[0001] Die Erfindung betrifft ein Anbausystem für von Baukörpern auskragende Konstruktionen,
insbesondere Balkone, Vordächer oder sonstige auskragende Anbauten, wobei der Baukörper
ein lastaufnehmendes Decken- oder Dachelement aufweist, an dem Decken- oder Dachelement
Einspannungen vorgesehen sind, an denen die auskragende Konstruktion befestigt ist.
[0002] Bei frei auskragenden Anbauten an bestehenden Baukörpern besteht insbesondere die
Schwierigkeit, die von der auskragenden Konstruktion herrührenden Lasten in geeigneter
Weise auf den bestehenden Baukörper zur Ableitung in den Baugrund zu übertragen.
[0003] Im Stand der Technik sind unterschiedliche Methoden zur Einleitung der Lasten von
auskragenden Konstruktionen bekannt. Bei geringen Lasten, beispielsweise bei kleineren
Vordächern, reicht meist eine Befestigung in der Außenwand des bestehenden Baukörpers
mittels Dübelkonstruktionen als Zuganker und entsprechenden Auflageflächen an der
Wand als Drucklager aus.
[0004] Bei höheren Lasten, wie sie beispielsweise bei frei auskragenden Balkonen oder größeren
Vordächern auftreten, ist die Verankerung am bestehenden Baukörper schwierig. Häufig
werden daher aufgeständerte Balkone verwendet, die über separate Stützen die Last
der angebauten Balkone eigenständig auf ein neu zu erstellendes Fundament bzw. Fundamente
in den Boden leiten. Dieses Verfahren ist kostenaufwendig und oftmals optisch störend,
da die hervortretenden Stützen das bestehende Gebäude optisch zergliedern.
[0005] Demgegenüber sind für auskragende Balkone aufwendigere Konstruktionen zur Einspannung
der auskragenden Konstruktion am vorhandenen Baukörper bekannt. Insbesondere ist eine
Verankerung an im bestehenden Baukörper befindlichen Stahlbetondecken vorteilhaft.
Eine Stahlbetondecke besitzt in der Regel genug obere Randbewehrung zur Aufnahme der
durch den auskragenden Anbau hervorgerufenen zusätzlichen Kräfte, nämlich Zugkräfte
auf den oberen Teil der Decke und Druckkräfte auf den unteren Teil der Decke. Auch
das darunter befindliche, stützende Mauerwerk hat im Normalfall genug Lastreserve
zur Ableitung der Lasten in den Baugrund. Problematisch wird jedoch ein Anbau einer
auskragenden Konstruktion im Bereich von Tür- oder Fensterstürzen im vorhandenen Baukörper,
da dort meist keine ausreichenden Lastreserven vorhanden sind. Die nachträgliche Verstärkung
eines Sturzes ist kostspielig, häufig unästhetisch und in vielen Fällen auch nicht
möglich, da Durchgangshöhen von Türen etc. reduziert werden müßten.
[0006] Entsprechend sind im Stand der Technik Balkonanbausysteme bekannt, die mit sichtbaren
Elementen wie Stützen und Streben arbeiten, die sich oftmals optisch störend auf den
Gesamteindruck des Gebäudes auswirken, aber keinen aufwendigen Eingriff in die bestehende
Gebäudesubstanz erfordern. Beispielhaft wird für ein derartiges System auf ein Balkonanbausystem
der Firma Weland GmbH, Spengler Str. 89 - 91, 23556 Lübeck verwiesen. Bei dem Balkonanbausystem
sind an senkrecht verlaufenden Hohlprofilen, die mittels Klebeankern im Deckenbereich
befestigt sind, Balkonmodule einhängbar.
[0007] Bei dieser Konstruktion werden die Lasten über das senkrecht verlaufende Hohlprofil
und die im Deckenbereich angeordneten Klebeanker in den bestehenden Baukörper eingeleitet.
Da die Balkonmodule jeweils zwischen zwei beabstandet angeordneten Hohlprofilen eingehängt
sind, ist dieses System sehr starr und hinsichtlich der Balkonbreite, die frei tragend
zu überbrücken ist, begrenzt. Ferner stören auch hier die auf der Fassade angebrachten
Konstruktionselemente.
