(19)
(11) EP 1 102 028 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
23.05.2001  Patentblatt  2001/21

(21) Anmeldenummer: 00118573.5

(22) Anmeldetag:  26.08.2000
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7F41J 2/00, F41H 3/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 19.11.1999 DE 19955609

(71) Anmelder: DORNIER GmbH
88039 Friedrichshafen (DE)

(72) Erfinder:
  • Leupolz, Andreas
    88263 Horgenzell (DE)
  • Scherber, Werner, Dr.
    88697 Bermatingen (DE)
  • Rothmund, Walter, Dr.
    93142 Maxhütte-Haidhof (DE)

(74) Vertreter: Meel, Thomas 
Dornier GmbH L H G
88039 Friedrichshafen
88039 Friedrichshafen (DE)

   


(54) Infrarot-Tarnsystem


(57) Die Erfindung betrifft ein Infrarot-Tarnsystem. Es umfasst ein thermorefraktives Schichtsystem oder ein thermorefraktives Material, dessen Wärmeemissionsgrad einen negativen Temperaturkoeffizienten aufweist.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Tarnsystem zur Infrarot(IR)-Tarnung für Landziele. Sie eignet sich insbesondere zur Tarnung militärischer Objekte, vor allem Landfahrzeuge, gegen Wärmebildgeräte und Infrarotsuchköpfe.

[0002] Bei der thermischen Tarnung wird eine Anpassung der vom zu tarnenden Objekt emittierten Wärmestrahlung auf das Niveau des jeweiligen thermischen Hintergrundes angestrebt. Dabei wird zum Beispiel versucht, die Temperatur der beobachtbaren Oberflächen durch konstruktive Maßnahmen (Wärmedämmung, Isolation, Hinterlüftung) zu beeinflussen. Verbesserungen sind hierdurch im Bereich der aktiven Signatur, d.h. für interne Wärmequellen (Motor, Getriebe, Energie-aggregate) möglich. Keine befriedigende Lösung wird durch diese Maßnahmen in bezug auf die solare Erwärmung (passive Signatur) erzielt, da das Erwärmungs-verhalten militärischer Objekte in der Regel stark von dem eines natürlichen Hintergrundes abweicht. Lösungsvorschläge, diese Abweichungen durch aktive Nachheizung bzw. Kühlung zu kompensieren, wie z.B. in DE 32 17 977 A1 beschrieben, sind vor allem wegen des hohen Energieverbrauchs wenig praktikabel.

[0003] Andere bekannte Lösungsansätze verfolgen das Ziel, die Signaturminderung nicht durch die Beeinflussung der tatsächlichen Oberflächentemperatur zu erzielen, sondern durch die Veränderung des Emissionsverhaltens der Oberfläche. Es ist bekannt, daß die Wärmeabstrahlung eines Körpers nicht nur von seiner Temperatur, sondern auch vom Emissionsgrad ε seiner Oberfläche bestimmt wird. Der Einsatz niedrig emittierender Oberflächenschichten zur Infrarottarnung ist bekannt und z.B. in der DE 30 43 381 A1 und der EP 0 123 660 A1 beschrieben. Ein Problem bei dieser Art der Tarnung mit niedrig emittierenden Tarnmitteln besteht darin, daß der IR-Reflexionsgrad ρ bei Reduzierung des Wärmeemissionsgrads ε prinzipiell nach der Formel ρ = 1 - ε ansteigt, und somit eine erhöhte Reflexion von Umgebungsstrahlung auftritt. Diese überlagert die Eigenemission, so daß die Wärmeabstrahlung und somit die beobachtbare Strahlungstemperatur bei der Reduktion des Emissionsgrads zunehmend auch von den Temperaturen der eingespiegelten Umgebungsflächen (Bodentemperatur, Himmelstemperatur) abhängt. Als kritisch haben sich besonders Reflexionen aus zenithnahen Himmelsbereichen erwiesen, da sich die Strahlungstemperaturen je nach Bewölkungszustand extrem unterscheiden und die Signatur stark beeinflussen können. Ein bekannter Effekt bei niedrig emittierenden Tarnmitteln ist die Beobachtung von "Cold Spots", d.h. Flächenbereiche mit einer gegenüber dem Hintergrund zu niedrigen Strahlungstemperatur aufgrund der Reflexion kalter Himmelsanteile.

