(19)
(11) EP 1 102 029 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
23.05.2001  Patentblatt  2001/21

(21) Anmeldenummer: 00123832.8

(22) Anmeldetag:  02.11.2000
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7F42B 5/08, F41A 19/58
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 19.11.1999 DE 19955945
18.05.2000 DE 10024464

(71) Anmelder: Dynamit Nobel GmbH Explosivstoff- und Systemtechnik
53840 Troisdorf (DE)

(72) Erfinder:
  • Muskat, Erich, Dr.
    91154 Roth (DE)

(74) Vertreter: Scherzberg, Andreas, Dr. et al
c/o DYNAMIT NOBEL AKTIENGESELLSCHAFT, Patentabteilung
53839 Troisdorf
53839 Troisdorf (DE)

   


(54) Treibladung mit einer Mehrpunktanzündung


(57) Die Erfindung betrifft ein Hochleistungsantrieb mit in einer Hülse (1) angeordnetem Treibladungspulver und einem pyrotechnischen Anzünder (9) zur Anzündung des Treibladungspulvers, wobei der Anzünder (9) einen Anzündsatz (5) und gegebenenfalls eine Verstärkerladung (6) enthält.
Zur Verbesserung der innenballistischen Verhältnisse bei der Anzündung wird vorgeschlagen,
  • daß in der Hülse (1) mehrere Anzünder (9) angeordnet sind,
  • daß alle Anzünder (9) über eine programmierbare elektronische Einheit (10) verfügen, in der eine individuelle Adresse gespeichert ist,
  • daß die Anzünder (9) über eine zwei- oder mehradrige Busleitung (4) mit einem Anzündstück (11) verbunden sind und
  • daß das Anzündstück (11) an einen Feuerleitrechner anschließbar ist.





Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft einen Hochleistungsantrieb mit in einer Hülse angeordnetem Treibladungspulver und einem pyrotechnischen Anzünder zur Anzündung des Treibladungspulvers, wobei der Anzünder einen Anzündsatz und gegebenenfalls eine Verstärkerladung enthält, und ein Verfahren zum Anzünden eines solchen Hochleistungsantriebs.

[0002] Die heute verwendete Anzündung von Treibladungspulver in großkalibriger Munition geschieht überwiegend mittels eines pyrotechnischen Anzünders, welcher axial im Heck der Munition untergebracht ist. Nach Auslösung mittels eines elektrischen oder mechanischen Impulses erfolgt die Umsetzung der pyrotechnischen Anzündmischung und es werden unter großem Druck glühende Partikel in das Treibladungspulverbett verbracht, welche die Treibladung anzünden. Die Anzündschwaden strömen aufgrund der Geometrie des Treibladungsanzünders radial durch Löcher im Metallmantel des Anzünders nach außen. Bei entsprechender Konstruktion hat die Partikelströmung auch eine axiale Komponente. In den meisten Fällen jedoch ist der erste Teil der Anzündung aufgrund der Dimensionen des Ladungsraumes moderner Munition auf den hinteren Teil des Pulverbettes beschränkt.

[0003] Diese Beschränkung kann zu ungünstigen innenballistischen Verhältnissen führen und durch lokale, extreme Drucksteigerungen eine Zerstörung der Rohrwaffe bewirken.

[0004] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen Hochleistungsantrieb nach Anspruch 1 so zu verbessern, daß die innenballistischen Verhältnisse bei der Anzündung wesentlich verbessert sind und dadurch auch kompakte Ladungsaufbauten mit hoher Ladungsdichte sicher anzuzünden sind.

[0005] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe dadurch gelöst,
  • daß in der Hülse mehrere Anzünder angeordnet sind,
  • daß alle Anzünder über eine programmierbare elektronische Einheit verfügen, in der eine individuelle Adresse gespeichert ist,
  • daß die Anzünder über eine zwei- oder mehradrige Busleitung mit einem Anzündstück verbunden sind und
  • daß das Anzündstück an einen Feuerleitrechner anschließbar ist.


