(19)
(11) EP 1 300 818 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
09.04.2003  Patentblatt  2003/15

(21) Anmeldenummer: 02020068.9

(22) Anmeldetag:  06.09.2002
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7G08G 1/01
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 19.09.2001 DE 10146209

(71) Anmelder: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
80333 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Dunkel, Manfred
    50354 Huerth (DE)
  • Poschinger, Andreas, Dr.
    82515 Wolfratshausen (DE)
  • Reich, Alexander-Michael
    85229 Markt Indersdorf (DE)
  • Schlecking, Dieter
    40764 Langenfeld (DE)

   


(54) System zur Verkehrsbeeinflussung


(57) Ein System zur Verkehrsbeeinflussung umfasst ein Verfahren und eine Anordnung zur Durchführung des Verfahrens zur Verkehrsbeeinflussung in einem Netzausschnitt eines Straßennetzes, bei dem Elemente zum Beeinflussen des Verkehrs in Aggregationsstufen repräsentierenden Hierarchieebenen angeordnet werden, wobei auf Verkehrsteilnehmer im Netzausschnitt über Beeinflussungselemente der niedrigsten Hierarchieebene eingewirkt wird. Für die Beeinflussungselemente werden Sollzustände eines vorgebbaren Zustandsraumes angefordert und die Beeinflussungselemente nehmen jeweils genau einen Istzustand ein. Ein Sollzustand eines Beeinflussungselementes einer Hierarchieebene wird mittels einer Zustandsübergangslogik an Beeinflussungselemente der nächst niedrigeren Hierarchieebene propagiert, während ein Istzustand eines Beeinflussungselementes einer Hierarchieebene mittels einer Zustandserkennungslogik an Beeinflussungselemente der nächst höheren Hierarchieebene propagiert wird. Dies erlaubt eine einfache subsidiäre Umsetzung komplexer Schaltstrategien bei verbesserter Modularisierung, Erweiterbarkeit und Testbarkeit des Systems.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein System zur Verkehrsbeeinflussung mit einem Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruches 1 und mit einer Anordnung zur Durchführung des Verfahrens.

[0002] Ganz allgemein wird unter Verkehrsbeeinflussung die Einwirkung auf Verkehrsteilnehmer zur Veränderung ihres Verhaltens, ihrer Wege- oder Verkehrsmittelwahl verstanden. Ein typisches Instrument zur Verkehrsbeeinflussung auf Ausschnitten eines Straßennetzes, z.B. des Autobahnnetzes, sind Wechselverkehrszeichen- und Lichtsignalanlagen. Durch den Einsatz von geeigneten, den jeweiligen Verkehrs- und Witterungsbedingungen angepassten Informationen, Geboten, Verboten, Warnungen, Hinweisen oder durch Verkehrsumlenkung soll dabei die Verkehrssicherheit verbessert werden. Um die Betriebsbedingungen zu verbessern, werden die einzelnen straßenseitig angeordneten Anlagen miteinander verknüpft und ein umfassendes Gesamtsystem mit einer Verkehrsrechnerzentrale geschaffen.