[0004] Um diesen Umstand zu berücksichtigen, wird in der EP 0 250 742 A1 eine Vorrichtung beschrieben, mit der das Emissionsvermögen gesteuert werden kann. Damit kann die Wärmeabstrahlung eines Objektes durch Steuerung der Wärmereflexions-und Emissionsanteile mit sehr geringem Energieaufwand in weiten Grenzen nach Wunsch eingestellt werden. Dadurch ist eine Kontrastminderung der thermischen Abstrahlung gegenüber dem Hintergrund in hohem Maße möglich.

[0005] Nachteilig ist jedoch der hohe Aufwand zur Realisierung entsprechender Systeme und die Notwendigkeit für zusätzliche Meß- und Regeleinrichtungen.

[0006] Beim Einsatz von niedrig emittierenden Infrarot-Tarnmitteln müssen die geometrischen Besonderheiten des zu tarnenden Objekts berücksichtigt werden. Hierbei sind im wesentlichen zu unterscheiden:
  • zum Boden geneigte Flächenbereiche
  • horizontale oder zum Himmel geneigte Flächenbereiche
  • senkrechte bzw. gering (bis ca. 25°) zum Himmel geneigte Flächenbereiche.


[0007] Grundsätzlich erfordern diese Flächenbereiche unterschiedliche Ausführungsformen der Tarnmittel. Für den Fall mit überwiegend zum Boden geneigten Flächen können die bekannten niedrig emittierenden Tarnmittel mit fest eingestelltem und möglichst geringem Emissionsgrad verwendet werden, da unabhängig vom Beobachtungs-standpunkt die vor dem Objekt befindlichen Bodentemperaturen reflektiert werden. Die Strahlungstemperatur des Bodens ist im allgemeinen mit dem restlichen thermischen Hintergrund identisch. Durch Übertragung dieser Temperatur auf das zu tarnende Objekt kann deshalb eine hohe Kontrastminderung mit entsprechendem Tarngewinn erzielt werden. Eingesetzt werden können in diesem Fall die bekannten LE-(=Low Emission) Tarnmittel, wie zum Beispiel niedrig emittierende Lacke (LEP=Low Emission Paint) oder niedrig emittierende Kunststoffolien (LEF=Low Emission Foil).

[0008] Für Flächen mit überwiegend horizontaler Ausrichtung sind die bekannten niedrig emittierende Tarnmittel nicht ohne weiteres einsetzbar. Das Problem besteht darin, daß diese Flächen, wenn sie beobachtbar sind, immer überwiegend zenithnahe Himmelstemperaturen reflektieren. Da diese Himmelstemperaturen sehr niedrig sind, dabei jedoch je nach Bewölkungszustand stark variieren können, resultiert eine extreme Abhängigkeit der reflektierten Wärmeabstrahlung vom Bewölkungszustand. In vielen Fällen werden deshalb horizontale Flächen, die mit niedrig emittierenden Tarnmitteln versehen sind, ,,Cold Spots" aufweisen, wenn durch Reflexion des kalten Himmels die Eigenemission überkompensiert wird. Niedrig emittierendes Verhalten ist nur in dem Maße erwünscht, wie infolge einer zunehmenden solaren Erwärmung der Oberfläche eine Reduzierung der thermischen Abstrahlung notwendig wird. Ähnliche Probleme bestehen bei Flächen, die nach oben ausgerichtet sind (Winkel zur Horizontalen kleiner ca. 65°). Auch sie können die Himmelsstrahlung reflektieren.

[0009] Es ist deshalb Aufgabe der Erfindung, ein Tarnsystem für im wesentlichen horizontal oder nach oben ausgerichtete Objektoberflächen zu schaffen, mit der ohne aufwendige Mess- und Regeleinrichtungen eine effektive Tarnung erreicht werden kann.

[0010] Diese Aufgabe wird mit dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gelöst. Vorteilhafte Ausführungen sowie ein Tarnverfahren unter Einsatz des erfindungsgemäßen Tarnmittels sind Gegenstand weiterer Ansprüche.

