(19)
(11) EP 1 193 154 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
03.04.2002  Patentblatt  2002/14

(21) Anmeldenummer: 01122333.6

(22) Anmeldetag:  19.09.2001
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B61F 5/38
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 26.09.2000 DE 10047432

(71) Anmelder: ALSTOM LHB GmbH
38239 Salzgitter (DE)

(72) Erfinder:
  • Ahrens, Ralf, Dr.-Ing.
    38159 Vechelde (DE)
  • Stradtmann, Hinnerk, Dipl.-Ing.
    38106 Braunschweig (DE)
  • Staben, Helmut, Dr.-Ing
    38165 Lehre (DE)

   


(54) Verfahren und Vorrichtung zur Stabilisierung des Wellenlaufes von Eisenbahnradsätzen


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Stabilisierung des Wellenlaufes von Eisenbahnradsätzen (3), um sowohl einen stabilen Radsatzlauf in der Geraden auch bei hohen Geschwindigkeiten als auch eine vollständig bogenradiale Einstellung des Radsatzes (3) im Bogen zu erreichen.
Mit Hilfe eines aktiven Systems (9) wird die Querbeschleunigung des Radsatzes gemessen und daraus durch geeignete numerische Aufbereitung ein Wendemoment berechnet, das dem Radsatz (3) aufgeprägt wird. Das System kann auch in der Wirkungsweise umgekehrt werden, indem man aus der gemessenen Wendewinkelbeschleunigung des Radsatzes eine Querkraft berechnet, die dem Radsatz aufgeprägt wird. Die zugehörige Vorrichtung besteht aus einem jedem Radsatz (3) zugeordneten Beschleunigungsaufnehmer (9), zwei in Längsrichtung außerhalb der Längsmittelebene des Radsatzes angeordneten, gegenphasig wirkenden Aktuatoren (10) mit zugehöriger Energieversorgung sowie einem elektronischen Datenverarbeitungssystem.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Stabilisierung des Wellenlaufes von Eisenbahnradsätzen.
Ein Radsatz besitzt infolge seiner konischen Profile die vorteilhafte Eigenschaft, sich unter folgenden Voraussetzungen im Bogen selbst bogenradial einzustellen:
  • Die Profilpaarung muß die zur Erzeugung der nötigen Rollradiendifferenz zwischen innerem und äußerem Rand erforderliche Querverschiebung zulassen; dies ist bei der Standardkombination S 1002/UIC 60/1 : 40 bis zu Bogenradien von etwa 150 m gegeben.
  • Die Wendebewegung des Radsatzes darf nicht behindert sein.


[0002] Leider hat der Radsatz wegen der konischen Profile auch die Eigenschaft, daß der Radsatzlauf in der Geraden bereits bei sehr geringen Geschwindigkeiten instabil wird (der Radsatz allein bei der o.g. Profilpaarung etwa bei 20 km/h). Dabei bewegt sich der Radsatz auf einer Wellenbahn durch den Spurkanal des Gleises (Radsatz-Wellenlauf). Unruhiger Fahrzeuglauf, Verschleiß an Rädern und Schienen und Rollgeräusche sind die Folge.
Zur Stabilisierung bindet man den Radsatz üblicherweise - mehr oder weniger steif - an den Drehgestellrahmen an (Radsatzführung) und verhindert somit die Wendebewegung. Leider zerstört man auf diese Weise den erstgenannten Selbstlenkungseffekt; Verschleiß und Geräuschemission sind die Folge. Drehgestelle mit Losrädern gewährleisten zwar systembedingt die Laufstabilität bis zu sehr hohen Geschwindigkeiten, besitzen aber nicht die Eigenschaften der Selbstzentrierung und selbständigen bogenradialen Einstellung des Radsatzes und sind daher einem erhöhten Verschleiß unterworfen.
Auch für Einzelachs-Fahrwerke sind eine Reihe von Lösungen vorgeschlagen worden, um den geschilderten Mängeln abzuhelfen.
Einzelachs-Fahrwerke mit Radsätzen können beispielsweise mit Hilfe einer passiven Einrichtung, z.B. durch Abgreifen der Winkelstellung zweier benachbarter Wagenkästen, bogenradial eingestellt werden. So zeigt die CH-PS 399 522 die Einstellung eines Einzelachs-Fahrwerkes über den Knickwinkel zwischen zwei Wagenkästen.

