(19)
(11) EP 0 812 929 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
17.12.1997  Patentblatt  1997/51

(21) Anmeldenummer: 96109451.3

(22) Anmeldetag:  13.06.1996
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6C23C 8/34, C23C 8/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT CH DE ES FR GB IT LI

(71) Anmelder: Ipsen International GmbH
47533 Kleve (DE)

(72) Erfinder:
  • Göhring, W.
    47533 Kleve (DE)

(74) Vertreter: Stenger, Watzke & Ring Patentanwälte 
Kaiser-Friedrich-Ring 70
40547 Düsseldorf
40547 Düsseldorf (DE)

   


(54) Verfahren zum Nitrieren und/oder Nitrocarburieren metallischer Werkstücke


(57) Zwecks Vermeidung einer Weichfleckigkeit beim Nitrieren oder Nitrocarburieren von Werkstücken aus legierten Stählen sowie zur Ausbildung von Nitrierschichten bzw. Nitrocarburierschichten vergrößerter Schichtstärke bei hoher Gleichmäßigkeit der Schichten wird vorgeschlagen, die Werkstücke vor dem Nitrieren bzw. Nitrocarburieren im aufgeheizten Ofen unter Zugabe eines spaltbaren Kohlenstoff-Trägers, insbesondere Methanols einer Voraufkohlung als Vorbehandlung zu unterziehen.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Nitrieren oder Nitrocarburieren von Werkstücken aus legierten Stählen, insbesondere korrosionsbeständigen Stählen mit größer 13 Gew.% Chrom, in einer gasförmigen vorzugsweise ammoniakhaltigen Nitrier- bzw. Nitrocarburieratmosphäre, bei dem die Werkstücke zuvor einer Vorbehandlung unterworfen werden.

[0002] Bei der thermisch-chemischen Oberflächenbehandlung metallischer Werkstücke durch Nitrieren oder Nitrocarburieren in stickstoffhaltigen, insbesondere ammoniakhaltigen Gasmischungen treten bei legierten, insbesondere hochlegierten Stählen infolge von hemmend wirkenden Oberflächenzuständen bei der Erzeugung nitridhaltiger Randschichten Schwierigkeiten derart auf, daß sich die Werkstücke nicht oder nur nach langer Behandlungsdauer und dann auch nur sehr ungleichmäßig mit Nitrierschichten oder Nitrocarburierschichten versehen lassen. Dies wird auf die Tatsache zurückgeführt, daß die Oberfläche legierter Stähle gewisse Passivierungserscheinungen aufweist, die das Nitrieren oder Nitrocarburieren beeinträchtigen. Dabei tritt vor allem der nachteilige Effekt unterschiedlicher Schichtstärken über der Werkstückoberfläche auf, den man Weichfleckigkeit nennt. Vor allem bei korrosionsbeständigen Stählen, wie den Chromstählen mit über 13 % Chromgehalt, erhält man nur einzelne Nitrierstellen, während bis zu 80 % der Oberfläche nur geringe Nitrierungen oder dünne Nitrierschichten zeigen.

[0003] Zur Beseitigung der schädlichen Passivierungen ist es bekannt, die Werkstücke einer Ätzbehandlung in Säuren oder einem Annitrieren im Salzbad zu unterziehen. Diese bekannten Verfahren sind jedoch einerseits aufgrund der sehr aggressiven Säuren und Salzbäder nicht für alle Werkstücke geeignet bzw. benötigen säureresistente Anlagen und andererseits ist die Verwendung dieser aggressiven Medien unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes sehr problematisch.

[0004] Aus der DD-PS 296 967 ist weiterhin ein Verfahren zur Vorbehandlung von Eisenwerkstoffoberflächen bekannt, bei dem die durch Nickel- oder Chromoxide passivierten Oberflächen durch eine Mischung von Derivaten des Melamins sowie Carbonaten und/oder Hydrocarbonaten aktiviert werden. Auch dieses bekannte Verfahren ist unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes problematisch und erfordert eine kontrollierte und aufwendige Entsorgung der Abfallstoffe.

[0005] Der Erfindung liegt In Anbetracht des voranstehend geschilderten Standes der Technik die Aufgabe zugrunde, unter Meidung der genannten Nachteile ein Verfahren der eingangs beschriebenen Art derart zu verbessern, daß Nitrierschichten bzw. Nitrocarburierschichten vergrößerter Schichtstärke bei im übrigen gleichen Nitrier- oder Nitrocarburierbedingungen erzielt werden, die eine hohe Gleichmäßigkeit aufweisen.

[0006] Die Aufgabe ist erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß die Werkstücke vor dem Nitrieren bzw. Nitrocarburieren im aufgeheizten Ofen unter Zugabe eines spaltbaren Kohlenstoff-Trägers, insbesondere eines Alkohols, einer Voraufkohlung als Vorbehandlung unterzogen werden.

