[0001] Die Erfindung betrifft die Verwendung einer Stahllegierung für Rohre zur Herstellung
von Stabilisatoren für Kraftfahrzeuge, einen Stabilisator aus einer solchen Stahllegierung
sowie Verfahren zur Herstellung von Stabilisatoren.
[0002] Stabilisatoren sind Bauteile, die in der Kraftfahrzeugtechnik zur Verringerung der
Kurvenneigung der Karosserie und zur Beeinflussung des Eigenlenkverhaltens, z.B. zur
Verminderung des Übersteuerns, eingesetzt werden. Sie versteifen bei einseitiger Belastung
die Federung, beispielsweise beim Überfahren einseitiger Hindernisse.
[0003] Stabilisatoren sind meist als Drehstäbe ausgeführt, die im Fahrzeughauptteil quer
zur Fahrtrichtung gelagert sind und über U-förmig angebrachte Schenkel an den Radaufhängungen
angreifen. Zur Stabilisation macht man sich die Widerstandskraft des Materials gegen
Verdrehung zunutze. Die Enden des Stabilisators sind jeweils starr mit einer Seite
der Achse verbunden und wirken als Hebelarm. Wird der Fahrzeugaufbau bei Kurvenfahrt
infolge der Fliehkraft zur Seite geneigt, so federt das kurveninnere Rad stärker ein
als das äußere. Der Stabilisator wird dadurch verdrillt und wirkt durch seine Federkraft
der Seitenneigung entgegen.
[0004] Stabilisatoren der üblichen Art werden bisher überwiegend aus Vollstäben gefertigt.
Es gibt sie in geraden und gebogenen Ausführungen. So beschreibt beispielsweise die
WO 93/18189 die Herstellung von Schwingstäben bzw. Drehstabilisatoren aus hochfesten
Stählen. Hierbei erfolgt der Einsatz von Stählen mit einem orientierten Verlauf der
Gefügestruktur. Die Umformung erfolgt entweder warm unterhalb der Rekristallisierungstemperatur
oder kalt unterhalb einer Temperatur von 149 °C. Die dort beschriebenen Stähle besitzen
eine Streckgrenze R
e von mindestens 620 N/mm
2 und eine Zugfestigkeit R
m von mindestens 827 N/mm
2. Sie weisen einen Gehalt an Kohlenstoff von 0,3 % bis 1 %, Mangan von 2,0 % bis 2,5
% und bis zu 0,35 % Vanadium auf. Die zur Herstellung der Stabilisatoren eingesetzten
Stäbe werden warmgewalzt oder kaltgezogen.
[0005] Aus Gründen der Gewichtsersparnis geht die Tendenz dazu, Stabilisatoren aus Rohren
herzustellen. Hierbei macht man sich das bei einem Rohr günstigere Verhältnis von
Widerstandsmoment gegen Torsion zur Rohrmasse im Vergleich zu einem Vollstab zunutze.
Bei dem für die Torsion optimalen Verhältnis von Wanddicke zum Durchmesser der Rohre
müssen die zur Anwendung gelangenden Werkstoffe bei Beibehaltung der in den Fahrzeugen
konstruktiv vorgegebenen bzw. verwendbaren Außendurchmesser eine um einen Faktor von
ca. 1,4 höhere Streckgrenze und Zugfestigkeit besitzen.
[0006] Weiterhin ist zur Erzielung einer hohen Dauer-Wechselfestigkeit die Oberflächengüte
der Außen- und Innenoberfläche der verwendeten Rohre von größter Wichtigkeit. Die
beste Oberflächengüte weisen längsnahtgeschweißte Rohre aus gewalztem Stahlband auf.
Hierbei werden die bei nahtlos gezogenen Rohren vorkommenden Fehler, wie Fältelungen
usw. vermieden.
[0007] Die bislang zum Einsatz gelangenden Stähle für Rohre zur Herstellung von Stabilisatoren
weisen einen hohen Kohlenstoffgehalt auf und haben zum Teil eine zu niedrige Zähigkeit.
Die niedrige Zähigkeit der Stähle wirkt sich insbesondere bei nahtlosen Rohren vorwiegend
aufgrund der verminderten Oberflächengüte negativ auf die Dauer-Wechselfestigkeit
aus. Zur Erzielung höherer Zähigkeit bei der geforderten Festigkeit sind aufwendige
Vergütungsverfahren mit hohen Anlaßtemperaturen von ca. 600 °C notwendig. Durch die
hohen Anlaßtemperaturen ist es aber erforderlich, daß die Stabilisatoren während des
Anlaßvorgangs zur Vermeidung von Verzug in besonderen Vorrichtungen eingespannt werden.
