(19)
(11) EP 0 974 680 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
26.01.2000  Patentblatt  2000/04

(21) Anmeldenummer: 99112333.2

(22) Anmeldetag:  26.06.1999
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7C23C 8/54
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 18.07.1998 DE 19832404

(71) Anmelder: Houghton Durferrit GmbH
68169 Mannheim (DE)

(72) Erfinder:
  • Baudis, Ulrich, Dr.
    63755 Alzenau (DE)
  • Doose, Mandy
    55545 Bad Kreuznach (DE)
  • Prietzel, Karl-Otto, Prof.
    39108 Magdeburg (DE)

(74) Vertreter: Weber, Wolfgang et al
Degussa-Hüls AG Patente - Marken Standort Wolfgang Postfach 1345
63403 Hanau
63403 Hanau (DE)

   


(54) Verfahren zur elektrolytischen Erzeugung von Cyanid in Nitrocarburierschmelzen


(57) Zur Verkürzung der Wartezeiten bis zur Einstellung des Gleichgewichtes zwischen Cyanat und Cyanid und zur Einschränkung der Verwendung cyanidhaltiger Stoffe und Produkte für die Nitrocarburierung in Salzschmelzen werden Schmelzen, die nur Cyanat und gegebenenfalls Carbonat enthalten, mit einer Stromdichte von 4 bis 100 A/dm2-Elektrodenfläche zur Bildung eines vorteilhaften Cyanidgehaltes von 1 bis 5 Gew.% elektrolysiert.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur elektrolytischen Erzeugung von Cyanid in Salzschmelzen welche Cyanat und gegebenenfalls Carbonat enthalten und welche zum Nitrocarburieren von Stahl vorgesehen sind.

[0002] Das Gebrauchsverhalten von Bauteilen wird maßgeblich durch das Verhalten der Bauteiloberfläche bestimmt. Zur Erhöhung des Verschleiß- und Korrosionswiderstandes sowie der Dauerfestigkeit wird seit langem das Nitrieren bzw. Nitrocarburieren von Stahl industriell angewendet. Die Salzbadtechnologie nimmt dabei eine bedeutende Stellung ein. Die Hauptkomponenten dieser Salzbäder sind die Cyanate und Carbonate der Alkalimetalle Kalium und Natrium.

[0003] Es sind bisher einige Patente bekannt, wie z.B. FR 9309706 oder US-Patent 5,518,605, die sich mit der Durchführung von Elektrolysen in Nitriersalzschmelzen beschäftigen. Diese Erfindungen betreffen aber einzig und allein die Verbesserung der nitrocarburierten Oberfläche von Bauteilen. Die Bauteile bzw. Chargen selbst werden dabei anodisch oder kathodisch geschaltet. Weiterhin sind Patente zur Badkontrolle solcher Schmelzen, wie z.B. DE 24 13 643 oder DE 25 29 412, unter Ausnutzung elektrochemischer Potentialmessung mit verschiedensten Elektroden geläufig.

[0004] Ein Verfahren zur gezielten Herstellung von Cyanid durch Elektrolyse aus den Bestandteilen der Nitrocarburierschmelzen ist demgegenüber bislang nicht bekannt. Im Gegenteil, viele Verfahrensvarianten der Salzbadnitrocarburierung zielen aus Umwelt- und Arbeitssicherheitsgründen darauf ab, Cyanide in diesen Schmelzen zu vermeiden. Die Grundlage der vorliegenden Erfindung ist demgegenüber die Erkenntnis, daß zur Erzielung optimaler Gebrauchsfähigkeit (Verschleißminderung, Korrosionsschutz) der nitrierten Bauteile eine gewisse Menge an Cyanid in den Nitrocarburierschmelzen von großem Vorteil ist. Nun ist es seit langem gängige Praxis, Nitrocarburierschmelzen cyanidfrei einzuschmelzen, weil die Produkte auf diese Weise ungefährlich transportiert und gelagert werden können. Die heute üblicherweise benutzten Einschmelzsalze und Nachfüllsalze sind völlig cyanidfrei. Das für eine optimale Nitrierung vorteilhafte Cyanid bildet sich erst im Laufe einiger Tage bei Betriebstemperatur durch allmählichen Zerfall des Cyanats bis zur Einstellung eines Gleichgewichtes gemäß der Reaktion:

