Technisches Gebiet
[0001] Die Erfindung bezieht sich auf das Gebiet der Werkstofftechnik. Sie betrifft eine
Nickel-Basis-Superlegierung, insbesondere zur Herstellung von Einkristall-Komponenten
(SX-Legierung) oder Komponenten mit gerichtet erstarrtem Gefüge (DS-Legierung), wie
beispielsweise Schaufeln für Gasturbinen. Die erfindungsgemässe Legierung ist aber
auch für konventionell gegossene Komponenten einsetzbar.
Stand der Technik
[0002] Derartige Nickel-Basis-Superlegierungen sind bekannt. Einkristall-Komponenten aus
diesen Legierungen weisen bei hohen Temperaturen eine sehr gute Materialfestigkeit
auf. Dadurch kann z. B. die Einlasstemperatur von Gasturbinen erhöht werden, wodurch
die Effizienz der Gasturbine steigt.
[0003] Nickel-Basis-Superlegierungen für Einkristall-Komponenten, wie sie aus US 4,643,782,
EP 0 208 645 und US 5,270,123 bekannt sind, enthalten dazu mischkristallverfestigende
Legierungselemente, beispielsweise Re, W, Mo, Co, Cr, sowie γ'-Phasen bildende Elemente,
beispielsweise Al, Ta, und Ti. Der Gehalt an hochschmelzenden Legierungselementen
(W, Mo, Re) in der Grundmatrix (austenitische γ-Phase) nimmt kontinuierlich zu mit
der Zunahme der Beanspruchungstemperatur der Legierung. So enthalten z. B. übliche
Nickel-Basis-Superlegierungen für Einkristalle 6-8 % W, bis zu 6 % Re und bis zu 2
% Mo (Angaben in Gew.- %). Die in den oben genannten Druckschriften offenbarten Legierungen
weisen eine hohe Kriechfestigkeit, gute LCF (Ermüdung bei niedriger Lastspielzahl)-
und HCF(Ermüdung bei hoher Lastspielzahl)-Eigenschaften sowie einen hohen Oxidationswiderstand
auf.
[0004] Diese bekannten Legierungen wurden für Flugzeugturbinen entwickelt und deshalb optimiert
auf den Kurz- und Mittelzeiteinsatz, d.h. die Beanspruchungsdauer wird auf bis zu
20 000 Stunden ausgelegt. Im Gegensatz dazu müssen industrielle Gasturbinen-Komponenten
auf eine Beanspruchungsdauer von bis zu 75 000 Stunden ausgelegt werden.
[0005] Nach einer Beanspruchungsdauer von 300 Stunden zeigt z. B. die Legierung CMSX-4 aus
US 4,643,782 beim versuchsweisen Einsatz in einer Gasturbine bei einer Temperatur
oberhalb von 1000 °C eine starke Vergröberung der γ'-Phase, die nachteilig mit einer
Erhöhung der Kriechgeschwindigkeit der Legierung einhergeht.
[0006] Es ist somit erforderlich, die Oxidationsbeständigkeit der bekannten Legierungen
bei sehr hohen Temperaturen zu verbessern.
[0007] Ein weiteres Problem der bekannten Nickel-Basis-Superlegierungen, beispielsweise
der aus US 5,435,861 bekannten Legierungen, besteht darin, dass die Giessbarkeit bei
grossen Komponenten, z. B. bei Gasturbinenschaufeln mit einer Länge von mehr als 80
mm, zu wünschen übrig lässt. Das Giessen einer perfekten, relativ grossen gerichtet
erstarrten Einkristall-Komponente aus einer Nickel-Basis-Superlegierung ist extrem
schwierig, weil die meisten dieser Komponenten Fehler aufweisen, z. B. Kleinwinkelkorngrenzen,
"Frecklen" (das sind Fehlstellen bedingt durch eine Kette von gleichgerichteten Körnern
mit einem hohem Gehalt an Eutektikum), äquiaxiale Streugrenzen, Mikroporositäten u.
a. Diese Fehler schwächen die Komponenten bei hohen Temperaturen, so dass die gewünschte
Lebensdauer bzw. die Betriebstemperatur der Turbine nicht erreicht werden. Da aber
eine perfekt gegossene Einkristall-Komponente extrem teuer ist, tendiert die Industrie
dazu, so viele Defekte wie möglich zuzulassen ohne dass die Lebensdauer oder die Betriebstemperatur
beeinträchtigt werden.
[0008] Einer der häufigsten Fehler sind Korngrenzen, welche besonders schädlich für die
Hochtemperatureigenschaften der Einkristall-Artikel sind. Während Kleinwinkelkorngrenzen
bei kleinen Bauteilen vergleichsweise nur einen geringen Einfluss auf die Eigenschaften
haben, sind sie in Bezug auf die Giessbarkeit und das Oxidationsverhalten bei hohen
Temperaturen bei grossen SX- oder DS-Bauteilen von hoher Relevanz.
