[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Wärmebehandlung metallischer Werkstücke,
insbesondere zum Nitrieren oder Nitrocarburieren von legierten Eisenwerkstoffen, wie
höher legierten Stählen. Die Erfindung bezieht sich ferner auf die Verwendung einer
Vorrichtung zur Durchführung eines solchen Verfahrens.
[0002] Zum Erzeugen von definierten Werkstückeigenschaften, wie etwa einer hohen Verschleißfestigkeit
oder ausreichender Korrosionsbeständigkeit, werden metallische Werkstücke einer thermochemischen
Wärmebehandlung unterzogen. Das Ergebnis der Wärmebehandlung ist etwa beim Nitrieren
oder Nitrocarburieren die Anreicherung der Randschicht der Werkstücke mit Stickstoff
und/oder Kohlenstoff, um hierdurch den Werkstücken die geforderten mechanischen und
chemischen Eigenschaften an der Oberfläche und im Randbereich zu verleihen.
[0003] Beim Nitrieren, zum Beispiel in einer ammoniakhaltigen Gasatmosphäre, erfolgt die
Anreicherung der Randschicht mit Stickstoff dadurch, dass der in einem Reaktionsgas
enthaltene Ammoniak (NH
3) bei Temperaturen von in der Regel über 500 °C unter der katalytischen Wirkung der
Oberfläche der zu nitrierenden Werkstücke in Stickstoff (N) und Wasserstoff (H) zerfällt.
Hierbei wird an der Werkstückoberfläche das Ammoniakmolekül adsorbiert und stufenweise
abgebaut, wodurch der benötigte Stickstoff in atomarer Form freigesetzt wird und zur
Lösung im Eisen sowie zur Bildung von Eisennitrid (Fe
xN) zur Verfügung steht. Beim Nitrocarburieren findet darüber hinaus eine gleichzeitige
Anreicherung der Randschicht mit Kohlenstoff statt. Atomarer Kohlenstoff (C) diffundiert
dabei in analoger Weise durch die Werkstückoberfläche in die Randschicht ein.
[0004] Von besonderer Bedeutung hinsichtlich der geforderten Eigenschaften der behandelten
Werkstücke ist im Allgemeinen die Randschicht, die neben hexagonalem ε-Nitrid (Fe
2-3N) auch kubisch-flächenzentriertes γ'-Nitrid (Fe
4N) und darüber hinaus Nitride von nitridbildenden Legierungselementen, wie zum Beispiel
Chrom-, Molybdän-, Mangan-, Titan-, Niob- Wolfram-, Vanadium- oder Aluminiumnitrid,
aufweisen kann.
[0005] Vor allem bei chrom- und/oder nickellegierten Eisenwerkstoffen treten mit zunehmendem
Gehalt der Legierungselemente verstärkt Passivierungserscheinungen auf, die sich zum
Beispiel in einer lokal unterschiedlichen Härteannahme, der sogenannten Weichfleckigkeit,
zeigen. Die Passivierung erschwert den zuvor geschilderten Stickstoffübergang aus
der Gasphase in den Werkstoff mit der Folge, dass das Nitrier- bzw. Nitrocarburierergebnis
nachhaltig beeinträchtigt wird.
[0006] Im Stand der Technik sind daher eine Reihe von Verfahrensweisen bekannt, um den Oberflächenzustand
von Werkstücken im Hinblick auf ein verbessertes Nitrier-bzw. Nitrocarburierergebnis
zu beeinflussen. So wird beispielsweise schon in einer Artikelserie von Sidan, H:
Nitrieren von rost- und säurebeständigen Stählen, Technische Rundschau (1966) 24 S.
913 ff., Technische Rundschau (1966) 28 S. 3 - 7, Technische Rundschau (1966) 42 S.
