(19)
(11) EP 1 466 803 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
13.10.2004  Patentblatt  2004/42

(21) Anmeldenummer: 04090069.8

(22) Anmeldetag:  25.02.2004
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B61L 3/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IT LI LU MC NL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL HR LT LV MK

(30) Priorität: 12.03.2003 DE 10311983

(71) Anmelder: Siemens Aktiengesellschaft
80333 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Erhard, Karl-Heinz, Dr.
    38126 Braunschweig (DE)

   


(54) Verfahren zur Vorgabe einer Geschwindigkeit für ein Schienenfahzeug


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vorgabe einer Geschwindigkeit für ein Schienenfahrzeug in Abhängigkeit von einer Fahrkurve und gegebenenfalls einer Verspätung gegenüber einem Fahrplan, wobei die Fahrstrecke in Streckenabschnitte, insbesondere zwischen aufeinanderfolgenden Bahnhöfen, eingeteilt ist und für die Streckenabschnitte jeweils Fahrzeitreserven im Verhältnis zu der maximal zulässigen Streckenabschnittsgeschwindigkeit vorgegeben sind. Um Antriebsenergie zu sparen und auf eine Ortung mittels Hardwarekomponenten verzichten zu können, ist vorgesehen, dass anhand des Fahrplanes und der aktuellen Zeit der fahrplankonforme zugstandort bestimmt wird und anschließend aus der an diesem Zugstandort geltenden Fahrkurve und der aktuellen Zugverspätung unter Berücksichtigung der Fahrzeitreserve die Vorgabe der Geschwindigkeit erfolgt.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vorgabe einer Geschwindigkeit für ein Schienenfahrzeug gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Geschwindigkeitsvorgaben zielen darauf ab, eine möglichst energieoptimale Fahrweise zu erreichen. Dazu wird eine Fahrkurve, d. h. eine ortsabhängige Geschwindigkeitsvorgabe, derart berechnet, dass möglichst wenig Energie benötigt wird und trotzdem keine Verspätungen auftreten, wie beispielsweise in "Milroy, IP, Minimum-Energy Control of Rail Vehicles, Proceedings of the Railway Engineering Conference, Sydney, Institution of Engineers Australia, 1981, pp 103-104". Eine eingeplante Fahrzeitreserve wird bei dieser Berechnung berücksichtigt, wobei eine reduzierte Maximalgeschwindigkeit, die unterhalb der maximal zulässigen Abschnittsgeschwindigkeit liegt, zum Zwecke der Energieeinsparung angestrebt wird. Diese berechnete Maximalgeschwindigkeit wird auf einem Display für den folgenden Streckenabschnitt angezeigt. Die auf diese Weise optimierten Fahrkurven sind ortsabhängig, da sie u. a. eine Funktion der Längen, Neigungen und maximal zulässigen Abschnittsgeschwindigkeit darstellen. Folglich ist eine Ortung der Fahrzeuge erforderlich, um die Fahrempfehlung der jeweils am aktuellen Ort geltenden Fahrkurve anzuzeigen. Neben dem Ort hängt eine Fahrempfehlung, d. h. eine vorgegebene Geschwindigkeit, auf die das Fahrzeug maximal beschleunigt werden soll, von der aktuellen Verspätung der Fahrzeuge ab. Je größer die Verspätung ist, desto größer muss auch die empfohlene Geschwindigkeit sein.

[0002] Eine Alternative zur Berechnung optimierter Fahrkurven stellt die empirische Ermittlung dar. Dabei werden für unterschiedliche, auf den einzelnen Streckenabschnitten zulässige Höchstgeschwindigkeiten die zugehörigen Fahrzeiten gemessen und gespeichert. Aus dieser Tabelle kann dann in Abhängigkeit vom aktuellen Ort und der aktuellen Verspätung eine entsprechende Fahrempfehlung bestimmt werden.

[0003] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein gattungsgemäßes Verfahren anzugeben, das eine energieoptimierte Fahrweise unter Verzicht auf Hardwarekomponenten für die Ortung ermöglicht.

