[0001] Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zur Überwachung der Chlor-Alkali-Elektrolyse
nach dem Amalgamverfahren.
[0002] Das Amalgamverfahren der Chlor-Alkali-Elektrolyse ist durch den Einsatz von Quecksilber
als Katode spezifiziert. Quecksilber wird über einen Motor, verbunden z.B. mit einer
Schöpfbecher- oder Kreiselpumpe, in den Kopf der Elektrolysezelle gefördert, durchläuft
die Zelle, bedeckt den Zellenboden vollständig, und gelangt nach dem Zersetzer wiederum
über die Pumpe an den Zellenanfang.
[0003] Bei Ausfall des Motors kommt es zu einem Abriß des Quecksilber- bzw. Katodenfilms.
Dieser Abriß führt dazu, daß der Zellenboden (in der Regel Stahl) in die Elektrolysereaktion
einbezogen wird. Das veränderte Katodenmaterial führt bei den anliegenden Potentialen
zu einer starken Wasserstoffbildung, welche vorher durch die hohe Wasserstoffüberspannung
des Quecksilbers verhindert wurde.
[0004] Eine Vermischung mit Chlor zu Chlorknallgas in der Zelle kann in kürzester Zeit zu
einer Explosion im Zellenraum bzw. in den Chlorabgangsleitungen führen, falls keine
geeigneten Gegenmaßnahmen (N
2-Beschleierung, Abfahren der Zelle) getroffen werden.
[0005] Neben dem Ausfall des Motors kann ein Abriß des Quecksilberfilms auch auf andere
Ursachen zurückgeführt werden. Ein mechanischer Ausfall der Pumpe führt trotz fünktionstüchtigem
Motor zu einem Katodendefekt und somit zu einer starken Wasserstoffentwicklung.
[0006] Ein weiterer Grund für einen Filmdefekt liegt in der Verschmutzung des Quecksilbers
mit sogenannter Quecksilber- bzw. Chlorbutter, die zwangsläufig beim Amalgamverfahren
auftritt. Diese Verunreinigungen können zu einer ungleichmäßigen Verteilung des Quecksilbers
am Einlaß der Zellen führen, was zwangsläufig einen Defekt im Quecksilberfilm nach
sich zieht.
[0007] Eine vierte Ursache für einen zumindest partiellen Katodendefekt kann die Ablagerung
von Verunreinigungen (sogenannte Quecksilber- bzw. Chlorbutter) am Zellenboden sein,
die zu Inselbildungen und nachfolgend zu unbedeckten Katodenoberflächen führt.
[0008] Bekannt ist die Überprüfung der Ströme einzelner Anodenplatten oder Anodengruppen
zwecks Kurzschlußüberwachung, wobei anhand eines deutlich gestiegenen Teilstromflusses
ein Kontakt zwischen Quecksilberfilm und Anode detektiert wird. Realisiert werden
kann diese Art der Überwachung durch Strommessungen an Anodenabschnitten (Olin, US-A
4 004 989; Akzo, Anode Current Control by Computer ACCS-System, 1972; A.I. Vasilev
et al., SU-A 1 024 528), durch Nebenschlußmessungen an den Stromschienenzuführungen
(Bayer, DE-B 17 67 840; Hoechst, DE-A 32 44 033). Eine Kurzschlußüberwachung ist ebenfalls
möglich durch einen Vergleich der Anoden-Katoden-Spannungen verschiedener Zellsektionen
(Montedison, EP-A 0 093 452) oder durch Verfolgung der Elektrolytleitfähigkeit zwischen
den Elektroden (Solvay & Cie., EP-A 0 085 999). Eine weitere Schrift (DE-A 21 46 261)
beschreibt die Nutzung eines künstlich erzeugten Magnetfeldes, was dem durch die Anodenströme
induzierten Magnetfeld überlagert ist. Eine Änderung des Gesamtmagnetfeldes zeigt
einen möglichen Kurzschluß zwischen einzelnen Anodenplatten und der Katode an. Ziel
der beschriebenen Überwachungssysteme ist die Vermeidung von direkten Kontaktierungen
zwischen Katode und Anode bzw. einzelnen Anodensektionen durch Vergrößerung des Elektrodenabstandes.