33 - 37 und 45 aufgezeigt, dass eine zufriedenstellende Nitrierung höherlegierter
und damit zur Passivierung neigender Eisenwerkstoffe eine Zerstörung der Passivschicht
voraussetzt. Weitere bekannte Maßnahmen sind zum Beispiel die Voroxidation oder das
Oxinitrieren. Bei letzterem wird einem Reaktionsgas ein Sauerstoffträger zugesetzt,
wodurch sich eine äußere Oxidation der behandelten Werkstücke ergibt. In Abhängigkeit
von der Zusammensetzung des verwendeten Reaktionsgases bilden sich dabei im weiteren
Verlauf des Nitrierens Fe
3O
4-Schichten, die für Stickstoff durchlässig sind und zu einer Zerstörung etwaiger Passivschichten
führen. Die Nutzung der aktivierenden Wirkung oxidierender Gase auf die Stickstoffaufnahme
höherlegierter Eisenwerkstoffe, wie etwa nichtrostende Stähle, schildern zum Beispiel
Spies et al. in ihrem Artikel: Gasoxinitrieren hochlegierter Stähle, HTM 52 (1997)
6, S. 342 - 349. Dagegen schlagen Stiles et al. in ihrem Aufsatz: Beschleunigung des
Gasnitrierprozesses durch eine Vorbehandlung in der reaktiven Gasphase, HTM 53 (1998)
4, S. 211 bis 219 vor, hochchromhaltige Stähle unter Sauerstoffausschluss in einer
reduzierenden Atmosphäre aufzuheizen.
[0007] Nachteilig bei all diesen Maßnahmen ist allerdings, dass entweder die durch Nitrieren
oder Nitrocarburieren erzeugte Nitrierschicht sich als nicht oder zumindest nicht
ausreichend gleichmäßig erweist oder dass Bedingungen zur Bildung der Nitrierschicht
erforderlich sind, die in technischer Hinsicht nicht oder nur mit hohem Aufwand zu
realisieren sind.
[0008] Der Erfindung liegt die
Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Wärmebehandlung metallischer Werkstücke zu schaffen,
bei dem sich auch bei aus höherlegierten Eisenwerkstoffen bestehenden Werkstücken
eine weitgehend gleichmäßige Nitrierschicht erzielen lässt.
[0009] Diese Aufgabe ist bei einem Verfahren der eingangs genannten Art erfindungsgemäß
durch folgende Verfahrensschritte
gelöst :
a) Erwärmen der Werkstücke in einem Nitrierofen auf eine Temperatur zwischen 400 °C
und 500 °C in einer ammoniakhaltigen Gasatmosphäre;
b) fortgesetztes Erwärmen der Werkstücke auf eine Temperatur zwischen 500 °C und 700
°C in einer Ammoniak und ein zugesetztes Oxidationsmittel enthaltenden Gasatmosphäre;
c) Halten der Werkstücke bei dieser Temperatur und in dieser Gasatmosphäre für eine
Zeitdauer zwischen 0,1 h und 5 h;
d) fortgesetztes Halten der Werkstücke bei dieser Temperatur für eine Zeitdauer zwischen
1 h und 100 h in einer Ammoniak oder Ammoniak und einen kohlenstoffabgebenden Stoff
enthaltenden Gasatmosphäre und
e) Abkühlen der Werkstücke auf Raumtemperatur.
[0010] Ein solches Verfahren macht sich die überraschende Erkenntnis zu Eigen, dass sich
eine weitgehend gleichmäßige Nitrierschicht dann erreichen lässt, wenn die Werkstücke
vor der eigentlichen Wärmebehandlung im Verfahrensschritt d, beispielshalber Nitrieren
oder Nitrocarburieren, zunächst nur in einer ammoniakhaltigen Gasatmosphäre angewärmt
und dann in einer zusätzlich ein Oxidationsmittel enthaltenden Gasatmosphäre auf die
Behandlungstemperatur, beispielsweise die Nitriertemperatur, erwärmt und anschließend
für eine gewisse Dauer bei dieser Temperatur gehalten werden mit der Folge, dass möglicherweise
bei hochlegierten Werkstoffen vorhandene Passivschichten beseitigt oder so umgewandelt
werden, dass eine gleichmäßige Diffusion des Stickstoffs in den Werkstoff begünstigt
wird. Die Temperatur, auf die in den jeweiligen Verfahrensschritten erwärmt wird,
und die Zeitdauer für die die Werkstücke in den jeweiligen Gasatmosphären gehalten
werden, richten sich dabei nach der Zusammensetzung des Reaktionsgases und dem Werkstoff
der zu behandelnden Werkstücke sowie dem angestrebten Behandlungserfolg.
[0011] Als besonderes vorteilhaft hat sich herausgestellt, als Oxidationsmittel Luft, Kohlendioxid
(CO
2), Wasserdampf (H
2O)
D oder Stickstoffdioxid (N
2O) zuzusetzen. Zweckmäßigerweise beträgt dabei das Verhältnis der Mengen von Ammoniak
und dem Oxidationsmittel in der Gasatmosphäre zwischen 1 : 1 und 5 : 1, wenn Luft
als Oxidationsmittel eingesetzt wird, und zwischen 1 : 0,1 und 1 : 1, wenn Kohlendioxid,
Wasserdampf oder Stickstoffdioxid als Oxidationsmittel eingesetzt werden.
