(19)
(11) EP 1 013 800 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
28.06.2000  Patentblatt  2000/26

(21) Anmeldenummer: 99123620.9

(22) Anmeldetag:  27.11.1999
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7C25F 1/06, C23G 1/08
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 22.12.1998 AT 212998

(71) Anmelder: Andritz-Patentverwaltungs-Gesellschaft m.b.H.
8045 Graz (AT)

(72) Erfinder:
  • Starcevic, Jovan, Dipl.-Ing., Dr.
    1230 Wien (AT)
  • Gamsriegler, Dietfried
    2700 Wr. Neustadt (AT)

(74) Vertreter: Schweinzer, Friedrich 
Stattegger Strasse 18
8045 Graz
8045 Graz (AT)

   


(54) Verfahren zum Beizen von Edelstahl


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum chemischen und/oder elektrochemischen Beizen von Edelstahl in einer salpetersäurefreien und sauren Flüssigkeit. Sie ist vornehmlich dadurch gekennzeichnet, daß verbrauchte Elektrolytlösung aus elektrochemischen Neutralsalzbeizlinien, bevorzugt Natriumsulfatbeizlinien, zudosiert wird.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum chemischen und/oder elektrochemischen Beizen von Edelstahl in einer salpetersäurefreien und sauren Flüssigkeit.

[0002] Beim Beizen von Edelstahlwarmband muß nach dem Warmwalz- und Glühprozeß das Band vom Zunder befreit werden. Dieser Beizvorgang wird in der Regel in Mischsäure (Flußsäure (= HF) und Salpetersäure (= HNO3)) durchgeführt. Hierbei entstehen jedoch nitrose Gase (NOx), so daß in den letzten Jahren zunehmend "salpetersäurefreie Beizverfahren" entwickelt wurden. Das Prinzip aller dieser Beizverfahren besteht darin, daß die Salpetersäure durch eine andere mineralische Säure (Schwefelsäure, Salzsäure) in welcher das Redoxpotential durch den Anteil der Eisenionen verschiedener Wertigkeit (Fe2+/Fe3+) genau eingestellt ist, substituiert wird. Beim Beizen geht Eisen als zweiwertiges Ion in Lösung und das dreiwertige Eisenion wird entweder durch teilweise Oxidation von Fe2+ oder durch Zugabe von Fe3+ - Salzen hergestellt.

[0003] Es sind Verfahren bekannt, bei denen die Herstellung der dreiwertigen Eisenionen durch Oxidation des Fe2+ mit Wasserstoffperoxid (H2O2) erzeugt werden.

[0004] Bei anderen Verfahren werden Fe3+-Salze (Sulfat-, Chlorid-, Nitrat- oder Fluoridsalze) ins Beizbad zugesetzt.

[0005] Nachdem das gebeizte Warmband durch das Walzen zu dünneren Blechstärken reduziert wurde muß es nochmals geglüht werden. Hierbei entsteht eine dünne Zunderschicht, welche auf eine "schonende Art" entfernt werden muß, ohne dabei die Oberflächenqualität (Glanz) zu zerstören. Weltweit hat sich für das Edelstahlkaltband das elektrochemische Beizverfahren in Natriumsulfatlösungen (Neutralelektrolyt) durchgesetzt. Bei diesem neutralen (pH = 7 bis 4) Beizverfahren entsteht das sehr toxische Chromat (Cr6+). Die verbrauchten Beizbäder werden daher in einer separaten Behandlung entgiftet, d.h. Cr6+ wird zu Cr3+ reduziert, bevor sie neutralisiert und die Metallhydroxide abfiltriert werden können. Die Chromat-Entgiftung ist sehr kostenintensiv. Als Reduktionsmittel werden meistens Na2S205 oder ähnliche Schwefelverbindungen eingesetzt.

[0006] Die Reduktion erfolgt nach folgender Formel:

        4 H2CrO4 + 3 Na2S2O5 + 3 H2SO4 => 2 Cr2(SO4)3 + 3 Na2SO4 + 7 H2O



[0007] Die Reduktion kann auch mit zweiwertigem Eisensulfat FeSO4 durchgeführt werden:

        2 H2CrO4 + 6 FeSO4 + 6 H2SO4 => 2 Cr2(SO4)3 + 3 Fe2(SO4)3 + 8 H2O



[0008] Ziel der Erfindung ist es, die Nachteile beider Verfahren, insbesondere die kostenintensive

Chromatentgiftung", zu vermeiden.

