[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vorgabe einer Geschwindigkeit für ein Schienenfahrzeug
gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Geschwindigkeitsvorgaben zielen darauf ab,
eine möglichst energieoptimale Fahrweise zu erreichen. Dazu wird eine Fahrkurve, d.
h. eine ortsabhängige Geschwindigkeitsvorgabe, derart berechnet, dass möglichst wenig
Energie benötigt wird und trotzdem keine Verspätungen auftreten, wie beispielsweise
in "Milroy, IP, Minimum-Energy Control of Rail Vehicles, Proceedings of the Railway
Engineering Conference, Sydney, Institution of Engineers Australia, 1981, pp 103-104".
Eine eingeplante Fahrzeitreserve wird bei dieser Berechnung berücksichtigt, wobei
eine reduzierte Maximalgeschwindigkeit, die unterhalb der maximal zulässigen Abschnittsgeschwindigkeit
liegt, zum Zwecke der Energieeinsparung angestrebt wird. Diese berechnete Maximalgeschwindigkeit
wird auf einem Display für den folgenden Streckenabschnitt angezeigt. Die auf diese
Weise optimierten Fahrkurven sind ortsabhängig, da sie u. a. eine Funktion der Längen,
Neigungen und maximal zulässigen Abschnittsgeschwindigkeit darstellen. Folglich ist
eine Ortung der Fahrzeuge erforderlich, um die Fahrempfehlung der jeweils am aktuellen
Ort geltenden Fahrkurve anzuzeigen. Neben dem Ort hängt eine Fahrempfehlung, d. h.
eine vorgegebene Geschwindigkeit, auf die das Fahrzeug maximal beschleunigt werden
soll, von der aktuellen Verspätung der Fahrzeuge ab. Je größer die Verspätung ist,
desto größer muss auch die empfohlene Geschwindigkeit sein.
[0002] Eine Alternative zur Berechnung optimierter Fahrkurven stellt die empirische Ermittlung
dar. Dabei werden für unterschiedliche, auf den einzelnen Streckenabschnitten zulässige
Höchstgeschwindigkeiten die zugehörigen Fahrzeiten gemessen und gespeichert. Aus dieser
Tabelle kann dann in Abhängigkeit vom aktuellen Ort und der aktuellen Verspätung eine
entsprechende Fahrempfehlung bestimmt werden.
[0003] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein gattungsgemäßes Verfahren anzugeben,
das eine energieoptimierte Fahrweise unter Verzicht auf Hardwarekomponenten für die
Ortung ermöglicht.
[0004] Erfindungsgemäß wird die Aufgabe mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs
1 gelöst. Auf diese Weise wird eine ortungsfreie Minimierung des Antriebsenergiebedarfs
von Schienenfahrzeugen erreicht. Aus der aktuellen Zeit und dem Sollfahrplan wird
zunächst der nominale Ort, d. h. der Ort, an dem sich der Zug zur aktuellen Zeit laut
Fahrplan befinden müsste, bestimmt. Danach wird aus der an diesem Ort geltenden Fahrkurve
und der aktuellen Zugverspätung eine Geschwindigkeitsempfehlung abgeleitet. Dazu wird
dem Fahrer die empfohlene Geschwindigkeit für den nächstfolgenden Streckenabschnitt
bei Fahrplankonformität, d. h. verspätungsfreier Fahrweise angezeigt, sowie auch der
Ort, für den diese Fahrkurve gilt. Der Fahrer berücksichtigt diese Geschwindigkeitsempfehlung
nur dann, wenn sein aktueller Ort mit dem angezeigten Ort übereinstimmt. Bei einer
Ortsabweichung liegt eine Verspätung vor, d. h., das Fahrzeug muss mit entsprechend
höherer Geschwindigkeit fahren, um die Verspätung wieder aufzuholen. Diese höhere
Geschwindigkeit liegt zwischen der fahrplankonformen Geschwindigkeit und der maximal
zulässigen Strecken abschnitts geschwindigkeit , solange die Fahrzeitreserve noch
nicht ausgeschöpft ist. Andernfalls entspricht die vorzugebende Geschwindigkeit der
maximal zulässigen Streckenabschnittsgeschwindigkeit für den Streckenabschnitt, auf
dem sich das Schienenfahrzeug gerade befindet. Diese maximal zulässige Streckenabschnittsgeschwindigkeit
ist dem Fahrer üblicherweise bekannt, beispielsweise durch eine Liste oder durch Streckensignale.