[0008] Aufgabe der Erfindung ist es, ein Anbausystem für auskragende Konstruktionen an vorhandenen
Baukörpern anzugeben, mit dem ein Lasteintrag in den vorhandenen Baukörper ohne an
der Fassade aufgesetzte Verstärkungsprofile etc. und auch Tür- oder Fenstersturzbereiche
überdeckend möglich ist.
[0009] Gelöst wird diese Aufgabe mit einem Anbausystem gemäß Anspruch 1. Die auskragende
Konstruktion wird im Bereich eines lastaufnehmenden Decken- oder Dachelementes über
Einspannungen erreicht. Das Besondere ist jedoch, dass die auskragende Konstruktion
einen Querträger aufweist, der nahe am und im wesentlichen parallel zum Baukörper
angeordnet ist; der Querträger an wenigstens zwei Einspannungen fest eingespannt ist,
und der Querträger an wenigstens einer Einspannung über ein Querkraftgelenk eingespannt
ist, so dass an dieser Einspannung im wesentlichen nur Biegemomente und ggf. Normalkräfte
in das Decken- oder Dachelement übertragen werden.
[0010] Dabei ist das Querkraftgelenk jeweils an Einspannungen im Bereich von Schwächungszonen
des bestehenden Baukörpers, beispielsweise im frei tragenden Sturzbereich vorzusehen.
Damit wird erreicht, dass die Einspannung mit Querkraftgelenk lediglich Biegemomente
im Bereich dieser Einspannung auf den vorhandenen Baukörper übertragt. Die daraus
resultierenden zusätzlichen Lasten sind erheblich geringer, als wenn an dieser Einspannung
auch Querkräfte, nämlich insbesondere die Auflastkräfte der auskragenden Konstruktion
eingeleitet würden. Durch das vorgesehene Querkraftgelenk an dieser wenigstens einen
Einspannung wird das Auflastgewicht über den Querträger auf die wengistens zwei fest
angeordneten Einspannungen in den bestehenden Baukörper eingeleitet.
[0011] Querkraftgelenke sind im Bereich der Bautechnik unter Tragwerken bekannt. Ein idealisiertes
derartiges Gelenk kann keine Querkräfte übertragen, sondern nur Momente und Normalkräfte.
Ein derartiges Querkraftgelenk ist beispielsweise im Brückenbau als Widerlager bekannt.
Dabei sind die Lagerflächen horizontal angeordnet und können über eine dazwischen
liegende Zylinderwalzenlage Auflasten als Normalkräfte auf den Brückenpfeiler übertragen,
wohingegen Querkräfte nicht übertragen werden.
[0012] Ein derartiges Zylinderwalzenlager wird in der DE 30 34 514 A1 als bekannt gewürdigt.
[0013] Das im Anbausystem verwendete Querkraftgelenk hat hingegen eine vertikale Orientierung,
wobei am freien Ende der Einspannung im Decken- oder Dachelement eine parallel zur
Längserstreckung des Querträgers und lotrecht ausgerichtete Platte befestigt ist,
wobei die Platte Langlöcher hat, deren Längsachsen vertikal angeordnet sind; außenseitig
der Platte eine Befestigungsplatte vorgesehen ist, die mit dem Querträger fest verbunden
ist; innenseitig der Platte eine Gegenplatte vorgesehen ist, die die Einspannung mit
Spiel umgreift; die Befestigungsplatte mit der Gegenplatte mittels durch die Langlöcher
der Platte durchgreifenden Bolzen verspannt ist; und zwischen Gegenplatte und Platte
sowie zwischen Platte und Befestigungsplatte Gelenkwalzen angeordnet sind, dessen
Achsen senkrecht zur Langlochlängsachse und parallel zu den Platten ausgerichtet sind.
[0014] Wenn ein Lagerkäfig zur Lagehaltung der Gelenkwalzen vorgesehen ist, können die im
Querkraftgelenk vorgesehenen Gelenkwalzen auch in ihrer Einbauorientierung an lotrecht
ausgerichteten Platten lagerichtig positioniert werden. Insbesondere wir mit einem
Lagerkäfig die Montage des Querkraftgelenks erheblich vereinfacht, da das Gelenk sich
senkrecht zur freien Achse zusammenbauen läßt.