[0011] Die erfindungsgemäße Lösung sieht vor, dass an der Oberfläche der Tarnvorrichtung ein Material oder ein Schichtsystem eingesetzt wird, dessen Wärmeemissionsgrad ε(T) eine starke Temperaturabhängigkeit mit einem negativen Gradienten (dε /dT) aufweist, im Folgenden als ,thermorefraktives' Material bezeichnet.

[0012] Bekanntlich setzt sich die gesamte von einem Körper ausgehende Wärmemenge Q zusammen aus der Eigenstrahlung (Produkt aus ε und der vierten Potenz der Oberflächentemperatur To) und der reflektierten Umgebungstrahlung (Produkt aus 1-ε und der vierten Potenz der Temperatur der eingespiegelten Umgebungszone Tu, hier typischerweise der Himmel)

   Die Temperaturen beziehen sich jeweils auf die absolute Temperaturskala.

[0013] Wird der Körper von einem Wärmebildgerät beobachtet, dann bestimmt dieses Gesetz die Helligkeit und die Kontrastfunktion des einzelnen Bildpunktes und damit die IR-Signatur des Objektes.

[0014] Bei normalen Oberflächen mit ε → 1 überwiegt die mit der Temperatur stark zunehmende Eigenstrahlung. Gemäß der Erfindung wird ein negativer Temperaturkoeffizient des Emissionsgrades eingeführt und damit die Temperaturgang Q(T) so weit wie möglich kompensiert. Wäre nur die Eigenstrahlung vorhanden, müsste die Bedingung für ε(T) lauten:

da jedoch der Reflexionsterm zu berücksichtigen ist, kann die Funktion ε(T) mit einer schwächeren Potenz verlaufen. Genauere Abschätzungen zeigen, dass bereits eine lineare reziporke Funktion

in der Praxis eine sehr brauchbare Tarnwirkung hervorruft.

[0015] Wichtig ist, dass der Emissionsgrad des Gesamtsystems innerhalb eines Temperaturintervalls, typischerweise etwa 20 bis 40° C, deutlich absinkt, z.B. von Werten ε ≥ 0,7 auf Werte ε≤ 0,5, z.B. von ε= 0,90 auf ε= 0,5. Die untere Schwelltemperatur des Übergangsbereiches wird vorteilhafterweise der mittleren Umgebungstemperatur gleichgesetzt.

[0016] Zur praktischen Darstellung eines negativen Temperaturkoeffizienten sind verschiedene Mechanismen denkbar. Eine mögliche Ausführungsform besteht darin, ein Material mit einem Nichtmetall-Metall-Phasenübergang (MNM-Übergang) einzusetzen. Bei Umgebungstemperaturen befindet sich das Material im nichtmetallischen oder halbleitenden Zustand (IR-transparent) und es liegt - wenn das thermorefraktive Material vor einem hochemittierenden Hintergrund angeordnet ist - normales, hochemittierendes Verhalten vor. Bei zunehmender solarer Erwärmung findet ein Übergang in den metallischen Zustand statt (IR-reflektiv), welcher mit einer Absenkung des Emissionsgrades verbunden ist. Ein für die Erfindung geeignetes Material, dass den beschriebenen MNM-Übergang zeigt, ist zum Beispiel Vanadiumoxid (VO2).

[0017] Eine weitere Ausführungsform für ein thermorefraktives Material besteht im Einsatz eines zusammengesetzten Mediums, eines Composites, bestehend aus einer IR-transparenten Matrix, bevorzugt aus Polyolefin (z.B. Polyethylen) und einer eingelagerten zweiten Komponente. Die zweite Komponente besteht aus einem alternativen organischen oder polymeren Material mit ebenfalls möglichst guter IR-Transparenz, aber einem unterschiedlichem Temperaturverlauf der Brechungsindices. Dafür können bevorzugt flüssige, wachsartige oder teilkristalline Kohlenwasserstoffe eingesetzt werden, aber auch andere Substanzen mit geringer IR-Absorption im Wellenlängenbereich von 8 bis 12 µm. Die Materialpaarung von Matrix und Einlagerung ist so abzustimmen, dass die Brechungsindices beider Stoffe bei Umgebungstemperatur annähernd gleich sind, mit steigender Temperatur aber zunehmend voneinander abweichen. Ein derartiges System zeigt den gewünschten negativen Temperatureffekt: Bei niedrigen Temperaturen ist das Material homogen IR-transparent und es liegt - wenn das thermorefraktive Material vor einem hochemittierenden Hintergrund angeordnet ist - normales, hochemittierendes Verhalten vor, bei höherer Temperatur tritt zunehmend Streuung auf, welche zu einer erhöhten Remission und damit zu einer Absenkung des Emissionsgrades führt. Um den Streueffekt wirksam zu gestalten, sollten die Einlagerungen deutlich größer als die für die Wärmebild-tarnung relevante Infrarotwellenlänge von etwa 10 µm ausgeführt werden. Eine geeignete Größe für die Einlagerungen ist insbesondere der Bereich größer 20 µm.