        OCN- ⇔ CN- + ½ O2



[0005] Zur Verkürzung der Wartezeiten bis zur Gleichgewichtseinstellung besteht die Möglichkeit, Cyanid in Form von Kalium- und Natriumcyanid nachträglich zuzugeben oder beim Einschmelzen bzw. mit dem Nachfüllsalz einzuschmelzen. Das größte Problem stellen dabei der Transport, die Lagerung und das Handling der cyanidhaltigen Produkten dar. Bisweilen wird auch versucht, durch Zugabe von Eisenspänen oder Einfahren von Schrott mit hoher spezifischer Oberfläche die Gleichgewichtseinstellung Cyanat/Cyanid zu beschleunigen. Alles dies ist jedoch keine befriedigende Lösung für das Problem, in kurzer Zeit ein cyanidfrei eingeschmolzenes Nitrierbad mit einem für optimale Resultate erforderlichen Gehalt an Cyanid anzureichern. Derzeit ist keine alternative Möglichkeit bekannt, Cyanid in ausreichender Menge auf anderem Wege in solchen Schmelzen zu erzeugen.

[0006] Es war daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren zur Erzeugung von Cyanid in Nitrocarburierschmelzen ohne Verwendung cyanidhaltiger Stoffe zu entwickeln, das mit geringem Zeitaufwand durchführbar ist und eine anschließende Nitrocarburierung von Bauteilen nicht beeinträchtigt.

[0007] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß in der cyanathaltigen Nitrocarburierschmelze eine Elektrolyse durchgeführt wird. Als Elektroden können sowohl der eingesetzte Tiegel als auch in das Bad eingeführte Elektrodenbleche aus geeignetem Metall oder Metallegierungen verwendet werden. Als Elektrodenmaterialien sind korrosionsbeständige Werkstoffe wie insbesondere Titan- oder Nickel-Werkstoffe sowie hochchromhaltige Stähle, Tantal oder Graphit vorgesehen Die Elektroden bestehen jeweils aus einem Blech mit angeschweißtem Elektrodenstab des selben Werkstoffes. Die Oberfläche der Bleche braucht nur grob geschliffen zu sein. Eine Feinbearbeitung ist vorteilhaft, aber nicht notwendig. Als Stromquelle wird ein Gleichrichter eingesetzt. Die Nitriersalzschmelze wird mit einer Stromdichte von 4 bis 100 A/dm2 über einen Zeitraum von 1 bis 12 Stunden bei Temperaturen zwischen 450 und 650°C elektrolysiert. Hierbei wird ein Cyanidgehalt von 1 bis 5 Gew.%, vorzugsweise 2 bis 4 Gew.%, erzeugt.

[0008] Zu Beginn wird das Nitrocarburiersalz ohne die Zugabe cyanidischer Salze eingeschmolzen. Nach Einstellung des Cyanatgehaltes auf 36-38 % werden die Elektroden in den Tiegel eingehängt, über Kupferleitungen mit dem Gleichrichter verbunden und der gewünschte Strom eingestellt. Die Kontrolle des Cyanid- und Cyanatgehaltes erfolgt über die üblichen Bestimmungsmethoden.

[0009] Figur 1 zeigt schematisch den verwendeten Versuchsaufbau.

[0010] In einem Tiegel (1) befindet sich die Nitrocarburierschmelze (2). In die Schmelze (2) sind zwei als Elektroden fungierende Bleche (3, 3'), die mit einem angeschweißten Rundstab als Stromzuführungen versehen sind, mittels der Halterungen (4, 4') eingehängt. Über die Rundstäbe wird der Strom zugeführt (5).

[0011] Die folgenden Beispiele sollen das erfindungsgemäße Verfahren näher erläutern:

Beispiel 1:



[0012] Es wurden in einem 18/30-Titantiegel (Durchmesser 18 cm, Tiefe 30 cm) 12 kg Nitrocarburiersalz eingeschmolzen. Gearbeitet wurde bei 580 °C Badtemperatur. Als Elektroden wurden zwei Inconel -Bleche (100x200x2 mm) eingesetzt, welche mittels Kupferleitungen von 5 mm Durchmesser an den Gleichrichter angeschlossen waren. Nach Einstellung des Cyanatgehaltes auf 37,0 ± 0,5 % mit Hilfe eines handelsüblichen Regeneratormittels und der Überprüfung des Anfangscyanidgehaltes (< 0,1 % bzw. nicht nachweisbar) wurde mit der Elektrolyse begonnen. Es wurde ein Strom der Stromstärke 70 A, entsprechend einer Stromdichte von ca. 17 A/dm2, eingestellt. Die Elektrolyse lief über einen Zeitraum von 6,5 Stunden. Die Cyanidbestimmung ergab das für dieses Beispiel in Tabelle 1 aufgeführte Ergebnis.

