(19)
(11) EP 0 753 445 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
15.01.1997  Patentblatt  1997/03

(21) Anmeldenummer: 96250150.8

(22) Anmeldetag:  10.07.1996
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6B61L 17/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT CH DE IT LI NL

(30) Priorität: 12.07.1995 DE 19526817

(71) Anmelder: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
80333 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Wehmann, Christoph
    38120 Braunschweig (DE)
  • Matthée, Volker
    38162 Cremlingen (DE)
  • Dierkes, Gerhard
    38162 Cremlingen (DE)

   


(54) Verfahren zum Betrieb einer Gleisanlage


(57) Nach grenzzeichenfreier Räumung einer in Fahrtrichtung (FR) des Fahrzeugs (F1) ersten Weiche (W1) wird diese in ableitende Schutzstellung (WS1) gestellt. Nach grenzzeichenfreier Räumung der in Fahrtrichtung (FR) nachfolgenden zweiten Weiche (W2) wird die schutzbietende erste Weiche (W1) entsperrt und kann wieder bedarfsgemäß gestellt werden. Die zweite Weiche (W2) wird dagegen in Schutzstellung (WS2) gestellt und gesperrt.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung liegt auf dem Gebiet der Rangiertechnik und insbesondere der automatisierten Ablaufanlagen und betrifft ein Verfahren zum Betrieb einer Gleisanlage mit mehreren in Fahrtrichtung eines Fahrzeugs oder einer Fahrzeuggruppe aufeinanderfolgenden verzweigenden Weichen.

[0002] In automatisierten Ablaufanlagen können einzelne Abläufe von Fahrzeugen oder Fahrzeuggruppen durch anomales Ablaufverhalten zu Störungen des Rangierbetriebs und nachfolgender Abläufe führen. Insbesondere besteht bei zu langsamen Abläufen die Gefahr von Auflauf- oder Eckstößen durch nachfolgende Abläufe. Beim Auflaufen nachfolgender Abläufe können die einzelnen Weichen zur individuellen selektiven Vereinzelung der Abläufe nicht mehr gestellt werden, so daß sich eine große Anzahl von Falschläufern bildet, die gezwungenermaßen dem führenden Fahrzeug in dessen End- oder Richtungsgleis folgen.

[0003] Die Aufgabe der Erfindung besteht daher in der Schaffung eines Verfahrens, das einen frühzeitigen Schutz des aktuellen Ablaufs vor den nachfolgenden Abläufen gewährleistet und Falschläufer vermeidet.

[0004] Diese Aufgabe wird bei einem Verfahren der eingangs genannten Art erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß nach grenzzeichenfreier Räumung einer in Fahrtrichtung des Fahrzeugs oder der Fahrzeuggruppe ersten Weiche diese in Schutzstellung gestellt und gesperrt wird, daß nach grenzzeichenfreier Räumung der in Fahrtrichtung des Fahrzeugs oder der Fahrzeuggruppe nachfolgenden zweiten Weiche die bislang schutzbietende erste Weiche entsperrt wird, so daß die erste Weiche wieder bedarfsgemäß gestellt werden kann, und daß die zweite Weiche in Schutzstellung gestellt und gesperrt wird. Die Verwendung von Grenzzeichen und die Überwachung einer grenzzeichenfreien Räumung eines Abschnitts einer Gleisanlage sind für sich seit langem bekannt (DE-C3-26 31 076). Eine grenzzeichenfreie Räumung ist bei eng vermaschten Bahnnetzen, beispielsweise in Rangierbereichen, erforderlich und erfolgt durch Überwachung des Profilraums der jeweiligen Streckenelemente wie z. B. Weichen. Die Streckenelemente werden beispielsweise durch Achszähler derart überwacht, daß die Meldung der Grenzzeichenfreiheit erst erfolgt, wenn keinerlei Teile von in dem jeweiligen Streckenelement befindlichen Fahrzeugen in den Profilraum benachbarter oder anschließender Streckenelemente hineinragen können.

[0005] Bei nachfolgenden weiteren Weichen kann das erfindungsgemäße Verfahren entsprechend fortgesetzt werden, so daß die zweite Weiche anstelle der ersten Weiche tritt und die weitere Weiche als zweite Weiche dient usw. Ein wesentlicher Vorteil des Verfahrens besteht darin, daß die jeweils vorhergehende, grenzzeichenfrei geräumte Weiche quasi dem aktuellen Ablauf folgend sukzessive als schutzgebende Weiche dient und unmittelbar nach grenzzeichenfreier Räumung der Folgeweiche wieder frei stellbar wird. Dadurch ergeben sich insgesamt weniger Falschläufer und somit weniger Gefahrensituationen. Dennoch wird der jeweils vorhergehende Ablauf zuverlässig gegen Eckstöße der nachfolgenden Abläufe geschützt.