[0015] In weiter bevorzugter Ausgestaltung ist der Lagerkäfig als Schutzkasten ausgebildet,
der Gegenplatte, Platte und Befestigungsplatte im wesentlichen umschließt. Neben der
Positionierung der Gelenkwalzen bei der Montage des Querkraftgelenks auf der Baustelle
werden gleichzeitig die Gelenkwalzen vor Schmutz, der zwischen die Lagerplatten geraten
könnte, geschützt. Es wird somit vermieden, dass die gewünschte Enkopplungsfunktion
des Querkraftgelenks für wirkende Querkräfte durch Schmutzablagerungen und Anhaftungen
an den Gelenkwalzen gemindert würde.
[0016] In weiterer Ausgestaltung des Anbausystems ist vorgesehen, dass die Einspannung zum
Lasteintrag in das Decken- oder Dachelement eine Kombination von horizontalen Zugstab
und Druckstab aufweist, wobei der Zugstab auf dem Decken- oder Dachelement und der
Druckstab am zur auskragenden Konstruktion zeigenden Rand des Decken- oder Dachelementes
befestigt sind. Dabei wird der Zugstab bevorzugt unmittelbar auf die Rohdecke aufgedübelt
und der Druckstab an der Stirnseite der Decke angesetzt und ebenfalls mittels Schraubdübelverbindung
fixiert. Bei dem Anbau einer auskragenden Konstruktion mittels Zug- und Druckstab
ist somit lediglich das Enfernen des Estrichs im Bereich des Zugstabes zu dessen Montage
auf der Stahlbetondecke erforderlich. Handelt es sich beispielsweise um einen Anbaubalkon
sind jedoch häufig entsprechende Umbaumaßnahmen im zum Balkon angrenzenden Raum des
bestehenden Gebäudes erforderlich, wie beispielsweise Abbruch der Fensterbrüstung,
Austausch eines Fensters gegen ein Fenster-Tür-Element etc. Somit kann die Montage
des Zugstabes problemlos in die Umbauarbeiten integriert werden und bedeutet folglich
keinen größeren zusätzlichen Aufwand. Diese Konstruktion ist auch anwendbar für Decken-
oder Dachelemente aus Holz und für Ziegelhohlkörperdecken.
[0017] In alternativer Ausgestaltung weist die Einspannung zum Lasteintrag in das Decken-
oder Dachelement einen Biegestab auf, der in einer in die zur auskragenden Konstruktion
zeigenden Stirnseite der Stahlbetondecke eingebrachten Horizontalbohrung verankert
ist. Ausschließlich für Stahlbetondecken kann jedoch durch Vorsehen eines in eine
Horizontalkernbohrung in der Stahlbetondecke einzementierten Biegestabes eine die
bisherige Gebäudesubstanz am wenigstens beeinträchtigende Lösung angegeben werden.
Bei diesem Verfahren können Fußbodenarbeiten im Gebäudeinneren vorteilhaft entfallen.
[0018] Bevorzugt ist die wenigstens eine Einspannung mit Querkraftgelenk zwischen zwei festen
Einspannungen angeordnet. Damit wird die als Querkraft im Bereich der Einspannung
mit Querkraftgelenk wirkende Gewichtskraft über den Querträger dieser Konstruktion
auf die beiden einander gegenüberliegenden festen Einspannungen übertragen. Selbstverständlich
kann auch der Querträger teilweise selbst "auskragend" durch Vorsehen einer Einspannung
mit Querkraftgelenk am Ende des Querträgers ausgebildet werden. In diesem Falle würde
die zu dieser Einspannung nächstliegende feste Einspannung die gesamte Auflast dieses
Teils der Konstruktion tragen, wobei am Querträger zusätzlich Biegemomente wirken
würden, die teilweise die entferntere feste Einspannung entlasten würde.
