(19)
(11) EP 0 959 161 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
24.11.1999  Patentblatt  1999/47

(21) Anmeldenummer: 99108128.2

(22) Anmeldetag:  24.04.1999
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6D04B 1/22
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 19.05.1998 DE 19822321

(71) Anmelder: H. Stoll GmbH & Co.
D-72760 Reutlingen (DE)

(72) Erfinder:
  • Stoll,Thomas
    72762 Reutlingen (DE)
  • Hermann, Jürgen
    72138 Kirchentellinsfurt (DE)
  • Fries, Horst
    72762 Reutlingen (DE)
  • Schindler,Frank
    72764 Reutlingen (DE)

(74) Vertreter: Möbus, Daniela, Dr.-Ing. 
Patentanwälte Dipl.-Ing. Rudolf Möbus, Dr.-Ing. Daniela Möbus, Dipl.-Ing. Gerhard Schwan, Hindenburgstrasse 65
72762 Reutlingen
72762 Reutlingen (DE)

   


(54) Verfahren zur Herstellung eines Gestrickstücks auf einer Strickmaschine


(57) Ein Verfahren zur Herstellung eines Gestrickstücks auf einer Strickmaschine, bei dem der tatsächliche Strickfadenverbrauch pro Maschenreihe gemessen und mit vorher ermittelten Sollwerten verglichen wird und bei Abweichung der beiden Werte voneinander die Maschengröße während des Strickvorgangs entsprechend verändert wird.


Beschreibung


[0001] Soll ein Modell eines Gestrickstücks in Serie gefertigt werden, so ist es wichtig, dass alle Exemplare der Serie möglichst identisch sind. Dies wird einmal dadurch erreicht, dass alle Exemplare nach dem gleichen Musterprogramm auf der Maschine gestrickt werden. Ein weiteres Kriterium ist jedoch auch, dass für jedes Exemplar die gleiche Strickfadenlänge pro Maschenreihe verbraucht wird. Es ist daher in der EP 0 652 317 ein Verfahren vorgeschlagen worden, bei dem die Strickfadenlänge für ein Gestrickstück dadurch ermittelt wird, dass auf der Strickmaschine zunächst Mustergestrickstücke erstellt werden, bei denen die Strickparameter solange verändert werden, bis ein Gestrickstück optimaler Form, Struktur und Aussehen entsteht. Dieses Gestrickstück wird dann als Referenzexemplar für die nachfolgende Serienproduktion verwendet. Von diesem Referenzexemplar werden die Maschengrößen, die Anzahl der Maschen in einer Maschenreihe sowie die Länge des oder der verstrickten Strickfäden pro Maschenreihe abgespeichert. Bei der Produktion der nachfolgenden Serienexemplare wird die verbrauchte Strickfadenlänge in jeder Maschenreihe mit dem Wert der Strickfadenlänge der entsprechenden Maschenreihe des Referenzexemplars verglichen. Sollten sich dabei Abweichungen zwischen dem gemessenen Strickfadenverbrauch und dem Referenzwert ergeben, so wird die Maschengröße des gerade gefertigten Gestrickstücks so verändert, dass der Referenzwert für den Strickfadenverbrauch wieder erreicht wird. Dieses bekannte Verfahren ist jedoch sehr aufwendig, weil erst mehrere Exemplare des Gestrickstücks gestrickt werden müssen, bevor Referenzwerte für den Strickfadenverbrauch vorliegen. Bei Kleidungsstücken ist dieser Nachteil besonders gravierend, da Kleidungsstücke ja immer in mehreren Größen angeboten werden und für jede Größe erst durch Stricken von Testmodellen ein Referenzexemplar ermittelt werden muss.

[0002] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren vorzuschlagen, mit dem die Herstellung von Gestrickstücken gleichen Strickfadenverbrauchs unter Vermeidung der oben genannten Nachteile möglich ist.

