(19)
(11) EP 1 215 299 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
19.06.2002  Patentblatt  2002/25

(21) Anmeldenummer: 01128805.7

(22) Anmeldetag:  04.12.2001
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7C22C 38/46, C22C 38/52
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 18.12.2000 DE 10063117

(71) Anmelder: ALSTOM (Switzerland) Ltd
5401 Baden (CH)

(72) Erfinder:
  • Goecmen, Alkan, Dr.
    5405 Baden-Dättwil (CH)

(74) Vertreter: Pöpper, Evamaria, Dr. et al
ALSTOM (Schweiz) AG, Intellectual Property CHSP, Brown Boveri Strasse 7/699/5
5401 Baden
5401 Baden (CH)

   


(54) Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl


(57) Die Erfindung betrifft einen umwandlungskontrollierten Nitridausscheidungshärtenden Vergütungsstahl mit folgender Zusammensetzung (Angabe in Gew.-%): 15-18 Cr, maximal 0.5 Mn, 4-10 Ni, maximal 15 Co, maximal 4 W, maximal 4 Mo, 0.5-1 V, mindestens eines aus Nb, Ta, Hf und Zr in der Summe zwischen 0.001-0.1, 0.001-0.05 Ti, maximal 0.5 Si, maximal 0.05 C, 0.13-0.25 N, maximal 4 Cu, Rest Eisen und übliche Verunreinigungen und der Massgabe, dass das Gewichtsverhältnis von Vanadium zu Stickstoff V/N im Bereich zwischen 3.5 und 4.2 liegt. Die Erfindung betrifft auch ein Wärmebehandlungsverfahren dieses Stahls. Es können eine sehr gute Festigkeit, Duktilität sowie Korrosionsbeständigkeit erreicht werden.




Beschreibung

Technisches Gebiet



[0001] Die Erfindung betrifft einen umwandlungskontrollierten Nitridaussscheidungshärtenden Vergütungsstahl mit 15-18 Gew.-% Chrom, welcher sich durch eine optimale Kombination von Festigkeit, Zähigkeit und Beständigkeit gegen Spannungsrisskorrosion auszeichnet und welcher sich daher gut in der chemischen Industrie, Verkehrstechnik, Kraftwerkstechnik, Bautechnik und bei der Kunststoffverarbeitung einsetzen lässt.

Stand der Technik



[0002] Umwandlungskontrollierte martensitisch-härtbare Stähle sind bekannter Stand der Technik, beispielweise die Legierung 17-5ph mit 15.4 Gew.-% Cr, 4.4 Gew.-% Ni, 0.4 Gew.-% Mn, 0.25 Gew.-% Si, 3.3 Gew.-% Cu, 0.3 Gew.-% Nb und 0.04 Gew.-% C oder die Legierung 14-5 ph mit 14 Gew.-% Cr, 5 Gew.-% Ni, 0.4 Gew.-% Mn, 0.25 Gew.-% Si, 1.6 Gew.-% Cu, 0.25 Gew.-% Nb, 1.5 Mo und 0.05 Gew.-% C. Die Nickel- und Chromgehalte sind dabei so ausgewogen, dass kein oder nur sehr wenig Delta-Ferrit während der Austenitisierung auftritt.

[0003] Umwandlungkontrollierte Stähle werden durch martensitische Umwandlung und durch Ausscheidungshärtung gefestigt. Martensit entsteht durch eine Abschreckbehandlung im Anschluss an die Austenitisierung, während die Ausscheidungshärtung realisiert wird durch eine Wärmebehandlung des abgeschreckten Martensits. Daher werden üblicherweise umwandlungskontrollierte Stähle zunächst austenitisiert, abgeschreckt und im Anschluss bei mittleren Temperaturen wärmebehandelt. Die jeweilige Gefügeausbildung wird beeinflusst von der Wirkung der Legierungselemente und den Wärmebehandlungsparametem auf die Umwandlungstemperaturen Ms, Mf und Ac1. Ms ist die Temperatur, bei der die Umwandlung von Austenit zu Martensit während des Abschreckens beginnt, Mf ist die Temperatur, bei welcher die Umwandlung des Austenits zu Martensit während des Abschreckens beendet ist und Ac1 ist die Temperatur, bei welcher die Austenitbildung während des Aufheizens beginnt.

