[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Wärmebehandeln von Draht, wobei das Walzgut
zu Bunden gehaspelt oder gespult oder mittels eines Windungslegers in Windungsform
gebracht wird. Zudem betrifft die Erfindung eine Anlage zur Durchführung des Verfahrens.
[0002] Zur Herstellung von Draht in Abmessungsbereichen von 5 bis 60 mm Durchmesser wird
üblicherweise das langformatiges Walzprodukt nach dem Walzen zu einem Bund gehaspelt
- sogenanntes Garret-Haspeln -, zu Bunden aufgespult oder mit Hilfe eines Windungslegers
in Windungsform überführt, die Windungen auf Transportrollen oder -ketten abgelegt
und am Ende dieser Transporteinrichtung zu einem Bund gesammelt.
[0003] Aufgrund der im Haspel oder in der Spule stattfindenden Abkühlung des Materials treten
wegen der unterschiedlichen Abkühlbedingungen innerhalb des Bundes Festigkeitsunterschiede
über die Stablänge auf. Diese Festigkeitsunterschiede werden nach bekannten Verfahren
entweder in einer nachfolgenden Wärmebehandlung im Bund kompensiert oder nach der
Weiterverarbeitung durch ein Vergüten des Endproduktes beseitigt.
[0004] In der DE 28 30 153 A1 ist ein Verfahren zum Wärmebehandeln von zu Ringen gehaspeltem
Draht oder Band beschrieben. Das Walzprodukt wird hierzu gehaspelt und in Haspelform
abgekühlt. Vor dem Wärmebehandeln wird der Draht oder das Band dann auf die vorgesehene
Temperatur, in der Regel (bei Stahl) die Austenitisierungstemperatur, gebracht. Die
austenitisierten Ringe werden schließlich unter Erregung zu Resonanzschwingungen gehärtet
und anschließend angelassen.
[0005] Insgesamt besteht aber bei derartigen Verfahren nach wie vor das Problem, daß die
Abkühlung ungleichmäßig erfolgt und der Draht in der Bundmitte erheblich langsamer
abkühlt als am Rand. Dadurch bilden sich an den Drahtwindungen im Inneren des Bundes
oder der Wicklung dickere Zunderschichten als an den Randwindungen. Bei dem vor einer
Weiterverarbeitung der Drahtprodukte notwendig werdenden Beizprozeß müssen auch die
inneren Windungen von den Zunderschichten befreit werden, was mit der Gefahr verbunden
ist, daß die äußeren, zunderärmeren Drahtwindungen von der Beizsäure zu stark angegriffen
und beschädigt werden.
[0006] Aus der EP 0 849 369 A2 ist ein Verfahren zur Wärmebehandlung von Draht oder Stabstahl
bekannt, bei dem das Walzgut aus der Walzhitze kommend in einem Korb gehaspelt oder
mittels eines Windungslegers in Windungen auf ein Förderband abgelegt und am Ende
dieses Fördermittels über einen Dorn zu einem Bund gesammelt wird, wobei zur Vermeidung
von Schwankungen beim Abkühlen im Haspel oder als Windung und damit verbundenen inhomogenen
mechanischen Eigenschaften vorgeschlagen wird, bereits vor dem Wickeln oder Windungslegen
die Kühlung aus der Walzhitze bis in den Umwandlungsbereich zu führen, der durch die
Ar
3- bzw. Ar
1-Linie gekennzeichnet ist. Diese Kühlung wird so geregelt, daß die Oberfläche des
Walzgutes nicht unterkühlt und somit in den Bereich der Martensitbildung gelangt,
um unerwünschte Härteflecken auf der Walzgutoberfläche zu vermeiden. Nach dem aus
der EP 0 849 369 A2 bekannten Verfahren soll das Walzgut aus der Austenit-Phase nahezu
isothermisch in die Ferrit/Perlit-Phase umwandeln.
[0007] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Wärmebehandlung von Draht
sowie eine Anlage zur Durchführung des Verfahrens der gattungsgemäßen Art bereitzustellen
zur Weiterentwicklung bekannter Verfahren und Anlagen, wobei der Draht bereits vor
der Weiterverarbeitung zum Endprodukt vergütet wird und insgesamt eine ungleichmäßige
Gefügeausbildung über die Walzlänge und damit ungleichmäßige mechanische Eigenschaften
vermieden werden.
