[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Stabilisierung des
Wellenlaufes von Eisenbahnradsätzen.
Ein Radsatz besitzt infolge seiner konischen Profile die vorteilhafte Eigenschaft,
sich unter folgenden Voraussetzungen im Bogen selbst bogenradial einzustellen:
- Die Profilpaarung muß die zur Erzeugung der nötigen Rollradiendifferenz zwischen innerem
und äußerem Rand erforderliche Querverschiebung zulassen; dies ist bei der Standardkombination
S 1002/UIC 60/1 : 40 bis zu Bogenradien von etwa 150 m gegeben.
- Die Wendebewegung des Radsatzes darf nicht behindert sein.
[0002] Leider hat der Radsatz wegen der konischen Profile auch die Eigenschaft, daß der
Radsatzlauf in der Geraden bereits bei sehr geringen Geschwindigkeiten instabil wird
(der Radsatz allein bei der o.g. Profilpaarung etwa bei 20 km/h). Dabei bewegt sich
der Radsatz auf einer Wellenbahn durch den Spurkanal des Gleises (Radsatz-Wellenlauf).
Unruhiger Fahrzeuglauf, Verschleiß an Rädern und Schienen und Rollgeräusche sind die
Folge.
Zur Stabilisierung bindet man den Radsatz üblicherweise - mehr oder weniger steif
- an den Drehgestellrahmen an (Radsatzführung) und verhindert somit die Wendebewegung.
Leider zerstört man auf diese Weise den erstgenannten Selbstlenkungseffekt; Verschleiß
und Geräuschemission sind die Folge. Drehgestelle mit Losrädern gewährleisten zwar
systembedingt die Laufstabilität bis zu sehr hohen Geschwindigkeiten, besitzen aber
nicht die Eigenschaften der Selbstzentrierung und selbständigen bogenradialen Einstellung
des Radsatzes und sind daher einem erhöhten Verschleiß unterworfen.
Auch für Einzelachs-Fahrwerke sind eine Reihe von Lösungen vorgeschlagen worden, um
den geschilderten Mängeln abzuhelfen.
Einzelachs-Fahrwerke mit Radsätzen können beispielsweise mit Hilfe einer passiven
Einrichtung, z.B. durch Abgreifen der Winkelstellung zweier benachbarter Wagenkästen,
bogenradial eingestellt werden. So zeigt die CH-PS 399 522 die Einstellung eines Einzelachs-Fahrwerkes
über den Knickwinkel zwischen zwei Wagenkästen.
[0003] Bekannt sind weiterhin Fahrwerke, deren Lösräder elektromechanisch gekoppelt sind,
um eine Stabilisierung und gleichzeitige bogenradiale Einstellung im Bogen zu erzielen
(EP 0770 533 A1, EP 0785 123 A1, EP 0936 125 A2). Bisher ist allerdings nicht nachgewiesen
worden, ob die genannten Lösungen dem gestellten Anspruch gerecht werden.
Durch die DE 33 31 559 C2 ist ferner eine Achssteuerung für zwei- oder mehrachsige
Schienenfahrzeuge bekannt, die gegensinnige Wendebewegungen und Querbewegungen der
Radsätze ermöglichen soll und bei der die beiden Achslager eines Radsatzes mit den
jeweils gegenüberliegenden Achslagern des anderen Radsatzes durch ein hydraulisches
System untereinander verbunden sind und Arbeitsräume verschiedener Hydraulikzylinder
in Wirkverbindung stehen. Eine aktive Steuerung oder Regelung ist hier nicht vorgesehen.
Schließlich ist durch die DE 31 19 164 C2 eine aktive Steuerung der Radsätze in einem
Drehgestell bekanntgeworden, die vor allem bei Kurvenfahrt einen konstanten Abstand
des Spurkranzes von der Schieneninnenkante sichern soll. Es geht hier um ein Drehgestell
mit radial einstellbaren Radsätzen, die zur aktiven Steuerung durch eine Pumpe über
eine Steuereinheit beaufschlagbar sind, wobei die Steuereinheit mit einem Geber zusammenwirkt,
welcher die Abstände von der Schienenkante zum Spurkranz verfolgt. Das Spiel zwischen
Schienenkante und Spurkranz wird in bekannter Weise durch einen Geber gemessen und
nach Soll-Ist-Wert-Vergleich in der Steuereinheit zur Regelung der hydraulischen Kolbenzylinder-Einheit
verarbeitet. Bisher ist nicht bekanntgeworden, ob die in dieser Patentschrift beschriebene
aktive Steuerung der Radsätze auch in der Geraden bei hohen Geschwindigkeiten einen
stabilen Radsatzlauf gewährleistet, abgesehen davon, daß diese Lösung für ein bestimmtes
Luftfedergestell vorgeschlagen wurde.
