(19)
(11) EP 1 764 422 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
21.03.2007  Patentblatt  2007/12

(21) Anmeldenummer: 05020130.0

(22) Anmeldetag:  15.09.2005
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
C21D 7/12(2006.01)
C21D 9/08(2006.01)
B21B 3/02(2006.01)
B21C 23/08(2006.01)
C21D 1/30(2006.01)
C21D 9/14(2006.01)
B21B 21/00(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IS IT LI LT LU LV MC NL PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL BA HR MK YU

(71) Anmelder: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
80333 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Bode, Ralf
    47441 Moers (DE)
  • Langenhan, Beate, Dr.
    41372 Niederkrüchten (DE)

   


(54) Verfahren zur Herstellung von austenitischen Stählen und daraus hergestellte Verdichtergehäuse


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von austenitischen Stählen. Das Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass der Stahl zunächst durch plastische Verformung verändert wird und anschließend spannungsarm geglüht wird. Die Festigkeit des Stahls wird dadurch erheblich gesteigert, ohne dass die Tieftemperaturzähigkeit abnimmt.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von austenitischen Stählen sowie ein Verdichtergehäuse aus einem austenitischen Stahl, wobei das Verdichtergehäuse im wesentlichen ringförmig ausgebildet ist.

[0002] Unter der Sammelbezeichnung "Strömungsmaschinen" werden Wasserturbinen, Dampf- und Gasturbinen, Windräder, Kreiselpumpen und Kreiselverdichter sowie Propeller zusammengefasst. Allen diesen Maschinen ist gemeinsam, dass sie dem Zweck dienen einem Fluid Energie zu entziehen, um damit eine andere Maschine anzutreiben oder umgekehrt, einem Fluid Energie zuzuführen, um dessen Druck zu erhöhen.

[0003] Die Gehäuse von Verdichtern müssen so ausgelegt werden, dass sie einem hohen Innendruck standhalten. Unter Verdichter wird hierbei eine Arbeitsmaschine zum Verdichten von Gasen, Dämpfen oder Ähnlichem verstanden. Verdichter werden zum Teil bei sehr niedrigen Betriebstemperaturen eingesetzt. Es kann dabei vorkommen, dass die Betriebstemperaturen bei weniger als minus 120°C liegen. Bei diesen tiefen Betriebstemperaturen werden als Material für die Gehäuse der Verdichter kaltzähe Stähle mit einer austenitischen Kristallstruktur eingesetzt. Allerdings besitzen solche kaltzähe Stähle mit austenitischer Kristallstruktur lediglich eine geringe Festigkeit. Unter Zähigkeit wird bei festen Körpern die Eigenschaft verstanden, sich unter mechanischer Beanspruchung makroskopisch messbar plastisch verformen zu können. Zähigkeit kann auch als die Stärke des Widerstands, den ein Körper einer plastischen Formänderung entgegensetzt, d. h. für die Größe der mechanischen Spannung und/oder Energie, die für eine Verformung aufgebracht werden müssen, verstanden werden. Das Gegenteil von Zähigkeit kann als Sprödigkeit bezeichnet werden. Unter der Festigkeit wird die Widerstandsfähigkeit eines Bauteils oder Materials gegenüber einer Formänderung oder bruchführenden Beanspruchung verstanden, wobei entsprechend zwischen Druck-, Zug-, Biege-, Scher- oder Schub- und Torsions- oder Verdrehfestigkeit unterschieden wird.

[0004] Damit ein sicherer Betrieb eines Verdichters bei tiefen Betriebstemperaturen gewährleistet ist, werden die Gehäuse der Verdichter für Tieftemperaturanwendungen mit großen Wandstärken ausgebildet, um bei niedriger Festigkeit des Werkstoffs dem Innendruck standhalten zu können. Da die austenitischen Stähle außerdem eine geringe Wärmeleitfähigkeit und einen hohen thermischen Ausdehnungskoeffizienten aufweisen, besteht die Gefahr von großen Temperaturtransienten innerhalb des Gehäuses und damit die Gefahr thermischer Spannungen bis hin zu bleibenden plastischen Verformungen.