[0004] Die Ms-Temperatur der martensitisch-härtbaren Stähle ist hinreichend hoch, so dass ein Grossteil des während der Austenitisierung vorliegenden Austenits bei gewöhnlicher Abkühlung auf Raumtemperatur in Martensit umgewandelt werden kann. Die Ms-Temperatur wird ferner durch die Korngrösse und die gelösten Substitutionselemente beeinflusst, welche eine Ausscheidungshärtung ermöglichen. Je gröber das Korn und je höher der Anteil gelöster Legierungselemente sind, umso tiefer ist die Ms-Temperatur.

[0005] Der nach einer vollständigen Austenitisierung und anschliessender Abkühlbehandlung zurückbleibende Restaustenit ist umwandlungsfähig. Falls während einer Anlassbehandlung Substitutionselemente ausgeschieden werden, kann die Ms-Temperatur des Restaustenits wieder derart zunehmen, dass dieser bei der anschliessenden Abkühlbehandlung wieder in Martensit umwandelt. Vom Restaustenit ist der Anlassaustenit zu unterscheiden, welcher nach einer partiellen Austenitisierung, also Glühung im Ferrit-Austenit-Zweiphasenbereich und anschliessender Abkühlbehandlung zurückbleibt.

[0006] Für eine optimierte Kombination aus Ausscheidungs-Aushärtbarkeit und Korngrössenbegrenzung werden in konventionellen umwandlungskontrollierten martensitischen Stählen zweierlei Elemente zulegiert:

1. Nb und C zur Ausscheidungs-Aushärtbarkeit, doch primär zur Korngrössenbegrenzung

2. Cu ausschliesslich zur Ausscheidungshärtung durch Aushärtung



[0007] Massives Kornwachstum setzt als Folge unzureichender Stabilität der Niobkarbide bei Temperaturen oberhalb 1050°C ein, so dass die Austenitisierung auf diese Temperatur begrenzt wird. Maximale Ausscheidungshärtbarkeit wird bei Temperaturen um 450 bis 500°C erreicht. Hingegen resultiert eine Anlassbehandlung bei diesen Temperaturen in sehr kleinen Duktilitäten und insbesondere in einem sehr geringen Widerstand gegen Spannungsrisskorrosion.

[0008] Anlassaustenit im Gegensatz zu Restaustenit wirkt sich sehr günstig auf die Duktilität (Zähigkeit) und die Spannungsrisskorrosionsbeständigkeit aus. Er wirkt sich umso günstiger auf diese Eigenschaften aus, je feiner das vorangehende (ehemalige) Austenitkorn war. Die Duktilität wird gut durch eine zweifache Austenitisierung gesteigert, wobei die zweite Austenitisierung bei tieferen Austenitisierungstemperaturen nicht nur der Kornfeinung (Normalisierung), sondern auch einer begrenzten Ausscheidung von Niobkarbiden dient, welche zusammen mit der Kornfeinung die Ms-Temperatur weiter erhöht. Anlassaustenit wird beim Anlassen bei Temperaturen zwischen 550 und 650°C gebildet, wobei ein maximaler Gehalt an Anlassaustenit bei Temperaturen um 600°C erreicht wird.

[0009] Ein erhöhter Anteil an Anlassaustenit wirkt sich günstig auf Festigkeit und Spannungsrisskorrosionsbeständigkeit aus. Auf der anderen Seite ist speziell bei erhöhten Kohlenstoffgehalten die Bildung von Anlassaustenit während einer Anlassbehandlung im Bereich zwischen 550 und 650°C mit einer Sensibilisierung des Austenits verknüpft. Darunter versteht man eine Verschlechterung der Korrosionsbeständigkeit (insb. gegen interkristalline Korrosion) durch Korngrenzen-Ausscheidung chromreicher Phasen.