[0012] Eine besonders vorteilhafte Verfahrensführung ist ferner dann gegeben, wenn die Zeitdauer
beim fortgesetzten Halten der Werkstücke in einer Ammoniak bzw. Ammoniak und den kohlenstoffabgebenden
Stoff enthaltenden Gasatmosphäre in Abhängigkeit von der angestrebten Dicke der anzureichernden
Randschicht gewählt wird.
[0013] Im Hinblick auf eine den geforderten Werkstückeigenschaften entsprechende Verfahrensführung
kann es außerdem zweckdienlich sein, dass als kohlenstoffabgebender Stoff Kohlendioxid,
Kohlenmonooxid oder Kohlenwasserstoffe einzeln oder als Gemisch eingesetzt werden.
Mit der Erfindung wird außerdem vorgeschlagen, dass die Werkstücke in einer reduzierenden
oder neutralen Gasatmosphäre, beispielsweise aus einem Endogas oder Stickstoff bestehend,
oder in einem flüssigen Abschreckmedium auf Raumtemperatur abgekühlt werden, um eine
in wirtschaftlicher Hinsicht günstige Verfahrensweise sicherzustellen.
[0014] Schließlich wird die Verwendung einer Vorrichtung zur Durchführung eines solchen
Verfahrens vorgeschlagen, die aus einem Wärmebehandlungsofen mit einem beheizbaren,
gasdichten Innenraum zum Nitrieren oder Nitrocarburieren von metallischen Werkstücken
und mit einer Einrichtung zum dosierten Zugeben von Ammoniak, einem kohlenstoffabgebenden
Stoff und einem Oxidationsmittel besteht.
[0015] Einzelheiten und weitere Vorteile der Gegenstände der vorliegenden Erfindung ergeben
sich aus der nachfolgenden Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispieles. In
der zugehörigen Zeichnung veranschaulichen im Einzelnen:
- Fig. 1
- ein das Gefüge einer Werkstückprobe nach einer konventionellen Nitrierbehandlung zeigendes
Schliffbild und
- Fig. 2
- ein Fig. 1 entsprechendes Schliffbild einer nach dem erfindungsgemäßen Verfahren behandelten
Werkstückprobe.
[0016] In den Fig. 1 und 2 ist das sich nach metallographischer Prüfung bei 200facher Vergrößerung
ergebende Ergebnis zweier nitrierter Werkstückproben dargestellt. Zur vergleichenden
Analyse der Gleichmäßigkeit der erzeugten Nitrierschichten wurden die beiden identischen
Werkstückproben der Stahlsorte X 30 Cr 13 (Werkstoff-Nr. 1.4028) in einer ammoniakhaltigen
Gasatmosphäre eines Kammerofens, dessen Ofenraum zuvor bei Raumtemperatur mit einem
Endogas gespült wurde, bei einer Nitriertemperatur von ca. 580 °C nitriert.
[0017] Die in Fig. 1 gezeigte erste Werkstückprobe wurde hierbei zunächst in einer endogashaltigen
Gasatmosphäre auf eine Temperatur von ca. 450 °C vorgewärmt und anschließend in einem
aus 50 Vol.-% Ammoniak (NH
3) und 50 Vol.-% Endogas bestehenden Reaktionsgas auf die Nitriertemperatur von ca.
580 °C erwärmt. Nach ca. 240 min, während denen die Werkstückprobe bei dieser Temperatur
der Gasatmosphäre ausgesetzt war, wurde die Werkstückprobe in einer endogashaltigen
Gasatmosphäre auf Raumtemperatur abgekühlt.