[0005] An dieser Stelle setzt die Erfindung an, deren Aufgabe es ist, ein Verfahren zur Erhöhung der Festigkeit von austenitischen Stählen anzugeben, womit Stähle hergestellt werden können, die bei tiefen Temperaturen eingesetzt werden können.

[0006] Diese Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren zur Erhöhung der Festigkeit von austenitischen Stählen, gekennzeichnet durch folgende Schritte:
  1. 1) plastische Verformung des austenitischen Stahles und
  2. 2) Spannungsarmglühen des austenitischen Stahles.


[0007] Die Erfindung geht von der Erkenntnis aus, dass die Festigkeit austenitischer Stähle sich erheblich steigern lässt, indem sie vor einer Spannungsarmglühung plastisch verformt werden, ohne dass die Tieftemperaturzähigkeit dabei wesentlich abnimmt.

[0008] Beispielsweise könnte dieses Verfahren für Stähle eingesetzt werden, die in Verdichtern benötigt werden. Versuche haben gezeigt, dass hierbei durch eine plastische Vorverformung die Festigkeit auf das Dreifache erhöht werden kann.

[0009] In einer vorteilhaften Weiterbildung wird in Schritt 1) die plastische Verformung durch mechanisches Dehnen erwirkt.

[0010] Dadurch ist ein sehr einfacher Verfahrensschritt angegeben, um eine plastische Verformung zu realisieren. Andere Verfahrensschritte zur plastischen Verformung sind denkbar, z. B. hydraulisches oder pneumatisches Dehnen unter Innendruck oder auch Kaltwalzen.

[0011] In einer weiteren vorteilhaften Weiterbildung liegt der austenitische Stahl als Zylinder-Gehäuse oder als Ring vor und der Schritt 1) erfolgt dadurch, dass mit einer Verformungseinrichtung das Zylinder-Gehäuse oder der Durchmesser des Zylinder-Gehäuses oder des Ringes geweitet und die Dicke des Zylinder-Gehäuses oder des Ringes verringert wird.

[0012] Die Erfindung geht hierbei von dem Aspekt aus, dass, wenn der austenitische Stahl als Zylinder-Gehäuse oder als Ring vorliegt, es eine sehr kostengünstige Möglichkeit gibt, den Ring insgesamt plastisch zu verformen. Dabei wird eine Verformungseinrichtung an das Zylinder-Gehäuse oder den Ring derart angebracht, dass durch eine gleichmäßige Kraftübertragung diese gleichmäßig gedehnt werden.

[0013] In einer vorteilhaften Weiterbildung umfasst die Verformungseinrichtung einen konischen Zylinder.

[0014] Dadurch wird eine besonders einfache Möglichkeit angeboten, die Verformungseinrichtung derart zu gestalten, dass durch eine lineare Bewegung des konischen Zylinders eine Kraft auf die Innenseite des Zylinder-Gehäuses oder des Ringes ausgeübt wird, wodurch diese insgesamt geweitet werden. Andere Verformungseinrichtungen sind möglich. Die Verformungseinrichtung kann auch hydraulische Mittel umfassen.

[0015] In einer weiteren vorteilhaften Weiterbildung wird ein Stutzen an einer äußeren Wand des Zylinder-Gehäuses oder des Ringes angeordnet und in einem nächsten Schritt an das Zylinder-Gehäuse oder den Ring angeschweißt, wobei in einem nächsten Schritt der Ring mit dem Stutzen lösungsgeglüht und abgeschreckt wird und anschließend Schritt 1) erfolgt, wobei das Zylinder-Gehäuse oder der Ring aufgeweitet werden, wobei in einem nächsten Schritt der Ring mit dem Stutzen spannungsarm geglüht wird und anschließend Durchtritte durch den Stutzen und den Ring gebohrt werden.

[0016] Die Erfindung geht hierbei von dem Aspekt aus, dass es vorteilhaft ist, wenn Stutzen an dem Zylinder-Gehäuse oder dem Ring angebracht werden sollen, dass diese vor dem Spannungsarmglühen angebracht werden.

