(19)
(11) EP 1 342 805 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
10.09.2003  Patentblatt  2003/37

(21) Anmeldenummer: 03011735.2

(22) Anmeldetag:  23.01.2001
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7C22C 23/00, C21D 8/00, C21D 8/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR

(30) Priorität: 25.01.2000 DE 10003970
10.03.2000 DE 10011334

(62) Anmeldenummer der früheren Anmeldung nach Art. 76 EPÜ:
01909511.6 / 1252352

(71) Anmelder: Technische Universität Clausthal
38678 Clausthal-Zellerfeld (DE)

(72) Erfinder:
  • Draugelates, Ulrich, Prof. Dr.-Ing.
    38642 Goslar (DE)
  • Schramm, Antonia, Dr.-Ing.
    38678 Clausthal-Zellerfeld (DE)
  • Kedenburg, Claus-Christian, Dr.-Ing.
    54329 Konz (DE)

(74) Vertreter: Lins, Edgar, Dipl.-Phys. Dr.jur. et al
Gramm, Lins & Partner GbR, Theodor-Heuss-Strasse 1
38122 Braunschweig
38122 Braunschweig (DE)

 
Bemerkungen:
Diese Anmeldung ist am 23 - 05 - 2003 als Teilanmeldung zu der unter INID-Kode 62 erwähnten Anmeldung eingereicht worden.
 


(54) Verfahren zur Einstellung von superelastischen Eigenschaften in Magnesiumlegierungen


(57) Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Magnesiumlegierungen mit einer superplastischen Gefügestruktur durch einen Umformprozess mit anschließender rascher Abkühlung. Die Magnesiumbasislegierung wird zunächst auf eine Temperatur von 340 bis 380°C vorgewärmt und anschließend umgeformt. Das entstehende Halbzeug wird sofort nach dem Umformprozess mit hoher Abkühlgeschwindigkeit auf Raumtemperatur abgeschreckt.


Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Magnesiumlegierungen mit einer superplastischen Gefügestruktur.

[0002] Durch Nutzung des superplastischen Verhaltens von Werkstoffen kann die Produktivität bei der Weiterverarbeitung von Halbzeugen zu komplexgeformten Fertigbauteilen gegenüber konventionellen Umformverfahren wesentlich erhöht werden. Insbesondere bei der Herstellung endabmessungsgenauer Bauteile, die alternativ nur durch aufwendige Zerspan- oder Fügeprozesse hergestellt werden können, stellt die superplastische Formgebung von Metallen und deren Legierungen ein kostengünstiges Fertigungsverfahren dar.

[0003] Der steigende Bedarf an hoch beanspruchbaren, kostengünstig zu fertigenden Produkten hat in den letzten Jahren mit fortschreitendem Zwang zur Leichtbauweise und der damit verbundenen Material- und Energieeinsparung vor allem in den Bereichen der Luft- und Raumfahrt, des Hochgeschwindigkeitsschienenverkehrs, des Automobil- und Gerätebaus, aber auch in der Nachrichten- und Datenverarbeitungstechnik ein wachsendes Interesse an der superplastischen Formgebung hervorgerufen. Eine Ursache hierfür ist die besondere Eignung dieses Fertigungsverfahrens, möglichst dünnwandige Strukturbauteile für den Leichtbau herzustellen.

[0004] Während umfassende Untersuchungen über das superplastische Verhalten von Zweiphasenstählen, Titan- und Aluminiumlegierungen durchgeführt wurden, liegen über das superplastische Verhalten von Magnesiumlegierungen, die aufgrund ihrer gegenüber Aluminiumwerkstoffen um etwa 50% geringeren Dichte einen weiteren entscheidenden Beitrag zur Gewichtsreduzierung im Leichtbau leisten können, nur wenig grundlegende Erkenntnisse vor. Die Nutzung der superplastischen Eigenschaften ist jedoch gerade für die Werkstoffgruppe der Magnesiumlegierungen aufgrund ihrer eingeschränkten Kaltformbarkeit wünschenswert.

[0005] Unter Superplastizität wird die Fähigkeit eines Werkstoffes verstanden, beim Aufbringen nur sehr geringer Fließspannungen ohne Einschnürungen und praktisch keiner Kaltverfestigung Umformgrade zu erzielen, die die bei "normalplastischen" Werkstoffen üblichen Grenzen von etwa 10 bis 40% um einige 100 bis über 1000% übersteigen. Ein weiteres Merkmal des superplastischen Verhaltens von Werkstoffen ist die starke Abhängigkeit der Fließspannung von der Dehngeschwindigkeit.

[0006] C. G. Nieh und J. Wadsworth, Scripta Metallurgica et Materialia, Band 32 (1995), Heft 8, Seiten 1133-1137, beschreiben die Herstellung von 17 Vol% SiCpartikelverstärkten ZK60-Mg-Verbundwerkstoffen durch pulvermetallurgische Verfahren. Das Vorhandensein der feinen SiC-Partikel in ZK60 kann danach scheinbar die Mikrostruktur des Verbundwerkstoffes bei hohen Temperaturen (450°C) verfeinern und stabilisieren und ist somit verantwortlich für die Verleihung der Superplastizität.