[0010] Die erzielbare Kombination aus Festigkeit und Beständigkeit gegen Spannungsrisskorrosion wird durch die Tatsache begrenzt, dass die für diese beiden Eigenschaften förderlichen Gefügeausbildungsformen bei deutlich unterschiedlichen Anlasstemperaturen gebildet werden, also:
Ausscheidungshärtung 450 bis 550 °C
Anlassaustenit 550 bis 650 °C

Darstellung der Erfindung



[0011] Die Erfindung versucht, diese Nachteile zu vermeiden. Ihr liegt die Aufgabe zugrunde, einen martensitisch-härtbaren Stahl, welcher eine verbesserte Kombination von Festigkeit, Duktilität und Korrosionsbeständigkeit aufweist, anzugeben sowie ein Wärmebehandlungsverfahren für eine solche Legierung.

[0012] Kern der Erfindung ist ein umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl mit folgender Zusammensetzung (Angabe in Gew.-%): 15-18 Cr, maximal 0.5 Mn, 4-10 Ni, maximal 15 Co, maximal 4 W, maximal 4 Mo, 0.5-1 V, mindestens eines aus Nb, Ta, Hf und Zr in der Summe zwischen 0.001-0.1, 0.001-0.05 Ti, maximal 0.5 Si, maximal 0.05 C, 0.13-0.25 N, maximal 4 Cu, Rest Eisen und übliche Verunreinigungen und der Massgabe, dass das Gewichtsverhältnis von Vanadium zu Stickstoff V/N im Bereich zwischen 3.5 und 4.2 liegt.

[0013] Der Vorteil der Erfindung besteht darin, dass durch die Wahl der Legierungselemente neben einer hohen Festigkeit und Duktilität auch eine hohe Korrosionsbeständigkeit erreicht wird.

[0014] Es ist zweckmässig, wenn der Stahl 1-10 Gew.-% Co aufweist, 0.5-3, vorzugsweise 0.5-1.5 Gew.% Cu; 15-17, vorzugsweise 15.5-16.5 Gew.-% Cr; 0.5-0.7 Gew.-% V, 0.16-0.2 Gew.-% N; 0.01-0.07 Gew.-% Nb und eine Summe von Mo und W im Bereich 1-6, vorzugsweise 1-4. Bevorzugte Gehalte an Mo liegen im Bereich von 1.5-3 Gew.-%, an Mn im Bereich von 0.02-0.4 Gew.-%, an Si im Bereich von 0.02-0.25 Gew.-%. Der C-Gehalt beträgt bevorzugt 0.02 Gew.-%.

[0015] Im Einzelnen haben die Legierungselemente folgenden Einfluss:

Chrom



[0016] Chrom ist das für die Korrosionsbeständigkeit wichtigste Legierungselement. Ein zunehmender Legierungsanteil erhöht indessen den Restaustenitanteil. Oberhalb 17 % Chrom ist eine martensitische Durchärtbarkeit nicht mehr möglich. Gute Legierungen haben Chromgehalte zwischen 15 und 17 % zu erwarten. Ein besonders bevorzugter Bereich liegt bei 15.5 bis 16.5 %.

Nickel



[0017] Nickel ist ein austenitstabilisierendes Element und wird zur Unterdrückung von Delta-Ferrit benutzt. Im Rahmen des gewünschten Legierungsentwurfes sind zu diesem Zwecke mindestens 4 % notwendig. Zunehmende Gehalte senken indessen in die Ms-Temperatur und erhöhen den Restaustenitanteil. Oberhalb 10 % Nickel ist eine martensitische Durchhärtbarkeit in Gegenwart von ca. 15 % Chrom nicht mehr möglich.

Kobalt



[0018] Kobalt ist ein austenitstabilisierendes Element und wird ebenfalls zur Unterdrückung von Delta-Ferrit benutzt. Ungleich des Nickels senkt es jedoch die Ms-Temperatur weit weniger, so dass martensitisch-härtbare Legierungen mit Kobaltgehalten bis 15% entworfen werden können. Ferner verstärkt Kobalt die Ausscheidungshärtbarkeit durch Molybdän und Wolfram. Unter Berücksichtigung des hohen Kobaltpreises und der erzielbaren Verbesserungen liegt ein bevorzugter Bereich bei 1 bis 7% Kobalt.