[0003] Zur Steuerung, Überwachung und Koordinierung von Verkehrsbeeinflussungsanlangen, wie z.B. Streckenbeeinflussungsanlagen zur Beeinflussung des Straßenverkehrs auf einem Abschnitt einer Autobahn, dienen nach dem "Merkblatt für die Ausstattung von Verkehrsrechnerzentralen und Unterzentralen", Ausgabe 1999, Bundesanstalt für Straßenwesen, im folgenden auch kurz MARZ genannt, Unterzentralen und Verkehrsrechnerzentralen Die Anlagen bestehen aus mehreren, hierarchisch aufgebauten Funktionsebenen, denen bestimmte Aufgaben zugewiesen sind. Die Funktionsebenen bilden die Verkehrsrechnerzentrale als zentrale Systemkomponente, die Unterzentrale als erfassende und steuernde Komponente und die Streckenstationen als Datenerfassungs- bzw. Datenausgabekomponente. Auf der Funktionsebene der Verkehrsrechnerzentrale werden alle zentralen, übergeordneten Aufgaben, wie Netzbeeinflussung, Bedienung, Überwachung und Koordinierung, Auswertung und Archivierung, angeordnet. Die Funktionsebene Unterzentrale dient der Datenaufbereitung von automatisch erfassten Umfelddaten, wie Sichtweite, Helligkeit und Nässe, und Verkehrsdaten, wie Verkehrsstärke, Geschwindigkeit, Lkw-Anteile, Standardabweichungen und Belegung, sowie der Steuerung von Streckenbeeinflussungsanlagen. Auf der Funktionsebene der Streckenstationen werden Daten erfasst und die Anzeigegeräte geschaltet. Nicht vorhersehbare Ereignisse, wie Unfälle, Glätte, Explosionsgefahr oder Sondertransporte, und vorhersehbare Ereignisse, wie Baustellen, Veranstaltungen oder Ferien, müssen über angeschlossene Bedienstationen manuell eingegeben werden. Zur Steuerung einer Streckenbeeinflussungsanlage werden automatische Schaltempfehlungen ermittelt, wobei über die Konfiguration des Systems einem Anzeigequerschnitt ein oder mehrere Messquerschnitte zugeordnet sind. In jedem Erfassungsintervall, i.a. eine Minute, wird anhand der aufbereiteten Verkehrs- und Umfelddaten dieser Messquerschnitte zunächst nach Kriterien, wie Geschwindigkeitsharmonisierung und Stau-, Nässe- oder Nebelwarnung, eine Schaltempfehlung für die zugeordneten Anzeigequerschnitte festgelegt. Von den Bedienstationen muss die Auswahl von Sonderprogrammen für Baustellen oder Warnung vor Verkehrsunfällen möglich sein.

[0004] Die Steuerung von Außerortsstraßen erfolgt nach MARZ regelbasiert auf der Basis der Anzeigezustände lokaler Querschnitte und Anzeigegeräte. Die zur Steuerung von Tunnels eingesetzten Schaltprogramme integrieren den Endzustand, den sie bewirken, mit den Vorgängen, die nötig werden, um diesen Endzustand zu erreichen. Die Schaltprogramme sind somit komplexe räumlichzeitliche Ablaufsteuerungen mit hohen gegenseitigen Abhängigkeiten. Dies hat zur Folge, dass jedes Szenarium im gesamten Systementstehungsprozess von der Konzeption bis hin zum Test von Anfang an explizit berücksichtigt werden muss.

[0005] In "A New Approach for Integrated Traffic Control in Metropolitan Areas", 7th World Congress on Intelligent Transport Systems, Torino, 6. bis 9. November 2000, wird ein adaptives Steuerungsverfahren vorgeschlagen, welches in eine verteilte und modulare Systemarchitektur eingebettet ist. Eine strategische Komponente soll einen integrierten Ansatz für Verkehrssteuerung gemäß einer übergreifenden Verkehrsstrategie garantieren. Das übergreifende System zur Steuerung und Überwachung des Straßenverkehrs zerfällt in drei logische Ebenen, nämlich in eine lokale, eine operative und eine strategische Ebene. Auf der lokalen Ebene reagiert das adaptive Steuerungsverfahren auf kurzzeitige Veränderungen der Verkehrsnachfrage und auf zufällige Ereignisse, wie z.B. die Prioritätsanforderung eines öffentlichen Verkehrsmittels, nach einer vorgegebenen Zielfunktion. Die Reaktion kann innerhalb eines gegebenen Rahmens stattfinden, der durch die operative Ebene bereitgestellt wird. Gleichzeitig werden die auf dieser Ebene sekündlich erfassten mikroskopischen Daten aggregiert und an die operative Ebene übermittelt. Auf der operativen Ebene verwenden die adaptiven Steuerungsverfahren die aggregierten Verkehrsflussinformationen, um Start-Ziel-Relationen für das Netz abzuschätzen, für das sie zuständig sind, und um kurz- bis mittelfristige Nachfragevorhersagen zu erstellen. Auf dieser Grundlage und unter Verwendung geeigneter Beeinflussungsmodelle werden optimale Rahmenpläne aufgrund einer gegebenen Zielfunktion bestimmt. Auf der strategischen Ebene werden der gesteuerte und der berechnete Verkehrszustand überwacht. Verkehrsingenieure und Bediener werden auf dieser Ebene auch durch Software-Tools unterstützt, um die Parameter der entsprechenden Zielfunktionen für die verschiedenen Steuerungssysteme auf die Verkehrsstrategie des Großstadtraumes abzustimmen. Auf diese Weise kann eine Konsistenz der Ziele für verschiedene Steuerungssysteme, wie interurbaner, urbaner, öffentlicher Verkehr, etc., erreicht werden. Die strategische Ebene kann physikalisch ebenfalls verteilt angeordnet sein und verschiedene Steuerungszentren aufweisen, was bestehende organisatorische Strukturen widerspiegeln kann. Gemäß ihrer Aufteilung stellt diese Gestaltung einerseits Subsidiarität für jede einzelne Komponente bereit. Andererseits garantiert sie aufgrund ihrer klaren hierarchischen Struktur die konsistente Durchführung jeder Steuerungsentscheidung einer höheren Ebene. Durch das Ausschließen zentraler Steuerungsverfahren ist das System robust und jede einzelne Komponente kann arbeiten, selbst wenn eine Komponente einer höheren Ebene ausfällt. Gleichzeitig ist das System völlig integriert, da von allen Aktoren eine gemeinsame Strategie in konkordanter Weise beachtet wird. Die relevante Information über strategische Ziele wird über die Parameter der Zielfunktionen der adaptiven Steuerungsverfahren ausgetauscht. Eine gemeinhin akzeptierte Zielfunktion besteht aus einer Linearkombination aller charakteristischen Kriterien, die für Mengen von Verbindungen des Straßennetzes von Bedeutung sind.