Eine Verfrühung kann prinzipiell nicht vorliegen, da der Fahrer nicht vor Erreichen
der Sollabfahrzeit losfahren darf.
[0005] Gemäß Anspruch 2 wird die vorzugebende Geschwindigkeit bei Verspätung schrittweise,
beispielsweise in 10km/h-Schritten erhöht, wobei die Fahrzeitreserve derart berücksichtigt
wird, dass zunehmende Verspätung, d. h. abnehmende Fahrzeitreserve zur Erhöhung der
vorgegebenen Geschwindigkeit führt.
[0006] Diese Geschwindigkeitserhöhung erfolgt gemäß Anspruch 3 bis zum Erreichen der für
den vorausliegenden Streckenabschnitt maximal zulässigen Abschnittsgeschwindigkeit.
In diesem Fall besteht keine Fahrzeitreserve mehr.
[0007] Auch zur Messung der Verspätung wird gemäß Anspruch 4 keine Ortung benötigt. Es ist
lediglich erforderlich, festzustellen, ob der Bahnhof, in dem sich das Schienenfahrzeug
gerade befindet, mit dem Bahnhof, für den fahrzeitreservespezifische Geschwindigkeiten
angezeigt werden, übereinstimmt. Das kann beispielsweise durch eine Zählung der bereits
angefahrenen Bahnhöfe anhand der Türöffnungsvorgänge oder anderer Parameter erfolgen.
Denkbar ist aber auch, dass der Fahrer durch Inaugenscheinnahme feststellt, ob der
Bahnhof, in dem er sich gerade befindet, mit dem angezeigten Bahnhof, für den die
ebenfalls angezeigten Geschwindigkeitsvorgaben für verschiedene Verspätungen gelten,
übereinstimmt. Falls eine Übereinstimmung besteht, aber die Fahrzeitreserve bereits
teilweise aufgebraucht ist, kann er die empfohlene Geschwindigkeit für den nächsten
Streckenabschnitt anhand einer Verspätungstabelle, aus der die reale Abfahrtszeit
und die zugeordnete Vorgabegeschwindigkeit hervorgeht, sofort ersehen. Bei Nichtübereinstimmung
ist die maximale Streckenabschnittsgeschwindigkeit für den tatsächlich vorausliegenden
Streckenabschnitt die maßgebliche Geschwindigkeitsvorgabe.
[0008] Die Erfindung wird nachfolgend anhand eines figürlich dargestellten Ausführungsbeispiels
näher erläutert. Es zeigen:
- Figur 1
- eine Geschwindigkeitstabelle für zwei Streckenabschnitte bei verschiedenen Fahrzeitreserven
und
- Figur 2
- eine Geschwindigkeitstabelle für verschiedene Verspätungen.
[0009] Das Ausführungsbeispiel bezieht sich auf eine Fahrstrecke mit relativ dicht aufeinanderfolgenden
Bahnhöfen, insbesondere für U-Bahn oder S-Bahn-Betrieb. Betrachtet werden drei aufeinanderfolgende
Bahnhöfe A, B und C mit zwei Streckenabschnitten A-B und B-C. Die maximal zulässige
Streckengeschwindigkeit beträgt 80km/h, welche in 10km/h-Schritten von 80km/h bis
50km/h zur Energieeinsparung reduziert werden kann. Die Fahrzeit auf den beiden Abschnitten
verlängert sich gegenüber der maximal zulässigen Streckengeschwindigkeit von 80km/h
demzufolge in Richtung auf niedrigere Geschwindigkeiten wie in Figur 1 angegeben.