Dieser Aufwand führt jedoch zu einer Erhöhung der Herstellungskosten.
[0008] Desweiteren sind die meisten der bislang eingesetzten Stähle schlecht schweißbar.
Damit ist der Einsatz von längsnahtgeschweißten Rohren schlecht bzw. überhaupt nicht
möglich, obwohl dies wegen der besseren Oberflächengüte wünschenswert wäre.
[0009] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Stahllegierung für Rohre anzugeben,
die in ihren mechanischen Eigenschaften den hohen Anforderungen für die Herstellung
von Stabilisatoren gerecht wird. Weiterhin zielt die Erfindung auf eine wirtschaftliche
Herstellung von qualitativ hochwertigen Stabilisatoren aus solchen Rohren ab.
[0010] Der legierungstechnische Teil der Aufgabe wird durch die Verwendung der im Anspruch
1 angegebenen Legierung gelöst.
[0011] Eine vorteilhafte Ausgestaltung der zur Verwendung gelangenden Legierung lehrt Anspruch
2.
[0012] Die Erfindung macht sich hierbei die Erkenntnis zu eigen, daß für die Herstellung
von Stabilisatoren aus Rohren bei den hohen Anforderungen an die mechanischen Eigenschaften
ein Rohrwerkstoff erforderlich ist, der je nach Anlaßtemperatur Zugfestigkeiten R
m von 1100 bis 1600 N/mm
2, 0,2%-Dehngrenzen R
p0,2 von 900 bis 1300 N/mm
2 und eine Bruchdehnung A
5 von 6 bis 15 % aufweist. Der wesentlichste Vorteil der erfindungsgemäßen Stahllegierung
wird daher darin gesehen, daß die vorgeschlagene Legierung gegenüber der Verwendung
der bekannten Legierungen, aus denen Rohre für Stabilisatoren hergestellt werden,
die angegebenen Werte der Zugfestigkeit, Streckgrenze und Bruchdehnung erreicht, und
daß durch sie zusätzlich noch bei Einsatz von nur einer Legierung eine hohe Bandbreite
von geforderten mechanischen Kenndaten abgedeckt werden kann. Die Legierungskomponenten
sind hierfür optimal aufeinander abgestimmt.
[0013] Obwohl es sich um einen weichen, kohlenstoffarmen Stahl handelt, gewährleistet der
Kohlenstoffanteil eine ausreichende Festigkeit und Härtbarkeit. Der Siliziumanteil
bestimmt die Zugfestigkeit und die Streckgrenze, wobei die Zähigkeitseigenschaften
nur geringfügig beeinflußt werden. Das Mangan erhöht ebenfalls die Festigkeit der
Stahllegierung, wobei die Bruchdehnung nur geringfügig verringert wird. Darüberhinaus
wirkt sich das Mangan günstig auf die Schweißbarkeit aus. In Verbindung mit dem Kohlenstoffanteil
bewirkt es eine Verbesserung des Verschleißwiderstands. Der Titananteil wird vorwiegend
zur Stabilisierung gegenüber interkristalliner Korrosion eingesetzt. Das Bor verbessert
die Durchhärtung und erhöht die Kernfestigkeit. Schließlich wird durch die Zugabe
von Aluminium die Feinkornbildung unterstützt.
[0014] Bei der erfindungsgemäßen Legierung ist daher eine gute Verformbarkeit und Schweißbarkeit
gegeben. Hiermit verbindet sich der Vorteil, daß neben dem Einsatz von nahtlosen Rohren
auch der Einsatz von für den vorgesehenen Verwendungszweck besser geeigneten längsnahtgeschweißten
Rohren möglich wird.
[0015] Weiterhin hervorzuheben ist, daß die erfindungsgemäße Stahllegierung im Vergleich
zu den bekannten Stählen bessere Eigenschaften hinsichtlich der Zähigkeit aufweist
und eine einfachere Vergütbarkeit möglich macht. So kann beispielsweise mit niedrigeren
Anlaßtemperaturen gearbeitet werden.
[0016] Die erfindungsgemäße Stahllegierung ist kostengünstig. Rohre aus einer solchen Stahllegierung
können auch in bereits vorhandenen Anlagen zur Herstellung von Stabilisatoren aus
Vollmaterial problemlos zum Einsatz gelangen. Vergütungsanlagen sind hier bereits
vorhanden.