[0019] Demgegenüber ist die von der Lastverteilung her bevorzugte und für viele Anwendungsbereiche
auch geeignetste Ausgestaltung dadurch gekennzeichnet, dass an beiden Enden des Querträgers
je eine feste Einspannung und dazwischen wenigstens eine Einspannung mit Querkraftgelenk
vorgesehen sind. Handelt es sich beispielsweise um einen Balkonanbau kann im gesamten
Mittenbereich zwischen den an beiden Enden des Querträgers angeordneten festen Einspannungen
am bestehenden Gebäude durch die Lastaufnahme des Querträgers und die Querkraft entkoppelnde
Einspannung mit Querkraftgelenk eine deutliche Entlastung erreicht werden. Folglich
können in diesem Bereich vorhandene Fensterstürze etc. ohne eine ergänzende Verstärkung
beibehalten werden. Die Auflast des angebauten Balkons wird dabei im wesentlichen
nur über die festen Einspannungen an den beiden Enden des Querträgers in die Decke
des bestehenden Gebäudes eingebracht und von den Sturzauflagerbereichen in den Baugrund
abgeleitet. Es wird also ein Großteil der Balkonlast durch Umlagerung zu den festen
Einspannungen im Bereich der Sturzlager, also in stützendes Mauerwerk mit ausreichender
Lastreserve eingeleitet. Eine Sturzverstärkung ist somit in der Regel nicht erforderlich.
Gleichwohl können die aufgrund der auskragenden Konstruktion an den Einspannungen
angreifenden Biegemomente über die Querkraftgelenke in den bestehenden Baukörper geleitet
werden.
[0020] Wenn am Querträger vorkragende Träger als Unterkonstruktion für einen Balkon oder
ein Vordach befestigt sind, wird ein kompakter Unterbau beispielsweise für den Balkonboden
oder ein Vordach bereitgestellt. Der Querträger wie auch die daran angesetzten vorkragenden
Träger sind bevorzugt aus Doppelflanschträger gleicher Höhenabmessung hergestellt
und miteinander verschweißt. Für eine Balkonunterbaukonstruktion können somit Balkontiefen
bis 1,5 m und Balkonbreiten von 4 m oder mehr erzielt werden. Die Anordnung der festen
Einspannungen und der Einspannungen mit Querkraftgelenk ist variabel, womit beliebige
Balkonlagen und Balkonbreiten realisiert werden können.
[0021] Um die Auflastgewichte der Balkonlast im Bereich der Einfassung mit Querkraftgelenk
von der Einspannung abzukoppeln und über den Querträger in die festen Einspannungen
umzulagern, ist das Querkraftgelenk so ausgebildet, dass lotrechte Kräfte nicht aufgenommen
werden.
[0022] Nachfolgend wird ein Ausführungsbeispiel des Anbausystems sowie des dabei verwendeten
Querkraftgelenks unter Bezugnahme auf die beiliegenden Zeichnungen detailliert beschrieben.
[0023] Darin zeigt:
- Fig. 1
- in einer teils geschnittenen Draufsicht eine von einem bestehenden Baukörper auskragende
Konstruktion nach dem erfindungsgemäßen Anbausystem,
- Fig. 2
- in einer Draufsicht eine Einspannung mit Querkraftgelenk entsprechend der in Fig.
1 dargestellten Konstruktion,
- Fig. 3
- die in Fig. 2 dargestellte Anordnung in geschnittener Seitenansicht entlang der in
Fig. 2 mit A-A dargestellten Fläche und
- Fig. 4
- das Querkraftgelenk in einer Darstellung entlang der in Fig. 2 bzw. 3 dargestellten
Ebene B-B.
[0024] In Fig. 1 ist in teils geschnittener Draufsicht ein vorhandenes Gebäude 1 auf der
linken Seite der Zeichnung und eine auskragende Konstruktion 2 auf der rechten Seite
der Zeichnung dargestellt. Der bestehende Baukörper oder das vorhandene Gebäude 1
weist ein Deckenelement 10 in Form einer Stahlbetondecke auf. Im unter der Stahlbetondecke
10 liegenden Geschoss ist eine große Fensteröffnung mit einem langen Sturz 11 verwirklicht.
Der Sturz 11 ist auf Mauerabschnitte als Sturzauflager 12 und 13 abgestützt.
[0025] An einer Stirnseite 100 der Stahlbetondecke 10 ist die auskragende Konstruktion 2
als Balkon angebaut. Für den Balkonanbau 2 sind in der vorhandenen Geschossdecke 10
fünf horizonale Kernbohrungen 101 in die Stirnfläche 100 der Geschossdecke 10 eingebracht.