[0004] Erfindungsgemäß wird die Aufgabe mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Auf diese Weise wird eine ortungsfreie Minimierung des Antriebsenergiebedarfs von Schienenfahrzeugen erreicht. Aus der aktuellen Zeit und dem Sollfahrplan wird zunächst der nominale Ort, d. h. der Ort, an dem sich der Zug zur aktuellen Zeit laut Fahrplan befinden müsste, bestimmt. Danach wird aus der an diesem Ort geltenden Fahrkurve und der aktuellen Zugverspätung eine Geschwindigkeitsempfehlung abgeleitet. Dazu wird dem Fahrer die empfohlene Geschwindigkeit für den nächstfolgenden Streckenabschnitt bei Fahrplankonformität, d. h. verspätungsfreier Fahrweise angezeigt, sowie auch der Ort, für den diese Fahrkurve gilt. Der Fahrer berücksichtigt diese Geschwindigkeitsempfehlung nur dann, wenn sein aktueller Ort mit dem angezeigten Ort übereinstimmt. Bei einer Ortsabweichung liegt eine Verspätung vor, d. h., das Fahrzeug muss mit entsprechend höherer Geschwindigkeit fahren, um die Verspätung wieder aufzuholen. Diese höhere Geschwindigkeit liegt zwischen der fahrplankonformen Geschwindigkeit und der maximal zulässigen Strecken abschnitts geschwindigkeit , solange die Fahrzeitreserve noch nicht ausgeschöpft ist. Andernfalls entspricht die vorzugebende Geschwindigkeit der maximal zulässigen Streckenabschnittsgeschwindigkeit für den Streckenabschnitt, auf dem sich das Schienenfahrzeug gerade befindet. Diese maximal zulässige Streckenabschnittsgeschwindigkeit ist dem Fahrer üblicherweise bekannt, beispielsweise durch eine Liste oder durch Streckensignale. Eine Verfrühung kann prinzipiell nicht vorliegen, da der Fahrer nicht vor Erreichen der Sollabfahrzeit losfahren darf.

[0005] Gemäß Anspruch 2 wird die vorzugebende Geschwindigkeit bei Verspätung schrittweise, beispielsweise in 10km/h-Schritten erhöht, wobei die Fahrzeitreserve derart berücksichtigt wird, dass zunehmende Verspätung, d. h. abnehmende Fahrzeitreserve zur Erhöhung der vorgegebenen Geschwindigkeit führt.

[0006] Diese Geschwindigkeitserhöhung erfolgt gemäß Anspruch 3 bis zum Erreichen der für den vorausliegenden Streckenabschnitt maximal zulässigen Abschnittsgeschwindigkeit. In diesem Fall besteht keine Fahrzeitreserve mehr.

[0007] Auch zur Messung der Verspätung wird gemäß Anspruch 4 keine Ortung benötigt. Es ist lediglich erforderlich, festzustellen, ob der Bahnhof, in dem sich das Schienenfahrzeug gerade befindet, mit dem Bahnhof, für den fahrzeitreservespezifische Geschwindigkeiten angezeigt werden, übereinstimmt. Das kann beispielsweise durch eine Zählung der bereits angefahrenen Bahnhöfe anhand der Türöffnungsvorgänge oder anderer Parameter erfolgen. Denkbar ist aber auch, dass der Fahrer durch Inaugenscheinnahme feststellt, ob der Bahnhof, in dem er sich gerade befindet, mit dem angezeigten Bahnhof, für den die ebenfalls angezeigten Geschwindigkeitsvorgaben für verschiedene Verspätungen gelten, übereinstimmt. Falls eine Übereinstimmung besteht, aber die Fahrzeitreserve bereits teilweise aufgebraucht ist, kann er die empfohlene Geschwindigkeit für den nächsten Streckenabschnitt anhand einer Verspätungstabelle, aus der die reale Abfahrtszeit und die zugeordnete Vorgabegeschwindigkeit hervorgeht, sofort ersehen. Bei Nichtübereinstimmung ist die maximale Streckenabschnittsgeschwindigkeit für den tatsächlich vorausliegenden Streckenabschnitt die maßgebliche Geschwindigkeitsvorgabe.

[0008] Die Erfindung wird nachfolgend anhand eines figürlich dargestellten Ausführungsbeispiels näher erläutert. Es zeigen:
Figur 1
eine Geschwindigkeitstabelle für zwei Streckenabschnitte bei verschiedenen Fahrzeitreserven und
Figur 2
eine Geschwindigkeitstabelle für verschiedene Verspätungen.