Beispiel 2:



[0013] Es wurden wiederum in einem 18/30-Titantiegel 12 kg Nitrocarburiersalz eingeschmolzen. Die Badtemperatur betrug ebenfalls 580 °C. Als Elektroden dienten ein Nickelblech der Abmessungen 100x200x2 mm als Anode und der Titantiegel als Kathode. Die Elektroden waren mittels Kupferleitungen von 5 mm Durchmesser an den Gleichrichter angeschlossen. Nach Einstellung des Cyanatgehaltes auf den Sollwert von 37,0 ± 0,5 % mit Hilfe eines Regeneratormittels und der Überprüfung des Anfangscyanidgehaltes (< 0,1 % bzw. nicht nachweisbar) wurde mit der Elektrolyse begonnen. Es wurde ein Strom der Sromstärke 20 A, entsprechend einer Stromdichte von ca. 4,9 A/dm2, bezogen auf die Anode, aufgebracht. Die Elektrolyse lief über einen Zeitraum von 6 Stunden. Die Cyanidbestimmung ergab das in Tabelle 1 aufgeführte Ergebnis.
Tabelle 1
erzeugte Cyanidgehalte für Beispiel 1 und 2
Versuch Erzeugter Cyanidgehalt zu verschiedenen Versuchszeiten in %
  0 h 0,33 h 0,66 h 1,0 h 2,0 h 3,0 h 4,0 h 5,0 h 6,0 h 6,5 h
Beispiel 1                    
Inconel gegen Inconel 0,0 0,3 0,5 0,7 1,3 1,9 2,3 2,7 - 3,2
17,0 A/dm2                    
Beispiel 2                    
Nickel gegen Titantiegel 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,6 0,8 0,9 1,1 -
4,9 A/dm2                    


[0014] Die Werte sind in Figur 2 graphisch dargestellt und zeigen, in welchem Umfang sich in einer Nitrocarburier-Schmelze bei Durchführung einer Elektrolyse, in Abhängigkeit von der verwendeten Stromdichte und der Zeit Cyanid bildet. Die Zeit zur Bildung einer bestimmten Menge Cyanid kann durch Erhöhung der Stromdichte verkürzt werden. Günstig ist die Kombination zweier Inconel Bleche als Anode und Kathode. Typisch ist außerdem, daß das eingesetzte Cyanat in etwa doppelter Geschwindigkeit umgesetzt wird, wie in Figur 3 dargestellt ist. Die Bildung von Cyanid erfolgt also zu Lasten des Cyanats. Für eine anschließende Nitrocarburierung wird auf den üblicherweise geeigneten Cyanatgehalt von 35-38 % regeneriert.

[0015] Im Anschluß an die Elektrolyse durchgeführte Nitrocarburierungen von Bauteilen verschiedener Werkstoffe ergaben, daß die Dicke und der Aufbau der Verbindungsschicht den erwarteten Werten entsprach, die sich ergeben, wenn das Cyanid in Substanz zugegeben worden wäre.


Ansprüche

1. Verfahren zur Erzeugung von Cyanid in Cyanat enthaltenden Nitrocarburierschmelzen,
dadurch gekennzeichnet, daß durch Elektrolyse in der Schmelze Cyanid erzeugt wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Cyanid mit einer Stromdichte im Bereich von 4 bis 100 A/dm2 über einen Zeitraum von 1 bis 12 Stunden erzeugt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß als Elektrodenmaterialien korrosionsbeständige Werkstoffe wie vorzugsweise Titan- oder Nickel-Werkstoffen sowie hoch chromhaltige Stähle, Tantal oder Graphit vorgesehen sind.
 
4. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß als eine der Elektroden der Schmelztiegel fungiert.
 
5. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß bei Temperaturen zwischen 450 und 650 °C gearbeitet wird.
 
6. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß ein Cyanidgehalt von 1 bis 5 Gew.%, vorzugsweise 2 bis 4 Gew.%, erzeugt wird.
 




Zeichnung













Recherchenbericht