[0006] Allerdings können hier keine beliebigen Steuerungs- bzw. Beeinflussungsebenen definiert werden, die einheitlich durch dynamische Soll- und Istwerte verkoppelt sind, wodurch auch der Einsatz in Steuerungssystemen der taktischen Ebene, wie Tunnel- oder Streckenbeeinflussungsanlagen, nicht möglich ist.

[0007] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein System zur Verkehrsbeeinflussung bereitzustellen, das die Nachteile des Standes der Technik vermeidet, so dass komplexe verkehrstechnische Strategien für Verkehrsbeeinflussungsanlagen einfach umgesetzt werden können.

[0008] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein System zur Verkehrsbeeinflussung mit einem Verfahren der eingangs genannten Art, welches die im kennzeichnenden Teil des Patentanspruches 1 genannten Merkmale aufweist, sowie mit einer Anordnung zur Durchführung des Verfahrens gemäß Patentanspruch 11. Indem bei einem Verfahren zur Verkehrsbeeinflussung in einem Netzausschnitt eines Straßennetzes der eingangs genannten Art für die Beeinflussungselemente Sollzustände eines vorgebbaren Zustandsraumes angefordert werden, die Beeinflussungselemente jeweils einen Istzustand einnehmen, ein Sollzustand eines Beeinflussungselementes einer Hierarchieebene mittels einer Zustandsübergangslogik an Beeinflussungselemente niedrigerer Hierarchieebenen propagiert wird, und ein Istzustand eines Beeinflussungselementes einer Hierarchieebene mittels einer Zustandserkennungslogik an Beeinflussungselemente höherer Hierarchieebenen propagiert wird, kann die Komplexität einer Schaltstrategie durch eine klare Unterscheidung von Zuständen und Zustandsübergängen entkoppelt werden.

[0009] Weitere Vorteile des erfindungsgemäßen Systems sind in den Unteransprüchen beschrieben und einem Ausführungsbeispiel zu entnehmen, welches im folgenden anhand der Zeichnungen näher erläutert wird, in deren
FIG 1
eine erste Hierarchie von Beeinflussungselementen,
FIG 2
die Propagierung von Soll- und Istzuständen,
FIG 3
eine Topologie eines Straßennetzausschnittes,
FIG 4a-c
Anzeigequerschnitte für die Topologie nach FIG 3,
FIG 5
eine zweite Hierarchie von Beeinflussungselementen für die Topologie nach FIG 3,
FIG 6
die topologische Zuordnung von Beeinflussungselementen für die Topologie nach FIG 3 und
FIG 7a-c
Zustandsräume der Beeinflussungselemente für die Topologie nach FIG 3
schematisch dargestellt ist.

