[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Einbau eines niederflurigen Mittelteiles
in den Wagenkasten eines hochflurigen Schienenfahrzeuges, welches insbesondere im
ebenerdigen Schienennahverkehr Anwendung finden soll.
[0002] Zur Bewältigung steigender Fahrgastströme wurden für den ebenerdigen Schienennahverkehr
vor allem in den ersten Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg immer großräumigere
Fahrzeuge entwickelt. Ein Beispiel für diese Entwicklung von Großraumfahrzeugen für
den ebenerdigen Schienennahverkehr ist der in Tschechien zunächst in USamerikanischer
Lizenz hergestellte und später eigenständig weiterentwickelte Tatra-Straßenbahnwagen.
[0003] Alle diese zur Beförderung großer Personenzahlen geeigneten Großraumfahrzeuge sind
relativ lang, und deshalb war die Verwendung von Drehgestellen, insbesondere wegen
der im ebenerdigen Schienennetz der Städte vorhandenen geringen Kurvenradien, für
diese Fahrzeuge unerlässlich.
[0004] Durch den Unterbau von Drehgestellen unter den Wagenkasten wurde aber die Flurebene,
d. h. die von den Fahrgästen begehbare Bodenfläche im Inneren der Fahrzeuge gegenüber
den zuvor bekannten kürzeren Zweiachsfahrzeugen stark angehoben, wodurch sich der
beim Ein- und Aussteigen zu überwindende Höhenunterschied zwischen dem Straßenniveau
und der Fahrzeugflurebene bedeutend vergrößert hat. Dies beeinträchtigt nicht nur
die Bequemlichkeit beim Ein- und Aussteigen, vor allem für Alte und Behinderte, sondern
erhöht auch die für den Fahrgastwechsel an den Haltestellen benötigte Zeit.
[0005] Zwar ist seit langem, auch für Schienenfahrzeuge mit Drehgestellen, die sogenannte
Niederflurtechnik bekannt. Bei den bekannten Niederflurwagen ist die begehbare Bodenfläche
im Inneren dieser Fahrzeuge in den Türbereichen stark abgesenkt, so dass niederflurige
Bereiche vorhanden sind, die einen relativ geringen Abstand vom Straßenniveau aufweisen
und ein bequemes Ein- und Aussteigen ermöglichen. Von diesen Niederflurbereichen lassen
sich dann über im Wageninneren angeordnete Stufen oder Schrägen die höhergelegenen,
z. B. über den Drehgestellen angeordneten Bereiche, in denen vorwiegend die Sitzplätze
angeordnet sind, bequem erreichen. Obwohl der Beförderungskomfort für die Fahrgäste
in diesen Fahrzeugen erheblich höher ist, und auch der Fahrgastwechsel an den Haltestellen
deutlich schneller vonstatten gehen kann, wurde von den Waggonbaufirmen während der
Entwicklung der Großraumfahrzeuge auf die Weiterentwicklung der bekannten Niederflurtechnik
bewusst verzichtet, weil die Fertigung der Wagenkastenträger für Niederflurwagen erheblich
komplizierter und teurer ist als bei den durchgängig hochflurigen Fahrzeugen.
[0006] Erst mit der Aufwertung des öffentlichen Personennahverkehrs angesichts des kaum
noch zu bewältigenden Individualverkehrs in den Mittel- und Großstädten sowie durch
die Aktivität und die politische Akzeptanz von Behinderten- und Seniorenverbänden
traten in den letzten Jahren wieder Überlegungen zur Steigerung der Bequemlichkeit
in den Fahrzeugen des ebenerdigen Schienennahverkehrs in den Vordergrund. Bei den
meisten der in den vergangenen Jahren für den ebenerdigen Schienennahverkehr neu entwickelten
Fahrzeuge ist deshalb eine konsequente Hinwendung zur Niederflurtechnik zu beobachten.
[0007] Aus wirtschaftlichen Gründen ist es den Nahverkehrsunternehmen jedoch nicht möglich,
ihren gesamten in den vergangenen Jahrzehnten mittels hochfluriger Fahrzeuge erneuerten
und zum großen Teil in gutem und gebrauchsfähigem Zustand befindlichen Wagenpark kurzfristig
außer Betrieb zu nehmen und durch die wesentlich komfortableren Niederflur-Neubauwagen
zu ersetzen.
[0008] Der Erfindung liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu entwickeln, das
es ermöglicht, die bei den Verkehrsbetrieben vorhandenen hochflurigen Schienenfahrzeuge
zumindest teilweise mit niederflurigen Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten zu versehen
und damit den Komfort der vorhandenen Fahrzeuge wesentlich zu erhöhen.
Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren mit den kennzeichnenden Merkmalen
des Patentanspruches 1 gelöst.
[0009] Vorteilhafte Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Verfahrens bilden die Merkmale
der Unteransprüche 2 bis 6.