[0006] Hierdurch kann das Treibladungspulver gezielt an vorher wählbaren Punkten angezündet werden. Die Anzahl und die zeitliche Abfolge der Anzündungen wird so bestimmt, daß es selbst unter extremen Umweltbedingungen zu keinen ungünstigen innenballistischen Verhältnissen (z. B. negative Differenzgasdrücke) kommen kann.

[0007] In bevorzugter Ausführungsform ist im Anzünder ein Temperatursensor zur Messung der Temperatur des Treibladungspulvers angeordnet.

[0008] Die Abstimmung der Anzündung geschieht durch den Feuerleitrechner, der mit den einzelnen Anzündern über die Busleitung kommuniziert, z. B. die Temperatur an den einzelnen Anzündpunkten mißt und dann nach einem vorher festgelegten Schema über die Anzahl, zeitliche Reihenfolge und räumliche Verteilung der auszulösenden Anzünder bzw. Anzündpunkte entscheidet.

[0009] Vorteilhafterweise sind in der elektronischen Einheit abrufbare Merkmale des Treibladungspulvers gespeichert.

[0010] Die Anzünder sind fest mit der Innenseite der Hülse verbunden und sind in bevorzugter Ausführungsform in auf der Innenseite der Hülse verlaufenden Stegen eingebettet.

[0011] Die Hülse ist entweder voll-, teil- oder unverbrennbar ausgebildet.

[0012] Die Busleitung führt zu einem zentralen Anzündstück, welches bevorzugt in den stirnseitigen Verschlußdeckel der Hülse eingebettet ist.

[0013] Das Anzündstück enthält einen Zündverteiler und eine Kontaktschraube.

[0014] Bevorzugt wird der erfindungsgemäße Hochleistungsantrieb für Panzerbord- oder Artilleriemunition verwendet.

[0015] Ein erfindungsgemäßes Verfahren zum Anzünden eines Hochleistungsantriebs, wie beschrieben, zeichnet sich durch einen oder mehrere der nachfolgend genannten Schritte aus:
  • Ermitteln der Temperatur des Treibladungspulvers und Weiterleitung an den Feuerleitrechner,
  • Auslesen individueller in der elektronischen Einheit 10 gespeicherter Merkmale des Treibladungspulvers und Weiterleitung dieser Daten an den Feuerleitrechner,
  • Bestimmung im Feuerleitrechner der Anzahl und der zeitlichen Abfolge der zu zündenden Anzünder 9 und Programmierung dieser Anzünder (9),
  • Aussenden eines Zündimpulses an die Anzünder 9.


[0016] Die Erfindung ist daher durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

[0017] Im Innenraum der Patrone befinden sich mehrere Anzünder, welche fest mit der Innenseite der Patronenhülse verbunden sind und radial oder unter anderen Winkeln in das Pulverbett anzünden.

[0018] Die Anzünder können in mehreren, entlang der Innenseite der Patrone verlaufenden, Stegen eingebettet sein, um so eine Beschädigung durch Treibladungspulverkörner beim Rütteln der Patrone zu verhindern.

[0019] Die Patronenhülse selbst kann voll-, teil- oder unverbrennbar sein.

[0020] Die Anzündnester sind über eine zwei- oder mehradrige Busleitung mit einem Anzündstück verbunden.

[0021] Im Anzünder befindet sich eine intelligente elektronische Einheit, welche über einen Feuerleitrechner programmiert werden kann. Außerdem enthält jeder Anzünder eine gespeicherte Adresse und einen Temperatursensor. Dadurch kann die Temperatur im Treibladungspulverbett an den Feuerleitrechner weitergegeben werden. Im Speicher des Anzünders können außerdem noch Merkmale des Treibladungspulvers gespeichert werden zur Abfrage und Korrektur des Feuerleitrechners.