[0008] Zur Lösung dieser Aufgabe wird ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 sowie
eine Anlage mit den Merkmalen des Anspruchs 10 vorgeschlagen. Vorteilhafte Weiterentwicklungen
sind in den Unteransprüchen sowie der nachfolgenden Beschreibung offenbart.
[0009] Der Erfindung liegt der Gedanke zugrunde, daß zum Vergüten des Drahtes bereits das
noch langformatige, d.h. noch nicht gewickelte, Walzgut unmittelbar aus der Walzhitze
kommend auf eine Temperatur unterhalb Martensitstarttemperatur abgekühlt wird. Die
Martensitstarttemperatur ist die Temperatur, bei der die Martensitumwandlung einsetzt.
Sie wird durch steigende Kohlenstoffgehalte und Legierungszusätze merklich beeinflußt
und ist somit von der speziellen Legierungszusammensetzung abhängig. Erst nach dem
Vergütungsschritt Abschrecken wird das Walzgut dann gehaspelt, gespult oder in Windungen
gelegt. Anschließend erfolgt der Anlaßvorgang des Vergütens.
[0010] Ein Vergütungsprozeß setzt sich bekanntermaßen aus drei Teilschritten zusammen, dem
Austenitisieren eines Werkstoffs, d.h. das Auf- und Durchwärmen des Werkstücks und
Homogenisierung des Gefüges, dem Abschrecken zur Einstellung eines Härtegefüges sowie
dem Anlassen zur Verbesserung der Zähigkeitseigenschaften. Im vorgeschlagenen Verfahren
entfällt ein Austenitisieren, da der Draht direkt aus der Walzhitze kommend abgekühlt
wird. Es ist erkannt worden, daß es auch möglich ist, den Draht selbst im gehärteten
Zustand in Windungen zu legen und dann anzulassen.
[0011] Dies wird insbesondere durch solche Abkühlbedingungen erreicht, daß das Walzgut auf
eine Temperatur unterhalb der Martensitstarttemperatur, aber oberhalb Martensitfinishtemperatur
gekühlt wird und daß Gefüge noch Restaustenit aufweist. Dann schließt sich der Wickelvorgang
an bei oder mit anschließendem isothermischen Halten, vorzugsweise unter Hauben. In
Abhängigkeit von der Haltezeit wird der verbleibende Restaustenit diffusiongesteuert
oder bei erneutem beschleunigten Abkühlen in Martensit umwandeln. Durch das Halten
kommt es im anfänglich gebildeten Martensit zu Gefügeentspannungen. Wird der Draht
nur bis kurz unter die Martensitstarttemperatur gekühlt und dann gewickelt oder in
Windungen gelegt, so kann die Umwandlung des Restaustenits in Martensit im Bund erfolgen.
Das so gebildete Martensitgefüge ist nicht tetragonal verspannt, wie es bei beschleunigter
Abkühlung unter die Martensitfinishtemperatur der Fall wäre. Durch die verzögerte
Abkühlung nach dem Erreichen der Martensitstarttemperatur kann der Restkohlenstoff
diffundieren und der entstehende Martensit eigenspannungsarm in kubischen Martensit
umwandeln. Hierdurch werden Mikroanrisse im Gefüge vermieden, was vor allem die Dauerwechselfestigkeit
des Werkstoffs erheblich verbessert, beispielsweise bei dem 50 CrV4.
[0012] Zudem ist es von Vorteil, daß bei Stählen mit voreutektoider Karbidausscheidung -
beispielsweise dem 90 MnCrV8 oder X36Mo17 - aufgrund der hohen Abkühlgeschwindigkeit
diese Karbidausscheidungen an den Korngrenzen unterdrückt werden. Dadurch wird die
Zähigkeit des Werkstoffs deutlich gesteigert. Sollte es dennoch aufgrund eines sehr
hohen Ausscheidungspotentials zu Ausscheidungen kommen - beispielsweise bei hohem
C-Gehalt -, sind diese Ausscheidungen extrem fein und damit im wesentlichen unschädlich.
Grund ist das extrem feine Austenitausgangskorn, das gegenüber dem konventionellen
Vergütungsverfahren eine etwa 10-fach größere Kornoberfläche aufweist.