[0017] Die Erfindung umfasst ein Verdichtergehäuse aus einem austenitischen Stahl, wobei das Verdichtergehäuse im wesentlichen ringförmig ausgebildet ist, wobei das Verdichtergehäuse mit einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5 hergestellt wurde.

[0018] Ausführungsbeispiele der Erfindung werden nachfolgend unter Bezugnahme auf die Zeichnungen näher beschrieben. Dabei haben mit denselben Bezugszeichen versehene Komponenten die gleiche Funktionsweise.

Dabei zeigen



[0019] 
Figur 1
eine schematische Darstellung der Herstellung eines Verdichtergehäuses mit Stutzen,
Figur 2
ein Diagramm zur Verdeutlichung eines Einflusses der Kaltverformung auf mechanische Eigenschaften für den Werkstoff X5CrNiTi18-10,
Figur 3
ein Diagramm zur Verdeutlichung des Einflusses der Spannungsarmglühtemperatur auf die mechanischen Eigenschaften auf den Werkstoff X5CrNiTi18-10.


[0020] In der Figur 1 werden 6 Teilschritte zur Herstellung des Verdichtergehäuses 1 dargestellt.
In der Figur 1 ist eine Schnittansicht des Gehäuses 1 zu sehen. Die Länge des Gehäuses 1 ist daher aus der Figur 1 nicht zu entnehmen.
In Figur 1 ist im Schritt 1) ein Verdichtergehäuse 1 als Ausführungsform eines Zylinder-Gehäuses oder Ringes zumindest umfassend ein Gehäuse 2 und zwei Stutzen 4a und 4b dargestellt. Das Gehäuse 2 besteht aus einem austenitischen Stahl und ist im wesentlichen ringförmig ausgebildet. Das Gehäuse 2 ist ringförmig um eine Rotationsachse 3 ausgebildet.
In einem Schritt 1) werden zwei Stutzen 4a und 4b mit einer Bohrung 5a und 5b bereitgestellt.

[0021] In einem Schritt 2) werden die Stutzen 4a und 4b an eine äußere Wand 6 des Gehäuses 2 angeschweißt.

[0022] Im Schritt 3) wird das Gehäuse 2 mit den Stutzen 4a und 4b lösungsgeglüht und abgeschreckt. Das Lösungsglühen erfolgt bei Temperaturen und über Zeitdauern hinweg, die von der Wahl des Materials des Gehäuses abhängen. Das Abschrecken des Gehäuses und der Stutzen erfolgt nach herkömmlichen Verfahren.

[0023] Im Schritt 4) wird das Gehäuse 2 über eine nicht näher dargestellte Verformungseinrichtung plastisch verformt, wodurch sich die Dicke 7 des Gehäuses 2 verringert.

[0024] Die Verformungseinrichtung kann einen konischen Zylinder umfassen. In alternativen Ausführungsformen kann die Verformungseinrichtung hydraulische Kraftantriebe umfassen. Es sind aber ebenso andere Verformungseinrichtungen denkbar.

[0025] Im Schritt 5) werden das Gehäuse 2 und die Stutzen 4a und 4b spannungsarm geglüht. Die Temperatur und die Dauer des Spannungsarmglühens erfolgt nach herkömmlichen Verfahrenswerten, die von der Wahl des austenitischen Stahls abhängen.

[0026] Im Schritt 6) erfolgt ein Bohren von Durchtritten 8a und 8b durch das Gehäuse 2. Anschließend erfolgt eine mechanische Bearbeitung.

[0027] In der Figur 2 ist der Einfluss der Kaltverformung auf mechanische Eigenschaften des Werkstoffs X5CrNiTi18-10, 1.4541 dargestellt. Auf der linken Y-Achse 9 ist die 0,2%-Dehngrenze und auf der X-Achse 11 ist die Dehnung in Prozent aufgetragen. Auf der rechten Y-Achse 10 ist die verbrauchte Schlagarbeit 18 im Kerbschlagbiegeversuch nach Charpy bei minus 196°C aufgetragen. In der Kurve 12 ist ein deutliches Ansteigen der 0,2%-Dehngrenze in Abhängigkeit der Dehnung zu sehen. Bei 5% Dehnung hat die 0,2%-Dehngrenze einen Wert von 300 MPa. Bei einer Dehnung von annähernd 50% hat die 0,2%-Dehngrenze einen dreifachen Wert, der bei ca. 900 MPa liegt. Die verbrauchte Schlagarbeit 18 hingegen sinkt bei 5% Dehnung von 100 Joule auf 60 Joule bei einer Dehnung von fast 50%.