[0017] Für neu einzurichtende Fertigungslinien ergibt sich sogar eine Reduzierung des Aufwands,
da das nach dem Härten vorgenommene Anlassen bei niedrigeren Temperaturen als bisher
üblich erfolgen kann. Aus diesem Grund sind Einspannvorrichtungen, die einen Verzug
beim Anlaßvorgang verhindern sollen, nicht erforderlich.
[0018] Stabilisatoren gemäß Anspruch 3 weisen ein gegenüber bekannten Stabilisatoren aus
Vollmaterial reduziertes Gewicht auf. Den starken Belastungen beim Einsatz in Kraftfahrzeugen
halten diese Stabilisatoren zuverlässig stand.
[0019] Eine Lösung des verfahrensmäßigen Teils der Aufgabe wird in den Merkmalen des Anspruchs
4 gesehen. Hierbei können sowohl nahtlos gezogene als auch längsnahtgeschweißte Rohre
zum Einsatz gelangen.
[0020] Diese werden zunächst normal geglüht. Dies erfolgt bei einer Temperatur wenig oberhalb
des A
C3-Punktes mit anschließendem Abkühlen in ruhender Atmosphäre. Die Glühbehandlung wird
angewandt, um eine grobkörnige Struktur zu beseitigen. Vorteilhaft ist dies insbesondere
bei längsnahtgeschweißten Rohren, da hier eine grobkörnige Struktur auftreten kann.
[0021] Aus den so behandelten Rohren werden anschließend Stabilisatoren umformtechnisch
mit den üblichen Verfahrensgängen hergestellt. Hieran schließt sich eine Wasserhärtung
der Stabilisatoren an. Die Wasserhärtung erfolgt vorzugsweise im Werkzeug selber,
so daß ein zusätzliches Aufnehmen der Stabilisatoren zum Zwecke der Härtung entfällt.
[0022] Fallweise kann ein Anlassen unter Luft bei einer Temperatur zwischen 200 °C und 400
°C erfolgen, wie dies Anspruch 5 vorsieht. Das beim Härten entstehende Martensitgefüge
ist teilweise sehr spröde. Daher werden die Stabilisatoren in der Regel nach dem Härten
angelassen. Als besonders vorteilhaft hat sich eine Temperatur von ca. 250 °C erwiesen.
Durch Diffusion der Kohlenstoffatome wird so die Verspannung des Martensits gemildert.
Die Sprödigkeit wird verringert, ohne daß die Härte sich wesentlich ändert.
[0023] Ein Einspannen der Stabilisatoren beim Anlassen zur Vermeidung von Verzug ist in
diesem Anlaßtemperaturbereich nicht erforderlich.
[0024] Erforderlichenfalls werden die Enden der Stabilisatoren angestaucht (Anspruch 6).
Hieran schließt sich ein Abschreckvorgang an. Dies geschieht vorzugsweise mit Wasser
von Temperaturen oberhalb 800 °C. Als besonders vorteilhaft hat sich ein Abschreckhärten
oberhalb einer Temperatur von 920 °C herausgestellt.
[0025] Im Falle von gebogenen Stabilisatoren können auch unvergütete Rohre zum Einsatz kommen,
wie dies Anspruch 7 vorsieht. Das Biegen erfolgt bei einer Temperatur oberhalb der
oberen Umwandlungstemperatur, dem A
C3-Punkt im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm. Nach dem Biegevorgang wird wiederum eine Abschreckhärtung
im Werkzeug vorgenommen. Ein Nachrichten ist dann nicht erforderlich.
[0026] Nach den Merkmalen des Anspruchs 8 ist eine Erwärmung der Stabilisatoren nach dem
Härten auf eine Temperatur unterhalb der Umwandlungstemperatur vorteilhaft. Die Anlaßtemperatur
soll daher 350 °C nicht überschreiten.
[0027] Eine weitere Lösung des verfahrensmäßigen Teils der Aufgabe beinhaltet Anspruch 9.
Danach werden die aus der erfindungsgemäßen Legierung hergestellten Rohre vergütet,
und zwar vor dem Umformvorgang zu Stabilisatoren. Eine Vergütung nach dem Biegen kann
entfallen. Diese Vorgehensweise ist besonders pragmatisch und ökonomisch.
