[0001] Die Erfindung betrifft ein Liderungssystem für Artilleriewaffen mit den im Oberbegriff
des Anspruchs 1 angegebenen Merkmalen. Die Erfindung bezieht sich ferner auf ein Verfahren
zur Herstellung eines derartigen Liderungssystems.
[0002] Ein Liderungssystem für Artilleriewaffen ist zum Beispiel aus der
DE 197 24 847 A1 bekannt. Es besteht im Wesentlichen aus einem Bodenring, einem Liderungsring sowie
einem Verschlußeinsatz und soll heckseitig die Abdichtung des Waffenrohres gegen die
beim Schuß entstehenden Pulvergase sicherstellen. Im Hinblick auf die hohen beim Schuß
auftretenden Belastungen sind die Liderungssystemteile in der Regel aus Stahl gefertigt.
[0003] Im Gegensatz zu patronierter Munition, bei der die jeweilige Patronenhülse das Waffenrohr
heckseitig gegen Pulvergase nur einmal abdichten muß, erfolgt die Abdichtung bei Artilleriewaffen
durch das Liderungssystem für eine Vielzahl von Schüssen. Da die Liderungssystemteile
den Pulvergasen und -rückständen direkt ausgesetzt sind, unterliegen sie hohen thermischen,
korrosiven, abrasiven und im Falle von Durchbläsern (d.h. einem punktuellen Entweichen
der heißen Pulvergase zwischen dem Liderungsring und dem Verschlußeinsatz) auch erosiven
Belastungen. Durch die Pulvergase und -rückstände werden die Oberflächen der Liderungssystemteile
stark korrosiv und abrasiv angegriffen, so daß sich relativ schnell eine narbige Oberflächenstruktur
ergibt, an der die Pulverrückstände gut anhaften und ein Auftreten von Durchbläsern
fördern.
[0004] Aus der
DE 197 24 847 A1 ist es bereits bekannt, zur Vermeidung von Aufrauungen an der Oberfläche der Liderungssystemteile,
und damit auch zur Vermeidung von Durchbläsern, die Liderungssystemteile mindestens
in den Oberflächenbereichen, in denen sie mit den Treibladungsgasen in Berührung kommen,
mit einem geeigneten Beschichtungswerkstoff zu versehen. Als Beschichtungswerkstoffe
werden dabei insbesondere Hartstoffe, wie Chromnitrid, Titannitrid etc., vorgeschlagen.
Die Beschichtung der Oberfläche des jeweiligen Liderungssystemteiles erfolgt durch
eine Dampfabscheidung der Beschichtungswerkstoffe (d.h. mittels eines PVD- oder CVD-Verfahrens).
[0005] Als nachteilig bei diesem bekannten Verfahren hat sich erwiesen, daß es relativ kostenaufwendig
und die erreichbare Korrosionsfestigkeit noch nicht optimal ist.
[0006] Aus der
EP 0 753 599 B1 ist ein Verfahren zur Herstellung von Korrosions- und Verschleißschutzschichten für
Eisenbasiswerkstoffe bekannt, bei dem zunächst eine aus Eisencarbonitrid bestehende
Verbindungsschicht durch ein Nitrocarburieren des Basiswerkstoffes hergestellt wird.
Anschließend erfolgt ein Aktivieren der Oberfläche des Werkstoffes in einem plasmagestützten
Unterdruckverfahren und dann ein Oxidieren des Werkstoffes zur Bildung einer geschlossenen
Oxidschicht. Einen Hinweis auf die Verwendung dieses bekannten Verfahrens zur Bildung
von Korrosionsschutzschichten bei Liderungssystemen für Artilleriewaffen läßt sich
dieser Druckschrift nicht entnehmen und liegt auch nicht nahe, weil die Erosion der
dominante Schädigungsmechanismus für die Liderungselemente ist, die auch eine Nitrierung
mit anschließender Oxidation bei auftretender Erosion nicht vermindern könnte.
[0007] Mittels dieses Verfahrens wird allerdings die Korrosion und kleine mechanische Beschädigungen
der Oberfläche als mögliche Vorschädigungsmechanismen minimiert.
