(19)
(11) EP 1 466 710 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
13.10.2004  Patentblatt  2004/42

(21) Anmeldenummer: 04000670.2

(22) Anmeldetag:  15.01.2004
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B26D 7/10
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IT LI LU MC NL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK

(30) Priorität: 12.04.2003 DE 10316916

(71) Anmelder: Forschungszentrum Karlsruhe GmbH
76133 Karlsruhe (DE)

(72) Erfinder:
  • Günther, Elmar
    76297 Stutensee (DE)
  • Kaufmann, Ulrike, Dr.
    76133 Karlsruhe (DE)
  • Ritzhaupt-Kleissl, Hans-Joachim, Dr.
    69190 Waldorf (DE)

(74) Vertreter: Rückert, Friedrich, Dr. 
Forschungszentrum Karlsruhe GmbH, Stabsabteilung Marketing, Patente und Lizenzen, Postfach 3640
76021 Karlsruhe
76021 Karlsruhe (DE)

   


(54) Beheizbares Schneidwerkzeug


(57) Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Schneidwerkzeug für schwierig zerteilbare Materialien vorzuschlagen. Die Aufgabe wird gelöst durch ein Schneidwerkzeug, das elektrisch durch Widerstandsheizung beheizbar ist und aus einer Mischkeramik besteht, die aus einer elektrisch nicht leitenden Matrixkeramik und eine in die Matrixkeramik eingelagerte elektrisch leitfähige Oxidkeramik zusammengesetzt ist.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Schneidwerkzeug gemäß dem ersten Patentanspruch und seine Verwendung gemäß Anspruch 7.

[0002] Schneidwerkzeuge mit Keramikschneiden sind in der Technik weit verbreitet. Zum einen handelt es sich um Schneidwerkzeuge mit einem metallischen Kern, der mit einer oder mehreren verschleißfesten Schichten aus Keramik überzogen ist. Zum andern sind Schneidwerkzeuge, insbesondere Messer, mit Schneiden aus Vollkeramik bekannt.

[0003] Zum Zuschneiden von zähen und widerstandsfähigen Materialien, insbesondere solchen mit hohem Kunstfaseranteil wie z. B. Industrietextilien für Automobil-Sitzbezüge oder Innenauskleidungen von Fahrzeugen, sind solche Schneidwerkzeuge nicht geeignet. Zum einen wären durch die auftretende Abrasion Schutzschichten in kurzer Zeit abgerieben, zum andern besteht bei vollkeramischen Schneidwerkzeugen die Gefahr eines Bruches; außerdem sind die Trennstellen nicht immer einwandfrei.

[0004] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Schneidwerkzeug vorzuschlagen, das für zähe und widerstandsfähige Materialien, insbesondere für solche mit hohem Kunstfaseranteil, gut geeignet ist. Eine weitere Aufgabe besteht in der Angabe eines Verwendungszweckes für das Schneidwerkzeug.

[0005] Die Aufgabe wird durch das im ersten Patentanspruch beschriebene Schneidwerkzeug und die in Anspruch 7 angegebene Verwendung gelöst. Die weiteren Ansprüche geben bevorzugte Ausgestaltungen des Schneidwerkzeugs an.

[0006] Grundprinzip des erfindungsgemäßen Schneidwerkzeugs ist, dass das zu zerschneidende Gut durch eine heizbare Schneide zerteilt wird. Das Schneidwerkzeug soll an der Schneide eine Temperatur von mindestens 400°C, bevorzugt jedoch von 800°C bis 1200°C erreichen. Diese Temperaturen werden durch eine Widerstandsheizung erzielt. Somit ist das Schneidwerkzeug bei seinem Einsatz in der Weise mit den beiden Polen einer Spannungsquelle verbunden, dass zumindest die Schneide von elektrischem Strom durchflossen und auf diese Weise aufgeheizt wird. Der Widerstand des Schneidwerkzeugs liegt vorzugsweise im Bereich von 6 bis 14 Q. Dieser Widerstand kann durch eine bestimmte geometrische Formgebung und durch geeignete Wahl des Materials eingestellt werden. Strom und Spannung werden bei Verwendung des Schneidwerkzeugs über eine Regeleinheit geregelt.

[0007] Das Schneidwerkzeug ist homogen aufgebaut und besteht aus einer Mischkeramik, die aus mindestens zwei verschiedenen Komponenten zusammengesetzt ist. Die erste Komponente ist eine elektrisch nicht leitende Matrixkeramik. Als Matrixkeramik eignen sich Metalloxid-Keramiken wie Zirkondioxid oder Aluminiumoxid. Die Matrixkeramik verleiht dem Schneidwerkzeug die gewünschten mechanischen Eigenschaften wie Härte, Biegebruchfestigkeit und Verschleißbeständigkeit.