[0010] Zum einfachen Umsetzen einer komplexen Schaltstrategie werden in einem erfindungsgemäßen System zur Verkehrsbeeinflussung Beeinflussungselemente definiert, die - strategisch gesehen - einen Netzausschnitt des Straßennetzes darstellen, auf den die Strategie angewandt werden soll. Die Beeinflussungselemente sind nach FIG 1 in Aggregationsstufen repräsentierenden Hierarchieebenen 1, 2, 4, 5 angeordnet und dürfen - in FIG 1 durch nach unten weisende Pfeile angedeutet - jeweils nur Beeinflussungselemente einer niedrigeren Hierarchieebene beeinflussen. Auf der untersten Hierarchieebene 1 befinden sich die Beeinflussungsgeräte, also Anzeigegeräte 10A-C, 11A-C, 12A-C, wie Wechselverkehrszeichen, Wechselwegweiser oder Lichtsignale, die zu Anzeigequerschnitten 20, 21, 22 aggregiert werden, welche in der nächst höheren Hierarchieebene 2 der Beeinflussungsquerschnitte zusammengefasst sind. Aus mehreren Beeinflussungsquerschnitten kann beispielsweise ein Beeinflussungsabschnitt als Streckenabschnitt 40, 41 des Straßennetzes in der nächst höheren Hierarchieebene 4 gebildet werden. In der höchsten Aggregationsstufe, der Hierarchieebene 5, ist aus mehreren Beeinflussungsabschnitten wiederum ein Beeinflussungsgebiet als Gebietsausschnitt 50 des Straßennetzes gebildet.

[0011] Jedes Beeinflussungselement besitzt mindestens einen Sollzustand und genau einen Istzustand. Nach FIG 2 besitzt das Beeinflussungselement 10A einen Sollzustand 10A_soll und den Istzustand 10A_ist, während das übergeordnete Beeinflussungselement 20 einen Istzustand 20_ist und eine Menge von Sollzuständen 20_soll1, 20_soll2 und 20_soll3 besitzt, da es von mehreren übergeordneten Beeinflussungselementen (in FIG 2 nicht dargestellt) beeinflusst wird. Beeinflussungselemente können zusätzlich über mehrere interne Mengen von Sollzuständen verfügen, um aus der von extern angeforderten Menge von Sollzuständen einen einzigen Sollzustand zu bestimmen. Beeinflussungselemente können ihre Soll- und Istzustände abstrahieren, z.B. "Tunnelröhre gesperrt", oder auf die Sollzustände untergeordneter Beeinflussungselemente abbilden, z.B. "Anzeigegerät A, B ... im Zustand rotes Kreuz".

[0012] Der in FIG 2 bestimmte einzige Sollzustand, etwa 20_soll1, des Beeinflussungselements 20 und sein Istzustand 20_ist werden unter Berücksichtigung der Istzustände der untergeordneten Beeinflussungselemente, hier 10A_ist von Beeinflussungselement 10A, von einem Regler abgeglichen. Dieser Regler ist aus einer Menge von Zustandsübergangslogiken - in FIG 2 durch den Pfeil 201 angedeutet - aufgebaut, die jeweils zum Abgleich bestimmter Kombinationen von Soll- und Istzuständen ausgewählt werden. Der Ausgang eines Reglers bzw. seiner Zustandsübergangslogiken sind Anforderungen an Sollzustände untergeordneter Beeinflussungselemente. Die Regler der Beeinflussungsgeräte, also der Beeinflussungselemente der niedrigsten Hierarchieebene, bilden die Sollzustände auf Schaltbefehle für die Anzeigegeräte ab. Auf diese Weise werden Sollzustände übergeordneter Hierarchieebenen in Sollzustände untergeordneter Hierarchieebenen propagiert bis Schaltbefehle für die Anzeigegeräte resultieren. Die Schaltbefehle führen zu einem neuen Istzustand der untersten Hierarchieebene von Beeinflussungselementen. Diese werden von einem Beobachter der jeweils übergeordneten Beeinflussungselemente verwendet, um den eigenen Zustand zu erkennen. Dazu sind die Beobachter aus Zustandserkennungslogiken - in FIG 2 durch den Pfeil 102 angedeutet - für abstrakte Zustände der Beeinflussungselemente aufgebaut, die aus einem bestimmten Muster der Istzustände untergeordneter Beeinflussungselemente erkannt werden. Die Beobachter propagieren auf diese Weise die Istzustände untergeordneter Hierarchieebenen in Istzustände übergeordneter Hierarchieebenen.