[0028] Versuche haben gezeigt, dass die 0,2%-Dehngrenze des Standardstahls X6CrNiTi18-10 durch eine 25%ige Vorverformung von 200 MPa auf 600 MPa ansteigt.

[0029] In der Figur 3 ist der Einfluss der Temperatur beim Spannungsarmglühen auf mechanische Eigenschaften des Werkstoffs X5CrNiTi18-10 bei einem Kaltverformungsgrad von 25% dargstellt.

[0030] In der Figur 3 ist auf der linken Y-Achse 9 die 0,2%-Dehngrenze und auf der rechten Y-Achse 10 die verbrauchte Schlagarbeit aufgetragen. Auf der X-Achse 15 ist die Spannungsarmglühtemperatur in Grad Celsius angegeben. Die Kurve 16 zeigt den Verlauf der verbrauchten Schlagarbeit von 250°C bis 550°C. Die Kurve 17 zeigt den Verlauf der 0,2%-Dehngrenze von 250°C bis 550°C. In diesem Diagramm ist zu sehen, dass die Eigenschaften des Stahles durch ein Spannungsarmglühen kaum verändert werden.

[0031] Durch das in Figur 1 dargestellte Verfahren können Wanddicken für Verdichtergehäuse 1 verringert werden. Dadurch wäre deutlich weniger Material erforderlich. Ein weiterer Vorteil wäre, dass Temperaturtransienten und Wärmespannungen sich verringern. Außerdem wäre die Gefahr plastischer Verformungen durch Thermospannungen verringert.


Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung von austenitischen Stählen, gekennzeichnet durch folgende Schritte:

1) plastische Verformung des austenitischen Stahles,

2) Spannungsarmglühen des austenitischen Stahles.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
bei dem im Schritt 1) die plastische Verformung durch mechanisches Dehnen erfolgt.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
bei dem der austenitische Stahl im Wesentlichen als ein Zylinder-Gehäuse (1) oder Ring (1) vorliegt und der Schritt 1) dadurch erfolgt, dass mit einer Verformungseinrichtung der Durchmesser des Zylinder-Gehäuses (1) oder des Ringes (1) geweitet und die Dicke des Zylinder-Gehäuses (1) oder des Ringes (1) verringert wird.
 
4. Verfahren nach Anspruch 3,
bei dem ein konischer Zylinder in der Verformungseinrichtung verwendet wird und das Zylinder-Gehäuse (1) oder der Ring (1) dadurch geweitet werden, indem der konische Zylinder bewegt wird.
 
5. Verfahren nach Anspruch 3 oder 4,
bei dem ein Stutzen (4a, 4b) an einer äußeren Wand (6) eines Gehäuses (2) angeordnet und in einem nächsten Schritt an das Gehäuse (2) angeschweißt wird,
wobei in einem nächsten Schritt das Gehäuse (2) mit dem Stutzen (4a, 4b) lösungsgeglüht und abgeschreckt wird und anschließend der Schritt 1) erfolgt, wobei das Gehäuse (2) aufgeweitet wird,
wobei in einem nächsten Schritt das Gehäuse (2) mit dem Stutzen (4a, 4b) spannungsarm geglüht wird und anschließend Durchtritte durch den Stutzen (4a, 4b) und das Gehäuse (2) gebohrt werden.
 
6. Verdichtergehäuse (1) aus einem austenitischen Stahl,
wobei das Verdichtergehäuse (1) im wesentlichen ringförmig ausgebildet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Verdichtergehäuse (1) mit einem der Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5 hergestellt wurde.
 




Zeichnung













Recherchenbericht