[0018] Infolge der temperaturabhängigen Selbststeuerung der erfindungsgemäßen Tarnvorrichtung wird keinerlei zusätzliche Steuerungselektronik wie z.B. Sensoren, Aktoren, Ansteuerungselektronik und Verkabelung benötigt. Vielmehr stellen sich die für eine effektive Tarnung notwendigen Emissionsgrade und somit die Strahlungstemperaturen selbständig ein. Auch die genaue, ortsaufgelöste Bestimmung der Oberflächentemperatur, die bei einer eingangs erwähnten Tarnvorrichtung gemäß dem Stand der Technik zur Einstellung des Emissionsgrades für jedes aktiv steuerbare IR-Tarnelement erforderlich ist, entfällt.

[0019] Weitere Vorteile der erfindungsgemäßen Vorteile sind:
  • Es wird eine hohe IR-Tarnwirksamkeit für unterschiedlichste Objekte erreicht;
  • Die erfindungsgemäße Tarnvorrichtung ist in Form kostengünstiger, robuster Elemente realisierbar;
  • Eine zusätzliche visuelle Tarnung in beliebiger Farbgebung ist möglich.


[0020] Die Erfindung wird unter Bezugnahme auf Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen:
Fig. 1
ein Diagramm des temperaturabhängigen spezifischen Widerstands einer wolframdotierten VO2-Schicht im Vergleich zu einer undotierten VO2-Schicht;
Fig. 2
eine konkrete Ausführung der erfindungsgemäßen Tarnvorrichtung;
Fig. 3
eine weitere Ausführung der erfindungsgemäßen Tarnvorrichtung;
Fig. 4
die auf die Himmelsstrahlung bzw. auf die Bodenstrahlung entfallenden Anteile der an der Tarnvorrichtung nach Fig. 3 reflektierten Strahlung in Abhängigkeit von der Beobachtungsrichtung;
Fig. 5
die scheinbare Objekttemperatur in Abhängigkeit von der Beobachtungsrichtung bei Einsatz einer erfindungsgemäßen Tarnvorrichtung (Kurve b) im Vergleich zu einer bekannten Tarnvorrichtung (Kurve a).


[0021] Eine erfindungsgemäße Ausführung der Erfindung wird im Folgenden anhand des Vanadiumoxids (VO2), das den beschriebenen MNM-Übergang zeigt, näher erläutert. Unterhalb einer bestimmten Übergangstemperatur ist das Material halbleitend und somit IR-transparent. Auf einem hochemittierenden Substrat, wie anodisiertem Aluminium oder einer Kunststofffolie, liegt somit hohes Emissionsvermögen der Gesamtstruktur vor. Bei Erwärmung oberhalb einer spezifischen Sprungtemperatur findet der Phasenwechsel statt und die VO2-Schicht zeigt metallisches Verhalten mit hoher IR-Reflektivität. Der Phasenwechsel findet bei einer Temperatur im Bereich von ca. 68°C statt.
Um diesen Effekt zur IR-Tarnung nutzen zu können, ist eine gezielte Einstellung der Lage der Übergangstemperatur sowie der Breite ΔT des Übergangsbereichs nötig. Dies kann durch eine Anpassung der temperaturabhängigen elektrischen Leitfähigkeit des Vanadiumdioxids und damit verbunden der IR-Reflektivität erreicht werden. Eine Möglichkeit hierfür ist die Dotierung von VO2 mit z.B. Wolfram (G.V. Jorgenson, J.C. Lee, Solar Energy Mat. 14(1986)205-214). Fig. 1 zeigt die temperaturabhängige Änderung der Leitfähigkeit einer VO2-Schicht im Vergleich mit einer wolframdotierten VO2-Schicht. Wie man sieht, wird die Übergangstemperatur zu niedrigeren Temperaturen verschoben. Eine Verschiebung bis zu Umgebungstemperaturen ist möglich. Es hat sich gezeigt, daß auch eine Verbreiterung des Übergangsbereiches durch Variation der Herstellungsparameter der Schicht möglich ist. Auf diese Weise lässt sich der Emissionsgrad einer Schicht in Abhängigkeit von der Temperatur in weiten Bereichen einstellen.

