[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Magnesiumlegierungen
mit einer superplastischen Gefügestruktur.
[0002] Durch Nutzung des superplastischen Verhaltens von Werkstoffen kann die Produktivität
bei der Weiterverarbeitung von Halbzeugen zu komplexgeformten Fertigbauteilen gegenüber
konventionellen Umformverfahren wesentlich erhöht werden. Insbesondere bei der Herstellung
endabmessungsgenauer Bauteile, die alternativ nur durch aufwendige Zerspan- oder Fügeprozesse
hergestellt werden können, stellt die superplastische Formgebung von Metallen und
deren Legierungen ein kostengünstiges Fertigungsverfahren dar.
[0003] Der steigende Bedarf an hoch beanspruchbaren, kostengünstig zu fertigenden Produkten
hat in den letzten Jahren mit fortschreitendem Zwang zur Leichtbauweise und der damit
verbundenen Material- und Energieeinsparung vor allem in den Bereichen der Luft- und
Raumfahrt, des Hochgeschwindigkeitsschienenverkehrs, des Automobil- und Gerätebaus,
aber auch in der Nachrichten- und Datenverarbeitungstechnik ein wachsendes Interesse
an der superplastischen Formgebung hervorgerufen. Eine Ursache hierfür ist die besondere
Eignung dieses Fertigungsverfahrens, möglichst dünnwandige Strukturbauteile für den
Leichtbau herzustellen.
[0004] Während umfassende Untersuchungen über das superplastische Verhalten von Zweiphasenstählen,
Titan- und Aluminiumlegierungen durchgeführt wurden, liegen über das superplastische
Verhalten von Magnesiumlegierungen, die aufgrund ihrer gegenüber Aluminiumwerkstoffen
um etwa 50% geringeren Dichte einen weiteren entscheidenden Beitrag zur Gewichtsreduzierung
im Leichtbau leisten können, nur wenig grundlegende Erkenntnisse vor. Die Nutzung
der superplastischen Eigenschaften ist jedoch gerade für die Werkstoffgruppe der Magnesiumlegierungen
aufgrund ihrer eingeschränkten Kaltformbarkeit wünschenswert.
[0005] Unter Superplastizität wird die Fähigkeit eines Werkstoffes verstanden, beim Aufbringen
nur sehr geringer Fließspannungen ohne Einschnürungen und praktisch keiner Kaltverfestigung
Umformgrade zu erzielen, die die bei "normalplastischen" Werkstoffen üblichen Grenzen
von etwa 10 bis 40% um einige 100 bis über 1000% übersteigen. Ein weiteres Merkmal
des superplastischen Verhaltens von Werkstoffen ist die starke Abhängigkeit der Fließspannung
von der Dehngeschwindigkeit.
[0006] C. G. Nieh und J. Wadsworth, Scripta Metallurgica et Materialia, Band 32 (1995),
Heft 8, Seiten 1133-1137, beschreiben die Herstellung von 17 Vol% SiCpartikelverstärkten
ZK60-Mg-Verbundwerkstoffen durch pulvermetallurgische Verfahren. Das Vorhandensein
der feinen SiC-Partikel in ZK60 kann danach scheinbar die Mikrostruktur des Verbundwerkstoffes
bei hohen Temperaturen (450°C) verfeinern und stabilisieren und ist somit verantwortlich
für die Verleihung der Superplastizität.
[0007] M. Mabuchi, K. Kubota und K. Higashi, Scripta Metallurgica et Materialia, Band 33
(1995), Heft 2, Seiten 331-335, beschreiben die Herstellung einer Mg-11Si-4A1-Legierung
mit einer superplastischen Gefügestruktur durch Strangpressen von "schnellerstarrten"
Bändern.
[0008] M. Mabuchi, K. Kubota und K. Higashi, Material Transactions, JIM, Vol. 36 (10) (1995)
1249-1254, beschreiben die Herstellung von superplastischen AZ91-Magnesiumlegierungen
aus maschinell gefertigten Spänen. Die Späne werden durch maschinelle Bearbeitung
eines kommerziellen Gussblocks einer
AZ91-Legierung in einer Drehbank hergestellt und anschließend stranggepresst. So kann
bei dieser Legierung bei einer Umformtemperatur von 573 K und einer Dehnrate von 3,3
10
-4s
-1 eine Dehnung von 980% erzielt werden.
[0009] K.U.Kainer, Metall Powder Report 44 (1990), 684-687, beschreibt die Herstellung von
Magnesiumlegierungen mit einer superplastischen Gefügestruktur durch pulvermetallurgische
Verfahren.