Molybdän und Wolfram



[0019] Beide Elemente tragen durch Mischkristallhärtung an der Festigkeit bei. Bei erhöhten Gehalten können sie zudem durch Ausscheidungshärtung die Festigkeit massgeblich steigern. Beide Elemente senken indessen ebenfalls die Ms-Temperatur und erhöhen somit den Restaustenitanteil. Deshalb wird der bevorzugte Anteil von Molybdän und Wolfram auf insgesamt 6% begrenzt. Es ist ferner bekannt, dass Molybdän die Korrosionsbeständigkeit verbessert. Daher wird Molybdän gegenüber Wolfram bevorzugt. Hinsichtlich einer bevorzugten Kombination von Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit ist der bevorzugte Bereich von Mo bei 1 bis 4 %. Ein besonders bevorzugter Bereich liegt bei 1.5 bis 3 %.

Vanadium und Stickstoff



[0020] Die Zugabe beider Elemente führt zur Bildung von Vanadiumnitriden, welches zur Komgrössenbegrenzung wie auch zur Ausscheidungshärtung benutzt werden kann. Die Wirkung ist am stärksten, wenn diese beiden Elemente stöchiometrisch zueinander legiert werden. Ein bevorzugtes Verhältnis von V zu N liegt bei 3.5 bis 4.2. Der bevorzugte Gehalt an Stickstoff liegt im Bereich zwischen 0.16 und 0.20 % und derjenige von Vanadium im Bereich zwischen 0.5 und 7 %.

Titan



[0021] Die Zugabe von Titan führt zur Bildung von Titannitriden. Diese Phase kann massgeblich zur Kornfeinung und Korngrössenbegrenzung beitragen. Die Zugabe von mehr als 0.05 % Titan führt zur Bildung von wenig wirksamen, groben Titannitriden, weshalb der Anteil von Titan auf 0.05 % begrenzt werden sollte.

Mangan



[0022] Mangan ist ein austenitstabilisierendes Element. Seine Wirkung zur Unterdrückung von Delta - Ferrit ist jedoch nicht so stark wie die des Nickels und des Kobalts. Auf der anderen Seite senkt es stark die Ms-Temperatur. Diese Eigenschaftskombination ist im Rahmen des gewünschten Legierungsentwurfes sehr ungünstig. Deshalb sollte der Gewichtsanteil von Mangan 0.5 % nicht überschreiten.

Silizium



[0023] Silizium soll ausschliesslich zu Desoxidationszwecken eingesetzt werden. Zu hohe Gehalte senken indessen die Zähigkeit. Deshalb sollte der Gewichtsanteil von Silizium auf 0.5 % begrenzt werden.

Kohlenstoff



[0024] Kohlenstoff ist ein zur Unterdrückung des Delta-Ferrits wirksames Element. Andererseits führt dieses Element zu einer zusätzlichen Absenkung der Ms-Temperatur und muss deshalb auf 0.05 % begrenzt werden. Hinzu kommt, dass Kohlenstoff während der Anlassbehandlung die Korngrenzenausscheidung von Chromkarbiden fördert und damit die Korrosionsbeständigkeit verschlechtert (Sensibilisierung). Der Kohlenstoff sollte daher bevorzugt auf 0.03 % begrenzt werden.

[0025] Weiterhin ist es von Vorteil, wenn die erfindungsgemässen Legierungen folgendermassen wärmebehandelt werden:

1. Lösungsglühen bei 1050-1250 °C/0.2-10 h, vorzugsweise 1180 °C/2 h, Abkühlung an Luft auf RT

2. Zwischenglühung bei 640 °C bis 780 °C/0.2-10 h, vorzugsweise 2 h

3. Anlassbehandlung bei 570-630 °C/0.2-5 h, vorzugsweise 600 °C/1 h



[0026] Im Rahmen dieser Wärmebehandlung wird ein erhöhter Volumenanteil an Anlassaustenit erzeugt, und die Sondernitride werden nicht nur zur Korngrössenbegrenzung bei hohen Austenitisierungstemperaturen und zur Ausscheidungshärtung genutzt, sondern sie ermöglichen auch eine feinere Verteilung von Austenitanteilen innerhalb des martensitischen Grundgefüges.