[0006] Eine im Hinblick auf Ablaufanlagen mit Richtungsgleisen bevorzugte Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, daß Auslaufgleise ohne weitere Weichen, beispielsweise Richtungsgleise in Rangieranlagen, überwacht werden und daß bei vollständigem Einlauf des Fahrzeugs oder der Fahrzeuggruppe in das Auslaufgleis die in Fahrtrichtung zurückliegende letzte Weiche entsperrt wird, so daß diese bedarfsgemäß gestellt werden kann.

[0007] Das Erkennen der grenzzeichenfreien Räumung der zurückliegenden Weiche ist in an sich bekannter Weise durch optische Systeme oder in Kenntnis des Laufverhaltens möglich. Eine im Hinblick auf die Störunanfälligkeit besonders bevorzugte Fortbildung der Erfindung sieht vor, daß die grenzzeichenfreie Räumung jeweils durch Achszählung mittels Gleiskontakten erkannt wird.

[0008] Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung wird nachfolgend anhand einer Zeichnung näher erläutert, die das Verfahren unter Betrachtung eines Ausschnitts einer automatisierten Ablaufanlage darstellt.

[0009] Eine Gleisanlage GA enthält neben geraden Streckenabschnitten ST mehrere in Fahrtrichtung FR eines Fahrzeugs F1 aufeinanderfolgende verzweigende Weichen. Nachfolgend sollen nur die Weichen W1, W2 näher betrachtet werden, die für einen selektiven Ablauf des Fahrzeugs F1 in ein Richtungsgleis RI1 gestellt werden. Die jeweilige Stellung der Weichen W1, W2 ist jeweils durch eine größere Strichstärke hervorgehoben. Die Weiche W1 ist in der Situation (a) derart gestellt, daß das Fahrzeug F1 im Geradeauslauf zu den Richtungsgleisen RI1 bzw. RI2 geleitet wird; die Stellung der Weiche W2 ist derart, daß das Fahrzeug F1 in das vorgesehene Richtungsgleis RI1 gelangt. Zu jeder Weiche W1, W2 sind (virtuelle) Grenzzeichen GZ1, GZ2 vorgesehen. Das Grenzzeichen GZ1 korrespondiert mit den im Weichenauslauf angeordneten Gleiskontakten GK1 der Weiche W1. Entsprechend korrespondiert das Grenzzeichen GZ2 mit den im Auslaufbereich der Weiche W2 bzw. der darunter liegenden Weiche angeordneten Gleiskontakten GK2. In den Richtungsgleisen RI1 bis RI4 sind Überwachungskontakte GK3 angeordnet. Erst wenn sämtliche Achsen eines Ablaufs (Fahrzeug / Fahrzeuggruppe) den jeweiligen Gleiskontakt GK überfahren haben und in bekannter Weise der beim Einlauf gezählten Achsanzahl entsprechen, wird das jeweilige Element als grenzzeichenfrei geräumt angesehen. Die Gleiskontakte GK sind dabei derart angeordnet, daß ein mit seiner letzten Achse unmittelbar dahinter zum Stillstand kommendes Fahrzeug nicht in den Profilraum der benachbarten oder angrenzenden Streckenelemente hereinragt, so daß keine Eckstoßgefahr besteht.

[0010] In der Situation (a) läuft das Fahrzeug F1 gerade in die in Fahrtrichtung FR erste Weiche W1 ein. Die Weiche W1 wird damit besetzt gemeldet und gegen Umstellung gesperrt. Durch Achszählung der dem Grenzzeichen GZ1 zugeordneten Gleiskontakte GK1 wird geprüft, ob die Weiche W1 grenzzeichenfrei geräumt worden ist. In der Situation (b) ist dies noch nicht der Fall, weil die letzte Achse des Fahrzeugs F1 den dem Grenzzeichen GZ1 zugeordneten im Auslaufbereich der Weiche W1 angeordneten Gleiskontakt GK1 noch nicht überfahren hat.

[0011] In der Situation (c) befindet sich das Fahrzeug F1 in dem Streckenabschnitt ST und hat die Weiche W1 grenzzeichenfrei geräumt. Unabhängig von der für den nächsten Ablauf gewünschten Stellung wird die Weiche W1 vorübergehend in abweisende Stellung bzw. Schutzstellung WS1 gebracht. Nachfolgende Abläufe würden daher durch die schutzbietende Stellung der Weiche W1 zu den Richtungsgleisen RI3 bzw. RI4 gelenkt, so daß das Fahrzeug F1 in jedem Fall geschützt ist. Selbst wenn das Fahrzeug F1 in dem Streckenabschnitt ST zum Stehen kommt, ist eine Gefährdung oder Beschädigung des Fahrzeugs F1 oder nachfolgender Abläufe verhindert. In der Situation (d) läuft das Fahrzeug F1 in die Weiche W2 ein, die gemäß dem gewünschten Ablauf des Fahrzeugs F1 auf das Richtungsgleis RI1 gestellt ist. Außerdem erkennt man bereits ein nachfolgendes Fahrzeug F2, das sich noch auf einem Streckenabschnitt vor der Weiche W1 befindet. Auch die grenzzeichenfreie Räumung der Weiche W2 wird überwacht. Dazu dienen die dem Grenzzeichen GZ2 zugeordneten Gleiskontakte GK2 im Auslaufbereich der Weiche W2.