[0022] Eine erfindungsgemäße Lösung zur Herstellung einer selbstadaptierenden Tarnung für horizontale oder nach oben ausgerichtete Flächen, z.B. eines Fahrzeugs, sieht somit ein Tarnelement mit thermorefraktiver Beschichtung vor, wobei das Emissionsvermögen der Schicht so eingestellt ist, daß unter Berücksichtigung des Einsatzzwecks des Fahrzeugs und gegebenenfalls der Jahreszeit, bei Umgebungstemperaturen hochemittierendes Verhalten vorliegt und bei zunehmender Temperatur die Emission abnimmt.

[0023] Fig. 2 zeigt eine Ausführung der erfindungsgemäßen Tarnvorrichtung. Sie umfasst ein Trägerblech aus anodisiertem Aluminium, das einen hohen Emissionsgrad aufweist (ε≈1) aufweist. Das Trägerblech wird mit Abstand zu dem tarnenden Objekt montiert und hinterlüftet oder auf sonstige Weise gegenüber dem Objekt thermisch isoliert. Dadurch wird eine Abkopplung der Tarnvorrichtung von der Eigentemperatur des Fahrzeugs bewirkt, d.h. ihre Eigentemperatur stellt sich weitgehend unabhängig von eventuellen Wärmequellen des zu tarnenden Objekts ein. Das Trägerblech wird mit der erfindungsgemäßen thermorefraktiven Schicht beschichtet. Alternativ zur direkten Beschichtung des Blechs ist auch die Herstellung der thermorefraktiven Schicht auf einer selbstklebenden, temperaturbeständigen Kunststoffolie, z.B. aus Polyimid, möglich, die dann auf die Trägerschicht geklebt werden kann. Zur Erhaltung der visuellen Tarnwirkung kann die thermorefraktive Schicht mit einer IR-transparenten Deckschicht (z.B. einer pigmentierten und mattierten Polyethylenfolien) versehen werden. Sie bildet den äußern Abschluss des Systems in Richtung auf den Beobachter.

[0024] Der IR-Tarnmechanismus dieser Vorrichtung besteht im Zusammenspiel von drei Effekten:
  • Bei geringer Oberflächentemperatur (Nacht, starke Bewölkung mit geringer Sonneneinstrahlung) ist kein Tarnbedarf vorhanden und der Emissionsgrad der Anordnung ist hoch. Die scheinbare Oberflächentemperatur ist der umgebenden Lufttemperatur und damit der des Hintergrunds gut angepasst.
  • Bei solarer Erwärmung nimmt die Vorrichtung mit steigender Temperatur geringere Emissionsgrade an und kompensiert damit die thermische Abstrahlung.
  • Da bei Sonnenschein typischerweise geringe Bewölkung und damit niedrige Himmelstemperaturen vorherrschen, kann das temperaturabhängige Emissionsverhalten der thermorefraktiven Schicht relativ gut voreingestellt werden und somit die Temperaturkompensation sehr effektiv stattfinden.