Kurze Beschreibung der Zeichnung



[0027] In der Zeichnung sind mehrere Ausführungsbeispiele der Erfindung dargestellt. Es zeigen:
Fig. 1
ein schematisch dargestelltes Gefügebild der erfindungsgemässen Legierung;
Fig. 2
die Abhängigkeit der Härte HV 10 von der Anlasstemperatur für drei erfindungsgemässe Legierungen (AP39, AP40, AP41) und für die Vergleichslegierung 17-4ph;
Fig. 3
die Abhängigkeit der Festigkeit der erfindungsgemässen Legierung AP39 von der Zwischenglühtemperatur im Vergleich zur Festigkeit der Vergleichslegierung 14-5ph bei unterschiedlichen Anlasstemperaturen;
Fig. 4
die Abhängigkeit der Festigkeit der erfindungsgemässen Legierung AP40 von der Zwischenglühtemperatur im Vergleich zur Festigkeit der Vergleichslegierung 14-5ph bei unterschiedlichen Anlasstemperaturen;
Fig. 5
die Abhängigkeit der Festigkeit der erfindungsgemässen Legierung AP41 von der Zwischenglühtemperatur im Vergleich zur Festigkeit der Vergleichslegierung 14-5ph bei unterschiedlichen Anlasstemperaturen.


[0028] Es sind nur die für das Verständnis der Erfindung wesentlichen Elemente gezeigt.

Wege zur Ausführung der Erfindung



[0029] Nachfolgend wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen und der Fig. 1 bis 5 näher erläutert.

[0030] Fig. 1 zeigt schematisch das Gefüge einer erfindungsgemässen Legierung. Es ist martensitisch und gliedert sich in ehemalige Austenitkömer 1, welche in Martensitkristalle (Blöcke) 2 zerlegt sind, die ihrerseits wieder in einen Satz von säulenförmigen Subkömern (Latten) 3 zerlegt sind.

[0031] In dieses Gefüge sind Vanadiumnitride 5 bzw. Vanadium/Niob-Nitride 4 eingebettet. Diese Nitride haben entweder hohe Austenitisierungstemperaturen überlebt (primäre Nitride 4) oder wurden in nachfolgenden Wärmebehandlungsetappen gebildet (sekundäre Nitride 5). Sekundäre Nitride 5 können während einer Reaustenitisierung bei tieferen Temperaturen als auch während einer Anlassbehandlung des Martensitis 2 gebildet werden.

[0032] In dieses Gefüge sind zusätzlich Austenitkörner 6 eingebettet. Dieser Austenit 6 ist als Anlassaustenit zu verstehen, da er während einer abschliessenden Anlassbehandlung erzeugt wird und nach Abkühlung auf Raumtemperatur zurückbleibt.

[0033] Die primären Nitride 4 sind etwas gröber als die sekundären Nitride 5, aber beide Nitridarten 4 und 5 sind sehr gleichmässig verteilt. Durch diese Gleichmässigkeit wird eine optimierte Härtungswirkung erzielt. Dies geschieht sowohl über Kornfeinung als auch über Teilchenhärtung. Durch die Gleichmässigkeit und durch die geringe Vergröberungsneigung der primären Vanadium/Niob-Mischnitride 4 wird Beständigkeit gegen massive Kornvergröberung bis auf Temperaturen von 1180°C sichergestellt.

[0034] Zwischen Austenitisierungstemperaturen von 730 und 1180 °C besteht eine nicht unwesentliche Löslichkeitslücke für das Vanadiumnitrid 4. Nitride, welche bei einer Austenitisierung bei 1180 °C aufgelöst werden, können zu einem grossen Anteil bei einer Reaustenitisierung zwischen 730 und 850 °C neu ausgeschieden werden. Diese Nitride 5 bleiben hinreichend fein, so dass sie durch Teilchenhärtung an der insgesamt realisierten Festigkeit beitragen. Wesentlich ist jedoch, dass mit der Reaustenitisierung eine Kornfeinung verknüpft ist, welche durch die Anwesenheit der Primärnitride 4 wie auch der sich neu bildenden Vanadiumnitride 5 wirksam unterstützt wird. Kornfeinung und Neuausscheidung von Nitriden 5 zusammen ermöglichen eine sehr wirksame Steigerung der Ms-Temperatur.