Ein Katodenabriß wird damit nicht detektiert.
[0009] Weiter ist auch eine Überwachung der Leistungsaufnahme bzw. Drehzahl des Motors für
die Quecksilberpumpe und einer damit verbundenen Alarmierung bei Ausfall des Motors
sowie die direkte Überwachung des Quecksilberflusses außerhalb des Zellenraumes bekannt.
Der Ausfall der Pumpe wird jedoch mit einer Motoren- und/oder Drehzahlüberwachung
evtl. nicht erkannt. Durch Verunreinigungen im Quecksilber hervorgerufene Verstopfüngen
können ebenfalls zum Abriß des Quecksilberfilms führen und werden mit den beschriebenen
Überwachungsmethoden nicht erkannt.
[0010] Die Nachteile des Standes der Technik konnten durch das Verfahren gemäß der Ansprüche
überwunden werden. Es wurde überraschend gefunden, daß über die relative Änderung
der Stromstärken durch einzelne Anodenplatten bei konstantem Gesamtstrom die Veränderungen
der Katodenoberfläche durch einen Filmriß zu detektieren ist. Im Falle eines Katodenabrisses
sinkt die Stromstärke zeitlich begrenzt meßbar ab in Gebieten, in denen die Katode
nun durch den Katodenboden charakterisiert ist. Die erniedrigte Teilstromstärke ist
die Folge des erhöhten Widerstandes auf Grund des vergrößerten Abstandes zwischen
Anode und Katode und der veränderten elektrochemischen Eigenschaften der Katode. Diese
relative Stromstärkeverringerung wandert lokal von Zellenanfang zu Zellenende.
[0011] Bei Inselbildung und der damit bedingten Freilegung des Zellenbodens hinter der Ablagerung
wird ebenfalls eine Detektion über das Absinken der Stromstärken der jeweiligen und
folgenden Anodenpakete möglich.
[0012] Die Erfassung der Störung geschieht in der Weise, daß die Einzelstromstärken an den
Anodenplatten der Elektrolysezelle überwacht werden. Eine lokal fortlaufende Veränderung
des Parameters führt zur Auslösung eines Alarms. Entscheidend für die Auslösung eines
Alarms ist die verzögerte Erniedrigung der Einzelstromstärken, die auf die Fließgeschwindigkeit
des Quecksilbers zurückzuführen ist.
[0013] Die Teilstromstärken einer Zelle werden durch fast scanning ständig mit den erhaltenen
Werten des vorhergehenden Scanprozesses verglichen. Tritt eine Erniedrigung einer
Teilstromstärke von z. B. 5 % auf und ist die Teilstromstärke des nachfolgenden Meßpunktes
erst mit einer Verzögerung z. B. größer 5 sec. um 5 % oder größer 3 sec. um 3 % abgesunken,
wird ein Signal gegeben.
[0014] Durch die Beachtung des Verzögerungsfaktors, der natürlich abhängig vom Abstand der
Meßpunkte und somit von der Zellengeometrie ist, wird ausgeschlossen, daß eine Störung
z.B. bei einem betrieblich bedingten Absenken der Gesamtstromstärke detektiert wird.
Der Verzögerungsfaktor berechnet sich aus dem Verhältnis des Abstandes der Meßpunkte
zur Fließgeschwindigkeit des Quecksilbers in der Zelle. Die zu Grunde gelegte relative
Erniedrigung der Teilstromstärke sollte so gewählt werden, daß Änderungen die bei
Normalbetrieb auftreten (z. B. Änderung der Fahrweise, Änderung der Teilstromstärken
von Anodenpaketen durch automatische Anpassung an vorgegebene Werte; k-Wert-Regelung)
nicht erfaßt werden.
[0015] Die Umsetzung der Überwachung ist wie folgt geregelt: An den vorhandenen Meßpunkten
einer Anzahl von Zellen, die bereits für die Überprüfung des Anoden-Katoden-Abstandes
zum Zwecke der Kurzschlußvermeidung genutzt werden, wird ständig der Stromfluß computer
gestützt aufgenommen und mit den Meßwerten des vorhergehenden scan-Zyklus verglichen.