[0009] Die Erfindung ist daher dadurch gekennzeichnet, daß verbrauchte Elektrolytlösung aus elektrochemischen Neutralsalzbeizlinien, bevorzugt Natriumsulfatbeizlinien, zudosiert wird. Damit kann einerseits das Chromat ohne zusätzliche kostenintensive Reduktionsmittel reduziert (

entgiftet") werden und andererseits eine Oxidation des Eisens von Fe2+ zu Fe3+ erreicht werden.

[0010] Eine günstige Weiterbildung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß das Redoxpotential in der Beizflüssigkeit durch die Menge an zugegebener Elektrolytlösung auf einen vorgegebenen Wert eingestellt wird, wobei das Reduktions-Oxidationspotential (Redoxpotential) der Beizflüssigkeit gemessen und die Menge der verbrauchten Elektrolytlösung aus elektrochemischen Natriumsulfatbeizlinien entsprechend zudosiert werden kann. Damit kann in vorteilhafter Weise die Beizwirkung für das Edelstahlband in der sauren Beizflüssigkeit eingestellt werden.

[0011] Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß bei einem Neuansatz der sauren Beizflüssigkeit ein zweiwertiges und ein dreiwertiges Eisensalz, vorzugsweise Eisensulfate, zugesetzt werden. Damit kann in günstiger Weise ein Start für das Verfahren erreicht werden. Eine vorteilhafte Weiterbildung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich zum verbrauchten Elektrolyten ein anderes Oxidationsmittel, vorzugsweise Wasserstoffperoxid, der Beizflüssigkeit zugeführt wird. Sollte die Menge an anfallender verbrauchter Neutralelektrolytmenge nicht ausreichen, um das gewünschte bzw. notwendige Redoxpotential für den Beizvorgang einzustellen, kann so dieses Redoxpotential in einfacher Weise erzielt werden.

[0012] Eine günstige Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß Inhibitoren zugesetzt werden. Auf diese Weise kann der Korrosionsangriff auf das Beizgut besser kontrolliert werden.

[0013] Eine günstige Weiterbildung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß sare und neutrale elektrochemische Beizstufen miteinander kombiniert werden, wobei die gebrauchte Elektrolytlösung aus der Neutralelektrolytstufe in die saure Stufe zudosiert werden kann. Durch diese Kombination läßt sich der Vorteil des Verfahrens in einer Beizlinie erzielen.

[0014] Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß die saure Beizflüssigkeit mittels Natronlauge (NaOH) oder Natriumcarbonat (Na2CO3) neutralisiert wird, daß anschließend die entstandenen Metallhydroxide abgetrennt, vorzugsweise abfiltriert werden, beispielsweise mittels einer Mikrofiltration, und daß das entstandene Natriumsulfat (Na2SO4) wieder als Neutralelektrolyt rückgeführt wird. Damit kann neben der Neutralisation und Regeneration der sauren Beizflüssigkeit auch der Neutralelektrolyt regeneriert werden, was zu erheblichen Kosteneinsparungen führt.

[0015] Eine günstige Weiterbildung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß die verbrauchte Elektrolytlösung einer oder mehreren Kaltbandbeizlinie(n) entnommen und der salpetersäurefreien und sauren Beizflüssigkeit einer oder mehrerer Warmbandbeizlinie(n) zudosiert wird. Damit kann die für ein Edelstahlwerk günstigste Variante hinsichtlich Investitionskosten und Betriebskosten gewählt werden.

[0016] Die Erfindung wird nun anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert.

Versuch 1:



[0017] Am Ende einer langen Testserie über das elektrolytische Beizen von Edelstahlkaltbändern hatte man eine verbrauchte Elektrolytlösung mit Metallgehalten, wie sie auf Großanlagen üblich sind. Die Cr6+ Konzentration betrug 4.8 g/l. ( Das Eisen (Fe3+) und Nickel (Ni2+) liegen in Form von suspendiertem Hydroxidschlamm und das Chrom liegt in Form von Chromat (Cr6+), d.h. chemisch gelöst, vor.)

