuges in die linke Hälfte der grafischen Darstellung zeigt die Abnahme des Streckgrenzenverhältnisses,
wenn die vorherige Reduktion zunehmend von einer Expansion überlagert wird. Wird dagegen
sofort eine Reduktion auf das Rohr aufgegeben, dann ergibt sich die strichpunktierte
Linie 5. Dieser Verlauf macht deutlich, daß selbst schon bei einer geringen Reduktion
das Streckgrenzenverhältnis gegenüber dem Ausgangswert Blech stark absinkt.
[0013] Figur 3 zeigt in zwei Teilbildern in grafscher Form die R
t0,5-Fließgrenze über den Rohrumfang in Abhängigkeit vom Innen- oder Außendruck. Beim
herkömmlichen Verfahren (linkes Teilbild a) liegen die Fließgrenzenwerte bei einer
Außendruckbelastung erheblich unterhalb der bei einer Innendruckbelastung. Dies bedeutet,
daß das Rohr einen geringen Kollapswiederstand aufweist. Außerdem zeigt der Verlauf
über den Rohrumfang, daß die Werte ungleichmäßig verteilt sind. Dies bedeutet, daß
Einflüsse von der Rohrherstellung noch deutlich sichtbar werden und das Bauteilverhalten
unter Innen- oder Außendruck bestimmen. Bei Anwendung des erfindungsgemäßen neuen
Verfahrens (rechtes Teilbild b) werden die Werte über den Rohrumfang vergleichmäßigt.
Die Fließgrenze bei Außendruckbelastung ist deutlich erhöht, so daß das so hergestellte
Rohr einen höheren Kollapswiderstand aufweist.
[0014] In den nachfolgenden Figuren 4 bis 5 sind in grafischer Form Spannungs-Dehnungsdiagramme
dargestellt, wobei auf der Ordinate die Spannung in Megapascal und auf der Abszisse
die Verformung in Prozent abgetragen sind.
[0015] Figur 4 zeigt den Verlauf der Spannung bei der Herstellung von Leitungsrohren nach
dem herkömmlichen Verfahren. Die ausgezogene Linie, beginnend im Koordinatenursprung
Null über den Punkt A bis zum Punkt B, zeigt die Veränderung der Spannung bei der
Herstellung. In der O-Presse findet eine gewisse Reduktion statt, hier gekennzeichnet
durch den Kurvenabschnitt 6.1. Nach dem Schweißen findet eine kräftige Expansion mittels
eines mechanischen Expanders statt, hier charakterisiert durch den Kurvenzug 6.2,
der sich bis zum Punkt A erstreckt. Nach der Entlastung fällt die Spannung auf den
Wert bis zum Punkt B ab. Wird bei einem so hergestellten Rohr eine Probe für den Zugversuch
entnommen, dann folgt die Spannung/Dehnung dem gestrichelt gezeichneten Kurvenabschnitt
7, wobei beim Punkt F die Fließgrenze und bei Punkt C eine weitere Dehngrenze erreicht
wird. Wird in Umkehrung statt eines Zugversuches ein Druckversuch durchgeführt, dann
folgt die Spannung/Dehnung etwa dem Kurvenverlauf 8, wobei bei F' die Fließgrenze
und bei C' eine weitere Stauchgrenze erreicht wird. Bedingt durch den Bauschinger-Effekt
ist aber der Ordinatenwert F' 9 signifikant geringer als der Wert F entsprechend der
Ordinate 10 beim Zugversuch. Diese Verhältnisse ändern sich bei Anwendung des erfindungsgemäßen
Verfahrens.
[0016] Figur 5 zeigt die Verhältnisse bei der Herstellung von Onshore-Rohren. Bei diesen
Rohren wird erfindungsgemäß zuerst eine hohe Reduktion aufgebracht entsprechend dem
ausgezogenen Kurvenzug 11, beginnend im Koordinatenursprung Null. Danach erfolgt eine
Expansion entsprechend dem Kurvenzug 12 bis zum Punkt A. Nach der Entlastung fällt
die Spannung ab bis auf den Wert im Punkt B. Der Zugversuch ergibt für die Fließgrenze
einen Ordinatenwert F13, der vergleichsweise so groß ist wie der in Figur 4 nach dem
herkömmlichen Verfahren. Der entscheidende Unterschied liegt im Ordinatenwert F'14
bei der Umkehrung der Verformung. Dieser Wert F' ist annähernd gleich groß wie der
Wert F, vielleicht sogar noch etwas größer.
[0017] Figur 6 zeigt die Verhältnisse bei der Herstellung von Offshore-Rohren. Hier wird
erfindungsgemäß zuerst das Rohr durch Aufweiten homogenisiert und anschließend durch
Reduktion auf Durchmesser und Stauchgrenze eingestellt. Der Anstieg der Spannung zeigt
der dick ausgezogene Kurvenzug 15 beginnend beim Koordinatenursprung Null. Der Abfall
bei Aufgabe der Reduktion zeigt der Kurvenzug 16 bis zum Punkt A. Nach der Entlastung
sinkt die Spannung ab bis auf den Wert in Punkt B. Führt man wieder einen Zugversuch
durch, dann steigt die Spannung entsprechend der gestrichelten Linie 17 bis auf den
Ordinatenwert 18 im Punkt F an. Dieser liegt etwas unterhalb der vergleichbaren Werte
F entsprechend den Figuren 4 und 5. Die Umkehrung, d. h. der Druckversuch ergibt einen
Ordinatenwert 19 im Punkt F', der erheblich größer ist als der beim Zugversuch ermittelte
Wert.
1. Verfahren zur Herstellung von Rohren, insbesondere Großrohre nach dem UOE-Verfahren,
bei dem die Rohre nach dem Innen- und Außennahtschweißen durch Kaltaufweiten kalibriert
werden,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Rohre durch eine kombinierte Anwendung von Kaltaufweiten und Kaltreduzieren
konditioniert werden, wobei je nach Anforderungsprofil die Reihenfolge und der Grad
des Aufweitens bzw. Reduzierens festgelegt werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß für Onshore-Rohre zuerst eine Reduktion des Rohres um bis zu 2% und anschließend
ein Aufweiten auf Sollmaß um bis zu 4% erfolgt.
3. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß für Offshore-Rohre zuerst ein Aufweiten des Rohres um bis zu 2% und anschließend
eine Reduktion auf Sollmaß um bis zu 4% erfolgt.