[0035] Anlassaustenit 6 entwickelt sich bei Temperaturen zwischen 550 und 650 °C. Oberhalb einer Temperatur von 600 °C können Vanadiumnitride 5 leicht in der martensitischen Matrix 2 ausgeschieden werden und liefern einen bedeutenden Festigkeitsbeitrag. Von Bedeutung ist, dass der sich bildende Anlassaustenit 6 in seinem Wachstum stark durch die anwesenden Nitride 4, 5 beeinträchtigt ist. Gelingt es also den Austenit 6 in einer hohen Keimdichte zu erzeugen, so kann er innerhalb des Martensits 2 und unter der Wirkung der vorliegenden Nitride 4, 5 gleichmässig und fein verteilt werden. Eine erhöhte Keimdichte kann durch einen feinen Martensit 2 sichergestellt werden.

[0036] Die Bildung von Chromnitrid ist unterdrückt, da der Stickstoff schon in der vorangehenden Wärmebehandlungsphase abgebunden wird. Damit bleibt Chrom in Lösung und die Anfälligkeit auf Sensibilisierung ist gering.

[0037] Die Ausscheidungshärtung kann durch Kupfer weiter gesteigert werden. Eine weitere Ausscheidungshärtung ist durch das Zulegieren von Molybdän und/oder Wolfram in Kombination mit Nickel und Kobalt möglich. Die Zugabe von Molybdän kann dabei die Korrosionsbeständigkeit weiter verbessern.

[0038] Gegenüber den in der Technik bekannten Legierungen weist das Gefüge der erfindungsgemässen Legierungen eine Reihe von Vorteilen auf:
  • Massive Kornvergröberung setzt bei höheren Temperaturen ein. Dadurch können höhere Austenitisierungstemperaturen angewendet werden, womit auch ein grösserer Volumenanteil von Sondernitriden in Lösung gebracht werden kann.
  • Die Kornfeinung bei der Reaustenitisierung ist durch die Anwesenheit und Neubildung von Sondernitriden verbessert. Kornfeinung und Neuausscheidung von Nitriden ermöglichen eine wirksame Steigerung der Ms-Temperatur. Die neugebildeten Nitride liefern einen zusätzlichen Festigkeitsbeitrag durch Teilchenhärtung.
  • Der Anlassaustenit wird als Folge der dicht vorliegenden Nitride in seinem Wachstum begrenzt. Er kann dadurch gleichmässiger und feiner in das martensitische Grundgefüge eingebettet werden. Durch die Gleichmässigkeit und Feinheit geht keine Festigkeit verloren, das Verhältnis Streckgrenze/Zugfestigkeit bleibt hoch.
  • Die Vanadiumnitride sind unter den Anlassbedingungen, unter denen der Anlassaustenit gebildet wird (550 bis 650 °C) hinreichend stabil gegen Vergröberung, so dass mit der Bildung des Anlassaustenits keine Überalterung der Ausscheidungsphasen verknüpft ist.
  • Die erfindungsgemässe Legierung ist gut gegenüber der Ausscheidung von Chromkarbid oder Chromnitrid stabilisiert. Damit kann die Korrosionsbeständigkeit hoch gehalten werden.


[0039] Hervorzuheben ist, dass bei den erfindungsgemässen Legierungen sowohl die Ausscheidungsaushärtung als auch die Bildung von Anlassaustenit in demselben Temperaturbereich von 550 bis 650 °C umgesetzt werden kann.

