[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum chemischen und/oder elektrochemischen Beizen
von Edelstahl in einer salpetersäurefreien und sauren Flüssigkeit.
[0002] Beim Beizen von Edelstahlwarmband muß nach dem Warmwalz- und Glühprozeß das Band
vom Zunder befreit werden. Dieser Beizvorgang wird in der Regel in Mischsäure (Flußsäure
(= HF) und Salpetersäure (= HNO
3)) durchgeführt. Hierbei entstehen jedoch nitrose Gase (NO
x), so daß in den letzten Jahren zunehmend "salpetersäurefreie Beizverfahren" entwickelt
wurden. Das Prinzip aller dieser Beizverfahren besteht darin, daß die Salpetersäure
durch eine andere mineralische Säure (Schwefelsäure, Salzsäure) in welcher das Redoxpotential
durch den Anteil der Eisenionen verschiedener Wertigkeit (Fe
2+/Fe
3+) genau eingestellt ist, substituiert wird. Beim Beizen geht Eisen als zweiwertiges
Ion in Lösung und das dreiwertige Eisenion wird entweder durch teilweise Oxidation
von Fe
2+ oder durch Zugabe von Fe
3+ - Salzen hergestellt.
[0003] Es sind Verfahren bekannt, bei denen die Herstellung der dreiwertigen Eisenionen
durch Oxidation des Fe
2+ mit Wasserstoffperoxid (H
2O
2) erzeugt werden.
[0004] Bei anderen Verfahren werden Fe
3+-Salze (Sulfat-, Chlorid-, Nitrat- oder Fluoridsalze) ins Beizbad zugesetzt.
[0005] Nachdem das gebeizte Warmband durch das Walzen zu dünneren Blechstärken reduziert
wurde muß es nochmals geglüht werden. Hierbei entsteht eine dünne Zunderschicht, welche
auf eine "schonende Art" entfernt werden muß, ohne dabei die Oberflächenqualität (Glanz)
zu zerstören. Weltweit hat sich für das Edelstahlkaltband das elektrochemische Beizverfahren
in Natriumsulfatlösungen (Neutralelektrolyt) durchgesetzt. Bei diesem neutralen (pH
= 7 bis 4) Beizverfahren entsteht das sehr toxische Chromat (Cr
6+). Die verbrauchten Beizbäder werden daher in einer separaten Behandlung entgiftet,
d.h. Cr
6+ wird zu Cr
3+ reduziert, bevor sie neutralisiert und die Metallhydroxide abfiltriert werden können.
Die Chromat-Entgiftung ist sehr kostenintensiv. Als Reduktionsmittel werden meistens
Na
2S
20
5 oder ähnliche Schwefelverbindungen eingesetzt.
[0006] Die Reduktion erfolgt nach folgender Formel:
4 H
2CrO
4 + 3 Na
2S
2O
5 + 3 H
2SO
4 => 2 Cr
2(SO
4)
3 + 3 Na
2SO
4 + 7 H
2O
[0007] Die Reduktion kann auch mit zweiwertigem Eisensulfat FeSO
4 durchgeführt werden:
2 H
2CrO
4 + 6 FeSO
4 + 6 H
2SO
4 => 2 Cr
2(SO
4)
3 + 3 Fe
2(SO
4)
3 + 8 H
2O
[0008] Ziel der Erfindung ist es, die Nachteile beider Verfahren, insbesondere die kostenintensive
Chromatentgiftung", zu vermeiden.
[0009] Die Erfindung ist daher dadurch gekennzeichnet, daß verbrauchte Elektrolytlösung
aus elektrochemischen Neutralsalzbeizlinien, bevorzugt Natriumsulfatbeizlinien, zudosiert
wird. Damit kann einerseits das Chromat ohne zusätzliche kostenintensive Reduktionsmittel
reduziert (
entgiftet") werden und andererseits eine Oxidation des Eisens von Fe
2+ zu Fe
3+ erreicht werden.