Aufgabe der Erfindung ist daher die Entwicklung eines Systems zur Erreichung eines
stabilen Radsatzlaufes in der Geraden in Verbindung mit einer vollständig bogenradialen
Einstellung des Radsatzes im Bogen, das mit einer neuartigen Steuerungs- oder Regelgröße
arbeitet und eine zuverlässige Erkennung des Wellenlaufes des Radsatzes als Eingangsgröße
des Systems aufweist.
[0004] Gemäß der Erfindung wird dies durch die Merkmale der Patentansprüche 1, 2 und 5 erreicht.
Vorteilhafte Weiterbildungen sind Gegenstand der auf die Ansprüche 1 und 2 rückbezogenen
Ansprüche.
Mit Hilfe eines aktiven Systems wird die Querbeschleunigung des Radsatzes gemessen
und daraus durch geeignete numerische Aufbereitung ein Wendemoment berechnet, das
dem Radsatz aufgeprägt wird und so den Radsatzlauf stabilisiert.
Das System kann auch in der Wirkungsweise umgekehrt werden, indem man in der oben
beschriebenen Weise aus der gemessenen Wendewinkelbeschleunigung des Radsatzes eine
Querkraft berechnet, die dem Radsatz aufgeprägt wird.
In beiden Fällen darf die Wendebewegung des Radsatzes nicht behindert werden; die
Radsatzführung überträgt nur Längskräfte (Antriebs- und Bremskräfte), aber keine Wendemomente.
Bei einer Ausgestaltung ausschließlich als Steuerungssystem verwendet das System als
Eingangsgröße die Querbeschleunigung und benötigt keine Rückführung der Ausgangsgröße.
Durch die Einfachheit der Steuerung ist die Erfindung relativ preiswert und wenig
fehleranfällig.
Vorteile gegenüber bisher bekannten Lösungen ergeben sich sowohl beim Einsatz im Drehgestell
als auch im Einzelachs-Fahrwerk.
Beim Einsatz im Drehgestell gewährleistet sie einen stabilen Radsatzlauf in der Geraden
bis zu hohen Geschwindigkeiten und läßt gleichzeitig die bogenradiale Einstellung
der Radsätze im Bogen zu.
[0005] Durch die bogenradiale Einstellung wird die Querkraftsumme des führenden Radsatzes
im Drehgestell deutlich reduziert. Diese ist insbesondere in Verbindung mit einer
Neigeeinrichtung im Drehgestell oft das kritische Kriterium für die maximal zulässige
Fahrgeschwindigkeit im Bogen; daher besitzt die Erfindung gerade in Kombination mit
einer Neigetechnik erhebliche Vorteile. Auch Geräuschemission im Bogen und Verschleiß
werden stark reduziert.
Im Einzelachs- Fahrwerk beseitigt die Erfindung den Nachteil der im Stand der Technik
genannten, relativ einfachen passiven Systeme, daß sie bei Bogenein- und -ausfahrt
Fehlsteuersignale produzieren, die hier kurzfristig zu erhöhtem Verschleiß führen.
Die im Stand der Technik erwähnten aktiven Systeme sind nur für Einachsfahrwerke einsetzbar
und benötigen zudem eine vergleichsweise aufwendige Regelung der elektromechanischen
Kopplung. Gegenüber diesen Systemen wird die Regelung bzw. Steuerung vereinfacht.
[0006] Im folgenden werden Ausführungsbeispiele der Erfindung beschrieben. In der zugehörigen
Zeichnung zeigen:
Fig. 1 die Anwendung der Erfindung im Drehgestell,
Fig. 2 die Anwendung der Erfindung im Einzelachs-Fahrwerk.