[0008] In die Matrixkeramik ist eine leitfähige oxidische Keramik eingelagert. Die bekannten elektrisch leitenden, nicht oxidischen Keramiken wie Titan- oder Zirkoniumnitrid als Beispiel für die als Hartstoffe bezeichneten Carbide, Nitride und Diboride der Elemente der IV. bis VI. Nebengruppe des Periodischen Systems sind für das erfindungsgemäße Schneidwerkzeug nicht geeignet, weil sie sich in Kontakt mit Luftsauerstoff nicht ohne Zerstörung auf die erforderlichen hohen Temperaturen erhitzen lassen. Besonders geeignet als leitfähige oxidische Keramik ist dagegen ein Indium-Zinn-Oxid (häufig mit "ITO" abgekürzt) der allgemeinen Formel In2-xSnxO3, wobei x einen Wert von 0 bis 0,6 annimmt. Brauchbar ist außerdem Lanthanchromat mit der Formel LaCrO3 und PTC-Keramik auf BaTiO3-Basis, letztere allerdings nur unterhalb ihres Curie-Punktes, der bei ca. 200°C liegt. Unter "PCT-Keramik" versteht man eine Keramik mit positivem Temperaturkoeffizient des elektrischen Widerstands.

[0009] Die leitfähige oxidische Keramik soll mindestens mit 15 Vol.-% zu der Mischkeramik beitragen. Bei einem geringeren Anteil ist der Widerstand des Schneidgerätes im allgemeinen so hoch, dass die erforderliche Leitfähigkeit nicht gewährleistet ist. Der Anteil der leitfähigen oxidischen Keramik kann andererseits bis zu 85 Vol.-% betragen. Im allgemeinen werden jedoch Anteile der leitfähigen oxidischen Keramik im Bereich von 25 bis 60 Vol.-% gewählt, weil dann die günstigen chemischen und mechanischen Eigenschaften der Matrixkeramik die Qualität des Schneidwerkzeuges maßgeblich bestimmen.

[0010] Das Schneidwerkzeug eignet sich vor allem für Materialien, bei denen die Zerteilung einerseits mit einer scharfen, mechanischen Klinge erfolgen muss, die sich jedoch andererseits bei höheren Temperaturen leichter zu zerschneiden sind. Solche Materialien sind insbesondere die eingangs erwähnten Textilien oder Gewebe mit hohem Kunstfaseranteil, insbesondere Automobilsitzbezüge und Innenauskleidungen von Fahrzeugen. Je nach dem einzusetzenden Schneidgut kann die Mischkeramik des Schneidwerkzeuges variiert werden. Im allgemeinen ist es von besonderem Vorteil, wenn in der Schneide die höchste Temperatur auftritt und der übrige Teil des Schneidwerkzeugs kälter bleibt. Dies kann erreicht werden durch eine gezielte Variation der lokalen elektrischen Leitfähigkeit des Mischoxids oder durch die Wahl einer bestimmten Schneidengeometrie. Die Leitfähigkeit des Mischoxids wird bestimmt durch die Art und den Anteil von Matrixkeramik und leitfähiger oxidischer Keramik.

[0011] Die besondere Eignung des erfindungsgemäßen Schneidwerkzeugs zum Schneiden der erwähnten Industrietextilien ergibt sich daraus, dass durch die Wärmezufuhr beim Trennvorgang das zu zerschneidende Material bis hin zum lokalen Schmelzen erweicht wird, wodurch der Trennvorgang erheblich erleichtert und der Verschleiß des Schneidwerkzeugs entsprechend vermindert wird.

[0012] Die elektrisch leitfähige Oxidkeramik ITO in der Mischkeramik, aus der das Schneidwerkzeug besteht, wird derzeit als Beschichtung, insbesondere als Antireflexschicht oder als Wärmeschutzschicht verwendet. Die Verarbeitung erfolgt dabei im Dünnschichtverfahren, d. h. durch Abstäuben (Sputtern). ITO-Sputtertargets werden durch isostatisches Heißpressen von ITO-Pulver erzeugt, da kommerzielles ITO nicht drucklos sinterfähig ist.

[0013] Nach der Synthese durch den thermischen Zweistufenprozess, wie er in den Druckschriften DE 197 52 080 A1 und DE 100 02 232 A1 eingehend beschrieben ist, lässt sich ITO jedoch drucklos sintern, so dass auch keramische Formkörper auf diese einfache Weise hergestellt werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn Aluminiumoxid oder Zirkondioxid beigemischt ist.