[0003] Die Aufgabe wird mit einem Verfahren zur Herstellung eines Gestrickstücks auf einer Strickmaschine gelöst, das gekennzeichnet ist durch die Schritte:
  • Entwurf der Form, Größe und Musterung des zu fertigenden Gestrickstücks mit Hilfe eines Computerprogramms,
  • Ermittlung der Maschen- und/oder Fanghenkelzahl, der Maschen- und/oder Fanghenkelgröße sowie des Verlaufs des oder der Strickfäden von einer Nadel zur nächsten in Abhängigkeit der Parameter der Strickmaschine für jede Maschenreihe des entworfenen Gestrickstücks,
  • Ermittlung der benötigten Länge des oder der Strickfäden für jede Maschenreihe des Gestrickstücks,
  • Stricken eines Gestrickstücks entsprechend der Entwurfsvorgaben und Messung der tatsächlich verbrauchten Strickfadenlänge oder -längen während des Strickvorgangs des Gestrickstücks in jeder Maschenreihe;
  • Vergleich der gemessenen Strickfadenlänge oder -längen mit den vorab ermittelten Sollwerten,
  • Veränderung der Maschen- und/oder Fanghenkelgröße während des Strickvorgangs, falls die Messwerte und die Sollwerte der Strickfadenlängen voneinander abweichen.


[0004] Beim erfindungsgemäßen Verfahren kann also auf das Stricken von Testmustern vollständig verzichtet werden. Alle relevanten Größen einschließlich der Strickfadenlängen pro Maschenreihe werden beim Entwurf des Gestrickstücks mit Hilfe eines Computers ermittelt. Die hierzu verwendeten Musterentwurfsprogramme können auf einem Farbmonitor die Musterung und Formgebung des Gestrickstücks sehr exakt darstellen. Die Programme werden außerdem mit sämtlichen Daten der Strickmaschine wie Nadelstärken, Nadelteilung, Kammspaltbreite und dergleichen versorgt. Außerdem werden dem Programm entsprechende Daten über die verwendeten Strickfäden zugeführt. Damit sind die Programme in der Lage, nicht nur das Aussehen des fertigen Gestrickstücks genau darzustellen, sondern auch die Maschinenlaufzeit für die Produktion des Gestricks und die Länge der verarbeiteten Strickfäden zu ermitteln.

[0005] Zur Ermittlung der Strickfadenlänge einer Maschenreihe sind mehrere Verfahren möglich. So können zur Ermittlung der benötigten Länge des oder der Strickfäden für jede Maschenreihe des Gestrickstücks der oder die Strickfadenverläufe in Einzelelemente wie Maschen- und/oder Fanghenkelschleifen, Maschenfüße, Verbindung der Maschenfüße zweier aufeinander folgender Maschen zerlegt und die Fadenlängen der Einzelelemente in Abhängigkeit vom Nadelabstand, von der Kammspaltbreite der Maschine, von der Nadelstärke, der Maschengröße und der Strickfadendicke aus Tabellen entnommen und zur Gesamtfadenlänge einer Maschenreihe aufaddiert werden. Die Tabellenwerte können dabei durch empirische Ermittlung an vergleichbaren Gestrickstücken gewonnen werden.

[0006] Eine andere Möglichkeit zur Ermittlung der benötigten Länge des oder der Strickfäden für jede Maschenreihe des Gestrickstücks besteht darin, der oder die Strickfadenverläufe abschnittsweise durch einfache geometrische Figuren anzunähern und die berechneten Längen der einzelnen Figuren zu den Sollwerten für die Gesamtfadenlängen der Maschenreihe aufzuaddieren. Als geometrische Figuren kommen dabei beispielsweise Kreisbogenabschnitte und Geradenabschnitte in Frage.

[0007] Nachfolgend wird anhand der Zeichnung eine Möglichkeit der Bestimmung der Strickfadenlänge näher beschrieben.

[0008] Es zeigen:
Fig. 1
eine schematische Darstellung eines in Einzelelemente zerlegten Strickfadenverlaufs eines einbettigen Gestricks;
Fig. 2
eine schematische Darstellung eines in Einzelelemente zerlegten Strickfadenverlaufs eines doppelbettigen Gestricks;
Fig. 3
eine schematische Darstellung eines in Einzelelemente zerlegten Strickfadenverlaufs eines doppelbettigen 1:1-Gestricks;
Fig. 4
eine schematische Darstellung eines in Einzelelemente zerlegten Strickfadenverlaufs eines Gestricke mit ein- und doppelbettigen Sektoren.