[0013] Neben den speziellen Beeinflussungselementen für die Anzeigegeräte eines Verkehrsbeeinflussungssystems für einen bestimmten Netzausschnitt können auch hier nicht dargestellte spezielle Beeinflussungselemente für externe Steuerungssysteme beispielsweise benachbarter Netzausschnitte des Straßennetzes verwendet werden, die mit dem internen System zur Verkehrsbeeinflussung in Wechselwirkung treten sollen. Wird z.B. der Verkehr auf einem Autobahnabschnitt von drei Systemen beeinflusst, kann das System des mittleren Abschnittes zwei spezielle Beeinflussungselemente besitzen, die die aggregierten Soll- und Istzustände der beiden benachbarten Beeinflussungssysteme abbilden.

[0014] Eine Strategie ist demnach primär definiert durch den Sollzustand eines Beeinflussungselement, wie z.B. "Einfahrtshilfe für Zufahrt". Dieser neue Sollzustand bedingt einen Zustandsübergang vom augenblicklichen Istzustand des Beeinflussungsgebiets und/oder untergeordneter Beeinflussungselemente in den neuen Sollzustand. Der Zustandsübergang wird durch Anforderung von Sollzuständen an untergeordneten Beeinflussungselementen implementiert. Der Zustandsübergang stellt die sekundäre Ausprägung einer Strategie dar. Zwei verschiedene Strategien können denselben Sollzustand eines Beeinflussungselements bewirken, aber dabei unterschiedliche Zustandsübergänge verwenden.

[0015] In einem konkreten Anwendungsbeispiel wird die Erfindung anhand der in FIG 3 dargestellten Topologie eines Ausschnittes des Autobahnnetzes erläutert. Zu steuern ist der Verkehr auf einer Autobahn mit einer dreistreifigen Hauptfahrbahn 43, 44, in die eine zweistreifige Rampe 42 einmündet. Diese Topologie existiert in Realität z.B. am Autobahnkreuz München Nord, an dem in die dreistreifige A9 Fahrtrichtung Nürnberg eine zweistreifige Rampe der A99 aus Richtung Salzburg einmündet. In diesem Gebiet sind beispielsweise zwei Anzeigequerschnitte 25, 26 auf der Hauptfahrbahn 43 oberhalb der Rampe 42, ein Anzeigequerschnitt 267 auf Mündungshöhe der Rampe 42 und auf der Hauptfahrbahn 44 unterhalb der Rampe 42 drei Anzeigequerschnitte 27, 28 und 29 sowie zwei Anzeigequerschnitte 23, 24 auf der Rampe 42 angeordnet.

[0016] Die Anzeigequerschnitte entsprechen der üblichen Ausführung entsprechend der "Richtlinien für Wechselverkehrszeichenanlagen an Bundesfernstraßen", Ausgabe 1997, Bundesministerium für Verkehr, Abteilung Straßenbau. Gemäß FIG 4a - c können die Anzeigegeräte A die zulässige Höchstgeschwindigkeit und Dauerlichtzeichen für die Fahrstreifenzuteilung, die Anzeigegeräte B können Gefahrenzeichen wie Stau, Glätte, Baustelle oder Lkw-Überholverbot und die Anzeigegeräte C Zusatzinformationen wie Unfall oder Nebel anzeigen. Die Anzeigequerschnitte 25, 26, 27, 28, 29 über den dreistreifigen Abschnitten 43, 44 der Hauptfahrbahn sind gemäß FIG 4a, der Anzeigequerschnitt 267 über dem vierstreifigen Abschnitt der Hauptfahrbahn 43, 44 auf Mündungshöhe der Rampe 42 ist gemäß FIG 4b und die Anzeigequerschnitte 23 und 24 über der zweistreifigen Rampe 42 sind gemäß FIG 4c jeweils entsprechend der Anzahl der den Querschnitt passierenden Fahrstreifen ausgebildet.