[0012] In der Situation (e) befindet sich das Fahrzeug F1 bereits im Einlauf in das Richtungsgleis RI1 und hat die Weiche W2 grenzzeichenfrei geräumt. Dies führt zur Entsperrung der Weiche W1, die nun gemäß dem gewünschten Lauf des Fahrzeugs F2 stellbar ist. Da im vorliegenden Beispiel das Fahrzeug F2 in das Richtungsgleis RI2 einlaufen soll, wird die Weiche W1 aus ihrer Schutzstellung WS1 in den Geradeauslauf umgestellt. Gleichzeitig läuft die Weiche W2 in abweisende Schutzstellung WS2 um, in der das Fahrzeug F1 vor nachfolgenden Abläufen geschützt ist.

[0013] In der Situation (f) ist das Fahrzeug F2 in die Weiche W1 eingelaufen und das Fahrzeug F1 hat den Überwachungskontakt GK3 passiert. Der dadurch erkennbare vollständige Einlauf des Fahrzeugs F1 in das Richtungsgleis RI1 führt dazu, daß die Weiche W2 entsperrt und stellbar für das Fahrzeug F2 wird. Im vorliegenden Fall ist eine Umstellung der Weiche W2 zufällig nicht erforderlich, weil die bisherige Schutzstellung WS2 bereits in das Richtungsgleis RI2 führt. Der nachfolgende Ablauf des Fahrzeugs F2 wird weiter so behandelt, wie zuvor ausführlich im Zusammenhang mit dem Fahrzeug F1 beschrieben. Demgemäß wird die grenzzeichenfreie Räumung der Weiche W1 geprüft, die in der Sitation (g) erfolgt ist, so daß diese in die Schutzstellung WS1 umläuft und gesperrt wird. Gleichzeitig ist das Fahrzeug F2 bereits in die Weiche W2 eingelaufen und setzt seinen Weg damit in Richtung des Richtungsgleises RI2 fort.

[0014] Wäre in der Situation (c) die grenzzeichenfreie Räumung der Weiche W1 durch das Fahrzeug F1 nicht rechtzeitig erfolgt, so wäre die Weiche W1 nicht in die Schutzstellung gelangt, sondern in der Lage "Aufpuffern" geblieben. Ein Aufpuffern des Fahrzeugs F2 auf das Fahrzeug F1 birgt wesentlich weniger Gefahren, als ein möglicherweise bei Stellung der Weiche W1 ohne Grenzzeichenfreiheit auftretender Eckstoß zwischen den Fahrzeugen F1 und F2. Die jeweils schutzbietende Stellung der zurückliegenden Weiche ist nur so lange erforderlich, bis die Folgeweiche grenzzeichenfrei geräumt ist. Dies vermindert insgesamt die Anzahl der Falschläufer und die Gefahr von Eckstößen.

[0015] Das vorbeschriebene Verfahren kann vorzugsweise nur dann angewendet werden, wenn für einen vorhergehenden Ablauf (Fahrzeug F1) ein ungenügendes Laufverhalten (insbesondere zu geringe Ablaufgeschwindigkeit) festgestellt wird oder aufgrund einer Prognose zu erwarten ist.


Ansprüche

1. Verfahren zum Betrieb einer Gleisanlage (GA) mit mehreren in Fahrtrichtung (FR) eines Fahrzeugs (F1) oder einer Fahrzeuggruppe aufeinanderfolgenden verzweigenden Weichen (W1, W2),
dadurch gekennzeichnet, daß
nach grenzzeichenfreier Räumung einer in Fahrtrichtung (FR) des Fahrzeugs (F1) oder der Fahrzeuggruppe ersten Weiche (W1) diese in Schutzstellung (WS1) gestellt und gesperrt wird, daß nach grenzzeichenfreier Räumung der in Fahrtrichtung (FR) des Fahrzeugs (F1) oder der Fahrzeuggruppe nachfolgenden zweiten Weiche (W2) die bislang schutzbietende erste Weiche (W1) entsperrt wird, so daß die erste Weiche (W1) wieder bedarfsgemäß gestellt werden kann, und daß die zweite Weiche (W2) in Schutzstellung (WS2) gestellt und gesperrt wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß
Auslaufgleise (RI1 bis RI4) ohne weitere Weichen, beispielsweise Richtungsgleise in Rangieranlagen, überwacht werden und daß bei vollständigem Einlauf des Fahrzeugs (F1) oder der Fahrzeuggruppe in das Auslaufgleis (RI1 bis RI4) die in Fahrtrichtung (FR) zurückliegende letzte Weiche (W2) entsperrt wird, so daß diese bedarfsgemäß gestellt werden kann.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, daß
die grenzzeichenfreie Räumung jeweils durch Achszählung mittels Gleiskontakten (GK) erkannt wird.
 




Zeichnung







Recherchenbericht