[0003] Bekannt sind weiterhin Fahrwerke, deren Lösräder elektromechanisch gekoppelt sind, um eine Stabilisierung und gleichzeitige bogenradiale Einstellung im Bogen zu erzielen
(EP 0770 533 A1, EP 0785 123 A1, EP 0936 125 A2). Bisher ist allerdings nicht nachgewiesen worden, ob die genannten Lösungen dem gestellten Anspruch gerecht werden.
Durch die DE 33 31 559 C2 ist ferner eine Achssteuerung für zwei- oder mehrachsige Schienenfahrzeuge bekannt, die gegensinnige Wendebewegungen und Querbewegungen der Radsätze ermöglichen soll und bei der die beiden Achslager eines Radsatzes mit den jeweils gegenüberliegenden Achslagern des anderen Radsatzes durch ein hydraulisches System untereinander verbunden sind und Arbeitsräume verschiedener Hydraulikzylinder in Wirkverbindung stehen. Eine aktive Steuerung oder Regelung ist hier nicht vorgesehen.
Schließlich ist durch die DE 31 19 164 C2 eine aktive Steuerung der Radsätze in einem Drehgestell bekanntgeworden, die vor allem bei Kurvenfahrt einen konstanten Abstand des Spurkranzes von der Schieneninnenkante sichern soll. Es geht hier um ein Drehgestell mit radial einstellbaren Radsätzen, die zur aktiven Steuerung durch eine Pumpe über eine Steuereinheit beaufschlagbar sind, wobei die Steuereinheit mit einem Geber zusammenwirkt, welcher die Abstände von der Schienenkante zum Spurkranz verfolgt. Das Spiel zwischen Schienenkante und Spurkranz wird in bekannter Weise durch einen Geber gemessen und nach Soll-Ist-Wert-Vergleich in der Steuereinheit zur Regelung der hydraulischen Kolbenzylinder-Einheit verarbeitet. Bisher ist nicht bekanntgeworden, ob die in dieser Patentschrift beschriebene aktive Steuerung der Radsätze auch in der Geraden bei hohen Geschwindigkeiten einen stabilen Radsatzlauf gewährleistet, abgesehen davon, daß diese Lösung für ein bestimmtes Luftfedergestell vorgeschlagen wurde.
Aufgabe der Erfindung ist daher die Entwicklung eines Systems zur Erreichung eines stabilen Radsatzlaufes in der Geraden in Verbindung mit einer vollständig bogenradialen Einstellung des Radsatzes im Bogen, das mit einer neuartigen Steuerungs- oder Regelgröße arbeitet und eine zuverlässige Erkennung des Wellenlaufes des Radsatzes als Eingangsgröße des Systems aufweist.

[0004] Gemäß der Erfindung wird dies durch die Merkmale der Patentansprüche 1, 2 und 5 erreicht. Vorteilhafte Weiterbildungen sind Gegenstand der auf die Ansprüche 1 und 2 rückbezogenen Ansprüche.
Mit Hilfe eines aktiven Systems wird die Querbeschleunigung des Radsatzes gemessen und daraus durch geeignete numerische Aufbereitung ein Wendemoment berechnet, das dem Radsatz aufgeprägt wird und so den Radsatzlauf stabilisiert.
Das System kann auch in der Wirkungsweise umgekehrt werden, indem man in der oben beschriebenen Weise aus der gemessenen Wendewinkelbeschleunigung des Radsatzes eine Querkraft berechnet, die dem Radsatz aufgeprägt wird.
In beiden Fällen darf die Wendebewegung des Radsatzes nicht behindert werden; die Radsatzführung überträgt nur Längskräfte (Antriebs- und Bremskräfte), aber keine Wendemomente.
Bei einer Ausgestaltung ausschließlich als Steuerungssystem verwendet das System als Eingangsgröße die Querbeschleunigung und benötigt keine Rückführung der Ausgangsgröße. Durch die Einfachheit der Steuerung ist die Erfindung relativ preiswert und wenig fehleranfällig.
Vorteile gegenüber bisher bekannten Lösungen ergeben sich sowohl beim Einsatz im Drehgestell als auch im Einzelachs-Fahrwerk.
Beim Einsatz im Drehgestell gewährleistet sie einen stabilen Radsatzlauf in der Geraden bis zu hohen Geschwindigkeiten und läßt gleichzeitig die bogenradiale Einstellung der Radsätze im Bogen zu.

[0005] Durch die bogenradiale Einstellung wird die Querkraftsumme des führenden Radsatzes im Drehgestell deutlich reduziert. Diese ist insbesondere in Verbindung mit einer Neigeeinrichtung im Drehgestell oft das kritische Kriterium für die maximal zulässige Fahrgeschwindigkeit im Bogen; daher besitzt die Erfindung gerade in Kombination mit einer Neigetechnik erhebliche Vorteile. Auch Geräuschemission im Bogen und Verschleiß werden stark reduziert.
Im Einzelachs- Fahrwerk beseitigt die Erfindung den Nachteil der im Stand der Technik genannten, relativ einfachen passiven Systeme, daß sie bei Bogenein- und -ausfahrt Fehlsteuersignale produzieren, die hier kurzfristig zu erhöhtem Verschleiß führen. Die im Stand der Technik erwähnten aktiven Systeme sind nur für Einachsfahrwerke einsetzbar und benötigen zudem eine vergleichsweise aufwendige Regelung der elektromechanischen Kopplung. Gegenüber diesen Systemen wird die Regelung bzw. Steuerung vereinfacht.