[0017] FIG 5 zeigt die gewählte Hierarchie der Beeinflussungselemente. Die Anzeigegeräte 13A - C, ... , 19A - C bilden die unterste Hierarchieebene 1 der Beeinflussungsgeräte. Die zu Anzeigequerschnitten 23 - 29 zusammengefassten Anzeigegeräte bilden die übergeordnete Hierarchieebene 2 der Beeinflussungsquerschnitte. Mehrere Anzeigequerschnitte werden zu drei Beeinflussungsabschnitten einer nächsten übergeordneten Hierarchieebene 4 zusammengefasst, und zwar die des Hauptfahrbahnabschnittes 43 oberhalb der Rampe, 44 unterhalb der Rampe und die der Rampe 42 selbst. Auf der höchsten Hierarchieebene 5 des Beeinflussungsgebiets werden die strategischen Bereiche "Fahrstreifenmanagement" 51 und "Verflechtungsoptimierung" 52 gebildet. Daneben gibt es einen weiteren strategischen Bereich 30, der die Steuerungsverfahren nach MARZ kapselt und auf die Anzeigequerschnitte zurückgreift. Die Beeinflussungsabschnitte und -querschnitte erhalten also immer Sollzustände von zwei strategischen Bereichen, die zu einem Sollzustand aggregiert werden müssen.

[0018] Für die Steuerung des Autobahngebiets sind also drei Strategien implementiert: Die MARZ-Steuerung 30 - also Verkehrsunruhe, Stau, Nässe und Nebel; ein Fahrstreifenmanagement 51 - also Sperrung des linken oder rechten Fahrstreifens auf der Hauptfahrbahn 43, 44 zur Berücksichtigung von Unfällen oder Baustellen; eine Verflechtungsoptimierung für die Sperrung des linken Fahrstreifens auf der Rampe 42 oder des rechten Fahrstreifens auf der Hauptfahrbahn 43, um den Verkehr auf der Rampe 42 zu bevorzugen. Im Falle des Autobahnkreuzes München Nord könnte eine solche Strategie verwendet werden, um das während der morgendlichen Spitzenstunde relativ hohe Verkehrsaufkommen aus Richtung Salzburg gegenüber dem relativ geringen Verkehrsaufkommen aus München zu priorisieren. Die Verflechtungsoptimierung 52 kann anstatt durch Dauerlichtzeichen auch durch dynamische Fahrstreifenzuteilungen implementiert werden.

[0019] Die diskreten Zustände der Beeinflussungsabschnitte 42, 43, 44 werden auf zwei Zustandsmoden aufgeteilt, den Geschwindigkeitszustand V und den Fahrstreifenzustand L. Gemäß FIG 7a sind fünf Geschwindigkeitszustände V1 - V5 vorgesehen, die über zulässige Höchstgeschwindigkeiten auf den Verkehrsfluss Eingriff nehmen. Als Fahrstreifenzustände sind die drei Zustände L1, L2, L3 nach FIG°7b vorgesehen, über die durch die Sperrung des linken, des rechten oder keines Fahrstreifens Eingriff auf den Verkehrsfluss genommen wird. Der Fahrstreifenzustand L wird in diesem Ausführungsbeispiel direkt an die Anzeigequerschnitte übermittelt, um räumlich-zeitliche Fahrstreifensperrungen implementieren zu können. Der Geschwindigkeitszustand V wird an den MARZ Bereich 30 delegiert, um dort entsprechend der vorgegebenen Regeln abgeglichen zu werden.

[0020] Die diskreten Zustände der Anzeigegeräte 13A - C, ..., 19A - C entsprechen ihren Anzeigemöglichkeiten. Die Anzeigequerschnitte 23 - 29 werden neben dem Geschwindigkeits- und Fahrstreifenzustand noch in die Zustandsmoden Gefahren- und Zusatzinformationsanzeige aufgespaltet.

[0021] Der MARZ-Bereich 30 besitzt einen generischen Zustandsraum, der sich implizit aus den Steuerungsregeln ergibt. Dieser wird aus den Sollzuständen für die Anzeigequerschnitte - aufgeteilt nach den Zustandsmoden - gebildet und kann somit direkt auf die Anzeigequerschnitte abgebildet werden.