[0026] Die Horizontalbohrung 101 weist beispielsweise einen Durchmesser von 100 mm und eine
Bohrtiefe von 1000 mm auf. In jede der fünf Horizontalbohrungen 101 wird ein Biegestab
20 in Form eines geeigneten Rohres, beispielsweise der Dimension Durchmesser 88,9
x 8 mm einzementiert. Diese einzementierten Biegestäbe 20 bilden insgesamt fünf Einspannungen
21 bzw. 22.
[0027] Nahe am und im wesentlichen parallel zum Baukörper 1 ist ein Querträger 23 an der
auskragenden Konstruktion 2 vorgesehen. Der Querträger 23 ist an seinen Enden fest
mit den Einspannungen 21 verbunden. Die zwischen den festen Randeinspannungen 21 angeordneten
drei weiteren Einspannungen 22 sind mit einem Querkraftgelenk 3 mit dem Querträger
23 derart verbunden, dass Auflasten senkrecht zur Zeichenebene der Fig. 1 nicht auf
die Einspannungen 22 übertragen werden.
[0028] Am Querträger 23 sind in Verlängerung der die Einspannungen 21, 22 bildenden Biegestäbe
20 vorkragende Träger 24 befestigt.
[0029] Diese auskragende Konstruktion 2 bildet den Unterbau eines hier nicht näher dargestellten
Balkons. Dabei ist diese Konstruktion 2 bevorzugt aus genormten Doppelflanschträgern
hergestellt. Der Querträger 23 besteht beispielsweise aus einem Doppelflanschträger
HEB 180 und die vorkragenden Träger 24 aus Doppelflanschträgern der Dimension IPE
180. In den Knotenbereichen der vorkragenden Träger 24 mit dem Querträger 23 sind
die Träger miteinander verschweißt.
[0030] Eine Einspannung 22 mit Querkraftgelenk 3 ist in den Fig. 2 bis 4 im Detail dargestellt.
In Fig. 2 ist in der Draufsicht ein Teil der Stahlbetondecke 10 mit darin befindlicher
Horizontalbohrung 101 dargestellt. Ebenso ist in der Schnittdarstellung der Fig. 3
die Stahlbetondecke 10 mit darin integriertem Sturz 11 wiedergegeben. In der Horizontalbohrung
101 ist der Biegestab 20 fest einzementiert.
[0031] Am freien Ende 201 des Biegestabes 20 ist das Querkraftgelenk 3 angesetzt. Das Querkraftgelenk
3 weist eine lotrecht ausgerichtete Platte 31 als erste Lagerplatte auf. Diese erste
Lagerplatte 31 ist beispielsweise mit dem freien Ende 201 des Biegestabs 20 verschweißt.
In der Platte 31 sind vier Langlöcher 31 eingebracht, deren Längsachsen vertikal angeordnet
sind. Außenseitig, also von dem bestehenden Gebäude 1 abgewandt, ist parallel zur
Platte 31 eine Befestigungsplatte oder zweite Lagerplatte 32 angeordnet. Die Befestigungsplatte
32 ist mit dem Querträger 23, beispielsweise durch eine Schweißverbindung, verbunden.
[0032] Innenseitig der Platte 31, also zum bestehenden Gebäude gerichtet, ist eine Gegenplatte
oder dritte Lagerplatte 33 vorgesehen, die den Biegestab 20 der Einspannung 22 mit
Spiel umgreifend ausgebildet ist.
[0033] Die zur ersten Lagerplatte 31 parallel angeordneten zweite und dritte Lagerplatten
32, 33 weisen jeweils vier zu den vier Langlöchern 31 der ersten Lagerplatte 31 korrespondierende
Durchgangsbohrungen 321, 331 auf. Durch die Durchgangsbohrungen 321, 331 und Langlöcher
311 sind vier Schraubbolzen 34 durchgesteckt. Mit den Bolzen 34 werden die Befestigungsplatte
32 mit der Gegenplatte 33 verspannt.