[0010] J. Wolfenstine, G. Gonzalez-Doncel und K. Higashi, Superplasticity and Superplastic
Forming (Ed. A.K. Ghosh und T.R. Bieler), 1995, Seiten 75-82, beschreiben die Herstellung
von Magnesium-Lithium-Legierungen mit einer superplastischen Gefügestruktur durch
Vakuumformen und Heißwalzen. So kann bei dieser Legierung bei einer Umformtemperatur
von 350°C und einer Dehnrate von 4 X 10
-4s
-1 eine relative Dehnung von 610% erzielt werden.
[0011] J.K. Solberg, J. Torklep, O. Bauger und H. Gjestland, Mater, Sci.Engng. A134 (1991),
1201-1203, beschreiben schließlich die Herstellung einer superplastischen AZ91-Magnesiumlegierung
durch extrem rasche Erstarrung aus dem schmelzflüssigen Zustand. Die Legierung zeigte
eine relative Dehnung von 1480% bei 573 K.
[0012] Nachteilig bei den obigen Verfahren ist die Tatsache, dass die Legierungen jeweils
auf oberhalb der Schmelztemperatur erwärmt werden müssen, und dass den Legierungen
die superplastischen Eigenschaften jeweils durch einen sehr aufwendigen Prozess (Zerspanung
/ Sintern, Aufschmelzen, Legieren) verliehen werden, was insbesondere ihre Handhabung
in industriellen Verfahren erschwert.
[0013] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen,
mit dem in konventionellen Magnesiumbasislegierungen ein Gefüge mit superplastischen
Eigenschaften kostengünstig erzeugt werden kann. Das Verfahren soll unabhängig von
üblicherweise verwendeten Schutzgastechniken anwendbar und einfach in die bestehende
Fertigung integrierbar sein.
[0014] Zur Lösung der Aufgabe wird ein Verfahren zur Einstellung superplastischer Eigenschaften
in Magnesiumlegierungen vorgeschlagen, welches die folgenden Schritte umfasst:
a) Erwärmung einer Magnesiumbasislegierung auf eine Temperatur von 250 °C und 550
°C,
b) Strangpressen der abgekühlten Legierung zu einem Halbzeug bei einer Temperatur
von 200 bis 500 °C mit einem Verpressungsverhältnis größer 1 : 10,
c) sofortiges rasches Abkühlen des entstehenden Stranges mit Abkühlgeschwindigkeiten
größer 300 °C/min.
[0015] Die Basislegierung wird zunächst auf eine Temperatur von 250 bis 600 °C, bevorzugter
300 bis 450 °C und insbesondere 340 bis 380 °C erwärmt.
[0016] Die Legierung wird sofort nach dem Umformprozess einer raschen Abkühlung mit Abkühlgeschwindigkeiten
größer 300 °C/min, bevorzugter von 500 bis 10000 °C /min und insbesondere von 6000
°C/min unterzogen.
[0017] Ohne sich an eine bestimmte Theorie binden zu wollen, wird vermutet, dass durch die
oben genannte rasche Abkühlung direkt nach dem Umformprozess die Magnesiumlegierung
an der Sekundarrekristallisation gehindert wird und sich ein amorpher Gefügezustand
einstellt. Setzt man den Werkstoff nun zur Weiterverarbeitung einer für die superplastische
Umformung typischen Temperatur größer als 300 °C aus, so kommt es im amorphen Magnesiumgefüge
zu einer kontrollierten Rekristallisation und es entsteht ein extrem feines Gefüge
welches die superplastischen Verformungseigenschaften ermöglicht.
[0018] Bevorzugte Magnesiumbasislegierungen zur Verarbeitung im erfindungsgemäßen Verfahren
enthalten neben Magnesium Aluminium, Zink, Mangan, Silicium, Kupfer, Zirkonium, Silber
und/oder Seltenerdmetalle. Besonders bevorzugte Legierungen sind Legierungen, die
Zink, Zirkonium und Seltenerdmetalle enthalten, insbesondere solche, die neben Magnesium
im Wesentlichen aus diesen Elementen bestehen. Bevorzugte Seltenerdmetalle sind Neodym,
Thorium und Yttrium.
[0019] Beispiele für verwendbare Magnesiumbasislegierungen sind Legierungen vom Typ AM 20,
AM 50, AM 60, AS 41, AS 21, AE 42, AZ 91, EZ 33, AZ 31, QE 22, QH 21, WE 54, ZC 63
und ZRE 1.