[0025] Die Erfindung kann jedoch nicht nur zur Tarnung von im wesentlichen horizontaler oder nach oben ausgerichteter Flächen eingesetzt werden. Wie im folgenden näher erläutert werden wird, kann die erfindungsgemäße Lösung vorteilhaft auch bei der Tarnung von im wesentlichen senkrechten Flächen (dies schließt gering zum Himmel geneigte Flächen - bis ca. 25° zur Vertikalen - mit ein) verwendet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Situation bei überwiegend senkrechten Flächenbereichen eine Mischung der Verhältnisse bei horizontalen bzw. nach oben ausgerichteten Flächen einerseits und bei zum Boden geneigten Flächen andererseits ist. Je nach Beobachtungswinkel stammt die reflektierte Wärmestrahlung überwiegend von bodennahen Bereichen oder aus der Himmelsstrahlung. Problematisch ist dabei, dass bereits geringe Änderungen des Beobachtungswinkels (oder äquivalent: geringe Änderung der Flächenneigung, z.B. bei bewegten getarnten Objekten) eine starke Änderung im Verhältnis dieser Anteile bewirken.
Durch geeignete Oberflächenstrukturen kann eine Zerlegung der senkrechten Fläche in zum Boden ausgerichtete und zum Himmel ausgerichtet Teilflächen erfolgt, wobei vorteilhafterweise ein möglichst großer Anteil der an der Tarnvorrichtung reflektierten Strahlung vom Boden und ein möglichst geringer Anteil von der Himmelsstrahlung stammt. Dabei sollten die Reflexionsanteile über einen möglichst großen Neigungs-winkelbereich konstant bleiben. Dies kann durch eine Oberflächenstruktur erreicht werden, die ausschließlich aus zwei Gruppen von Teilflächen besteht, wobei die Teilflächen der ersten Gruppe nach unten ausgerichtet sind und mit der Vertikalen einen Winkel α zwischen 5° und 45° bilden und die Teilflächen der zweiten Gruppe nach oben ausgerichtet sind, und mit der Vertikalen einen Winkel β zwischen 40° und 85° bilden, wobei α+β < 90° ist. Dabei können die Teilflächen innerhalb derselben Gruppe unterschiedliche Winkel α bzw. β aufweisen.
Die nach oben ausgerichteten Teilflächen werden mit einem thermorefraktiven Material, wie oben beschrieben, beschichtet, während die nach unten ausgerichteten Teilflächen mit einem Material mit niedrigem Infrarot-Emissionsgrad beschichtet werden. Typische Werte hierfür sind ε≤ 0,5.

[0026] Eine geometrische Struktur, die diese Eigenschaften aufweist, ist in Fig. 3 gezeigt. Sie besteht aus einer regelmäßigen Folge von Erhebungen mit dreieckigem Querschnitt, deren Hypothenusen (Länge L) im wesentlichen vertikal ausgerichtet ist. Es handelt sich um eine Rillenstruktur mit horizontal ausgerichteten asymmetrischen Rillen. Die Geometrie der Struktur ist durch die Winkel α und β und durch die Strukturgröße L eindeutig festgelegt. Der Winkel ϕ ist der Blickwinkel eines Beobachters zur Horizontalen. Geeignete Wertebereiche für die Winkel α,β sind:

α: [5, 45]; bevorzugt [15,25]

β: [50,85]; bevorzugt [55,70].



[0027] Unter Berücksichtigung der Reflexionsverhältnisse der beiden beobachtbaren Teilflächen bei verschiedenen Winkeln ϕ können die Anteile ermittelt werden, die sich bei unterschiedlichen Winkeln α und β der Struktur ergeben. Fig. 4 zeigt die prozentualen Anteile der vom Boden bzw. Himmel bei verschiedenen Beobachtungswinkeln ϕ reflektierten Strahlung dieser Struktur für eine besonders günstige Geometrie mit α=15° und β=65°. Wie man sieht, sind über einen großen Winkelbereich die reflektierten Anteile, die vom Himmel bzw. vom Boden stammen, annähernd konstant, wobei der Bodenanteil wunschgemäß sehr hoch ist.

[0028] Für maximale Wirksamkeit ist die größere, nach unter gerichtete Teilfläche, die die Bodenanteile reflektiert, mit einer Schicht mit möglichst geringem Emissionsgrad, d.h. maximaler IR-Reflektivität, auszustatten. Die kleinere, nach oben gerichtete Teilfläche reflektiert den Himmel und wird deshalb - wie im weiter oben dargestellten Fall horizontaler Flächen - mit thermorefraktiven Eigenschaften ausgestattet, so dass sich bei heißen Flächen ein niedrigerer Infrarot-Emissionsgrad einstellt, das zu einer gewünschten Absenkung des Strahlungsniveaus der Gesamtanordnung beiträgt.