[0022] Durch die Busleitung können die Anzünder einzeln angesprochen oder programmiert werden, z.B. ob sie beim Anzündimpuls auslösen oder nicht.

[0023] Besonders eignet sich diese Mehrpunktanzündung für Hochleistungsantriebe, speziell für Panzerbord- und Artilleriemunition.

[0024] Es ist mit dieser Mehrpunktanzündung möglich, sehr kompakte Ladungsaufbauten mit hoher Ladungsdichte anzuzünden, welche durch einen konventionellen Treibladungsanzünder nicht mehr durchdrungen werden können.

[0025] Weitere Merkmale der Erfindung ergeben sich aus den Figuren, die nachfolgend beschrieben sind. Es zeigt:
Fig. 1a
schematisch eine Patronenhülse mit erfindungsgemäßer Mehrpunktanzündung,
Fig. 1b
einen Schnitt quer durch die Patronenhülse nach Fig. 1 a,
Fig. 1c
den Ausschnitt A aus Fig. 1b vergrößert dargestellt und
Fig. 2
einen Ausschnitt ähnlich Fig. 1c mit einzelnen Details.


[0026] Fig. 1b zeigt schematisch in perspektivischer Sicht eine Patronenhülse 1 mit einem Verschlußdeckel 2. Zur besseren Übersicht ist der Verschlußdeckel 2 -auch Stummelhülse genannt- von der Patronenhülse 1 abgezogen.

[0027] Auf der Innenseite der Patronenhülse 1 sind in Umfangsrichtung gleichmäßig verteilt drei Stege 3 angeordnet, die sich in Längsrichtung der Patronenhülse 1 über deren gesamte Länge erstrecken. Bei der Fertigung der Patrone wird die Patronenhülse 1 vollständig mit Treibladungspulver gefüllt, so daß die Stege 3 in das Treibladungspulver hineinragen. In der Figur 1a ist das Treibladungspulver aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht eingezeichnet. In den Stegen sind der Reihe nach einzelne Anzünder 9 für das Treibladungspulver eingebettet.

[0028] Miteinander verbunden sind die Anzünder 9 über eine ein- oder mehradrige Busleitung 4, die von den drei Stegen 3 zu einem Anzündstück 11 im Verschlußdeckel 2 der Patronenhülse 1 führt. Für jeden Steg 3 ist eine Busleitung 4 vorgesehen. Das Anzündstück 11 besteht aus einem Zündverteiler 7 und einer Kontaktschraube 8. Wenn die Patrone verschossen werden soll, wird auf das Anzündstück 11 ein nicht gezeigtes Kontaktelement aufgesetzt, welches mit einem nicht gezeigten Feuerleitrechner elektrisch verbunden ist. Hierdurch steht der Feuerleitrechner mit den einzelnen Anzündern 9 in Verbindung und kann Daten ein- und auslesen.

[0029] Fig. 1 b zeigt einen Schnitt quer durch die Patronenhülse 1 nach Fig. 1a. Es sind gut die drei Stege zu erkennen, die um 120 ° versetzt zueinander angeordnet sind und in denen die Anzünder 9 eingebettet sind.

[0030] Fig. 1c zeigt den Ausschnitt A aus Fig. 1b vergrößert dargestellt mit schematisch eingezeichnetem Anzünder 9. Ein Anzünder 9 besteht aus einem Anzündsatz 5 und gegebenenfalls einer Verstärkerladung 6. Mit dem Bezugszeichen 4 ist die Busleitung angedeutet. Nicht gezeigt ist die elektronische Einheit.

[0031] Fig. 2 zeigt einen Ausschnitt ähnlich Fig. 1c, jedoch mit einzelnen Details.