[0008] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Liderungssystem für eine Artilleriewaffe
anzugeben, bei dem die Oberflächen der Liderungssystemteile auf kostengünstige Weise
derart veredelt sind, daß sie gegen die thermischen, korrosiven, abrasiven und erosiven
Belastungen besser geschützt werden, als dieses bei vergleichbaren bekannten Liderungssystemteilen
der Fall ist. Ferner soll ein Verfahren zur Herstellung eines derartigen Liderungssystems
offenbart werden.
[0009] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß hinsichtlich des Liderungssystems durch die Merkmale
des Anspruchs 1 und hinsichtlich des Verfahrens durch die Merkmale des Anspruchs 2
gelöst. Weitere, besonders vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung offenbaren die
Unteransprüche.
[0010] Die Erfindung beruht im wesentlichen auf dem Gedanken, nicht wie in der
DE 197 24 847 A1 vorgeschlagen, eine Beschichtung der Oberflächen der Liderungssystemteile mittels
Hartstoffen vorzunehmen, sondern die Oberfläche einer Nitrierung oder Carbonitrierung
und einer anschließenden Oxidation zu unterziehen, derart, daß sich oberflächenseitig
eine vollständig geschlossene 1-3µm dicke Eisenoxidschicht ergibt, an die sich als
Verbindungsschicht eine in das Innere des jeweiligen Liderungssystemteiles erstreckende
10-15 µm dicke Eisennitridschicht oder Eisencarbonitridschicht anschließt.
[0011] Ein derartiges erfindungsgemäßes Liderungssystem weist unter anderem die Vorteile
auf, daß es zuverlässig arbeitet und ein Wechsel, z.B. der Verschlußeinsatzplatte
und des Bodenringes, durch entsprechend ausgebildetes Personal wesentlich seltener
erforderlich ist als bei bekannten Liderungssystemen. Außer einem guten Korrosionsschutz
läßt sich mit dem erfindungsgemäßen Liderungssystem ein gegenüber bekannten Systemen
verbesserter Verschleißschutz und eine leichtere Reinigung der behandelten Systemteile
erreichen. Das erfindungsgemäße Verfahren verändert außerdem nicht den Kernstoff,
sondern nur den oberflächennahen Bereich bis in eine Tiefe von 0,2 bis 0,3 mm. Ferner
sind prozeßbedingte Geometrieveränderungen reproduzierbar und können bei der Konstruktion
berücksichtigt werden.
[0012] Das Nitrieren/Nitrocarburieren der Oberfläche des Liderungsteiles kann vorzugsweise
mittels Plasmanitrieren erfolgen.
[0013] Bei Liderungssystemteilen mit vergüteter Oberfläche sollte die Nitrierung und Oxidation
bei Temperaturen unterhalb der letzten Anlaßtemperatur gewählt werden.
[0014] Weitere Einzelheiten und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus den folgenden anhand
von Figuren erläuterten Ausführungsbeispielen. Es zeigen:
Fig.1 einen Längsschnitt durch einen Teilbereich des Liderungssystems eines Waffenrohres;
Fig.2 eine vergrößerte Darstellung des in Fig. 1 mit II bezeichneten Ausschnittes.
[0015] In Fig. 1 ist der Teilbereich eines Liderungssystems für ein Waffenrohr wiedergegeben,
wie er im Wesentlichen aus der
DE 197 24 847 A1 bekannt und dort in Fig.2 dargestellt ist. Dabei ist mit 1 ein Verschlußeinsatz eines
Verschlußkeiles bezeichnet. Dieser bildet die Anlagefläche für einen rechtwinklig
ausgebildeten Liderungsring 2, der in einer Ausnehmung 3 eines Bodenringes 4 gelagert
ist, welcher seinerseits mit dem nicht dargestellten Waffenrohr verbunden ist.