[0040] Die Fig. 2 bis 5 zeigen Festigkeits- und Härtewerte der erfindungsgemässen Legierungen AP39, AP40 und AP41 im Vergleich zu den Refenzlegierungen 14-5ph und 17-4ph. Die chemische Zusammensetzung der betreffenden Legierungen ist der nachfolgenden Tabelle 1 (n.s. = nicht spezifiziert) zu entnehmen:
Tabelle 1:
Chemische Zusammensetzung
  17-4ph 14-5ph AP39 AP40 AP41
Fe Rest Rest Rest Rest Rest
Cr 15.4 14 15.2 15.1 15.0
Ni 4.4 5 4.3 4.4 4.4
Mn 0.4 0.4 0.05 0.04 0.05
Si 0.25 0.25 0.18 0.14 0.16
Co n.b. n.b. 4.7 4.6 2.6
Cu 3.3 1.6 n.s. 3.4 3.4
V n.s. n.s. 0.6 0.6 0.64
Ti n.s n.s. 0.003 0.004 0.004
Nb 0.3 0.25 0.04 0.04 0.04
Mo n.s. 1.5 1 0.9 1
N n.s n.s. 0.16 0.16 0.16
C 0.04 0.05 0.02 0.02 0.02


[0041] Die erfindungsgemässen Legierungen wurden folgendermassen hergestellt:

1. Erschmelzen im Vakuum-Induktionsofen bei Umgebungsdruck

2. Homogenisierung bei 1200 °C/10 h

3. Schmieden von Platten bei Temperaturen zwischen 1180 °C und 900 °C



[0042] Fig. 2 zeigt die Anlasskurven der erfindungsgemässen Legierungen AP39, AP40 und AP41, welche bei 1180 °C/2 h lösungsgeglüht wurden im Vergleich zur kommerziellen Legierung vom Typ 17-4ph, welche bei 1050 °C/2 h lösungsgeglüht wurde. Alle Versuchsproben mit einem Vergütungsquerschnitt von 30 mm wurden an Luft abgekühlt. Die Anlasszeit betrug jeweils 2 Stunden. Es wurde die Vickers Härte HV 10 der untersuchten Proben in Abhängigkeit von der Anlasstemperatur T aufgetragen. Deutlich ist zu erkennen, dass bei Anlasstemperaturen oberhalb von 600 °C bei den erfindungsgemässen Legierungen wesentlich höhere Härtewerte als bei der Vergleichslegierung erreicht werden.

[0043] Für die Ermittlung der Festigkeitswerte der erfindungsgemässen Legierungen AP39, AP40 und AP41 sowie der Vergleichslegierung vom Typ 14-5ph wurden die in der Tabelle 2 beschriebenen Wärmebehandlungen durchgeführt:
Tabelle 2:
Wärmebehandlungsparameter
  14-5ph AP39-41
  LZA450 LZA550 LZA620 WB1 WB2 WB3
Lösungsglühen L Zwischen glühen Z 1050°C 1050°C 1050°C 1180°C/ 2h 1180°C/ 2h 1180°C/ 2h
850°C/2h 750°C/2h 750°C/2h 640°C/2h 730°C/2h 780°C/2h
Anlassen A 450°C/5h 550°C/2h 620°C/2h 600°C/1h 600°C/1h 600°C/1h


[0044] Die Figuren 3 bis 5 zeigen Festigkeitswerte der erfindungsgemässen Legierungen AP39 (Fig. 3), AP40 (Fig. 4) und AP41 (Fig.5) nach einer Lösungsglühung bei 1180 °C, einer Zwischenglühung bei 640 °C, 730 °C oder 780 °C, sowie einer abschliessenden Anlassbehandlung bei 600 °C. Die Festigkeiten (Streckgrenze Rp0.2 und Zugfestigkeit Rm) werden vergleichen mit typischen Werten der aus dem Stand der Technik bekannten Legierung 14-5ph im Wärmebehandlungszustand LZA450, LZA550 und LZA4620. Die offenen Symbole beziehen sich dabei auf die Streckgrenze, die geschlossenen Symbole auf die Zugfestigkeit.

[0045] Alle drei erfindungsgemässen Legierungen weisen nach der abschliessenden Anlassbehandlung bei 600°C Zugfestigkeitswerte auf, welche nahe oder deutlich oberhalb des oberen Streubandendes des Stahls vom Typ 14-5ph liegen.