[0007] M. Mabuchi, K. Kubota und K. Higashi, Scripta Metallurgica et Materialia, Band 33 (1995), Heft 2, Seiten 331-335, beschreiben die Herstellung einer Mg-11Si-4A1-Legierung mit einer superplastischen Gefügestruktur durch Strangpressen von "schnellerstarrten" Bändern.

[0008] M. Mabuchi, K. Kubota und K. Higashi, Material Transactions, JIM, Vol. 36 (10) (1995) 1249-1254, beschreiben die Herstellung von superplastischen AZ91-Magnesiumlegierungen aus maschinell gefertigten Spänen. Die Späne werden durch maschinelle Bearbeitung eines kommerziellen Gussblocks einer
AZ91-Legierung in einer Drehbank hergestellt und anschließend stranggepresst. So kann bei dieser Legierung bei einer Umformtemperatur von 573 K und einer Dehnrate von 3,3 10-4s-1 eine Dehnung von 980% erzielt werden.

[0009] K.U.Kainer, Metall Powder Report 44 (1990), 684-687, beschreibt die Herstellung von Magnesiumlegierungen mit einer superplastischen Gefügestruktur durch pulvermetallurgische Verfahren.

[0010] J. Wolfenstine, G. Gonzalez-Doncel und K. Higashi, Superplasticity and Superplastic Forming (Ed. A.K. Ghosh und T.R. Bieler), 1995, Seiten 75-82, beschreiben die Herstellung von Magnesium-Lithium-Legierungen mit einer superplastischen Gefügestruktur durch Vakuumformen und Heißwalzen. So kann bei dieser Legierung bei einer Umformtemperatur von 350°C und einer Dehnrate von 4 X 10-4s-1 eine relative Dehnung von 610% erzielt werden.

[0011] J.K. Solberg, J. Torklep, O. Bauger und H. Gjestland, Mater, Sci.Engng. A134 (1991), 1201-1203, beschreiben schließlich die Herstellung einer superplastischen AZ91-Magnesiumlegierung durch extrem rasche Erstarrung aus dem schmelzflüssigen Zustand. Die Legierung zeigte eine relative Dehnung von 1480% bei 573 K.

[0012] Nachteilig bei den obigen Verfahren ist die Tatsache, dass die Legierungen jeweils auf oberhalb der Schmelztemperatur erwärmt werden müssen, und dass den Legierungen die superplastischen Eigenschaften jeweils durch einen sehr aufwendigen Prozess (Zerspanung / Sintern, Aufschmelzen, Legieren) verliehen werden, was insbesondere ihre Handhabung in industriellen Verfahren erschwert.

[0013] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem in konventionellen Magnesiumbasislegierungen ein Gefüge mit superplastischen Eigenschaften kostengünstig erzeugt werden kann. Das Verfahren soll unabhängig von üblicherweise verwendeten Schutzgastechniken anwendbar und einfach in die bestehende Fertigung integrierbar sein.

[0014] Zur Lösung der Aufgabe wird ein Verfahren zur Einstellung superplastischer Eigenschaften in Magnesiumlegierungen vorgeschlagen, welches die folgenden Schritte umfasst:

a) Erwärmung einer Magnesiumbasislegierung auf eine Temperatur von 250 °C und 550 °C,

b) Strangpressen der abgekühlten Legierung zu einem Halbzeug bei einer Temperatur von 200 bis 500 °C mit einem Verpressungsverhältnis größer 1 : 10,

c) sofortiges rasches Abkühlen des entstehenden Stranges mit Abkühlgeschwindigkeiten größer 300 °C/min.



[0015] Die Basislegierung wird zunächst auf eine Temperatur von 250 bis 600 °C, bevorzugter 300 bis 450 °C und insbesondere 340 bis 380 °C erwärmt.

[0016] Die Legierung wird sofort nach dem Umformprozess einer raschen Abkühlung mit Abkühlgeschwindigkeiten größer 300 °C/min, bevorzugter von 500 bis 10000 °C /min und insbesondere von 6000 °C/min unterzogen.

[0017] Ohne sich an eine bestimmte Theorie binden zu wollen, wird vermutet, dass durch die oben genannte rasche Abkühlung direkt nach dem Umformprozess die Magnesiumlegierung an der Sekundarrekristallisation gehindert wird und sich ein amorpher Gefügezustand einstellt. Setzt man den Werkstoff nun zur Weiterverarbeitung einer für die superplastische Umformung typischen Temperatur größer als 300 °C aus, so kommt es im amorphen Magnesiumgefüge zu einer kontrollierten Rekristallisation und es entsteht ein extrem feines Gefüge welches die superplastischen Verformungseigenschaften ermöglicht.

[0018] Bevorzugte Magnesiumbasislegierungen zur Verarbeitung im erfindungsgemäßen Verfahren enthalten neben Magnesium Aluminium, Zink, Mangan, Silicium, Kupfer, Zirkonium, Silber und/oder Seltenerdmetalle. Besonders bevorzugte Legierungen sind Legierungen, die Zink, Zirkonium und Seltenerdmetalle enthalten, insbesondere solche, die neben Magnesium im Wesentlichen aus diesen Elementen bestehen. Bevorzugte Seltenerdmetalle sind Neodym, Thorium und Yttrium.