[0014] Das Schneidwerkzeug lässt sich somit durch das folgende Verfahren herstellen:

[0015] Aus der Matrixkeramik, beispielsweise Aluminiumoxid oder Zirkondioxid, und der elektrisch leitenden Oxidkeramik, beispielsweise ITO, wird eine homogene Mischung hergestellt. Hierzu werden die Oxide zusammen mit den entsprechenden metallorganischen Flüssigvorstufen (Precursor) gemischt. Diese homogene Mischung wird im Sprühtrockner versprüht. Dabei entweicht der Alkohol der Flüssigvorstufen und es entstehen Granulate, die aus der jeweiligen Matrixkeramik bestehen und homogen mit einer organischen ITO-Vorstufe bedeckt sind. Durch eine nachfolgende thermische Behandlung in einer Wirbelschicht an Luft entsteht die homogene Mischkeramik. Die Rohlinge der Schneidwerkzeuge werden anschließend an Luft bis zur Enddichte gesintert. Dabei liegen die Sintertemperaturen über 1000°C und bis zu 1600°C, bevorzugt jedoch von 1100°C bis 1400°C. Die endgültige geometrische Formgebung und damit die Feinabstimmung der Charakteristik des elektrischen Widerstands erfolgt durch Schleifen im Anschluss an den Sinterprozess.

[0016] Ein alternativer Herstellungsweg ist die Formgebung durch Heißgießen oder Niederdruck-Spritzgießen. Hierbei werden die Pulver durch Mischen mit einer Wachsmasse plastifiziert. Die dadurch hergestellte fließfähige Masse lässt sich drucklos in Formen gießen oder durch Niederdruck-Spritzgießen abformen.

[0017] Durch Verschneiden der - beispielsweise durch Sprühtrocknung hergestellten - Mischungen miteinander oder mit reiner Matrixkeramik oder mit der reinen elektrisch leitenden Oxidkeramik können Zusammensetzungen der Mischkeramik in beliebiger Konzentration innerhalb des bevorzugten Mischungsbereiches hergestellt werden.

[0018] Die Klingengeometrie spielt für das Verhalten beim Schneiden eine wichtige Rolle. Zum einen ist die Qualität der Schneide, die durch entsprechendes Schleifen erreicht werden kann, zum andern ist die Art und der Ort der Wärmefreisetzung von Bedeutung.

[0019] Die Figuren 1, 2 und 3 zeigen bevorzugte Gestaltungen der Klinge.

[0020] In Fig. 1 ist ein einfaches Schneidwerkzeug mit einer homogenen Mischkeramik dargestellt, die ein einheitliches Verhältnis von Matrixkeramik und elektrisch leitfähiger Oxidkeramik aufweist. Die dimensionslosen Zahlenangaben beziehen sich auf Millimeter.

[0021] Fig. 2 zeigt die Verwendung eines Gradientenmaterials mit Schneidenschliff. Die Wärme wird über die Veränderung des spezifischen Widerstands innerhalb des Werkzeugs erzeugt. Das Schneidwerkzeug hat eine geschliffene Schneide, die mindestens 1 cm lang ist. Der Winkel zwischen der Schneidekante und der Waagerechten bei vertikaler Stellung des Schneidwerkzeugs sollte zwischen 30 und 50 ° betragen; im gezeigten Beispiel beträgt der Winkel 40 °. Die Mischkeramik M1 weist einen geringeren spezifischen Widerstand als die Mischkeramik M2 auf.

[0022] In Fig. 3 ist eine ähnliche Ausführungsform wie in Fig. 2 dargestellt, bei der jedoch eine Gradientenmischkeramik mit einer Querschnittsänderung bei der Schneide kombiniert ist.


Ansprüche

1. Schneidwerkzeug, das elektrisch durch Widerstandsheizung beheizbar ist, bestehend aus einer Mischkeramik, die aus einer elektrisch nicht leitenden Matrixkeramik und eine in die Matrixkeramik eingelagerte elektrisch leitfähige Oxidkeramik zusammengesetzt ist.
 
2. Schneidwerkzeug nach Anspruch 1, bei dem die Matrixkeramik aus einem Metalloxid besteht.
 
3. Schneidwerkzeug nach Anspruch 2, bei dem das Metalloxid Zirkondioxid oder Aluminiumoxid ist.
 
4. Schneidwerkzeug nach Anspruch 1, 2 oder 3, bei dem die elektrisch leitfähige Oxidkeramik ein Indium-Zinn-Oxid ist.
 
5. Schneidwerkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 4, bei dem der Anteil der elektrisch leitfähigen Oxidkeramik an der Mischkeramik 15 bis 85 Volumen-Prozent beträgt.
 
6. Schneidwerkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 5 mit einer Mischkeramik, die aus 40 bis 75 Volumen-Prozent der elektrisch nichtleitenden Matrixkeramik Zirkondioxid oder Aluminiumoxid und aus 25 bis 60 Volumen-Prozent der elektrisch leitfähigen Oxidkeramik Indium-Zinn-Oxid besteht.
 
7. Verwendung des Schneidwerkzeugs nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zum Schneiden von Textilien oder Geweben mit hohem Kunstfaseranteil.
 




Zeichnung