[0034] Zwischen der dritten Lagerplatte 33 und der ersten Lagerplatte 31 sowie zwischen
der ersten Lagerplatte 31 und der zweiten Lagerplatte 32 sind jeweils Gelenkwalzen
35 in zur Lastaufnahme ausreichender Zahl auf den korrespondierenden Lagerflächen
verteilt angeordnet. Die Gelenkwalzen 35 sind dabei mit ihren Zylinderachsen zueinander
parallel und horizontal, also zur Längsachse der Langlöcher 31 senkrecht ausgerichtet.
Damit erlauben die Gelenkwalzen 35 eine reibungsarme Lateralbewegung senkrecht zur
Zeichenebene der Fig. 2, also in lotrechter Richtung im Umfang des Spielraums in den
Langlöchern 311 der ersten Lagerplatte 31. Entsprechend werden an der auskragenden
Konstruktion 2 wirkende lotrechte Kräfte als sog. Querkräfte von dem Querkraftgelenk
3 nicht auf die Einspannung 22 übertragen. Entsprechend nimmt der in der auskragenden
Konstruktion 2 vorgesehene Querträger 23 die Auflast auf und lagert die Auflast auf
die festen Einspannungen 21, 21 (s. Fig. 1) um.
[0035] Mit dem erfindungsgemäßen Anbausystem mit Querkraftgelenk können somit auskragenden
Konstruktionen, insbesondere Balkone und Vordächer an bestehenden Gebäuden im Bereich
von Decken- oder Dachelementen lasteinbringend befestigt werden, auch wenn im von
der Konstruktion überdeckten Bereich Schwächungszonen, wie beispielsweise Tür- oder
Fensterstürze vorhanden sind.
[0036] Im Gegensatz zu separat aufgeständerten Balkonen sind keine sichtbaren Stützen und
neu zu gründende Fundamente erforderlich. Im Gegensatz zu den bekannten, an bestehenden
Gebäuden angebauten Balkonsystemen fehlen auch jegliche auf der Gebäudefassade aufgebrachte
Streben oder Verstärkungselemente.
[0037] Mit der Konstruktion können bei entsprechender Materialwahl eine Auskragung des Balkons
bis 1,5 m problemlos realisiert werden. Da auch große Balkonbreiten von 4 m oder mehr
erzielt werden können, können sehr großflächige Anbaubalkone als auskragende Konstruktionen
realisiert werden. Aufgrund der stützen- und strebenlosen Konstruktion werden unter
dem Balkon liegende Wohnungen weniger beeinträchtigt. Ferner können Balkone auch sehr
individuell, beispielsweise nur für einzelne Wohnungen oder an unterschiedlichen Positionen
an der Fassade montiert werden, da eine Lastverteilung in der Anbaukonstruktion über
mehrere Geschosse nicht nötig ist.
[0038] Somit ist das erfindungsgemäße System vor allem bei Gebäuden geringerer Geschosszahl
eine wirtschaftliche Lösung. Dabei kann die tragende Balkonkonstruktion (auskragende
Konstruktion 2) aus genormten, leicht beschaffbaren und entsprechend kostengünstigen
Bauteilen, wie Doppelflanschträgern, hergestellt werden.
[0039] Durch die punktuellen Anschlüsse der auskragenden Konstruktion an die vorhandene
Stahlbetondecke werden Wärmebrücken weitestgehend vermieden. Zusätzlich kann eine
umlaufende Wärmedämmung um die auskragende Konstruktion vorteilhaft sein.