[0007] In Figur 1 ist dargestellt, daß sich der Hilfsrahmen 1 einerseits über die Primärfederung
2 in den Richtungen längs, quer und vertikal auf dem Radsatz 3 abstützt und andererseits
in den Punkten A um die Hochachse drehbar mit dem Drehgestellrahmen 4 verbunden ist,
der über die Sekundärfederung 5 und die Längsmitnahme 6 den Wagenkasten trägt. Wank-
und Nickmomente können zwischen Hilfsrahmen und Drehgestellrahmen durch Torsionsstäbe
7 oder vertikal versetzt angeordnete Längslenker 8 übertragen werden.
Das Stabilisierungssystem besteht für jeden Radsatz aus einem Beschleunigungsaufnehmer
9, zwei in Längsrichtung angeordneten, gegenphasig wirkenden Aktuatoren 10 mit zugehöriger
Energieversorgung sowie einem elektronischen Datenverarbeitungssystem. Als Aktuator
kommen beispielsweise servohydraulische Zylinder mit zugehöriger Druckversorgung (Pumpe
und Vorratsspeicher) in Frage.
[0008] Antrieb und/oder Bremse können im Hilfsrahmen angebracht werden.
Im Einzelachs-Fahrwerk (Fig. 2) stützt sich der Fahrwerkrahmen 1 einerseits über die
Primärfederung 2 in den Richtungen längs, quer und vertikal auf dem Radsatz 3 ab und
trägt über die Sekundärfedern 5 den Wagenkasten; die Sekundärfedern müssen die erforderliche
Quer- und Wendebewegung des Fahrwerkrahmens zulassen. Längskräfte und Nickmomente
werden über ein Längslenkerpaar 6 übertragen, zur Wankmomentenabstützung kann ein
Torsionsstab 7 eingesetzt werden. Das Stabilisierungssystem besteht wiederum aus dem
Beschleunigungsaufnehmer 9 und den Aktuatoren 10 sowie der zugehörigen Energieversorgung
und elektronischen Datenverarbeitung.
Bezugszeichenliste
[0009]
- 1
- Hilfsrahmen
- 2
- Primärfederung
- 3
- Radsatz
- 4
- Drehgestellrahmen
- 5
- Sekundärfederung
- 6
- Längsmitnahme
- 7
- Torsionsstab
- 8
- Längslenker
- 9
- Beschleunigungsaufnehmer
- 10
- Aktuatoren
1. Verfahren zur Stabiliserung des Wellenlaufes von Eisenbahnradsätzen mit Meßwerterfassung,
einem oder mehreren Stellgliedern mit zugehöriger Energieversorgung sowie einem Gerät
zur elektronischen Datenverarbeitung zur Aufbereitung der Meßwerte und Steuerung oder
Regelung der Stellglieder, dadurch gekennzeichnet, daß aus der meßtechnisch ermittelten Beschleunigung des Radsatzes (3) horizontal quer
zu seiner Fahrtrichtung ein Wendemoment bestimmt wird, das dem Radsatz (3) um seine
Hochachse aufgeprägt wird.
2. Verfahren zur Stabilisierung des Wellenlaufes von Eisenbahnradsätzen mit Meßwerterfassung,
einem oder mehreren Stellgliedern mit zugehöriger Energieversorgung sowie einem Gerät
zur elektronischen Datenverarbeitung zur Aufbereitung der Meßwerte und Steuerung oder
Regelung der Stellglieder, dadurch gekennzeichnet, daß aus der meßtechnisch ermittelten Winkelbeschleunigung des Radsatzes (3) um seine
Hochachse eine Kraft bestimmt wird, die dem Radsatz horizontal quer zu seiner Fahrtrichtung
aufgeprägt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß es als Steuerungssystem ausgebildet ist.
4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß es als Regelungssystem ausgebildet ist.
5. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach den Ansprüchen 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß sie aus einem jedem Radsatz (3) zugeordneten Beschleunigungsaufnehmer (9), zwei in
Längsrichtung außerhalb der Längsmittelebene des Radsatzes angeordneten, gegenphasig
wirkenden Aktuatoren (10) mit zugehöriger Energieversorung sowie einem elektronischen
Datenverarbeitungssystem besteht.