[0018] Es wurde nun eine zweite Lösung bestehend aus einer Mischung von Schwefelsäure, Flußsäure und FeSO4 hergestellt, so daß die nachfolgende chemische Analyse folgende Werte ergab:

freie H2SO4 =400g/l

freie HF = 50 g/l

Fe2+ = 40 g/l



[0019] Nun wurden Mischungen aus diesen beiden Lösungen hergestellt, so daß das Redoxpotential der neu hergestellten Mischung bei 400 -500 mV liegt. Die darauf folgenden Beizversuche mit verzundertem Edelstahlwarmband ergaben zwar eine etwas längere Beizzeit als in konventioneller Mischsäure, aber dennoch zufriedenstellende Ergebnisse. Dabei wurden beispielsweise gestrahlte AISI 304-Probebleche in ca. 70 sec zunderfrei gebeizt. Nach mehreren Probebeizungen wurde die Beizflüssigkeit chemisch analysiert und es konnte kein sechswertiges Chrom(Cr6+) nachgewiesen werden. Erwartungsgemäß hat das vorliegende zweiwertige Eisen (Fe2+) es zu dreiwertigen Chrom (Cr3+) reduziert. Es konnte in der durchgeführten Beizserie kein Einfluß von Natriumionen auf das Beizergebnis beobachtet werden und es wurde auch bestätigt, daß ein Zusatz von Inhibitoren von Vorteil ist, um den Korrosionsangriff der Schwefelsäure auf das Grundmaterial zu unterdrücken.

[0020] Der Vorteil dieses "nitratfreien Beizverfahrens" bei dem keine nitrosen Gase entstehen ist, daß das dreiwertige Eisenion (Fe3+) durch eine verbrauchte Elektrolytlösung hergestellt wird - d.h. es ergibt sich ein zweifacher Kostenvorteil. Es muß nicht wie bei den bisherigen Verfahren Wasserstoffperoxid (H2O2) als Oxidationsmittel für die Fe3+ Herstellung und kein Reduktionsmittel (Na2S2O5) für die Chromatentgiftung zugekauft werden. Die verbrauchte Elektrolytlösung enthält das dreiwertige Eisen in Form vom suspendiertem Hydroxidschlamm ( Fe(OH)3 ) und sie enthält das sechswertige Chrom (Cr6+), welches unmittelbar mit dem durch den Beizvorgang entstehenden zweiwertigen Eisen (Fe2+) reagiert und dabei Fe3+ und Cr3+ entstehen.

[0021] Im Verlauf der Beiztests wurde ein Nachlassen der Beizwirkung mit gleichzeitigem Absinken des Redoxpotentials beobachtet. Es ist daher sinnvoll, die verbrauchte Elektrolytlösung in Abhängigkeit vom gemessenen Redoxpotential fortlaufend in das Beizbad nachzudosieren.

Versuch 2:



[0022] Ein weiterer Versuch wurde mit Edelstahlkaltband durchgeführt. Es wurde der verbrauchten Elektrolytlösung ein zweiwertiges Eisensalz (FeSO4) und 96%-ige Schwefelsäure zugegeben, so daß die Konzentration der freien Schwefelsäure 100g/l und das Redoxpotential 440 mV betrug. Die so gewonnene Flüssigkeit wurde als Elektrolytlösung für elektrochemische Beizversuche eingesetzt. Bei diesen Beizversuchen konnte beobachtet werden, daß, verglichen mit elektrolytischem Beizen in reiner Schwefelsäure, der Korrosionsangriff auf das Grundmaterial geringer ist und der ursprüngliche Glanz der Blechproben nach dem Beizen erhalten bleibt. Gegenüber einer elektrolytischen Behandlung im neutralen Bereich, bei der ein Qualitätsanstieg (=Glanz) mit fortlaufender Behandlung gegeben ist, konnte jedoch ein wesentlich höherer Beizverlust erzielt werden.

[0023] Beispielsweise bei einer AISI 304 Edelstahlprobe und einer Behandlung (=Ladungsdichte) von 600 A*sec/dm2 konnte ca. 1.2g/m2 Beizverlust im neutralen und ca. 2.0 g/m2 mit der neu hergestellten sauren Elektrolytlösung ermittelt werden.