[0013] Vorzugsweise wird der Effekt ausgenutzt, daß der bei der Abkühlung in der Randschicht
des langformatigen Walzgutes gebildete Martensit durch die Restwärme im Kern bereits
selbstangelassen wird. Der verbleibende Restaustenit wandelt später im Bund zu Martensit
um. Auf die vorteilhaften Eigenschaften, insbesondere die reduzierte Gefahr einer
Rißbildung, des geringer verspannten Härtegefüges wurde bereits hingewiesen.
[0014] Vorteilhafterweise wird die Abkühlung auf eine Temperatur unterhalb der Martensitstarttemperatur
- d.h. das Abschrecken - nach dem Fertigstich im Walzgerüst und vor Beginn der statischen
Rekristallisation des Walzgefüges durchgeführt. Hierbei wirkt sich das extrem feine
Austenitkom nach dem Fertigstich, wobei die letzten Walzstiche vorzugsweise bei abgesenkten
Endwalztemperaturen stattfinden, bereits vorteilhaft auf die Zähigkeitseigenschaften
aus.
[0015] Zudem wird vorgeschlagen, daß der beim Walzprozeß entstandene und beim Abkühlen ebenfalls
abgeschreckte Sekundärzunder durch erfolgtes Anbrechen beim Wickeln oder Windungslegen
bereits mechanisch vor einem sich ggfs. anschließenden Beizvorgang entfernt wird.
Das Problem der Zunderbildung im Bund entfällt, da bei dem Abschreckvorgang das Material
auf Temperaturen < 400°C gekühlt wird. Bei diesen Temperaturen bildet sich kein Zunder.
Damit entfällt der oben beschriebene Nachteil, daß es beim Beizen zum sicheren Entzundern
der inneren Windungen zum Überbeizen der Außenwindungen kommen kann.
[0016] Da nach dem vorgeschlagenen Verfahren aus der Walzhitze kommend direkt abgeschreckt
wird, werden Randentkohlungen des Drahtmaterials vermieden, die bei einem Wiedererwärmen
auf Austenitisiertemperatur und damit notwendigen hohen Ofentemperaturen auftreten
und sich negativ auf das Endprodukt auswirken.
[0017] Zudem wird einer mit einem Austenitisieren verbundenen Grobkornbildung entgegengewirkt.
Da die Abkühlung bzw. der Abschreckvorgang das Drahtes unmittelbar aus der Walzhitze
erfolgt, vorzugsweise vor der statischen Rekristallisation, ist das Austenitkom erheblich
kleiner als bei einem Abschrecken nach einem Abkühlen aus der Walzhitze mit Wiedererwärmen
auf Austenitisiertemperatur. Die Unterschiede liegen ungefähr zwischen 9-10 ASTM zu
6-7 ASTM jeweiliger Korngröße. Durch das Gefüge mit feinerer Korngröße werden neben
den Festigkeitseigenschaften des Werkstoffs auch die Zähigkeitseigenschaften erheblich
verbessert.
[0018] Schließlich weist das erfindungsgemäß vorgeschlagene Verfahren auch umweltschonende
Aspekte auf. Stähle für Kaltmassivumformung - mit Bor legiert - werden üblicherweise
im Salzbad isotherm umgewandelt, um ein kaltumformbares Gefüge zu erzeugen. Neben
dabei auftretenden Festigkeitsschwankungen über die Drahtlänge ist das Salzbad sehr
umweltschädlich. Bei Anwendung des erfindungsgemäß vorgeschlagenen Verfahrens kann
auf die Salzbad-Behandlung verzichtet werden, weil die Stahlsorten aus der Walzhitze
kommend unter die Martensitstarttemperatur gekühlt werden und anschließend im Bund
umwandeln.