[0009] Das Ausführungsbeispiel bezieht sich auf eine Fahrstrecke mit relativ dicht aufeinanderfolgenden Bahnhöfen, insbesondere für U-Bahn oder S-Bahn-Betrieb. Betrachtet werden drei aufeinanderfolgende Bahnhöfe A, B und C mit zwei Streckenabschnitten A-B und B-C. Die maximal zulässige Streckengeschwindigkeit beträgt 80km/h, welche in 10km/h-Schritten von 80km/h bis 50km/h zur Energieeinsparung reduziert werden kann. Die Fahrzeit auf den beiden Abschnitten verlängert sich gegenüber der maximal zulässigen Streckengeschwindigkeit von 80km/h demzufolge in Richtung auf niedrigere Geschwindigkeiten wie in Figur 1 angegeben. Es ist ersichtlich, dass beispielsweise bei einer Geschwindigkeit von 50km/h für den Streckenabschnitt A-B eine um 10s längere Fahrzeit benötigt wird als bei der maximal zulässigen Geschwindigkeit von 80km/h, während die Fahrzeitverlängerung für den Streckenabschnitt B-C 11s beträgt. Unterschiedliche Fahrzeitverlängerungen für verschiedene Streckenabschnitte bei gleicher Geschwindigkeit ergeben sich insbesondere bei unterschiedlich langen Streckenabschnitten sowie bei unterschiedlich hohen maximal zulässigen Geschwindigkeiten. Die Fahrzeitverlängerungen können empirisch ermittelt werden, indem jeder Streckenabschnitt bei verschiedenen Geschwindigkeiten befahren wird und die Fahrzeit gemessen wird. Die Differenz aus dieser geschwindigkeitsabhängigen Fahrzeit und der kürzesten Fahrzeit, nämlich der Fahrzeit bei der maximal zulässigen Streckengeschwindigkeit, ist die in Figur 1 angegebene Fahrzeitverlängerung.

[0010] Daraus leitet sich die Tabelle gemäß Figur 2 für Geschwindigkeitsvorgaben ab. Eine Zugfahrt soll laut Sollfahrplan um 8:00:00 Uhr in A beginnen. Die Abfahrt in den Bahnhöfen B bzw. C soll bei fahrplankonformer Fahrweise um 8:02:00 bzw. 8:04:00 erfolgen. Die Fahrzeitreserve soll für die Strecke A-B 10s und für B-C 13s betragen. Dabei wird zunächst zur Sollabfahrzeit im Bahnhof A die Fahrzeitreserve für den nächstfolgenden Streckenabschnitt addiert. Dann werden von diesem Zeitpunkt die jeweiligen Fahrzeitverlängerungen gemäß Figur 1 subtrahiert. Ziel ist, die Fahrzeitreserve vollständig auszuschöpfen, um zwecks Energieeinsparung möglichst langsam fahren zu können. Beträgt die Verspätung beispielsweise 7s, d. h. erfolgt die reale Abfahrt vom Bahnhof A um 8:00:07, so verbleiben von den 10s Fahrzeitreserve noch 3s. Diese 3s Fahrzeitverlängerung, erfordern, um den Bahnhof B trotz 7s Verspätung am Bahnhof A dennoch pünktlich zu erreichen, gemäß Figur 1 eine Geschwindigkeit von 70km/h. In Figur 2 ist folglich der realen Abfahrtszeit 8:00:07 vom Bahnhof A diese Geschwindigkeit von 70km/h zugeordnet.