Es ist ersichtlich, dass beispielsweise bei einer Geschwindigkeit von 50km/h für den
Streckenabschnitt A-B eine um 10s längere Fahrzeit benötigt wird als bei der maximal
zulässigen Geschwindigkeit von 80km/h, während die Fahrzeitverlängerung für den Streckenabschnitt
B-C 11s beträgt. Unterschiedliche Fahrzeitverlängerungen für verschiedene Streckenabschnitte
bei gleicher Geschwindigkeit ergeben sich insbesondere bei unterschiedlich langen
Streckenabschnitten sowie bei unterschiedlich hohen maximal zulässigen Geschwindigkeiten.
Die Fahrzeitverlängerungen können empirisch ermittelt werden, indem jeder Streckenabschnitt
bei verschiedenen Geschwindigkeiten befahren wird und die Fahrzeit gemessen wird.
Die Differenz aus dieser geschwindigkeitsabhängigen Fahrzeit und der kürzesten Fahrzeit,
nämlich der Fahrzeit bei der maximal zulässigen Streckengeschwindigkeit, ist die in
Figur 1 angegebene Fahrzeitverlängerung.
[0010] Daraus leitet sich die Tabelle gemäß Figur 2 für Geschwindigkeitsvorgaben ab. Eine
Zugfahrt soll laut Sollfahrplan um 8:00:00 Uhr in A beginnen. Die Abfahrt in den Bahnhöfen
B bzw. C soll bei fahrplankonformer Fahrweise um 8:02:00 bzw. 8:04:00 erfolgen. Die
Fahrzeitreserve soll für die Strecke A-B 10s und für B-C 13s betragen. Dabei wird
zunächst zur Sollabfahrzeit im Bahnhof A die Fahrzeitreserve für den nächstfolgenden
Streckenabschnitt addiert. Dann werden von diesem Zeitpunkt die jeweiligen Fahrzeitverlängerungen
gemäß Figur 1 subtrahiert. Ziel ist, die Fahrzeitreserve vollständig auszuschöpfen,
um zwecks Energieeinsparung möglichst langsam fahren zu können. Beträgt die Verspätung
beispielsweise 7s, d. h. erfolgt die reale Abfahrt vom Bahnhof A um 8:00:07, so verbleiben
von den 10s Fahrzeitreserve noch 3s. Diese 3s Fahrzeitverlängerung, erfordern, um
den Bahnhof B trotz 7s Verspätung am Bahnhof A dennoch pünktlich zu erreichen, gemäß
Figur 1 eine Geschwindigkeit von 70km/h. In Figur 2 ist folglich der realen Abfahrtszeit
8:00:07 vom Bahnhof A diese Geschwindigkeit von 70km/h zugeordnet.
[0011] Zur Verdeutlichung des Verfahrens werden nachfolgend einige Fälle anhand der Figur
2 näher betrachtet.
- Angenommen der Zug fährt pünktlich um 8:00:00 im Bahnhof A los. Dann erhält der Fahrer
gemäß Tabelle die Fahrempfehlung für Bahnhof A, nämlich 50km/h. Da der aktuelle Bahnhof
mit der Empfehlung übereinstimmt, ist die Empfehlung gültig. Infolge dessen beschleunigt
der Fahrer das Schienenfahrzeug auf der Strecke A-B nur bis 50km/h und kommt trotz
der um 10s verlängerten Fahrzeit pünktlich im Bahnhof B an, da die Fahrzeitreserve
ebenfalls 10s beträgt.
- Bei Abfahrt um 8:00:03, d. h. bei 3s Verspätung, muss der Fahrer auf 60km/h hoch beschleunigen,
um in Bahnhof B verspätungsfrei anzukommen.