[0018] Im Vergleich hierzu wurde die in Fig. 2 dargestellte zweite Werkstückprobe zunächst
in einer ammoniakhaltigen Gasatmosphäre auf eine Temperatur von ca. 450 °C vorgewärmt
und anschließend in einem ammoniakhaltigen Reaktionsgas, dem Luft als Oxidationsmittel
im Verhältnis 3,5 (Ammoniak) : 1 (Luft) zugesetzt war, auf die Nitriertemperatur von
ca. 580 °C erwärmt. Bei dieser Temperatur und in dieser Gasatmosphäre wurde die Werkstückprobe
sodann für eine Dauer von ca. 1,5 h gehalten. Danach wurde die Gasatmosphäre ausgetauscht
und die Werkstückprobe bei 580 °C einem Reaktionsgas mit der Zusammensetzung 50 Vol.-%
Ammoniak (NH
3) und 50 Vol.-% Endogas für ca. 4 h ausgesetzt, um die angestrebte Nitriertiefe von
ca. 80 µm zu erreichen. Zum Schluss wurde die zweite Werkstückprobe dann ebenfalls
in einer endogashaltigen Gasatmosphäre auf Raumtemperatur abgekühlt.
[0019] Die Gegenüberstellung der in der Zeichnung gezeigten Schliffbilder zeigt, dass das
in Fig. 1 dargestellte, durch herkömmliches Nitrieren erzeugte Gefüge der ersten Werkstückprobe
im Bereich von 0 µm bis 40 µm Abstand vom Rand eine ungleichmäßige Nitrierschicht
aufweist, während die nach der letztgeschilderten Verfahrensweise erzeugte Nitrierschicht
der zweiten Werkstückprobe weitgehend gleichmäßig ausgebildet ist.
[0020] Mithin lassen sich im zuletzt dargestellten Fall bei höherlegierten Eisenwerkstoffen,
etwa nichtrostende Stähle, deren hohe Korrosionsbeständigkeit untrennbar mit einer
Oberflächenpassivierung verbunden ist, auf verhältnismäßig einfache Art und Weise
bessere Behandlungsergebnisse erzielen.
1. Verfahren zur Wärmebehandlung metallischer Werkstücke, insbesondere zum Nitrieren
oder Nitrocarburieren von legierten Eisenwerkstoffen, bestehend aus folgenden Verfahrensschritten:
a) Erwärmen der Werkstücke in einem Nitrierofen auf eine Temperatur zwischen 400 °C
und 500 °C in einer ammoniakhaltigen Gasatmosphäre;
b) fortgesetztes Erwärmen der Werkstücke auf eine Temperatur zwischen 500 °C und 700
°C in einer Ammoniak und ein zugesetztes Oxidationsmittel enthaltenden Gasatmosphäre;
c) Halten der Werkstücke bei dieser Temperatur und in dieser Gasatmosphäre für eine
Zeitdauer zwischen 0,1 h und 5 h;
d) fortgesetztes Halten der Werkstücke bei dieser Temperatur für eine Zeitdauer zwischen
1 h und 100 h in einer Ammoniak oder Ammoniak und einen kohlenstoffabgebenden Stoff
enthaltenden Gasatmosphäre und
e) Abkühlen der Werkstücke auf Raumtemperatur.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Oxidationsmittel Luft,
Kohlendioxid (CO2), Wasserdampf (H2O)D oder Stickstoffdioxid (N2O) zugesetzt werden.
3. Verfahren nach Anspruch 2, gekennzeichnet durch ein Verhältnis der Mengen von Ammoniak
und dem Oxidationsmittel in der Gasatmosphäre zwischen 1 : 1 und 5 : 1, wenn Luft
als Oxidationsmittel eingesetzt wird, und zwischen 1 : 0,1 und 1 : 1, wenn Kohlendioxid,
Wasserdampf oder Stickstoffdioxid als Oxidationsmittel eingesetzt werden.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Zeitdauer
beim fortgesetzten Halten der Werkstücke in einer Ammoniak bzw. Ammoniak und den kohlenstoffabgebenden
Stoff enthaltenden Gasatmosphäre in Abhängigkeit von der angestrebten Dicke der anzureichernden
Randschicht gewählt wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass als kohlenstoffabgebender
Stoff Kohlendioxid, Kohlenmonooxid oder Kohlenwasserstoffe einzeln oder als Gemisch
eingesetzt werden.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die
Werkstücke in einer reduzierenden oder neutralen Gasatmosphäre, beispielsweise aus
einem Endogas oder Stickstoff bestehend, oder in einem flüssigen Abschreckmedium auf
Raumtemperatur abgekühlt werden.
7. Verwendung einer Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche
1 bis 6, bestehend aus einem Wärmebehandlungsofen mit einem beheizbaren, gasdichten
Innenraum zum Nitrieren oder Nitrocarburieren von metallischen Werkstücken und mit
einer Einrichtung zum dosierten Zugeben von Ammoniak, einem kohlenstoffabgebenden
Stoff und einem Oxidationsmittel.