[0009] Korngrenzen sind Gebiete hoher örtlicher Fehlordnung des Kristallgitters, da in diesen
Gebieten die Nachbarkörner zusammenstossen und somit eine bestimmte Desorientierung
zwischen den Kristallgittern vorhanden ist. Je grösser die Desorientierung ist, desto
grösser ist die Fehlordnung, d. h. desto grösser ist die Anzahl der Versetzungen in
den Korngrenzen, die notwendig sind, damit die beiden Körner zusammenpassen. Diese
Fehlordnung steht in direktem Zusammenhang zum Verhalten des Materials bei hohen Temperaturen.
Sie schwächt das Material, wenn sich die Temperatur über die äquikohäsive Temperatur
(= 0,5 x Schmelzpunkt in K) erhöht.
[0010] Aus GB 2 234 521 A ist dieser Effekt bekannt. So sinkt bei einer konventionellen
Nickel-Basis-Einkristall-Legierung beispielsweise bei einer Prüftemperatur von 871
°C die Bruchfestigkeit extrem ab, wenn die Desorientierung der Körner grösser als
6° ist. Dies wurde auch bei Einkristall-Komponenten mit gerichtet erstarrtem Gefüge
festgestellt, so dass allgemein die Ansicht vertreten wurde, Desorientierungen grösser
als 6° nicht zuzulassen.
[0011] Aus der genannten GB 2 234 521 A ist auch bekannt, dass durch die Anreicherung von
Nickel-Basis-Superlegierungen mit Bor oder Kohlenstoff bei einer gerichteten Erstarrung
Gefüge erzeugt werden, welche eine äquiaxiale oder prismatische Kornstruktur aufweisen.
Kohlenstoff und Bor festigen die Korngrenzen, da C und B die Ausscheidung von Karbiden
und Boriden an den Korngrenzen verursachen, welche bei hohen Temperaturen stabil sind.
Ausserdem verringert die Anwesenheit dieser Elemente in den und entlang der Korngrenzen
den Diffusionsprozess, der eine Hauptursache der Korngrenzenschwäche ist. Es ist daher
möglich, die Desorientierungen auf 10° bis 12° zu erhöhen und trotzdem gute Eigenschaften
des Materials bei hohen Temperaturen zu erzielen. Insbesondere bei grossen Einkristallkomponenten
aus Nickel-Basis-Superlegierungen beeinflussen diese Kleinwinkelkorngrenzen aber negativ
die Eigenschaften.
Darstellung der Erfindung
[0012] Ziel der Erfindung ist es, die genannten Nachteile zu vermeiden. Der Erfindung liegt
die Aufgabe zu Grunde, eine Nickel-Basis-Superlegierung zu entwickeln, welche eine
verbesserte Giessbarkeit und einen höheren Oxidationswiderstand im Vergleich zu bekannten
Nickel-Basis-Superlegierungen aufweist. Ausserdem soll diese Legierung z. B. besonders
für grosse Gasturbinen-Einkristallkomponenten mit einer Länge von > 80 mm geeignet
sein.
[0013] Erfindungsgemäss wird diese Aufgabe dadurch gelöst, dass die erfindungsgemässe Nickel-Basis-Superlegierung
durch folgende chemische Zusammensetzung (Angaben in Gew.- %) gekennzeichnet ist:
7.7-8.3 Cr
5.0-5.25 Co
2.0-2.1 Mo
7.8-8.3 W
5.8-6.1 Ta
4.9-5.1 Al
1.3-1.4 Ti
0.11-0.15 Si
0.11-0.15 Hf
200-750 ppm C
50-400 ppm B
[0014] Rest Nickel und herstellungsbedingte Verunreinigungen.
[0015] Die Vorteile der Erfindung bestehen darin, dass die Legierung sehr gut giessbar ist
und gegenüber dem bisher bekannten Stand der Technik einen verbesserten Oxidationswiderstand
bei hohen Temperaturen aufweist.
[0016] Von besonderem Vorteil ist, wenn die Legierung folgende Zusammensetzung aufweist:
7.7-8.3 Cr
5.0-5.25 Co
2.0-2.1 Mo
7.8-8.3 W
5.8-6.1 Ta
4.9-5.1 Al
1.3-1.4 Ti
0.11-0.15 Si
0.11-0.15 Hf
200-300 ppm C
50-100 ppm B
[0017] Rest Nickel und herstellungsbedingte Verunreinigungen. Diese Legierung ist hervorragend
geeignet zur Herstellung von grossen Einkristall-Komponenten, beispielsweise Schaufeln
für Gasturbinen.