[0007] Durch die in dem Ofen herrschende Prozeßtemperatur wird der in die Ofenatmosphäre eingegebene Kohlenstoff-Träger unter Bildung von Zwischenprodukt-Radikalen gespalten, welche die aus Chrom- und Nickeloxiden bestehende, die Nitrierung bzw. Nitrocarburierung hemmende Passivschicht der Werkstücke überraschenderweise depassivieren und damit die Werkstückoberfläche für die anschließende Nitrierung bzw. Nitrocarburierung optimal vorbereiten. Vorzugsweise sollte bei der Verwendung von Alkoholen als Kohlenstoff-Träger die Voraufkohlung bei der Nitier- bzw. Nitrocarburiertemperatur, insbesondere bei Temperaturen zwischen 500° C und 600° C durchgeführt werden, weil einerseits bei diesen Temperaturen die Alkohole nur langsam und unvollständig unter verstärkter Bildung der Zwischenprodukt-Radikale gespalten werden und andererseits der Ofen für die nachfolgende Nitrierung bzw. Nitrocarburierung nicht wieder abgekühlt oder konditioniert werden muß. Als besonders vorteilhaft hat sich die Verwendung von Methanol als Kohlenstoff-Träger im Rahmen der Entwicklung der erfindungsgemäßen Lehre herausgestellt, wobei das Verhältnis von Methanol und stickstoffhaltigem Gas in der Voraufkohlungs-Atmosphäre etwa 1:1 vorteilhafterweise beträgt. So bieten sich die Verwendungen von Gasgemischen für die Voraufkohlung von 50% NH3 und 50 % Methanol bei der Voraufkohlung, vorzugsweise bei Temperaturen von etwa 570° C an.

[0008] Um zum einen die Dauer der Behandlung der metallischen Werkstücke durch den zusätzlichen Verfahrensschritt der Voraufkohlung so kurz wie möglich zu halten, und zum anderen den gesamten Temperaturbereich bis zur Erreichung der Prozeßtemperatur für die Spaltung des Kohlenstoff-Trägers ausnutzen zu können, kann der Kohlenstoff-Träger schon während der Aufheizphase des Ofens in die Ofenatmosphäre eingegeben werden. Die Dauer der Voraufkohlung beträgt hiervon abhängig zwischen 10 Minuten und 70 Minuten, vorzugsweise zwischen 30 Minuten und 60 Minuten. Dabei ist es zweckmäßig, daß der Kohlenstoff-Träger im Zyklus der Nitrierung oder der Nitrocarburierung - und nicht in einem getrennten Vorgang - der Ofenatmosphäre zugegeben wird, wobei die für die Voraufkohlung notwendige Ofenatmosphäre nach dem Voraufkohlen möglichst schnell, zum Beispiel durch Öffnen der Ofentür, aus dem Ofen ohne Zyklusunterbrechung entfernt wird. Ein solcher schlagartiger Wechsel der Ofenatmosphäre von der Voraufkohlung hin zur nachfolgenden Nitrierung bzw. Nitrocarburierung ist vorteilhaft, damit die bei der Voraufkohlung entstehenden Spaltprodukte des Kohlenstoff-Trägers die für die Nitrierung bzw. Nitrocarburierung notwendige Spaltung des Ammoniaks nicht behindern bzw. verzögern können.

[0009] Vorzugsweise findet das erfindungsgemäße Verfahren Anwendung an hochlegierten Stählen mit großer Neigung zur Oberflächenpassivierung, wie Werkstücken aus 42CrMo4 oder X40CrMoV51, wobei jedoch die Anwendung an niedrig legierten Stählen, wie C15 nicht ausgeschlossen werden soll, da auch dort vorteilhafte Wirkungen mit der Lehre der Erfindung erzielt werden.

[0010] Das erfindungsgemäße Verfahren wird nachfolgend an einem Ausführungsbeispiel näher erläutert:

[0011] Die zu behandelnden metallischen Werkstücke werden in einen Wärmebehandlungsofen eingebracht und dieser anschließend auf die notwendige Prozeßtemperatur für die Nitrierung bzw. Nitrocarburierung aufgeheizt. Während der Endphase der Aufheizung wird der spaltbare Kohlenstoff-Träger in die Ofenatmosphäre eingegeben. Infolge der im Ofen herrschenden Temperatur wird der Kohlenstoff-Träger unter Bildung von Zwischenprodukt-Radikalen gespalten. Diese Spaltprodukte aktivieren die aus Oxiden, insbesondere Chrom- und/oder Nickeloxiden bestehende Passivschicht der metallischen Werkstücke. Die gesamte Wirkung dieser durch die Zugabe des spaltbaren Kohlenstoff-Trägers geschaffenen Ofenatmosphäre besteht einerseits in der Depassivierung der Werkstückoberflächen und andererseits in einer sehr starken und kurzzeitigen Aufkohlungswirkung durch den gespaltenen Kohlenstoff-Träger. Diese kurzzeitige Aufkohlung ist mit einer nur geringen übertragenen Kohlenstoff-Menge verbunden, die zwar für die Aufkohlungshärtung nicht ausreichend ist, jedoch bewirkt, daß bei der nachfolgenden Nitrierung bzw. Nitrocarburierung der infolge der Ammoniak-Spaltung erhaltene Stickstoff der Nitrier- oder Nitrocarburier-Atmosphäre gleichmäßig und schnell unter Bildung der gewünschten Randschichten von der Werkstückoberfläche aufgenommen wird. Nach der vorzugsweise 30 bis 60 Minuten dauernden Voraufkohlung wird durch Öffnen der Ofentür oder durch Spülen mit zum Beispiel N2 - vorzugsweise bei gleichbleibender Temperatur - die Voraufkohlungs-Atmosphäre aus Methan und Methan-Spaltprodukten entfernt und durch die Nitrier- oder Nitrocarburier-Atmosphäre ersetzt. Es wird alsdann die Nitrierung bzw. Nitrocarburierung in an sich bekannter Weise durchgeführt.

Beispiele:



[0012] 
  Voraufkohlung in Methanol + Ammoniak Nitrocarburieren Dicke der Verbindungsschicht (µm) Diffusionsschicht (µm)
Behandl. Nummer T (min) T (°C) T(h) T(°C) Gasmischung C15 42CrMo4 X40Cr MoV51 X90Cr MoV18
1 --- --- 6 570 50% NH3 + 50% Endogas 9-15 6-8 4-6 0-40
2 60 570 5 570 50% NH3 + 50% Endogas 18-25 7-9 5-7 60-70
3 30 580 6 580 50% NH3 + 5% CO2 (Rest N2) 12-18 22-28 9-12 75-85


[0013] Die Beispiele zeigen auf, daß mit einer Voraufkohlung in einer Atmosphäre von 50% Methanol + 50 % Ammoniak über Behandlungszeiten von 60 Minuten bzw. 30 Minuten sowie bei Behandlungstemperaturen von 570° C bzw. 580° C und einem anschließend durchgeführten Nitrocarburieren unter an sich bekannten Bedingungen eine wesentliche Diffusionsschicht-Verstärkung erzielt wird, wobei anzumerken ist, daß eine absolut gleichmäßige Schichtausbildung ohne Weichfleckigkeit gegeben ist.


Ansprüche

1. Verfahren zum Nitrieren oder Nitrocarburieren von Werkstücken aus legierten Stählen, insbesondere korrosionsbeständigen Stählen mit größer 13 Gew.% Chrom, in einer gasförmigen vorzugsweise ammoniakhaltigen Nitrier- bzw. Nitrocarburieratmosphäre, bei dem die Werkstücke zuvor einer Vorbehandlung unterworfen werden,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Werkstücke vor dem Nitrieren bzw. Nitrocarburieren im aufgeheizten Ofen unter Zugabe eines spaltbaren Kohlenstoff-Trägers, insbesondere eines Alkohols einer Voraufkohlung als Vorbehandlung unterzogen werden.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Voraufkohlung bei Nitrier- bzw. Nitrocarburiertemperatur, insbesondere bei Temperaturen zwischen 500° C und 600° C durchgeführt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß Methanol als Kohlenstoff-Träger verwendet wird.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß das Verhältnis von Methanol und stickstoffhaltigem Gas in der Voraufkohlungs-Atmosphäre etwa 1:1 beträgt, wobei die stickstoffhaltige Atmosphäre vorzugsweise aus Ammoniak besteht.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Voraufkohlung bei Temperaturen von etwa 570 bis 580° C durchgeführt wird.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Kohlenstoff-Träger während der Aufheizphase des Ofens in die Ofenatmosphäre gegeben wird.
 
7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß der Kohlenstoff-Träger im Zyklus der Nitrierung oder Nitrocarburierung - und nicht in einem getrennten Vorgang - der Ofenatmosphäre zugegeben wird, wobei die für die Voraufkohlung notwendige Ofenatmosphäre nach dem Voraufkohlen möglichst schnell, zum Beispiel durch Öffnen der Ofentür, aus dem Ofen ohne Zyklusunterbrechung entfernt wird.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Dauer der Voraufkohlung zwischen 10 Minuten und 70 Minuten, vorzugsweise zwischen 30 Minuten und 60 Minuten beträgt.
 
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß es an hochlegierten Stählen mit großer Neigung zur Oberflächenpassivierung, wie Werkstücken aus 42CrMo4 oder X40CrMoV51 angewendet wird.
 





Recherchenbericht