Bei Verringerung einer Teilstromstärke um z. B. 5 % vom Mittelwert der letzten Messungen
an diesem Punkt wird nur noch diese und die am nachfolgenden Meßpunkt erfaßte Teilstromstärke
überwacht. Kommt es zu einer verzögerten Erniedrigung der Teilstromstärke des nachfolgenden
Meßpunktes wird eine Störung detektiert. Liegt kein Verzögerungsfaktor zwischen dem
Absinken der ersten und der zweiten Teilstromstärke vor, wird kein Alarm gegeben.
Die z. B. betriebsbedingte Verringerung der Gesamtstromstärke der Elektrolyse wird
somit nicht detektiert.
[0016] Der Vorteil dieses Verfahrens im Vergleich mit einer Überwachung der Motoren der
Hg-Pumpen liegt im wesentlichen in folgenden Punkten:
1. Der Ausfall der Pumpen wird mit einer Motoren- und/oder Drehzahlüberwachung eventuell
nicht erkannt.
2. Durch Verschmutzungen des Hg-Filmes in der Form von festen Bestandteilen im Film
(sogenannte Quecksilber- oder Chlorbutter) kann es zu einer "Inselbildung'' kommen,
die wiederum zu Bereichen führt, die nicht mehr durch Hg abgedeckt werden. Ist diese
Fläche genügend groß, wird die Störung ebenfalls angezeigt.
3. Durch Chlorbutter oder andere Verschmutzungen im Quecksilber hervorgerufene Verstopfungen
am Hg-Zufluß der Zellen können über eine Motoren- und/oder Drehzahlüberwachung nicht
erkannt werden. Andererseits führt dieser Effekt auch zu einem Abriß des Quecksilberfilms
und ist somit mit dem neuen Verfahren nachweisbar.
4. Der technische Aufwand ist insbesondere dann geringer, wenn auf eine bereits vorhandene
Kurzschlußüberwachung durch Einzelstrommessungen zurückgegriffen werden kann.
Beispiel:
[0017] Einer Amalgamzelle mit einer 12 m
2 großen Katodenfläche wird der Strom, über 14 Anodenschienen gleichmäßig verteilt,
zugeführt. Die Gesamtstromstärke liegt bei 85 kA. Die Stromstärke zu jedem Anodenpaket
wird durch Messung des Spannungsabfalls über einen Abschnitt der Stromschienen erfaßt
und an einen Rechner weitergegeben (scanning).
Der Katodenabriß wird durch plötzliches Anhalten der Hg-Pumpe herbeigeführt. Die Veränderung
der Stromverteilung der ersten Anodenpakete ist in Abb. 1 dargestellt. Der prozentuale
Abfall der Stromstärke der beiden ersten Anodenpakete wird zur Detektion des Katodenabrisses
verwendet.
Charakteristisch für das Verhalten der Stromstärke hintereinanderliegender Anodenpakete
nach einem Katodenabriß ist die zeitlich verzögerte Erniedrigung des Parameters.
1. Verfahren zur Überwachung der Chlor-Alkali-Elektrolyse nach dem Amalgamverfahren,
dadurch gekennzeichnet,
daß in den Elektrolysezellen über die relative Änderung der Stromstärken an einzelnen
Anodenplatten bei konstantem Gesamtstrom die Veränderungen der Katodenoberfläche,
verursacht durch einen Defekt des Quecksilberfilmes, detektiert werden und bei einer
verzögerten Erniedrigung der Einzelstromstärken ein Signal gegeben wird.
2. Verfahren gemäß Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Einzelstromstärken an den Anodenplatten der Elektrolysezelle ständig mit den
Werten des vorhergehenden Scanprozesses verglichen werden.
3. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß bei einer Erniedrigung der Teilstromstärke von mehr als 3% mit einer Verzögening
von mehr als 3 sec. ein Signal gegeben wird.