[0006] Im folgenden werden Ausführungsbeispiele der Erfindung beschrieben. In der zugehörigen Zeichnung zeigen:

Fig. 1 die Anwendung der Erfindung im Drehgestell,

Fig. 2 die Anwendung der Erfindung im Einzelachs-Fahrwerk.



[0007] In Figur 1 ist dargestellt, daß sich der Hilfsrahmen 1 einerseits über die Primärfederung 2 in den Richtungen längs, quer und vertikal auf dem Radsatz 3 abstützt und andererseits in den Punkten A um die Hochachse drehbar mit dem Drehgestellrahmen 4 verbunden ist, der über die Sekundärfederung 5 und die Längsmitnahme 6 den Wagenkasten trägt. Wank- und Nickmomente können zwischen Hilfsrahmen und Drehgestellrahmen durch Torsionsstäbe 7 oder vertikal versetzt angeordnete Längslenker 8 übertragen werden.
Das Stabilisierungssystem besteht für jeden Radsatz aus einem Beschleunigungsaufnehmer 9, zwei in Längsrichtung angeordneten, gegenphasig wirkenden Aktuatoren 10 mit zugehöriger Energieversorgung sowie einem elektronischen Datenverarbeitungssystem. Als Aktuator kommen beispielsweise servohydraulische Zylinder mit zugehöriger Druckversorgung (Pumpe und Vorratsspeicher) in Frage.

[0008] Antrieb und/oder Bremse können im Hilfsrahmen angebracht werden.
Im Einzelachs-Fahrwerk (Fig. 2) stützt sich der Fahrwerkrahmen 1 einerseits über die Primärfederung 2 in den Richtungen längs, quer und vertikal auf dem Radsatz 3 ab und trägt über die Sekundärfedern 5 den Wagenkasten; die Sekundärfedern müssen die erforderliche Quer- und Wendebewegung des Fahrwerkrahmens zulassen. Längskräfte und Nickmomente werden über ein Längslenkerpaar 6 übertragen, zur Wankmomentenabstützung kann ein Torsionsstab 7 eingesetzt werden. Das Stabilisierungssystem besteht wiederum aus dem Beschleunigungsaufnehmer 9 und den Aktuatoren 10 sowie der zugehörigen Energieversorgung und elektronischen Datenverarbeitung.

Bezugszeichenliste



[0009] 
1
Hilfsrahmen
2
Primärfederung
3
Radsatz
4
Drehgestellrahmen
5
Sekundärfederung
6
Längsmitnahme
7
Torsionsstab
8
Längslenker
9
Beschleunigungsaufnehmer
10
Aktuatoren



Ansprüche

1. Verfahren zur Stabiliserung des Wellenlaufes von Eisenbahnradsätzen mit Meßwerterfassung, einem oder mehreren Stellgliedern mit zugehöriger Energieversorgung sowie einem Gerät zur elektronischen Datenverarbeitung zur Aufbereitung der Meßwerte und Steuerung oder Regelung der Stellglieder, dadurch gekennzeichnet, daß aus der meßtechnisch ermittelten Beschleunigung des Radsatzes (3) horizontal quer zu seiner Fahrtrichtung ein Wendemoment bestimmt wird, das dem Radsatz (3) um seine Hochachse aufgeprägt wird.
 
2. Verfahren zur Stabilisierung des Wellenlaufes von Eisenbahnradsätzen mit Meßwerterfassung, einem oder mehreren Stellgliedern mit zugehöriger Energieversorgung sowie einem Gerät zur elektronischen Datenverarbeitung zur Aufbereitung der Meßwerte und Steuerung oder Regelung der Stellglieder, dadurch gekennzeichnet, daß aus der meßtechnisch ermittelten Winkelbeschleunigung des Radsatzes (3) um seine Hochachse eine Kraft bestimmt wird, die dem Radsatz horizontal quer zu seiner Fahrtrichtung aufgeprägt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß es als Steuerungssystem ausgebildet ist.
 
4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß es als Regelungssystem ausgebildet ist.
 
5. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach den Ansprüchen 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß sie aus einem jedem Radsatz (3) zugeordneten Beschleunigungsaufnehmer (9), zwei in Längsrichtung außerhalb der Längsmittelebene des Radsatzes angeordneten, gegenphasig wirkenden Aktuatoren (10) mit zugehöriger Energieversorung sowie einem elektronischen Datenverarbeitungssystem besteht.
 




Zeichnung







Recherchenbericht