Bezugszeichenliste
[0040]
- 1
- Baukörper, vorhandenes Gebäude
- 10
- Decken- oder Dachelement, Stahlbetondecke
- 100
- Stirnfläche
- 101
- Horizontalbohrung
- 11
- Sturz
- 12
- Sturzauflager, Mauerwerk
- 13
- Sturzauflager, Mauerwerk
- 2
- auskragende Konstruktion, Balkonanbau
- 20
- Biegestab
- 201
- freies Ende
- 21
- Einspannung
- 22
- Einspannung
- 23
- Querträger
- 24
- vorkragender Träger
- 3
- Querkraftgelenk
- 31
- Platte, erste Lagerplatte
- 311
- Langloch
- 32
- Befestigungsplatte, zweite Lagerplatte
- 321
- Durchgangsbohrung
- 33
- Gegenplatte, dritte Lagerplatte
- 331
- Durchgangsbohrung
- 34
- Bolzen
- 35
- Gelenkwalzen
1. Anbausystem für von Baukörpern (1) auskragende Konstruktionen (2), insbesondere Balkone,
Vordächer oder sonstige auskragende Anbauten, wobei
- der Baukörper (1) ein lastaufnehmendes Decken- oder Dachelement (10) aufweist,
- an dem Decken- oder Dachelement (10) Einspannungen (21) vorgesehen sind, an denen
die auskragende Konstruktion (2) befestigt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die auskragende Konstruktion (2) einen Querträger (23) aufweist, der nahe am und
im wesentlichen parallel zum Baukörper (1) angeordnet ist;
- der Querträger (23) an wenigstens zwei Einspannungen (21) fest eingespannt ist,
und
- der Querträger (23) an wenigstens einer Einspannung (22) über ein Querkraftgelenk
eingespannt ist, so dass an dieser Einspannung (22) im wesentlichen nur Biegemomente
und ggf. Normalkräfte in das Decken- oder Dachelement (10) übertragen werden.
2. Anbausystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Einspannung (21, 22) zum Lasteintrag in das Decken- oder Dachelement (10) eine
Kombination von horizontalen Zugstab und Druckstab aufweist, wobei der Zugstab auf
dem Decken- oder Dachelement (10) und der Druckstab am zur auskragenden Konstruktion
zeigenden Rand (100) des Decken- oder Dachelementes (10) befestigt sind.
3. Anbausystem nach Anspruch 1 mit einer Stahlbetondecke (10) als Decken- oder Dachelement,
dadurch gekennzeichnet, dass die Einspannung (21, 22) zum Lasteintrag in das Decken- oder Dachelement (10) einen
Biegestab (20) aufweist, der in einer in die zur auskragenden Konstruktion zeigenden
Stirnseite (100) der Stahlbetondecke (10) eingebrachten Horizontalbohrung (101) verankert
ist.
4. Anbausystem nach Anspruch 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass die wenigstens eine Einspannung (22) mit Querkraftgelenk (3) zwischen zwei festen
Einspannungen (21) angeordnet ist.
5. Anbausystem nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass an beiden Enden (231, 232) des Querträgers (23) je eine feste Einspannung (21) und
dazwischen wenigstens eine Einspannung (22) mit Querkraftgelenk (3) vorgesehen sind.
6. Anbausystem nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass am Querträger (23) vorkragende Träger (24) als Unterkonstruktion für einen Balkon
oder ein Vordach befestigt sind.
7. Anbausystem nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass das Querkraftgelenk (3) so ausgebildet ist, dass lotrechte Kräfte nicht aufgenommen
werden, wobei
- am freien Ende (201) der Einspannung (22) im Decken- oder Dachelement (10) eine
parallel zur Längserstreckung des Querträgers (23) und lotrecht ausgerichtete Platte
(31) befestigt ist, wobei die Platte Langlöcher (311) hat, deren Längsachsen vertikal
angeordnet sind;
- außenseitig der Platte (31) eine Befestigungsplatte (32) vorgesehen ist, die mit
dem Querträger (23) fest verbunden ist;
- innenseitig der Platte (31) eine Gegenplatte (33) vorgesehen ist, die die Einspannung
(22) mit Spiel umgreift;
- die Befestigungsplatte (32) mit der Gegenplatte (33) mittels durch die Langlöcher
(311) der Platte (31) durchgreifenden Bolzen (34) verspannt ist; und
- zwischen Gegenplatte (33) und Platte (31) sowie zwischen Platte (31) und Befestigungsplatte
(32) Gelenkwalzen (35) angeordnet sind, dessen Achsen senkrecht zur Langlochlängsachse
und parallel zu den Platten (31, 32, 33) ausgerichtet sind.
8. Anbausystem nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass am Querkraftgelenk (3) ein Lagerkäfig zur Lagehaltung der Gelenkwalzen (35) vorgesehen
ist.
9. Anbausystem nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Lagerkäfig als Schutzkasten ausgebildet ist, der Gegenplatte (33), Platte (31)
und Befestigungsplatte (32) im wesentlichen umschließt.