[0016] Erfindungsgemäß ist nun vorgesehen, daß der Verschlußeinsatz 1, der Liderungsring
2 und der Bodenring 4 auf ihren bei der bestimmungsgemäßen Verwendung des Waffenrohres
den Pulvergasen zugewandten Oberflächen jeweils eine vollständig geschlossene 1-3
µm dicke Eisenoxidschicht 5 (Fig.2) aufweisen, an die sich eine in das Innere des
jeweiligen Liderungssystemteiles 1, 2 und 4 erstreckende 10-15µm dicke Eisennitridschicht
6 anschließt. Bei diesem kombinierten Schichtaufbau wird durch die Eisennitridschicht
6 die Oberflächenhärte der Liderungssystemteile 1, 2 und 4 erheblich gesteigert und
das Dichtsystem gegenüber mechanischen Belastungen stabiler als bei bekannten Systemen.
Die Eisenoxidschicht (Fe
3O
4) 5 bewirkt hingegen eine Verbesserung der Korrosionsfestigkeit der Liderungssystemteile
1, 2 und 4.
[0017] Zur Oberflächenvergütung der erfindungsgemäßen Liderungssystemteile 1, 2 und 4 werden
die den Pulvergasen ausgesetzten oberflächennahen Bereiche zunächst bei Temperaturen
zwischen 450°C und 550°C mittels eines Normaldruck-Gasverfahrens mit Stickstoff angereichert,
um die ca. 10-15µm tiefe, aus Eisennitrid bestehende Verbindungsschicht 6 zu bilden.
[0018] Anschließend erfolgt dann zur Bildung der geschlossenen Eisenoxidschicht 5 eine Oxidation
in einem Stickstoff-Wasserdampf-Gemisch in einem Temperaturbereich zwischen 480°C
bis 520°C.
[0019] Die Erfindung ist selbstverständlich nicht auf das vorstehend beschriebene Ausführungsbeispiel
beschränkt. So kann als Verbindungsschicht 6 statt der Eisennitridschicht auch eine
Eisencarbonitridschicht verwendet werden. In diesem Fall muß zusätzlich zu der Anreicherung
der oberflächennahen Schicht mit Stickstoff auch eine Anreicherung mit Kohlenstoff
erfolgen.
Bezugszeichenliste
[0020]
- 1
- Verschlußeinsatz
- 2
- Liderungsring
- 3
- Ausnehmung
- 4
- Bodenring
- 5
- Eisenoxidschicht
- 6
- Eisennitridschicht, Verbindungsschicht
1. Liderungssystem für Artilleriewaffen mit einem Bodenring (4), einem Liderungsring
(2) und einem Verschlußeinsatz (1), wobei die Liderungssystemteile (1, 2, 4) aus Stahl
bestehen, dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei der den Pulvergasen zugewandten Oberfläche mindestens eines der Liderungssystemteile
(1, 2, 4) um eine vollständig geschlossene 1-3 µm dicke Eisenoxidschicht (5) handelt,
an die sich eine in das Innere des jeweiligen Liderungssystemteiles (1, 2 4) erstreckende
10-15µm dicke, aus Eisennitrid oder Eisencarbonitrid bestehende Verbindungsschicht
(6) anschließt.
2. Verfahren zur Herstellung eines Liderungssystems nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zunächst eine Nitrierung der den Pulvergasen ausgesetzten Oberfläche des jeweiligen
Liderungssystemteiles bei Temperaturen zwischen 450 und 550°C erfolgt, derart, daß
sich eine 0,02 - 0,5 mm tiefe Diffusionszone bildet, an die sich auf der der Oberfläche
zugewandten Seite eine 10-15µm dicke Eisennitridschicht oder Eisencarbonitridschicht
anschließt, und daß nach dem Nitrieren/Nitrocar-burieren der Oberfläche eine Oxidation
der an die Oberfläche des Liderungssystemteiles angrenzenden Eisennitridschicht/Eisencarbonitridschicht
erfolgt, derart, daß sich eine 1-3µm dicke geschlossene Eisenoxidschicht bildet.
3. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß das Nitrieren/Nitrocarburieren der Oberfläche des Liderungsteiles durch Plasmanitrieren
erfolgt.
4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß bei Liderungsteilen mit vergüteter Oberfläche die Nitrierung und Oxidation bei Temperaturen
unterhalb der letzten Anlaßtemperatur gewählt wird.