- Nun wird angenommen, dass der Zug mit 2 Minuten Verspätung, also um 8:02:00, in Bahnhof
A losfährt. Gemäß Tabelle erhält der Fahrer die fahrplankonforme Fahrempfehlung für
Bahnhof B, nämlich eine Geschwindigkeitsvorgabe von 50km/h. Diese Fahrempfehlung gilt
für den Bahnhof, der zu der aktuellen Zeit erreicht sein müsste. Da der aktuelle Bahnhof
A mit der Fahrempfehlung, nämlich für Bahnhof B, nicht übereinstimmt, ist die Empfehlung
zu ignorieren. Der Fahrer fährt dann mit der maximal zulässigen Streckengeschwindigkeit
von 80km/h auf dem Abschnitt A-B.
[0012] Der Ortsabgleich erfolgt also in einfachster Weise durch den Fahrer selbst. Er muss
dazu lediglich feststellen, ob er sich in dem Zeitbereich, für den noch Fahrzeitreserve
besteht, in dem fahrplankonformen Bahnhof befindet. Anhand einer Tabelle nach Art
der Figur 2 kann er sofort feststellen, auf welche Geschwindigkeit er das Fahrzeug
beschleunigen muss, um den nächsten Bahnhof pünktlich zu erreichen. Hardwareeinrichtungen
für ein Ortungssystem entfallen somit. Darüber hinaus entfällt in der Regel auch der
Aufwand, der sich bei sich ändernden Hardwareumgebungen, z. B. bei Fahrzeugen verschiedener
Betreiber, ergeben würde. Es hat sich gezeigt, dass auf diese Weise Energieeinsparungen
möglich sind, die typischerweise im Bereich von 5 bis 15% liegen.
[0013] Die Erfindung beschränkt sich nicht auf das oben angegebene Ausführungsbeispiel.
Vielmehr ist eine Anzahl von Varianten denkbar, welche auch bei grundsätzlich anders
gearteter Ausführung von den Merkmalen der Erfindung Gebrauch machen.
1. Verfahren zur Vorgabe einer Geschwindigkeit für ein Schienenfahrzeug in Abhängigkeit
von einer Fahrkurve und gegebenenfalls einer Verspätung gegenüber einem Fahrplan,
wobei die Fahrstrecke in Streckenabschnitte, insbesondere zwischen aufeinanderfolgenden
Bahnhöfen, eingeteilt ist und für die Streckenabschnitte jeweils Fahrzeitreserven
im Verhältnis zu einer maximal zulässigen Streckenabschnittsgeschwindigkeit vorgegeben
sind,
dadurch gekennzeichnet,
dass anhand des Fahrplanes und der aktuellen Zeit der fahrplankonforme Zugstandort bestimmt
wird und anschließend aus der an diesem Zugstandort geltenden Fahrkurve und der aktuellen
Zugverspätung unter Berücksichtigung der Fahrzeitreserve die vorzugebende Geschwindigkeit
berechnet wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass die vorzugebende Geschwindigkeit ausgehend von einer fahrplankonformen Geschwindigkeit
schrittweise, beispielsweise in l0km/h-Schritten erhöht wird, wenn die Fahrzeitreserve
für den vorausliegenden Streckenabschnitt aufgrund einer Verspätung entsprechend abnimmt.
3. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die vorzugebende Geschwindigkeit die gemäß der Fahrkurve für den vorausliegenden
Streckenabschnitt maximal zulässige Streckenabschnittsgeschwindigkeit ist, wenn keine
Fahrzeitreserve besteht.
4. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass eine Verspätung bei Abfahrt von einem Bahnhof ermittelt wird, indem der Bahnhof,
für den fahrzeitreservespezifische Geschwindigkeitsvorgaben vorliegen mit dem Bahnhof,
in dem sich das Schienenfahrzeug tatsächlich befindet, verglichen wird, wobei für
den Fall der Übereinstimmung die fahrzeitreservespezifische Geschwindigkeitsvorgabe
gilt und für den Fall der Nichtübereinstimmung die maximal zulässige Streckenabschnittsgeschwindigkeit
die vorzugebende Geschwindigkeit ist.