[0022] Die Zustände des Fahrstreifenmanagements 51 können entsprechend dem Zustandsmodus "Fahrstreifenzustand" L der Beeinflussungsabschnitte 42, 43, 44 unterschieden werden. Die diskreten Zustände der Verflechtungsoptimierung 52 sind "Rampe nicht priorisiert" und "Rampe priorisiert". Diese Zustände werden auf die Zustände der Beeinflussungsabschnitte 42, 43 abgebildet. Eine topologische Zuordnung der dieser Beeinflussungselemente zeigt FIG 6.

[0023] Die Zustandsübergänge können generisch regelbasiert erfolgen. Beispiele hierfür sind die Umsetzung der Sollzustände aus dem MARZ-Bereich 30 an die Anzeigequerschnitte, der Zustände der Anzeigequerschnitte an die Anzeigegeräte und der Autobahnabschnitte an die Anzeigequerschnitte inklusive der dynamischen Zustandsübergänge.

[0024] Daneben ist es auch möglich, Zustandsübergänge in spezialisierten Ablaufsteuerungen zu implementieren, wie dies beispielhaft anhand von FIG 7c erläutert wird. Im Bereich der Verflechtungsoptimierung 52 soll der Zustand 1, in dem auf der Hauptfahrbahn 43 oberhalb der Rampe kein Fahrstreifen gesperrt und die zulässige Höchstgeschwindigkeit unbegrenzt ist, während auf der Rampe 42 der linke Fahrstreifen gesperrt und die Geschwindigkeit auf 120 km/h begrenzt ist, überführt werden in den Zustand 2, in welchem bei auf 100 km/h begrenzter Höchstgeschwindigkeit auf der Hauptfahrbahn 43 der rechte Fahrstreifen oberhalb der Rampe, während auf der Rampe 42 kein Fahrstreifen gesperrt ist. Hierzu wird zunächst der Zwischenzustand 1.1 gewählt, der die Geschwindigkeit auf der Hauptfahrbahn 43 und der Rampe 42 auf 100 km/h reduziert. Nach einer Wartezeit t1 wird der Zwischenzustand 1.2 angefordert, bei welchem der rechte Fahrstreifen der Hauptfahrbahn 43 oberhalb der Rampe gesperrt wird. Nach der Sperrung wird im Zwischenzustand 1.3 ein Operatordialog angefordert, mit dem die Wirksamkeit der Fahrstreifensperrung bestätigt werden muss, was durch Überwachung mittels einer Videokamera bewerkstelligt werden kann. Erst dann wird der linke Fahrstreifen der Rampe 42 freigegeben. Die Zwischenzustände 1.1 bis 1.3 sind interne Zustände, die von außen durch Operatoreingriff oder durch Beeinflussungselemente höherer Hierarchieebenen nicht angefordert werden können.

[0025] Das Steuerungssystem mittels Beeinflussungselementen mit dynamischen Sollzuständen ist überschaubar und erlaubt eine einfache subsidiäre Umsetzung komplexer Schaltstrategien. Die Komplexität einer Schaltstrategie wird entkoppelt durch eine klare Unterscheidung von Zuständen und Zustandsübergängen, durch eine Aufteilung der Strategie in Unterstrategien sowie durch die Wiederverwendung von Teilstrategien. Es verbessert die Modularisierung, die Erweiterbarkeit und die Testbarkeit des Steuerungssystems. Die Verwendung von Zustandsmoden reduziert durch Vermeidung der expliziten Berücksichtigung von Zustandskombinationen den Zustandsraum.

[0026] Das Steuerungsverfahren kann sowohl in übergeordneten strategischen Steuerungssystemen als auch in taktisch-operativen Steuerungssystemen verwendet werden. Die dynamischen Sollzustände ermöglichen einen einheitlichen Austausch zwischen Beeinflussungselementen beliebiger strategischer Ebenen. Es ist damit generell geeignet zur subsidiären Steuerung von Telematikanlagen.