[0046] Die Legierungen A39 und A41 weisen nach der abschliessenden Anlassbehandlung bei 600°C Streckgrenzenwerte, auf welche nahe oder deutlich oberhalb des oberen Streubandendes des Stahls vom Typ 14-5ph liegen.

[0047] Damit ist gezeigt, dass mit den erfindungsgemässen Legierungen nach einer Anlassbehandlung von 600°C noch Festigkeitswerte erzielt werden können, für die bei den konventionellen Legierungen Anlasstemperaturen von etwa 550°C angewendet werden müssen. Dies bedeutet, dass selbst in demjenigen Temperaturbereich, bei dem sich bevorzugt der Anlassaustenit bildet, noch hohe Festigkeitswerte erzielt werden können.

[0048] Selbstverständlich ist die Erfindung nicht auf die beschriebenen Ausführungsbeispiele beschränkt.

Bezugszeichenliste



[0049] 
1
Korn
2
Martensit (Blöcke)
3
Subkörner (Latten)
4
Sekundäre Nitride
5
Primäre Nitride
6
Anlassaustenit
T
Anlasstemperatur
Rp0.2
Streckgrenze
Rm
Zugfestigkeit



Ansprüche

1. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl gekennzeichnet durch folgende Zusammensetzung (Angabe in Gew.-%): 15-18 Cr, maximal 0.5 Mn, 4-10 Ni, maximal 15 Co, maximal 4 W, maximal 4 Mo, 0.5-1 V, mindestens eines aus Nb, Ta, Hf und Zr in der Summe zwischen 0.001-0.1, 0.001-0.05 Ti, maximal 0.5 Si, maximal 0.05 C, 0.13-0.25 N, maximal 4 Cu, Rest Eisen und übliche Verunreinigungen und der Massgabe, dass das Gewichtsverhältnis von Vanadium zu Stickstoff V/N im Bereich zwischen 3.5 und 4.2 liegt.
 
2. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch 1 bis 10 Gew.-% Co.
 
3. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch 0.5-3 Gew.-% Cu.
 
4. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 3, gekennzeichnet durch 0.5-1.5 Gew.-% Cu.
 
5. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch 15-17 Gew.-% Cr.
 
6. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 5, gekennzeichnet durch 15.5-16.5 Gew.-% Cr.
 
7. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch maximal 0.03 Gew.-% C.
 
8. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 7, gekennzeichnet durch maximal 0.02 Gew.-% C.
 
9. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch 0.5-0.7 Gew.-% V und 0.16-0.20 Gew.-% N.
 
10. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch 0.01-0.07 Gew.-% Nb.
 
11. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch eine Summe von Mo und W im Bereich zwischen 1 und 6 Gew.-%.
 
12. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 11, gekennzeichnet durch 1-4 Gew.-% Mo.
 
13. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 12, gekennzeichnet durch 1.5-3 Gew.-% Mo.
 
14. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch 0.02-0.4 Gew.-% Mn.
 
15. Umwandlungskontrollierter Nitrid-ausscheidungshärtender Vergütungsstahl nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch 0.02-0.25 Gew.-% Si.
 
16. Verfahren zur Wärmebehandlung eines Vergütungsstahles nach einem der Ansprüche 1 bis 15, gekennzeichnet durch folgende Schritte:

- Lösungsglühen bei 1050-1250 °C/0.2-10 h, Abkühlung an Luft auf RT

- Zwischenglühung bei 640 °C bis 780 °C/0.2-10 h

- Anlassbehandlung bei 570-630 °C/0.2-5 h.


 
17. Verfahren zur Wärmebehandlung eines Vergütungsstahles nach Anspruch 16, gekennzeichnet durch folgende Schritte:

- Lösungsglühen bei 1180 °C/2 h, Abkühlung an Luft auf RT

- Zwischenglühung bei 640 °C bis 780 °C/2 h

- Anlassbehandlung bei 600 °C/1 h.


 




Zeichnung