[0029] Fig. 5 zeigt die Strahlungstemperaturen von zwei Flächen mit gleichem Emissionsvermögen, die bei verschiedenen Beobachtungswinkeln ϕ gemessen wurden, wobei die mit a gekennzeichnete Kurve die Messwerte einer unstrukturierten Fläche und die mit b gekennzeichnete Kurve die Messwerte einer erfindungsgemäßen Struktur wiedergibt. Man erkennt, daß die Strahlungstemperaturen der unstrukturierten Probe ab einem bestimmten Winkel durch Reflexion einer kalten Himmelsfläche stark absinkt, während die strukturierte Probe in der gleichen Strahlungsumgebung wunschgemäß praktisch keine derartige Winkelabhängigkeit zeigt.

[0030] Die Strukturgrößen der Oberflächenstruktur liegen insbesondere zwischen 12µm und 1cm, bevorzugt zwischen 100µm und 1 mm.

[0031] Die Strukturgrößen werden in einer besonders vorteilhaften Ausführung so gewählt, dass sie größer sind als die Wellenlänge von Infrarot-Strahlung und kleiner als die Wellenlänge von Radarstrahlung. Ein hierfür geeigneter Größenbereich ist der zwischen 20µm und 1 mm. Dadurch ist sichergestellt, dass der Radarrückstrahlquer-schnitt durch Mehrfachreflexe nicht negativ beeinflusst wird.

[0032] Zur Erhaltung der visuellen Tarnwirkung kann als äußerer Abschluss der Tarnvorrichtung eine IR-transparente Deckschicht (z.B. eine pigmentierte und mattierte Polyethylenfolie) vorgesehen werden.
Darüber hinaus lassen sich zusätzliche Tarneffekte nach dem Prinzip des Flecken-tarnanstrichs erreichen, in dem auch im Infraroten eine Konturzerreißung eingeführt wird. Dies kann sehr effektiv durch unterschiedliche Dicken der obenliegenden farbgebenden Deckschicht erzeugt werden, so dass bei allen Temperaturzuständen des Systems eine fleckenartige Musterung der Infrarotsignatur überlagert wird.

[0033] Die Herstellung der erfindungsgemäßen (Mikro-)Strukturierung kann je nach Strukturgröße durch verschiedene gängige Verfahren wie Prägen, Fräsen, Gravieren oder photolithographische Verfahren erfolgen. Ein entsprechend strukturiertes Werkzeug kann dann z.B. zur Übertragung der Struktur auf eine - bevorzugt selbstklebende-Kunststoffolie, z.B. durch Heißprägen in einem Kalander, verwendet werden. Eine hohe IR-Reflexion wird durch Metallisieren und einer anschließenden IR-transparenten farbgebenden Deckschicht erzeugt. Eine andere Möglichkeit besteht in einer Lackierung der Struktur mit niedrig emittierendem Tarnlack.

[0034] Bei sehr kleinen Strukturgrößen (L ca. 100µm) ist es auch möglich, eingefärbte Kunststoffolien aus IR-transparenten Materialien (z.B. Polyolefine wie PE,PP) durch Heißprägen mit der Struktur zu versehen und den IR-Reflektor durch rückseitige Metallisierung aufzubringen. Die Strukturierung bewirkt in diesem Fall zusätzlich die notwendige Mattierung zur Reduzierung des visuellen Glanzes der Kunststoffolie.

[0035] Ein Gesamtsystem zur Tarnung eines Objekts unter Einsatz der erfindungsgemäßen Tarnvorrichtung weist somit folgenden Aufbau auf:
  • Die nach unten gerichteten Flächenbereiche des zu tarnenden Objekts werden mit einem Material versehen, das einen niedrigen Infrarot-Emissionsgrad aufweist. Typische Werte hierfür sind ε≤ 0,5.
  • Die nach oben oder horizontal ausgerichteten Flächenbereiche des zu tarnenden Objekts werden mit einem Material versehen, das bei Temperaturerhöhung einen Phasenübergang von einem metallischen Zustand in einen halbleitenden Zustand durchläuft und somit seinen Infrarot-Emissionsgrad ohne äußeren Regelmechanismus an die veränderten Umweltbedingungen anpasst.
  • Auf senkrechten Flächenbereichen des zu tarnenden Objekts bewirkt (Mikro-) Strukturierung die Aufteilung der Fläche in nach oben gerichtete Anteile und nach unten gerichtet Anteile.