[0028] Die Vergütung der Rohre umfaßt den Doppelschritt des Härtens und Anlassens. Dem Rohr
wird hierdurch vor dem Biegevorgang eine große Festigkeit und eine hohe Streckgrenze
sowie große Zähigkeit verliehen.
[0029] Das Härten besteht aus dem Erwärmen auf Härtetemperatur, dem Halten und Abschrecken.
Danach wird zum Anlassen nochmals erwärmt und abschließend abgeschreckt oder langsam
abgekühlt.
[0030] Falls erforderlich, kann nach dem Biegen der Rohre zu Stabilisatoren ein Spannungsarmglühen
vorgenommen werden, wie dies Anspruch 10 vorsieht. Hierdurch können Gefügeumwandlungen
oder Eigenspannungen abgebaut werden. Vorzugsweise beschränkt sich dieser Glühvorgang
auf den Bereich der Bögen eines Stabilisators. Die Glühtemperatur ist dabei so gewählt,
daß die Vergütungsfestigkeit des Stabilisators nicht herabgesetzt wird.
[0031] Eine Fertigungslinie für die Herstellung von Stabilisatoren aus geschweißten Rohren
sowie eine Fertigungslinie für die Herstellung von Stabilisatoren aus nahtlosen Rohren
gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren ist technisch generalisiert in den beiliegenden
Figuren 1 und 2 dargestellt. Bezüglich der Figur 1 ist darauf hinzuweisen, daß bei
geschweißten Rohren in Abhängigkeit von deren Durchmesser ein Streckreduzieren nicht
zwingend erforderlich ist.
1. Verwendung einer Stahllegierung für Rohre zur Herstellung von Stabilisatoren für Kraftfahrzeuge,
insbesondere für Drehstabilisatoren, die in Gewichtsprozenten ausgedrückt aus
Kohlenstoff (C) 0,18 % bis 0,30 %
Silizium (Si) 0,10 % bis 0,50 %
Mangan (Mn) 1,10 % bis 1,80 %
Phosphor (P) max. 0,025 %
Schwefel (S) max. 0,025 %
Titan (Ti) 0,020 % bis 0,050 %
Bor (B) 0,0005 % bis 0,005 %
Aluminium 0,010 % bis 0,050 %
Rest Eisen einschließlich erschmelzungsbedingter Verunreinigungen
besteht.
2. Verwendung einer Stahllegierung nach Anspruch 1, die in Gewichtsprozenten ausgedrückt
aus
Kohlenstoff (C) 0,21 % bis 0,26 %
Silizium (Si) 0,15 % bis 0,35 %
Mangan (Mn) 1,20 % bis 1,40 %
Phosphor (P) max. 0,025 %
Schwefel (S) max. 0,025 %
Titan (Ti) 0,020 % bis 0,040 %
Bor (B) 0,0020 % bis 0,0040 %
Aluminium 0,020 % bis 0,035 %
Rest Eisen einschließlich erschmelzungsbedingter Verunreinigungen
besteht.
3. Stabilisator aus einer Stahllegierung nach einem der Ansprüche 1 oder 2.
4. Verfahren zur Herstellung von Stabilisatoren aus gezogenen oder geschweißten Rohren
gemäß einem der Ansprüche 1 oder 2, mit folgenden Maßnahmen:
a) Normalglühen der Rohre;
b) Herstellung der Stabilisatoren;
c) Wasserhärtung der Stabilisatoren, wobei diese insbesondere im Werkzeug erfolgt.
5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß ein Anlassen unter Luft bei einer Temperatur zwischen 200 °C und 400 °C erfolgt.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 4 oder 5, wobei die Enden der Stabilisatoren angestaucht
und mit Wasser von Temperaturen oberhalb 800 °C, insbesondere 920 °C, abgeschreckt
werden.
7. Verfahren zur Herstellung von gebogenen Stabilisatoren aus unvergüteten Rohren gemäß
einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Biegen oberhalb des AC3-Punktes erfolgt und nach der Biegeoperation eine Abschreckung im Werkzeug vorgenommen
wird.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß ein Anlassen mit einer Temperatur bis zu 350 °C erfolgt.
9. Verfahren zur Herstellung von gebogenen Stabilisatoren aus Rohren gemäß einem der
Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß zunächst eine Vergütung der Rohre vorgenommen wird und diese anschließend zu
Stabilisatoren gebogen werden.
10. Verfahren nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß nach dem Biegen ein Spannungsarmglühen vorzugsweise der Biegebereiche erfolgt.