[0019] Beispiele für verwendbare Magnesiumbasislegierungen sind Legierungen vom Typ AM 20, AM 50, AM 60, AS 41, AS 21, AE 42, AZ 91, EZ 33, AZ 31, QE 22, QH 21, WE 54, ZC 63 und ZRE 1.

[0020] Das Umformen der Magnesiumlegierung durch Strangpressen findet vorzugsweise mit einem Verpressungsverhältnis von größer als 1 : 15, bevorzugter von 1 : 15 bis 1 : 100, insbesondere 1 : 25 bis 1 : 50 bei einer Bolzentemperatur und einer Rezipiententemperatur von 200 bis 600°C, bevorzugter 300 bis 400°C statt. Bei dem Verfahren gemäß Anspruch 4 erfolgt das Umformen der abgekühlten Legierung durch Strangpressen bei einer Bolzentemperatur und einer Rezipiententemperatur von 270 bis 400°C, bevorzugter 330 bis 370°C statt.

[0021] Ohne sich an eine bestimmte Theorie binden zu wollen, wird vermutet, dass durch die oben genannte Wärmebehandlung unterhalb des Schmelzpunktes der Legierung feinverteilte Ausscheidungen im Mikrogefüge erzeugt werden, welche sich beim Umformen an den Korngrenzen anlagern und dort das für die superplastische Verformung charakteristische Korngrenzengleiten unterstützen. Zudem wirken wahrscheinlich durch die Wärmebehandlung der unterschiedlichen Magnesiumbasislegierungen erzeugten Ausscheidungen (Mg17Al12, Zr2Zn3, Mg32(Al,Zn)49, Mg9SE) als Kristallisationskeime bei der Sekundärkristallisation des Gefüges während des Umformens.

[0022] Die Magnesiumbasislegierungen erreichen im Gusszustand nach Herstellerangaben eine Bruchdehnung von bis zu 12%. Die durch das erfindungsgemäße Verfahren auf ein verbessertes superplastisches Umformvermögen veränderten Magnesiumbasislegierungen hingegen erreichen bei Zugversuchen in einem Temperaturbereich von 300 bis 400 °C und Dehnraten von 1·10-4s-1 bis 1·10-2s-1 eine Bruchdehnung von bis zu 550 %.

[0023] Die Zeichnung zeigt eine unverformte AM20 Zugprobe (a), eine bei den obigen Bedingungen verformte Zugprobe einer unbehandelten AM20-Magnesiumbasis-legierung (b) sowie eine bei den obigen Bedingungen superplastisch verformte Zugprobe einer gemäß Beispiel erfindungsgemäß modifizierten AM20-Magnesiumbasislegierung (c).

Beispiel:


Herstellung einer AM20-Magnesiumbasislegierung mit superplastischer Gefügestruktur



[0024] Eine kommerziell erhältliche AM20-Magnesiumbasislegierung wurde auf 350°C erwärmt. Anschließend wurde die Legierung mit einem Verpressungsverhältnis von 1 : 29 bei einer Bolzentemperatur von 350°C und einer Rezipiententemperatur von 350°C durch Strangpressen verformt. Schließlich wurde der aus der Strangpressdüse austretende Strang direkt in einem Wasserbad auf 20°C abgekühlt. Es wurde gefunden, dass sich die Mikrostruktur in einem amorphen Zustand befand. Die Basislegierung erreicht im Gusszustand nach Herstellerangaben eine Bruchdehnung von 12%. Die durch das erfindungsgemäße Verfahren bearbeitete Magnesiumlegierung hingegen erreichte bei Zugversuchen bei einer Temperatur von 380°C und einer Umformgeschwindigkeit von 0,6 mm/min eine Bruchdehnung von 550% (siehe Zeichnung).


Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung von Magnesiumlegierungen mit einer superplastischen Gefügestruktur, welches die folgenden Schritte umfasst:

a) Erwärmung einer Magnesiumbasislegierung auf eine Temperatur von 250 bis 600 °C,

b) Umformen der abgekühlten Legierung zu einem Halbzeug bei einer Temperatur von 250 bis 450 °C,

c) sofortige rasche Abkühlung des Halbzeuges mit Abkühlgeschwindigkeiten größer als 300 °C/min.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierung in Schritt a) auf eine Temperatur von 340 bis 380 °C erwärmt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Strang sofort mit einer Abkühlgeschwindigkeit von 6000 °C/min abgeschreckt wird.
 
4. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Magnesiumbasislegierung neben Magnesium Aluminium, Zink, Mangan, Silicium, Kupfer, Zirkonium, Silber und/oder Seltenerdmetalle enthält.
 
5. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierung durch Strangpressen umgeformt wird.
 
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Verpressungsverhältnis beim Strangpressen 1 : 25 bis 1 : 50 beträgt.
 
7. Verfahren nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Bolzentemperatur und die Rezipiententemperatur beim Strangpressen 300 bis 400°C beträgt.
 




Zeichnung