[0010] Eine günstige Weiterbildung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß das Redoxpotential
in der Beizflüssigkeit durch die Menge an zugegebener Elektrolytlösung auf einen vorgegebenen
Wert eingestellt wird, wobei das Reduktions-Oxidationspotential (Redoxpotential) der
Beizflüssigkeit gemessen und die Menge der verbrauchten Elektrolytlösung aus elektrochemischen
Natriumsulfatbeizlinien entsprechend zudosiert werden kann. Damit kann in vorteilhafter
Weise die Beizwirkung für das Edelstahlband in der sauren Beizflüssigkeit eingestellt
werden.
[0011] Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß bei
einem Neuansatz der sauren Beizflüssigkeit ein zweiwertiges und ein dreiwertiges Eisensalz,
vorzugsweise Eisensulfate, zugesetzt werden. Damit kann in günstiger Weise ein Start
für das Verfahren erreicht werden. Eine vorteilhafte Weiterbildung der Erfindung ist
dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich zum verbrauchten Elektrolyten ein anderes Oxidationsmittel,
vorzugsweise Wasserstoffperoxid, der Beizflüssigkeit zugeführt wird. Sollte die Menge
an anfallender verbrauchter Neutralelektrolytmenge nicht ausreichen, um das gewünschte
bzw. notwendige Redoxpotential für den Beizvorgang einzustellen, kann so dieses Redoxpotential
in einfacher Weise erzielt werden.
[0012] Eine günstige Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß Inhibitoren
zugesetzt werden. Auf diese Weise kann der Korrosionsangriff auf das Beizgut besser
kontrolliert werden.
[0013] Eine günstige Weiterbildung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß sare und
neutrale elektrochemische Beizstufen miteinander kombiniert werden, wobei die gebrauchte
Elektrolytlösung aus der Neutralelektrolytstufe in die saure Stufe zudosiert werden
kann. Durch diese Kombination läßt sich der Vorteil des Verfahrens in einer Beizlinie
erzielen.
[0014] Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß die
saure Beizflüssigkeit mittels Natronlauge (NaOH) oder Natriumcarbonat (Na
2CO
3) neutralisiert wird, daß anschließend die entstandenen Metallhydroxide abgetrennt,
vorzugsweise abfiltriert werden, beispielsweise mittels einer Mikrofiltration, und
daß das entstandene Natriumsulfat (Na
2SO
4) wieder als Neutralelektrolyt rückgeführt wird. Damit kann neben der Neutralisation
und Regeneration der sauren Beizflüssigkeit auch der Neutralelektrolyt regeneriert
werden, was zu erheblichen Kosteneinsparungen führt.
[0015] Eine günstige Weiterbildung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, daß die verbrauchte
Elektrolytlösung einer oder mehreren Kaltbandbeizlinie(n) entnommen und der salpetersäurefreien
und sauren Beizflüssigkeit einer oder mehrerer Warmbandbeizlinie(n) zudosiert wird.
Damit kann die für ein Edelstahlwerk günstigste Variante hinsichtlich Investitionskosten
und Betriebskosten gewählt werden.
[0016] Die Erfindung wird nun anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert.
Versuch 1:
[0017] Am Ende einer langen Testserie über das elektrolytische Beizen von Edelstahlkaltbändern
hatte man eine verbrauchte Elektrolytlösung mit Metallgehalten, wie sie auf Großanlagen
üblich sind. Die Cr
6+ Konzentration betrug 4.8 g/l. ( Das Eisen (Fe
3+) und Nickel (Ni
2+) liegen in Form von suspendiertem Hydroxidschlamm und das Chrom liegt in Form von
Chromat (Cr
6+), d.h. chemisch gelöst, vor.)