[0011] Zur Verdeutlichung des Verfahrens werden nachfolgend einige Fälle anhand der Figur 2 näher betrachtet.
  • Angenommen der Zug fährt pünktlich um 8:00:00 im Bahnhof A los. Dann erhält der Fahrer gemäß Tabelle die Fahrempfehlung für Bahnhof A, nämlich 50km/h. Da der aktuelle Bahnhof mit der Empfehlung übereinstimmt, ist die Empfehlung gültig. Infolge dessen beschleunigt der Fahrer das Schienenfahrzeug auf der Strecke A-B nur bis 50km/h und kommt trotz der um 10s verlängerten Fahrzeit pünktlich im Bahnhof B an, da die Fahrzeitreserve ebenfalls 10s beträgt.
  • Bei Abfahrt um 8:00:03, d. h. bei 3s Verspätung, muss der Fahrer auf 60km/h hoch beschleunigen, um in Bahnhof B verspätungsfrei anzukommen.
  • Nun wird angenommen, dass der Zug mit 2 Minuten Verspätung, also um 8:02:00, in Bahnhof A losfährt. Gemäß Tabelle erhält der Fahrer die fahrplankonforme Fahrempfehlung für Bahnhof B, nämlich eine Geschwindigkeitsvorgabe von 50km/h. Diese Fahrempfehlung gilt für den Bahnhof, der zu der aktuellen Zeit erreicht sein müsste. Da der aktuelle Bahnhof A mit der Fahrempfehlung, nämlich für Bahnhof B, nicht übereinstimmt, ist die Empfehlung zu ignorieren. Der Fahrer fährt dann mit der maximal zulässigen Streckengeschwindigkeit von 80km/h auf dem Abschnitt A-B.


[0012] Der Ortsabgleich erfolgt also in einfachster Weise durch den Fahrer selbst. Er muss dazu lediglich feststellen, ob er sich in dem Zeitbereich, für den noch Fahrzeitreserve besteht, in dem fahrplankonformen Bahnhof befindet. Anhand einer Tabelle nach Art der Figur 2 kann er sofort feststellen, auf welche Geschwindigkeit er das Fahrzeug beschleunigen muss, um den nächsten Bahnhof pünktlich zu erreichen. Hardwareeinrichtungen für ein Ortungssystem entfallen somit. Darüber hinaus entfällt in der Regel auch der Aufwand, der sich bei sich ändernden Hardwareumgebungen, z. B. bei Fahrzeugen verschiedener Betreiber, ergeben würde. Es hat sich gezeigt, dass auf diese Weise Energieeinsparungen möglich sind, die typischerweise im Bereich von 5 bis 15% liegen.

[0013] Die Erfindung beschränkt sich nicht auf das oben angegebene Ausführungsbeispiel. Vielmehr ist eine Anzahl von Varianten denkbar, welche auch bei grundsätzlich anders gearteter Ausführung von den Merkmalen der Erfindung Gebrauch machen.


Ansprüche

1. Verfahren zur Vorgabe einer Geschwindigkeit für ein Schienenfahrzeug in Abhängigkeit von einer Fahrkurve und gegebenenfalls einer Verspätung gegenüber einem Fahrplan, wobei die Fahrstrecke in Streckenabschnitte, insbesondere zwischen aufeinanderfolgenden Bahnhöfen, eingeteilt ist und für die Streckenabschnitte jeweils Fahrzeitreserven im Verhältnis zu einer maximal zulässigen Streckenabschnittsgeschwindigkeit vorgegeben sind,
dadurch gekennzeichnet,
dass anhand des Fahrplanes und der aktuellen Zeit der fahrplankonforme Zugstandort bestimmt wird und anschließend aus der an diesem Zugstandort geltenden Fahrkurve und der aktuellen Zugverspätung unter Berücksichtigung der Fahrzeitreserve die vorzugebende Geschwindigkeit berechnet wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass die vorzugebende Geschwindigkeit ausgehend von einer fahrplankonformen Geschwindigkeit schrittweise, beispielsweise in l0km/h-Schritten erhöht wird, wenn die Fahrzeitreserve für den vorausliegenden Streckenabschnitt aufgrund einer Verspätung entsprechend abnimmt.
 
3. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die vorzugebende Geschwindigkeit die gemäß der Fahrkurve für den vorausliegenden Streckenabschnitt maximal zulässige Streckenabschnittsgeschwindigkeit ist, wenn keine Fahrzeitreserve besteht.
 
4. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass eine Verspätung bei Abfahrt von einem Bahnhof ermittelt wird, indem der Bahnhof, für den fahrzeitreservespezifische Geschwindigkeitsvorgaben vorliegen mit dem Bahnhof, in dem sich das Schienenfahrzeug tatsächlich befindet, verglichen wird, wobei für den Fall der Übereinstimmung die fahrzeitreservespezifische Geschwindigkeitsvorgabe gilt und für den Fall der Nichtübereinstimmung die maximal zulässige Streckenabschnittsgeschwindigkeit die vorzugebende Geschwindigkeit ist.
 




Zeichnung







Recherchenbericht