[0020] Das Umformen der Magnesiumlegierung durch Strangpressen findet vorzugsweise mit einem
Verpressungsverhältnis von größer als 1 : 15, bevorzugter von 1 : 15 bis 1 : 100,
insbesondere 1 : 25 bis 1 : 50 bei einer Bolzentemperatur und einer Rezipiententemperatur
von 200 bis 600°C, bevorzugter 300 bis 400°C statt. Bei dem Verfahren gemäß Anspruch
4 erfolgt das Umformen der abgekühlten Legierung durch Strangpressen bei einer Bolzentemperatur
und einer Rezipiententemperatur von 270 bis 400°C, bevorzugter 330 bis 370°C statt.
[0021] Ohne sich an eine bestimmte Theorie binden zu wollen, wird vermutet, dass durch die
oben genannte Wärmebehandlung unterhalb des Schmelzpunktes der Legierung feinverteilte
Ausscheidungen im Mikrogefüge erzeugt werden, welche sich beim Umformen an den Korngrenzen
anlagern und dort das für die superplastische Verformung charakteristische Korngrenzengleiten
unterstützen. Zudem wirken wahrscheinlich durch die Wärmebehandlung der unterschiedlichen
Magnesiumbasislegierungen erzeugten Ausscheidungen (Mg
17Al
12, Zr
2Zn
3, Mg
32(Al,Zn)
49, Mg
9SE) als Kristallisationskeime bei der Sekundärkristallisation des Gefüges während
des Umformens.
[0022] Die Magnesiumbasislegierungen erreichen im Gusszustand nach Herstellerangaben eine
Bruchdehnung von bis zu 12%. Die durch das erfindungsgemäße Verfahren auf ein verbessertes
superplastisches Umformvermögen veränderten Magnesiumbasislegierungen hingegen erreichen
bei Zugversuchen in einem Temperaturbereich von 300 bis 400 °C und Dehnraten von 1·10
-4s
-1 bis 1·10
-2s
-1 eine Bruchdehnung von bis zu 550 %.
[0023] Die Zeichnung zeigt eine unverformte AM20 Zugprobe (a), eine bei den obigen Bedingungen
verformte Zugprobe einer unbehandelten AM20-Magnesiumbasis-legierung (b) sowie eine
bei den obigen Bedingungen superplastisch verformte Zugprobe einer gemäß Beispiel
erfindungsgemäß modifizierten AM20-Magnesiumbasislegierung (c).
Beispiel:
Herstellung einer AM20-Magnesiumbasislegierung mit superplastischer Gefügestruktur
[0024] Eine kommerziell erhältliche AM20-Magnesiumbasislegierung wurde auf 350°C erwärmt.
Anschließend wurde die Legierung mit einem Verpressungsverhältnis von 1 : 29 bei einer
Bolzentemperatur von 350°C und einer Rezipiententemperatur von 350°C durch Strangpressen
verformt. Schließlich wurde der aus der Strangpressdüse austretende Strang direkt
in einem Wasserbad auf 20°C abgekühlt. Es wurde gefunden, dass sich die Mikrostruktur
in einem amorphen Zustand befand. Die Basislegierung erreicht im Gusszustand nach
Herstellerangaben eine Bruchdehnung von 12%. Die durch das erfindungsgemäße Verfahren
bearbeitete Magnesiumlegierung hingegen erreichte bei Zugversuchen bei einer Temperatur
von 380°C und einer Umformgeschwindigkeit von 0,6 mm/min eine Bruchdehnung von 550%
(siehe Zeichnung).
1. Verfahren zur Herstellung von Magnesiumlegierungen mit einer superplastischen Gefügestruktur,
welches die folgenden Schritte umfasst:
a) Erwärmung einer Magnesiumbasislegierung auf eine Temperatur von 250 bis 600 °C,
b) Umformen der abgekühlten Legierung zu einem Halbzeug bei einer Temperatur von 250
bis 450 °C,
c) sofortige rasche Abkühlung des Halbzeuges mit Abkühlgeschwindigkeiten größer als
300 °C/min.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierung in Schritt a) auf eine Temperatur von 340 bis 380 °C erwärmt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Strang sofort mit einer Abkühlgeschwindigkeit von 6000 °C/min abgeschreckt wird.
4. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Magnesiumbasislegierung neben Magnesium Aluminium, Zink, Mangan, Silicium, Kupfer,
Zirkonium, Silber und/oder Seltenerdmetalle enthält.
5. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierung durch Strangpressen umgeformt wird.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Verpressungsverhältnis beim Strangpressen 1 : 25 bis 1 : 50 beträgt.
7. Verfahren nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Bolzentemperatur und die Rezipiententemperatur beim Strangpressen 300 bis 400°C
beträgt.