[0010] Das erfindungsgemäße Verfahren soll im Weiteren anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispieles
unter Bezugnahme auf die Figuren 1 bis 3 näher erläutert werden.
- Fig. 1
- ist eine perspektivische Prinzipdarstellung des Wagenkastens eines hochflurigen Schienenfahrzeuges
mit den wichtigsten Längs- und Querträgern im ursprünglichen Zustand unter Angabe
der Hebe- und Kupplungspunkte;
- Fig. 2
- ist eine der Fig. 1 ähnliche perspektivische Darstellung, die den Wagenkasten mit
den wichtigsten Längs- und Querträgern nach dem Einbau von Längsträgerabschnitten
für ein niederfluriges Mittelteil und der Heraustrennung des ursprünglichen mittleren
Trägerstrukturabschnittes zeigt;
- Fig. 3
- zeigt das komplette Schienenfahrzeug nach dem Einbau des niederflurigen Mittelteiles
in einer Längsschnittansicht.
[0011] In Figur 1 sind die wichtigsten Baugruppen des Wagenkastens W eines hochflurigen
Schienenfahrzeuges dargestellt.
[0012] Zum Einbau eines niederflurigen Mittelteiles M in den in Figur 1 dargestellten hochflurigen
Wagenkasten W wird die ursprüngliche Trägerstruktur T des Wagenkastens W an mindestens
je drei Aufnahmepunkten H1, H2, K1 und H3, H4, K2 der Trägerstruktur T vor und hinter
einem mittleren Trägerstrukturabschnitt TM in einem (nicht dargestellten) starren
Gestell aufgenommen und eingespannt. Um eine weitestgehend starre Abstützung des Wagenkastens
W während der Umbauarbeiten zu gewährleisten, sollten die mindestens je drei Aufnahmepunkte
H1, H2, K1 und H3, H4, K2 an peripheren Stellen der Trägerstruktur T vor und hinter
dem mittleren Trägerstrukturabschnitt TM angeordnet sein und einen möglichst großen
Abstand voneinander haben. Zweckmäßigerweise können als Aufnahmepunkte H1, H2, K1;
H3, H4, K2 zum Einspannen der Trägerstruktur T die Hebepunkte H1, H2, H3, H4 und die
Kupplungspunkte K1, K2 des Wagenkastens W genutzt werden. Das Einspannen der vorderen
und hinteren Bereiche der Trägerstruktur T des Wagenkastens W vor und hinter dem mittleren
Trägerstrukturabschnitt TM an jeweils drei möglichst weit voneinander beabstandeten
Aufnahmepunkten der Trägerstruktur T bildet die Gewähr dafür, dass im mittleren Bereich
des Wagenkastens Umbauten vorgenommen werden können, ohne dass sich während dieser
Arbeiten die vorderen und hinteren Bereiche des Wagenkastens W in ihrer Position zueinander
verlagern können.
[0013] Nach dem Einspannen in der vorgenannten Art und Weise werden zunächst im mittleren
Trägerstrukturabschnitt TM zwecks Herstellung von Baufreiheit alle nichttragenden
Bodenteile entfernt. Danach werden unterhalb des mittleren Trägerstrukturabschnittes
TM neue Längsträgerabschnitte T1, T2 eingefügt (siehe Fig. 2), d. h. es wird z. B.
durch Einschweißen dieser neuen Längsträgerabschnitte T1, T2 eine neue starre Verbindung
zwischen den vorderen und hinteren Bereichen der Trägerstruktur T hergestellt. Auch
wenn diese neue Verbindung zunächst noch nicht die Festigkeitseigenschaften des vorhandenen
mittleren Trägerstrukturabschnittes TM aufweist, weil wegen noch vorhandener ursprünglicher
Teile des mittleren Trägerstrukturabschnittes TM eventuell noch nicht alle neuen Längsträgerabschnitte
eingefügt werden können, ist es während des eingespannten Zustandes der Trägerstruktur
T in dem starren Gestell dennoch möglich, nach dem Einfügen der neuen Längsträgerabschnitte
T1 und T2 den gesamten vorhandenen mittleren Trägerstrukturabschnitt TM und alle vorhandenen
Wand- und Dachbereiche im Mittelteil M des Wagenkastens W zu entfernen. Dadurch wird
die endgültige Baufreiheit zum Einfügen eventuell noch fehlender neuer Längsträgerabschnitte
T3 ... TN und zum Einfügen von Querträgern in die Trägerstruktur T des Mittelteiles
M des Wagenkastens W sowie zum Einfügen neuer Boden-, Wand- und Dachbereiche (B, WA,
D) im Mittelteil M des Wagenkastens W geschaffen.
[0014] Nach dem Einfügen aller erforderlichen neuen Längsträgerabschnitte T3 ... TN und
von eventuell erforderlichen Querträgern besitzt die Trägerstruktur T wieder die für
die Abstützung des Wagenkastens W notwendige Festigkeit.