[0018] Es wurde nun eine zweite Lösung bestehend aus einer Mischung von Schwefelsäure, Flußsäure
und FeSO
4 hergestellt, so daß die nachfolgende chemische Analyse folgende Werte ergab:
freie H2SO4 =400g/l
freie HF = 50 g/l
Fe2+ = 40 g/l
[0019] Nun wurden Mischungen aus diesen beiden Lösungen hergestellt, so daß das Redoxpotential
der neu hergestellten Mischung bei 400 -500 mV liegt. Die darauf folgenden Beizversuche
mit verzundertem Edelstahlwarmband ergaben zwar eine etwas längere Beizzeit als in
konventioneller Mischsäure, aber dennoch zufriedenstellende Ergebnisse. Dabei wurden
beispielsweise gestrahlte AISI 304-Probebleche in ca. 70 sec zunderfrei gebeizt. Nach
mehreren Probebeizungen wurde die Beizflüssigkeit chemisch analysiert und es konnte
kein sechswertiges Chrom(Cr
6+) nachgewiesen werden. Erwartungsgemäß hat das vorliegende zweiwertige Eisen (Fe
2+) es zu dreiwertigen Chrom (Cr
3+) reduziert. Es konnte in der durchgeführten Beizserie kein Einfluß von Natriumionen
auf das Beizergebnis beobachtet werden und es wurde auch bestätigt, daß ein Zusatz
von Inhibitoren von Vorteil ist, um den Korrosionsangriff der Schwefelsäure auf das
Grundmaterial zu unterdrücken.
[0020] Der Vorteil dieses "nitratfreien Beizverfahrens" bei dem keine nitrosen Gase entstehen
ist, daß das dreiwertige Eisenion (Fe
3+) durch eine verbrauchte Elektrolytlösung hergestellt wird - d.h. es ergibt sich ein
zweifacher Kostenvorteil. Es muß nicht wie bei den bisherigen Verfahren Wasserstoffperoxid
(H
2O
2) als Oxidationsmittel für die Fe
3+ Herstellung und kein Reduktionsmittel (Na
2S
2O
5) für die Chromatentgiftung zugekauft werden. Die verbrauchte Elektrolytlösung enthält
das dreiwertige Eisen in Form vom suspendiertem Hydroxidschlamm ( Fe(OH)
3 ) und sie enthält das sechswertige Chrom (Cr
6+), welches unmittelbar mit dem durch den Beizvorgang entstehenden zweiwertigen Eisen
(Fe
2+) reagiert und dabei Fe
3+ und Cr
3+ entstehen.
[0021] Im Verlauf der Beiztests wurde ein Nachlassen der Beizwirkung mit gleichzeitigem
Absinken des Redoxpotentials beobachtet. Es ist daher sinnvoll, die verbrauchte Elektrolytlösung
in Abhängigkeit vom gemessenen Redoxpotential fortlaufend in das Beizbad nachzudosieren.
Versuch 2:
[0022] Ein weiterer Versuch wurde mit Edelstahlkaltband durchgeführt. Es wurde der verbrauchten
Elektrolytlösung ein zweiwertiges Eisensalz (FeSO
4) und 96%-ige Schwefelsäure zugegeben, so daß die Konzentration der freien Schwefelsäure
100g/l und das Redoxpotential 440 mV betrug. Die so gewonnene Flüssigkeit wurde als
Elektrolytlösung für elektrochemische Beizversuche eingesetzt. Bei diesen Beizversuchen
konnte beobachtet werden, daß, verglichen mit elektrolytischem Beizen in reiner Schwefelsäure,
der Korrosionsangriff auf das Grundmaterial geringer ist und der ursprüngliche Glanz
der Blechproben nach dem Beizen erhalten bleibt. Gegenüber einer elektrolytischen
Behandlung im neutralen Bereich, bei der ein Qualitätsanstieg (=Glanz) mit fortlaufender
Behandlung gegeben ist, konnte jedoch ein wesentlich höherer Beizverlust erzielt werden.
[0023] Beispielsweise bei einer AISI 304 Edelstahlprobe und einer Behandlung (=Ladungsdichte)
von 600 A*sec/dm
2 konnte ca. 1.2g/m
2 Beizverlust im neutralen und ca. 2.0 g/m
2 mit der neu hergestellten sauren Elektrolytlösung ermittelt werden.
Versuch 3:
[0024] Ein weiterer Versuch wurde folgendermaßen durchgeführt:
[0025] Die elektrolytische Behandlung mit einer Ladungsdichte von 200 A*sec/dm
2 wurde in der angesäuerten Elektrolytlösung durchgeführt, in der das Redox-Potential
auf 440 mV eingestellt war, und anschließend wurde das Probeblech im neutralen Elektrolyten
elektrochemisch weiterbehandelt. Dieses kombinierte Beizverfahren hat den Vorteil
gegenüber einer herkömmlichen Neutralelektrolytbehandlung, daß mit der gleichen Ladungsdichte
von z.B. 600 A*sec/dm
2 ca. 20% mehr Beizverlust bei geringfügig geringerem Glanz erreicht werden konnten.