[0009] Fig. 1 zeigt den Verlauf eines Strickfaden 10 eines einflächigen Gestricke. Dabei strickt jede Nadel 11 eines Nadelbetts einer Flachstrickmaschine, wobei die Nadeln 11 einen gegenseitigen Abstand a aufweisen. Zur Bestimmung der Länge des Strickfadens 10 in einer Maschenreihe des Gestricke kann der Strickfadenverlauf wie folgt in Einzelelemente 1 und 2 aufgeteilt werden: Das Element 1 ist eine Maschenschleife, die sich aus einem Maschenkopf 1a und zwei Maschenschenkeln 1b zusammensetzt. Die Maschenschleife wird durch einen Maschenkopf 5 der zuvor gestrickten Masche abgeschlossen. Die Fadenlänge dieses Elements 1 wird durch die Dicke des Kopfes der Nadel 11 sowie durch die Länge der beiden Maschenschenkel 1a, 1b, die von der Nadelsenkerposition abhängt, bestimmt. Werden statt Maschen Fanghenkel gebildet, so wird der Wert für die Strickfadenlänge einer entsprechenden Maschenschleife mit einem Faktor multipliziert, der die etwas geringere Fadenlänge eines Fanghenkels gegenüber einer Masche berücksichtigt. Die Elemente 2 des Strickfadenverlaufs aus Fig. 1 sind Maschenfüße, die aus einem Fußteil 2a nach links und einem Fußteil 2b nach rechts bestehen. Da die Ausrichtung der Fußteile 2a und 2b je nach Bindungsart entweder in Nadelbettebenen oder winklig dazu angeordnet sind, für ein- und zweibettige Gestricke jedoch dieselben Elemente 2 verwendet werden sollen, wird das Element 2 wie folgt festgelegt:

[0010] Um den Kreuzungspunkt zwischen dem Abschlaggrund A und der Mittelebene M der Nadel 11 wird ein Kreisbogen mit dem Radius R, der dem halben Nadelabstand a entspricht, geschlagen. Die Strickfadenlänge innerhalb dieses Kreisbogens gehört zum Maschenfußelement 2, unabhängig davon, in welcher Richtung die Fußteile 2a und 2b ausgerichtet sind. Die Länge des Strickfadens des Elements 2 entspricht damit ungefähr dem Nadelabstand oder der Nadelteilung a. Wird ein Strickfaden über mehrere Nadeln geflottet, so wird für jede Nadel, an der der Faden vorbeigeführt wird, die Strickfadenlänge gleich dem Wert des Elements 2 gewählt. Die Strickfadenlänge des Gestricks aus Fig. 1 kann allein durch Addieren der Fadenlängen der Elemente 1 und 2 gewonnen werden. Liegt jedoch ein zweibettiges Gestrick vor, wie ein Rechts-Rechts-Gestrick mit dem in Fig. 2 gezeigten Fadenverlauf, so muss neben den Längen der Elemente 1 und 2 auch die Länge von Elementen 3 und 4 berücksichtigt werden, die die Fadenverbindung zwischen den Elementen 2 zweier benachbarter, auf unterschiedlichen Nadelbetten angeordneter Maschen betreffen. Die Fadenlänge der Elemente 3 und 4 aus Fig. 2 ist identisch und wird durch die Nadeleinteilung sowie die Kammspaltbreite der Maschine bestimmt. Bei einem 1:1-Gestrick gemäß Fig. 3, zu dessen Herstellung nur jede zweite Nadel 11 eines Nadelbetts strickt, weisen die entsprechenden Elemente 3' und 4' daher eine größere Länge auf, als die Elemente 3 und 4 des Gestricks aus Fig. 2. Beim Gestrick in Fig. 3 ist auch zu berücksichtigen, dass sich eines der beiden Nadelbetten nicht in Grundposition befindet, sondern um eine halbe Nadelteilung a gegenüber der Grundposition versetzt worden ist, sodass sich die Nadeln der beiden Nadelbetten gegenüberstehen. In den Fig. 2 und 4 befinden sich beide Nadelbetten in Grundstellung.