[0019] Zudem wird eine Anlage zur Durchführung des Verfahrens vorgeschlagen mit einem Walzgerüst
sowie nachgeordneter Einrichtung zum Haspeln des Walzgutes oder Einrichtung zum Windungslegen
neben Fördereinrichtung der Windungen und Sammelstation zu einem Bund mittels eines
Dorns, sowie einer Kühlstrecke, die dem Walzgerüst unmittelbar online nachgeordnet
ist, zum definierten Abkühlen des langformatigen Walzgutes unterhalb die Martensitstarttemperatur,
und einem Anlaßofen, der der Haspeleinrichtung oder Windungslegereinrichtung nachgeordnet
ist. Dieser Anlaßofen kann aufgrund des feinkörnigen Gefüges und der noch im Bund
vorhandenen Restwärme erheblich kürzer ausfallen als der bei den herkömmlichen Vergütungsverfahren
erforderliche.
[0020] Das erfindungsgemäße Verfahren findet bevorzugt Anwendung zur Wärmebehandlung des
50 Cr V4 sowie vergütbarer Stähle mit voreutektoider Karbidausscheidung, wie 90 MnCr
V8 oder X 36 CrMo 17, oder borhaltiger Stähle mit anschließender Kaltumformung für
Federn, Schrauben, Formteilen etc. Gerade die borhaltigen Stähle für die Kaltmassivumformung
können nun aus der Walzhitze vergütet werden. Sie weisen nach dem Kaltumformen ohne
ein zusätzliches Vergüten die gewünschte Festigkeit auf.
1. Verfahren zum Wärmebehandeln von Draht, wobei das Walzgut zu Bunden gehaspelt oder
gespult oder mittels eines Windungslegers in Windungsform gebracht wird,
dadurch gekennzeichnet,
daß zum Vergüten des Drahtes bereits das noch langformatige Walzgut unmittelbar aus
der Walzhitze kommend auf eine Temperatur unterhalb der Martensitstarttemperatur abgekühlt
wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Walzgut nach dem Abkühlvorgang gehaspelt, gespult oder in Windungen gelegt
wird und nachfolgend angelassen wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 und 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Walzgut auf eine Temperatur kurz unterhalb der Martensitstarttemperatur und
oberhalb der Martensitfinish-Temperatur gekühlt wird, so daß das Gefüge noch Restaustenit
aufweist, und sich dann der Wickelprozeß anschließt.
4. Verfahren nach Anspruch 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Walzgut nach Abkühlen auf eine Temperatur unterhalb der Martensitstarttemperatur
unter Hauben geführt wird.
5. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß der bei der Abkühlung in der Randschicht des langformatigen Walzgutes gebildete
Martensit durch die Restwärme im Kern bereits selbstangelassen wird.
6. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Abkühlung auf eine Temperatur unterhalb der Martensitstarttemperatur nach
dem Fertigstich im Walzgerüst und vor Beginn der statischen Rekristallisation des
Walzgefüges durchgeführt wird.
7. Verfahren nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß die letzten Walzstiche bzw. der Fertigstich im Walzgerüst zur Einstellung eines
feinkörnigen Walzgefüges bei im Verhältnis niedrigen Endwalztemperaturen stattfinden.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Abkühlung des Walzgutes aus der Walzhitze mittels einer Wasserkühlung vorgenommen
wird.
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß der beim Walzprozeß entstandene und beim Abkühlen ebenfalls abgeschreckte Sekundärzunder
durch erfolgtes Anbrechen beim Wickeln oder Windungslegen bereits mechanisch vor einem
sich ggfs. anschließenden Beizvorgang entfernt wird.
10. Anlage zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 mit einem Walzgerüst sowie
nachgeordneter Einrichtung zum Haspeln des Walzgutes oder Einrichtung zum Windungslegen
neben Fördereinrichtung der Windungen und Sammelstation zu einem Bund mittels eines
Dorns,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Anlage weiterhin umfaßt:
eine Kühlstrecke, die dem Walzgerüst unmittelbar nachgeordnet ist, zum definierten
Abkühlen des langformatigen Walzgutes unterhalb die Martensitstarttemperatur,
einen Anlaßofen, der der Haspeleinrichtung oder Windungslegereinrichtung nachgeordnet
ist.
11. Anlage nach Anspruch 10,
weiterhin umfassend einen sich an die Kühlstrecke anschließenden Haubenofen.
12. Verwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 9 zur Herstellung von Drahtprodukten
aus vergütbaren Stählen mit voreutektoider Karbidausscheidung, wie 90 MnCr V8 oder
X 35 CrMo 17, oder aus borhaltigen Stählen mit anschließender Kaltumformung.