Beispielsweise kann eine Großanlage, welche aus sechs elektrochemischen Beizzellen
besteht, so optimiert werden, daß die ersten zwei Zellen mit saurem Elektrolyt bei
genau eingestelltem Redoxpotential und die darauffolgenden vier mit Neutralelektrolyt
betrieben werden können. Die daraus resultierenden Vorteile sind: höhere Beizverluste
im elektrochemischen Beizteil, d.h. kürzere Nachbehandlung im darauf folgenden chemischen
Mischsäure-(HF + HNO
3) Beizteil. Das Endprodukt hat den gleichen Glanzgrad. Der wesentlichste Vorteil jedoch
ist, daß die gesamte chromathaltige Neutralelektrolytlösung verwertet werden kann
und somit die Kosten für die Cr
6+ - Reduktion nicht mehr anfallen.
[0026] Ein weiterer Vorteil dieser Optimierung ist, daß die für das Beizen im neutralen
pH-Bereich erforderliche Natriumsulfatlösung (Na
2SO
4) durch Neutralisation der sauren Elektrolytlösung (H
2SO
4, Na
2SO
4, Fe
2+, Fe
3+, Cr
3+, Ni
2+) mit Natriumhydroxid (NaOH) oder Natriumcarbonat (Na
2CO
3) und anschließender Abtrennung der Metallhydroxide (Fe(OH)
2, Fe(OH)
3, Cr(OH)
3, Ni(OH)
2) durch Filtration, rückgewonnen werden kann. Die Flitration wird hierbei vorteilhafterweise
als Mikrofiltration durchgeführt. Die Versuche stellen nur Beispiele der Verfahrensführung
dar, wie sie in den Ansprüchen definiert sind.
1. Verfahren zum chemischen und/oder elektrochemischen Beizen von Edelstahl in einer
salpetersäurefreien und sauren Flüssigkeit, dadurch gekennzeichnet, daß verbrauchte
Elektrolytlösung aus elektrochemischen Neutralsalzbeizlinien, bevorzugt Natriumsulfatbeizlinien,
zudosiert wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Redoxpotential in der Beizflüssigkeit
durch die Menge an zugegebener Elektrolytlösung auf einen vorgegebenen Wert eingestellt
wird.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Reduktions-Oxidationspotential
(Redoxpotential) der Beizflüssigkeit gemessen und die Menge der verbrauchten Elektrolytlösung
aus elektrochemischen Natriumsulfatbeizlinien entsprechend zudosiert wird.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß bei einem
Neuansatz der Beizflüssigkeit ein zweiwertiges und ein dreiwertiges Eisensalz, bevorzugt
Eisensulfate, zugesetzt werden.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich
zum verbrauchten Elektrolyten ein anderes Oxidationsmittel, vorzugsweise Wasserstoffperoxid,
der Beizflüssigkeit zugeführt wird.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß Inhibitoren
zugesetzt werden.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß saure und
neutrale elektrochemische Beizstufen miteinander kombiniert werden.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die gebrauchte Elektrolytlösung
aus der Neutralelektrolytstufe in die saure Stufe zudosiert wird.
9. Verfahren nach Anspruch 7 oder 8, dadurch gekennzeichnet, daß die saure Beizflüssigkeit
mittels Natronlauge (NaOH) oder Natriumcarbonat (Na2CO3) neutralisiert wird, daß anschließend die entstandenen Metallhydroxide abgetrennt,
vorzugsweise abfiltriert werden, beispielsweise mittels einer Mikrofiltration, und
daß das entstandene Natriumsulfat (Na2SO4) wieder als Neutralelektrolyt rückgeführt wird.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die verbrauchte
Elektrolytlösung einer oder mehreren Kaltbandbeizlinie(n) entnommen und der salpetersäurefreien
und sauren Beizflüssigkeit einer oder mehrerer Warmbandbeizlinie(n) zudosiert wird.