[0015] Nunmehr können die für ein niederfluriges Mittelteil erforderlichen neuen Boden-,
Wandund Dachbereiche (B, WA, D) im Mittelteil M des Wagenkastens W eingefügt werden.
[0016] Wie aus Figur 3 hervorgeht, ist der neue Dachbereich D des Mittelteiles M gegenüber
den vorhandenen vorderen und hinteren Dachbereichen D1, D2 erhöht ausgebildet, um
in diesem neu gewonnenen Raum die Antriebssteuerungsausrüstung des Fahrzeuges aufnehmen
zu können, die zuvor im hochflurigen Schienenfahrzeug unterhalb des Bodens im Mittelteil
M des Wagenkastens W untergebracht war.
[0017] Aus Figur 3 ist auch die Absenkung des Bodenteiles im neuen niederflurigen Mittelteil
M des Wagenkastens W gut erkennbar. Der Abstand A des neuen Bodenteiles vom Grund
beträgt vorzugsweise 240 mm. Dadurch ist der Niederflurbereich ohne jegliche Stufe
begehbar. Dies bietet nicht nur für alte und behinderte Fahrgäste große Vorteile sondern
führt auch zu erheblichen Zeiteinsparungen beim Fahrgastwechsel an den Haltestellen.
[0018] Vom neugeschaffenen niederflurigen Mittelteil M des Wagenkastens W führen Stufen
S zum hochflurigen Wageninneren.
[0019] Die Fenster im niederflurigen Mittelteil M wurden entsprechend der neuen Bodenhöhe
tiefer herabgezogen.
[0020] Mit Hilfe des erfindungsgemäßen Verfahrens lassen sich bei den Verkehrsbetrieben
vorhandene guterhaltene hochflurige Schienenfahrzeuge vorzugsweise im Rahmen einer
Generalinstandsetzung den gestiegenen Anforderungen an den Komfort des Nahverkehrs
anpassen und weiterverwenden.
1. Verfahren zum Einbau eines niederflurigen Mittelteiles (M) in den Wagenkasten (W)
eines hochflurigen Schienenfahrzeuges,
gekennzeichnet durch
die Schritte:
a) Aufnehmen und Einspannen der Trägerstruktur (T) des Wagenkastens (W) an mindestens
je drei Aufnahmepunkten (H1, H2, K1; H3, H4. K2) der Trägerstruktur (T) vor und hinter
einem mittleren Trägerstrukturabschnitt (TM) in einem starren Gestell;
b) Entfernen aller nichttragenden Bodenteile im Bereich des mittleren Trägerstrukturabschnittes
(TM);
c) Einfügen neuer Längsträgerabschnitte (T1, T2) in die Trägerstruktur (T) des Wagenkastens
(W) unterhalb des mittleren Trägerstrukturabschnittes (TM);
d) Heraustrennen des mittleren Trägerstrukturabschnittes (TM) und der vorhandenen
Wand- und Dachbereiche im Mittelteil (M) des Wagenkastens (W);
e) erforderlichenfalls Einfügen eines oder mehrerer weiterer neuer Längsträgerabschnitte
(T3 ... TN) und von Querträgern in die Trägerstruktur (T) des Mittelteiles (M) des
Wagenkastens (W);
f) Anordnen und Einfügen neuer Boden-, Wand- und Dachbereiche (B, WA, D) im Mittelteil
(M) des Wagenkastens (W) auf den neuen Längsträgerabschnitten (T1, T2, T3 ... TM)
der Trägerstruktur (T);
g) Lösen der Einspannung der Aufnahmepunkte (H1, H2, K1; H3, H4, K2) der Trägerstruktur
(T) von dem starren Gestell.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
die mindestens je drei Aufnahmepunkte (H1, H2, K1) und (H3, H4, K2) an peripheren
Stellen der Trägerstruktur (T) angeordnet sind und einen möglichst großen Abstand
voneinander haben.
3. Verfahren nach Anspruch 1 und/oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
als Aufnahmepunkte (H1, H2, K1; H3, H4, K2) zum Einspannen der Trägerstruktur (T)
die Hebepunkte (H1, H2, H3, H4) und die Kupplungspunkte (K1, K2) des Wagenkastens
(W) dienen.
4. Verfahren nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
der neue Dachbereich (D) im Mittelteil (M) des Wagenkastens (W) gegenüber den vorhandenen
vorderen und hinteren Dachbereichen (D1, D2) des Wagenkastens (W) erhöht ausgebildet
wird
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet, dass
der erhöhte Dachbereich (D) zur Aufnahme der Antriebssteuerungsausrüstung des Schienenfahrzeuges
dient.
6. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass
der neue Bodenbereich (B) des niederflurigen Mittelteiles (M) in einem Abstand vom
Grund von etwa 240 mm ausgebildet wird.