Versuch 3:



[0024] Ein weiterer Versuch wurde folgendermaßen durchgeführt:

[0025] Die elektrolytische Behandlung mit einer Ladungsdichte von 200 A*sec/dm2 wurde in der angesäuerten Elektrolytlösung durchgeführt, in der das Redox-Potential auf 440 mV eingestellt war, und anschließend wurde das Probeblech im neutralen Elektrolyten elektrochemisch weiterbehandelt. Dieses kombinierte Beizverfahren hat den Vorteil gegenüber einer herkömmlichen Neutralelektrolytbehandlung, daß mit der gleichen Ladungsdichte von z.B. 600 A*sec/dm2 ca. 20% mehr Beizverlust bei geringfügig geringerem Glanz erreicht werden konnten. Beispielsweise kann eine Großanlage, welche aus sechs elektrochemischen Beizzellen besteht, so optimiert werden, daß die ersten zwei Zellen mit saurem Elektrolyt bei genau eingestelltem Redoxpotential und die darauffolgenden vier mit Neutralelektrolyt betrieben werden können. Die daraus resultierenden Vorteile sind: höhere Beizverluste im elektrochemischen Beizteil, d.h. kürzere Nachbehandlung im darauf folgenden chemischen Mischsäure-(HF + HNO3) Beizteil. Das Endprodukt hat den gleichen Glanzgrad. Der wesentlichste Vorteil jedoch ist, daß die gesamte chromathaltige Neutralelektrolytlösung verwertet werden kann und somit die Kosten für die Cr6+ - Reduktion nicht mehr anfallen.

[0026] Ein weiterer Vorteil dieser Optimierung ist, daß die für das Beizen im neutralen pH-Bereich erforderliche Natriumsulfatlösung (Na2SO4) durch Neutralisation der sauren Elektrolytlösung (H2SO4, Na2SO4, Fe2+, Fe3+, Cr3+, Ni2+) mit Natriumhydroxid (NaOH) oder Natriumcarbonat (Na2CO3) und anschließender Abtrennung der Metallhydroxide (Fe(OH)2, Fe(OH)3, Cr(OH)3, Ni(OH)2) durch Filtration, rückgewonnen werden kann. Die Flitration wird hierbei vorteilhafterweise als Mikrofiltration durchgeführt. Die Versuche stellen nur Beispiele der Verfahrensführung dar, wie sie in den Ansprüchen definiert sind.


Ansprüche

1. Verfahren zum chemischen und/oder elektrochemischen Beizen von Edelstahl in einer salpetersäurefreien und sauren Flüssigkeit, dadurch gekennzeichnet, daß verbrauchte Elektrolytlösung aus elektrochemischen Neutralsalzbeizlinien, bevorzugt Natriumsulfatbeizlinien, zudosiert wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Redoxpotential in der Beizflüssigkeit durch die Menge an zugegebener Elektrolytlösung auf einen vorgegebenen Wert eingestellt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Reduktions-Oxidationspotential (Redoxpotential) der Beizflüssigkeit gemessen und die Menge der verbrauchten Elektrolytlösung aus elektrochemischen Natriumsulfatbeizlinien entsprechend zudosiert wird.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß bei einem Neuansatz der Beizflüssigkeit ein zweiwertiges und ein dreiwertiges Eisensalz, bevorzugt Eisensulfate, zugesetzt werden.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich zum verbrauchten Elektrolyten ein anderes Oxidationsmittel, vorzugsweise Wasserstoffperoxid, der Beizflüssigkeit zugeführt wird.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß Inhibitoren zugesetzt werden.
 
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß saure und neutrale elektrochemische Beizstufen miteinander kombiniert werden.
 
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die gebrauchte Elektrolytlösung aus der Neutralelektrolytstufe in die saure Stufe zudosiert wird.
 
9. Verfahren nach Anspruch 7 oder 8, dadurch gekennzeichnet, daß die saure Beizflüssigkeit mittels Natronlauge (NaOH) oder Natriumcarbonat (Na2CO3) neutralisiert wird, daß anschließend die entstandenen Metallhydroxide abgetrennt, vorzugsweise abfiltriert werden, beispielsweise mittels einer Mikrofiltration, und daß das entstandene Natriumsulfat (Na2SO4) wieder als Neutralelektrolyt rückgeführt wird.
 
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die verbrauchte Elektrolytlösung einer oder mehreren Kaltbandbeizlinie(n) entnommen und der salpetersäurefreien und sauren Beizflüssigkeit einer oder mehrerer Warmbandbeizlinie(n) zudosiert wird.