Kurze Beschreibung der Zeichnungen
[0018] In den Zeichnungen ist ein Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand von quasi-isothermischen
Oxidationsdiagrammen dargestellt. Es zeigen:
- Fig. 1
- die Abhängigkeit der spezifischen Massenänderung von der Temperatur und Zeit für die
Vergleichslegierung VL1;
- Fig. 2
- die Abhängigkeit der spezifischen Massenänderung von der Temperatur und Zeit für die
Vergleichslegierung VL2;
- Fig. 3
- die Abhängigkeit der spezifischen Massenänderung von der Temperatur und Zeit für die
Vergleichslegierung VL3;
- Fig. 4
- die Abhängigkeit der spezifischen Massenänderung von der Temperatur und Zeit für die
Vergleichslegierung VL4 und
- Fig. 5
- die Abhängigkeit der spezifischen Massenänderung von der Temperatur und Zeit für die
erfindungsgemässe Legierung L1.
Wege zur Ausführung der Erfindung
[0019] Nachfolgend wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispieles und der Fig. 1
bis 5 näher erläutert.
[0020] Es wurden Nickel-Basis-Superlegierungen mit der in Tabelle 1 angegebenen chemischen
Zusammensetzung untersucht (Angaben in Gew.- %):
Tabelle 1:
Chemische Zusammensetzung der untersuchten Legierungen |
|
VL1 (CMSX-11B) |
VL2 (CMSX-6) |
VL3 (CMSX-2) |
VL4 (René N5) |
L1 |
Ni |
Rest |
Rest |
Rest |
Rest |
Rest |
Cr |
12.4 |
9.7 |
7.9 |
7.12 |
7.7 |
Co |
5.7 |
5.0 |
4.6 |
7.4 |
5.1 |
Mo |
0.5 |
3.0 |
0.6 |
1.4 |
2.0 |
W |
5.1 |
- |
8.0 |
4.9 |
7.8 |
Ta |
5.18 |
2.0 |
6.0 |
6.5 |
5.84 |
Al |
3.59 |
4.81 |
5.58 |
6.07 |
5.0 |
Ti |
4.18 |
4.71 |
0.99 |
0.03 |
1.4 |
Hf |
0.04 |
0.05 |
- |
0.17 |
0.12 |
C |
- |
- |
- |
- |
0.02 |
B |
- |
- |
- |
- |
0.005 |
Si |
- |
- |
- |
- |
0.12 |
Nb |
0.1 |
- |
- |
- |
- |
Re |
- |
- |
- |
2.84 |
- |
[0021] Die Legierung L1 ist eine Nickel-Basis-Superlegierung für Einkristall-Komponenten,
deren Zusammensetzung unter den Patentanspruch der vorliegenden Erfindung fällt. Im
Gegensatz dazu sind die Legierungen VL1, VL2, VL3 und VL4 Vergleichslegierungen, die
unter den Bezeichnungen CMSX-11B, CMSX-6, CMSX-2 und René N5 bekannter Stand der Technik
sind. Sie unterscheiden sich u.a. von der erfindungsgemässen Legierung vor allem darin,
dass sie nicht mit C, B und Si legiert sind.
[0022] Kohlenstoff und Bor festigen die Korngrenzen, insbesondere auch die in <001>-Richtung
bei SX- bzw. DS-Gasturbinenschaufeln aus Nickel-Basis-Superlegierungen auftretenden
Kleinwinkelkorngrenzen, da diese Elemente die Ausscheidung von Karbiden und Boriden
an den Korngrenzen verursachen, welche bei hohen Temperaturen stabil sind. Ausserdem
verringert die Anwesenheit dieser Elemente in den und entlang der Korngrenzen den
Diffusionsprozess, der eine Hauptursache der Korngrenzenschwäche ist. Dadurch wird
die Giessbarkeit langer Einkristall-Komponenten, beispielsweise Gasturbinenschaufeln
mit einer Länge von ca. 200 bis 230 mm, erheblich verbessert.
[0023] Durch die Zugabe von 0.11 bis 0.15 Gew.-% Si, vor allem in Kombination mit Hf in
etwa gleicher Grössenordnung, wird eine wesentliche Verbesserung des Oxidationswiderstandes
bei hohen Temperaturen gegenüber bisher bekannten Nickel-Basis-Superlegierungen erzielt.
Dies wird in den Fig. 1 bis 5 verdeutlicht, in welchen jeweils für die Vergleichslegierungen
VL1 bis VL4 (Fig. 1 bis 4) und die erfindungsgemässe Legierung L1 (Fig. 5) ein quasiisothermisches
Oxidationsdiagramm abgebildet ist. Für die genannten Legierungen ist jeweils die spezifische
Masseveränderung Δm/A (Angaben in mg/cm
2) bei Temperaturen von 800 °C, 950 °C, 1050 °C und 1100 °C im Bereich von 0 bis 1000
h dargestellt. Vergleicht man die Kurvenverläufe, so zeigt sich insbesondere bei den
hohen Temperaturen (1000 °C) und den langen Auslagerungszeiten die Überlegenheit der
erfindungsgemässen Legierung.
[0024] Werden Nickel-Basis-Superlegierungen mit höheren C- und B-Gehalten (max. 750 ppm
C und max. 400 ppm B) gemäss Anspruch 1 der Erfindung gewählt, so lassen sich die
daraus hergestellten Komponenten auch konventionell giessen.