Ansprüche

1. Verfahren zur Verkehrsbeeinflussung in einem Netzausschnitt eines Straßennetzes, bei dem Elemente zum Beeinflussen des Verkehrs in Aggregationsstufen repräsentierenden Hierarchieebenen angeordnet werden, wobei auf Verkehrsteilnehmer im Netzausschnitt über Beeinflussungselemente der niedrigsten Hierarchieebene eingewirkt wird,
dadurch gekennzeichnet, dass für die Beeinflussungselemente Sollzustände eines vorgebbaren Zustandsraumes angefordert werden, dass die Beeinflussungselemente jeweils einen Istzustand einnehmen, dass ein Sollzustand eines Beeinflussungselementes einer Hierarchieebene mittels einer Zustandsübergangslogik an Beeinflussungselemente niedrigeren Hierarchieebene propagiert wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass ein Istzustand eines Beeinflussungselementes einer Hierarchieebene mittels einer Zustandserkennungslogik an Beeinflussungselemente der nächst höheren Hierarchieebene propagiert wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass die Zustandsübergangslogik der Beeinflussungselemente einer Hierarchieebene den propagierten Sollzustand für ein Beeinflussungselement dieser Hierarchieebene mit seinem Istzustand unter Berücksichtigung der Istzustände untergeordneter Beeinflussungselemente abgleicht und neue Sollzustände für diese untergeordneten Beeinflussungselemente anfordert.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, dass die Zustandserkennungslogik der Beeinflussungselemente einer Hierarchieebene die Istzustände der untergeordneten Beeinflussungselemente verwendet, um die eigenen Istzustände zu bestimmen.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, dass eine Strategie zur Verkehrsbeeinflussung ausgehend von den Istzuständen der Beeinflussungselemente durch die Vorgabe von Sollzuständen und Zustandsübergangslogiken implementiert wird.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet, dass als Beeinflussungselemente der niedrigsten Hierarchieebene Anzeigegeräte verwendet werden, dass Anzeigegeräte zu in einer höheren Hierarchieebene angeordneten Anzeigequerschnitten aggregiert werden, dass Anzeigequerschnitte zu in einer höheren Hierarchieebene angeordneten Streckenabschnitten aggregiert werden, und dass Streckenabschnitte zu in einer höheren Hierarchieebene angeordneten Gebieten des Netzausschnittes aggregiert werden.
 
7. Verfahren nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet, dass die Zustandsübergangslogiken der Anzeigegeräte die für sie angeforderten Sollzustände in Schaltbefehle für die Anzeigegeräte umwandeln.
 
8. Verfahren nach Anspruch 6 oder 7,
dadurch gekennzeichnet, dass spezielle Beeinflussungselemente vorgesehen sind, die Soll- und Istzustände zwischen Beeinflussungselementen von benachbarten Gebieten des Netzausschnittes propagieren.
 
9. Verfahren nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet, dass die Zustände der Beeinflussungselemente in mehrere Zustandsmoden aufgeteilt werden.
 
10. Verfahren nach Anspruch 9,
dadurch gekennzeichnet, dass Zustandsmoden für die Geschwindigkeitsbeeinflussung, für die Fahrstreifenbeeinflussung, für die Gefahrenanzeige und für Zusatzinformationen vorgesehen sind.
 
11. Anordnung zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 10, mit in Hierarchieebenen angeordneten Elementen zum Beeinflussen des Verkehrs, wobei über die Beeinflussungselemente der niedrigsten Hierarchieebene unmittelbar auf die Verkehrsteilnehmer eingewirkt wird,
dadurch gekennzeichnet, dass für die Beeinflussungselemente vorgebbare Sollzustände anforderbar sind, dass die Beeinflussungselemente Istzustände einnehmen, dass einem Beeinflussungselement ein Regler zugeordnet ist, der eine Menge von Zustandsübergangslogiken aufweist, mittels derer ein Sollzustand eines Beeinflussungselementes einer Hierarchieebene an Beeinflussungselemente der nächst niedrigeren Hierarchieebene propagierbar ist, dass einem Beeinflussungselement ein Beobachter zugeordnet ist, der eine Menge von Zustandserkennungslogiken aufweist, mittels derer ein Istzustand eines Beeinflussungselementes einer Hierarchieebene an Beeinflussungselemente der nächst höheren Hierarchieebene propagierbar ist.
 




Zeichnung