Ansprüche

1. Infrarot-Tarnsystem, dadurch gekennzeichnet, dass es ein thermorefraktives Schichtsystem oder ein thermorefraktives Material umfasst, dessen Wärmeemissionsgrad einen negativen Temperaturkoeffizienten aufweist.
 
2. Infrarot-Tarnsystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der negative Temperaturkoeffizient durch einen Phasenübergang von einem nichtmetallischen in einen metallischen Zustand erfolgt.
 
3. Infrarot-Tarnsystem nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Phasenübergangsmaterial aus Vanadiumdioxid besteht, das mit Fremdatomen, z.B. Wolfram, dotiert ist.
 
4. Infrarot-Tarnsystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der negative Temperaturkoeffizient durch einen temperaturabhängigen Streueffekt in einem zusammengesetztem Medium entsteht, dessen Komponenten eine geringe IR-Absorption besitzen und bei Umgebungstemperatur annähernd gleiche Brechungsindices, bei höheren Temperaturen aber zunehmend divergierende Brechungsindices aufweisen.
 
5. Infrarot-Tarnsystem nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Matrixkomponente aus einem festen Polymer besteht und Einlagerungen von festen, wachsartigen oder flüssigen Substanzen enthält.
 
6. Infrarot-Tarnsystem nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sie folgenden Aufbau aufweist:

- einen von dem zu tarnenden Objekt thermisch isolierten Träger mit hohem Infrarot-Emissionsgrad; sowie

- eine Schicht aus dem thermorefraktiven Material, dessen Wärmeemissionsgrad einen negativen Temperaturkoeffizienten aufweist.


 
7. Infrarot-Tarnsystem nach einem der vorangehenden Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass sie folgenden Aufbau aufweist:

- einen von dem zu tarnenden Objekt thermisch isolierten Träger mit hohem Infrarot-Emissionsgrad;

- eine mit dem Träger verklebte Kunststoffschicht, z.B. aus Polyimid;

- eine Schicht aus dem thermorefraktiven Material, dessen Wärmeemissionsgrad einen negativen Temperaturkoeffizienten aufweist.


 
8. Infrarot- Tarnsystem nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass sie eine dem Beobachter zugewandte Oberflächenstruktur aufweist, die ausschließlich aus zwei Gruppen von Teilflächen besteht, wobei die Teilflächen der ersten Gruppe nach unten ausgerichtet sind und mit der Vertikalen einen Winkel α zwischen 5° und 45° bilden und die Teilflächen der zweiten Gruppe nach oben ausgerichtet sind, und mit der Vertikalen einen Winkel β zwischen 50° und 85° bilden, wobei α+β < 90° ist, wobei

- die nach unten ausgerichteten Teilflächen von einem Material mit niedrigem Infrarot-Emissionsgrad gebildet werden;

- die nach oben ausgerichteten Teilflächen von dem thermorefraktiven Material, dessen Wärmeemissionsgrad einen negativen Temperaturkoeffizienten aufweist, gebildet werden.


 
9. Infrarot- Tarnsystem nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass als äußerer Abschluss der Infrarot-Tarnvorrichtung eine Infrarot-transparente, pigmentierte und mattierte Deckschicht aus Kunststoff, z.B. Polyethylen vorhanden ist.
 
10. Infrarot- Tarnsystem nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Deckschicht fleckenartige Bereiche unterschiedlicher Dicken aufweist.
 
11. Verfahren zur Infrarot-Tarnung eines Objekts, dadurch gekennzeichnet, dass die im wesentlichen horizontal oder nach oben ausgerichteten Flächen des zu tarnenden Objekts mittels der Tarnvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 7 versehen werden.
 
12. Verfahren zur Infrarot-Tarnung eines Objekts nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass

- die nach unten ausgerichteten Flächen des zu tarnenden Objekts mit einer Beschichtung aus einem Material mit niedrigem Infrarot-Emissionsgrad versehen werden;

- die im wesentlichen senkrecht ausgerichteten Flächen des zu tarnenden Objekts mit der Tarnvorrichtung nach einem der Ansprüche 8 bis 10 versehen werden.


 




Zeichnung