[0011] Ein ganz allgemeines Beispiel eines Strickfadenverlaufs für ein sektoral ein- und zweibettiges Gestrick zeigt Fig. 4, bei dem es zu sehr unterschiedlichen Längen der Elemente 3 und 4'' kommt. Doch auch hier wird die gesamte Strickfadenlänge durch Aufaddieren der Längen der Elemente 1, 2, 3, 4 und 4'' gebildet. Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Strickfadenstärken kann die Gesamtlänge noch mit einem Faktor multipliziert werden. Der sich insgesamt ergebende Wert ist die theoretisch benötigte Fadenlänge einer Maschenreihe. Wird das Gestrick aus mehreren Strickfäden unterschiedlicher Farbe gebildet, so muss für jeden Strickfaden die benötigte Länge ermittelt werden. Bei einer Bildung des Gestricks aus mehreren dünnen Strickfäden wird die Summe der Längen der Einzelelemente mit einem Faktor multipliziert, der die Dicke des einzelnen Strickfadens und die Anzahl der Fäden berücksichtigt. Die solchermaßen bestimmte Strickfadenlänge einer Maschenreihe des Gestricks wird während des Strickvorgangs mit dem tatsächlich benötigten Strickfadenverbrauch verglichen. Bei einer Abweichung des gemessenen Wertes vom ermittelten Wert wird die Maschengröße des Gestrickstücks durch eine entsprechende Ansteuerung der zugehörigen Schlossteile so verändert, dass der gemessene Wert wieder mit dem ermittelten Wert übereinstimmt.


Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung eines Gestrickstücks auf einer Strickmaschine, gekennzeichnet durch die Schritte:

- Entwurf der Form, Größe und Musterung des zu fertigenden Gestrickstücks mit Hilfe eines Computerprogramms,

- Ermittlung der Maschen- und/oder Fanghenkelzahl, der Maschen- und/oder Fanghenkelgröße sowie des Verlaufs des oder der Strickfäden (10) von einer Nadel (11) zur nächsten in Abhängigkeit der Parameter der Strickmaschine für jede Maschenreihe des entworfenen Gestrickstücks,

- Ermittlung der benötigten Länge des oder der Strickfäden (10) für jede Maschenreihe des Gestrickstücks,

- Stricken eines Gestrickstücks entsprechend der Entwurfsvorgaben und Messung der tatsächlich verbrauchten Strickfadenlänge oder -längen während des Strickvorgangs des Gestrickstücks in jeder Maschenreihe;

- Vergleich der gemessenen Strickfadenlänge oder -längen mit den vorab ermittelten Sollwerten,

- Veränderung der Maschen- und/oder Fanghenkelgröße während des Strickvorgangs, falls die Messwerte und die Sollwerte der Strickfadenlängen voneinander abweichen.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zur Ermittlung der benötigten Länge des oder der Strickfäden (10) für jede Maschenreihe des Gestrickstücks der oder die Strickfadenverläufe in Einzelelemente (1, 2, 3, 3', 4, 4', 4'') wie Maschen- und/oder Fanghenkelschleifen (1), Maschenfüße (2), Verbindung der Maschenfüße (2) zwei aufeinanderfolgender Maschen zerlegt und die Fadenlängen der Einzelelemente (1, 2, 3, 3', 4, 4', 4'') in Abhängigkeit vom Nadelabstand (a), von der Kammspaltbreite der Maschine, von der Nadelstärke, der Maschengröße und von der Strickfadendicke aus Tabellen entnommen und zur Gesamtfadenlänge einer Maschenreihe aufaddiert werden.
 
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Tabellenwerte durch empirische Ermittlung an vergleichbaren Gestrickstücken gewonnen werden.
 
4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zur Ermittlung der benötigten Länge des oder der Strickfäden (10) für jede Maschenreihe des Gestrickstücks der oder die Strickfadenverläufe abschnittsweise durch einfache geometrische Figuren angenähert und die berechneten Längen der einzelnen Figuren zu den Sollwerten für die Gesamtfadenlängen der Maschenreihe aufaddiert werden.
 




Zeichnung