[0032] Erfindungsgemäß ist in jedem Anzünder 9 eine elektronische Einheit 10 angeordnet, z. B. ein Chip mit integrierter Schaltung oder eine Platine mit elektronischen Bauelementen. Die Busleitung 4 ist mit dieser elektronischen Einheit 10 verbunden. Auf dieser Einheit 10 oder in dieser ist ein Zündelement angeordnet, welches bei der Anzündung den Anzündsatz 5 anzündet, der wiederum die Verstärkerladung 6 anzündet. Die dadurch erzeugten Anzündschwaden zünden dann das Treibladungspulver an.

[0033] Nicht gezeigt ist, daß in der elektronischen Einheit 10 ein Temperatursensor angeordnet ist oder ein Temperatursensor mit der Einheit 10 verbunden ist. Außerdem ist nicht gezeigt, daß in der Einheit 10 Merkmale des Treibladungspulvers gespeichert werden können.

[0034] Vor der Anzündung überprüft der Feuerleitrechner die Temperatur an den Anzündpunkten und bestimmt daraus, welche Anzünder 9 angezündet werden sollen oder nicht. Der Feuerleitrechner programmiert anschließend die Anzünder 9 bzw. die einzelnen elektronischen Einheiten 10 entsprechend. Wird bei der Anzündung ein Zündimpuls ausgesendet, werden dann nur die gewünschten Anzünder 9 angezündet.


Ansprüche

1. Hochleistungsantrieb mit in einer Hülse (1) angeordnetem Treibladungspulver und einem pyrotechnischen Anzünder (9) zur Anzündung des Treibladungspulvers, wobei der Anzünder (9) einen Anzündsatz (5) und gegebenenfalls eine Verstärkerladung (6) enthält, dadurch gekennzeichnet,

- daß in der Hülse (1) mehrere Anzünder (9) angeordnet sind,

- daß alle Anzünder (9) über eine programmierbare elektronische Einheit (10) verfügen, in der eine individuelle Adresse gespeichert ist,

- daß die Anzünder (9) über eine zwei- oder mehradrige Busleitung (4) mit einem Anzündstück (11) verbunden sind und

- daß das Anzündstück (11) an einen Feuerleitrechner anschließbar ist.


 
2. Hochleistungsantrieb nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß im Anzünder (9) ein Temperatursensor zur Messung der Temperatur des Treibladungspulvers angeordnet ist.
 
3. Hochleistungsantrieb nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß in der elektronischen Einheit (10) abrufbare Merkmale des Treibladungspulvers gespeichert sind.
 
4. Hochleistungsantrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Anzünder (9) fest mit der Innenseite der Hülse (1) verbunden sind.
 
5. Hochleistungsantrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Anzünder (9) in auf der Innenseite der Hülse (1) verlaufenden Stegen (3) eingebettet sind.
 
6. Hochleistungsantrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Hülse (1) voll-, teil- oder unverbrennbar ausgebildet ist.
 
7. Hochleistungsantrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß das Anzündstück (11) in den stirnseitigen Verschlußdeckel (2) der Hülse (1) eingebettet ist.
 
8. Hochleistungsantrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß das Anzündstück (11) einen Zündverteiler (7) und eine Kontaktschraube (8) enthält.
 
9. Hochleistungsantrieb nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Hochleistungsantriebe für Panzerbord- oder Artilleriemunition verwendet werden.
 
10. Verfahren zum Anzünden eines Hochleistungsantriebs nach einem der Ansprüche 1 bis 9, gekennzeichnet durch einen oder mehrere der nachfolgend genannten Schritte:

- Ermitteln der Temperatur des Treibladungspulvers und Weiterleitung an den Feuerleitrechner,

- Auslesen individueller in der elektronischen Einheit (10) gespeicherter Merkmale des Treibladungspulvers und Weiterleitung dieser Daten an den Feuerleitrechner,

- Bestimmung im Feuerleitrechner der Anzahl und der zeitlichen Abfolge der zu zündenden Anzünder (9) und Programmierung dieser Anzünder (9),

- Aussenden eines Zündimpulses an die Anzünder (9).


 




Zeichnung